Tempel in Jerusalem

Aus Theoria Romana
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Der Tempel war ein erstaunliches Gebäude. Die Juden sahen in Jerusalem den Mittelpunkt der Welt. Gerne pilgerten sie zu den drei großen Festen des Jahres dorthin. Sie kamen dann aus allen Teilen Palästinas, aus Babylon, Rom und aus Libyen hier zusammen. Es herrschte ausgelassene Festagsstimmung, wenn sie alle ihre Volkslieder und Psalmen sangen. Man opferte Weizen, andere Getreide und Früchte, aber auch große Mengen von Tieren. Und dann gab es ein freudiges Festessen.

Der salomonische Tempel

Die Planungen für den Tempelbau in Jerusalem gingen zwar schon auf David zurück, doch begannen die eigentlich Bauarbeiten nicht vor dem 5. Regierungsjahr Salomos und zogen sich sieben einhalb Jahre hin. Das Holz für den Bau sowieso die Bau- und Zimmerleute kamen aus dem Libanon (1. Kön 5,16-32; 2.Chr 2) Im Jerusalemer Tempel - dem Nachfolger der Stiftshütte - wurde die Bundeslade als Symbol für den Bund zwischen Gott und seinem Volk aufbewahrt.

Vom Tempel Salomos wurden keine Reste gefunden, daher lässt sich der Bau nur aufgrund der biblischen Angaben und im Vergleich zu anderen gleichzeitigen Bauten rekonstruieren. Es handelte sich um einen Langraum mit drei aufeinanderfolgenden Einheiten: der Vorhalle (1. Kön 6,3; 2. Chr 3,4; Hes 40,48-49), der Tempelhalle, häufig auch "Tempel" oder nur "Halle" genannt (1 Kön 6,17.33; 8,8; 2. Chr 3,5.17; Hes 41.1.21) und dem Allerheiligsten (1 Kön 6,16.19-20.23.31; 8,6-8; 2. Chr 3,8-10; 5,7-9; Hes 41,4). Die Innenmaße sid in 1. Kön 6,2 ff. und 2. Chr 3,3 ff. mit insgesamt 60 Ellen Länge und 20 Ellen Breite angegeben (1 Elle = 53,2 cm). Die Angaben zur Höhe sind nicht einheitlich. Die Vorhalle war 20 Ellen lang und 10 Ellen breit und trennte den öffentlichen vom heiligen Bereich. Vom Hof her führten Stufen in die Vorhalle. Ein 10 Ellen breites Portal mit Flügeltüren aus Zypressenholz, flankiert von zwei viereckigen Pfosten aus Ölbaumholz (1. Kön 6,33-34), führte in die Tempelhalle; die Trennwand zwischen Vorhalle und Tempelhalle war 6 Ellen stark. Die Halle war 40 Ellen lang und 20 Ellen breit; hier wurde die meisten priesterlichen Rituale zelebriert. Licht erhielt die Halle durch Fenster. Das 20 x 20 Ellen große Allerheiligste lag im rückwärtigen Teil des Komplexes und enthielt die Bundeslage und die Cherubim. Da das Allerheiligste niedriger als die Innenmaße war, nahm man früher gerne an, dass es auf einem Podium errichtet war, zu dem einige Stufen hinaufführten. Da das Dach des für vorderasiatische Verhältnisse gewaltigen Tempelbaus ohne Mittelstreben abgestützt war, wie dies in anderen Tempeln üblich war, muss man annehmen, dass die freie Überspannung des Baus von Schrägstützen getragen wurde. Diese Stützbalken füllten somit den oberen Teil des Jerusalemer Tempel aus. Den Tempelkomplex umgab an drei Seiten ein Umgang mit Seitengemächern, der drei Stockwerke hoch war und je 30 Räume für die Aufbewahrung der Kultgegenstände und des Tempelschatzes hatte. Salomos Tempel wurde von den Babyloniern 586 v.Chr. geplündert und in Brand gesteckt (2. Kön 25,8 ff.).

Der Tempel des Serubbabel

Die dringlichste Aufgabe der aus dem babylonischen Exil zurückkehrenden Israeliten war der Bau eines neuen Tempel, wie auch im Edikt des Kyrus ausdrücklich betont wird (Esr 1,2-5). Serubbabel war es, der den Altar baute und erste Brandopfer darbrachte (Esr 3,2.6). Der Tempel konnte erst im 6. Jahr des Königs Darius I. (Esr 6,15) vollendet werden, also 516/515 v.Chr. Die wichtigste Änderung des Neubaus war das Anfügen eines äußeren Vorhofs, der den Tempel und den inneren Vorhof umgab. Dieser neue Vorhof war der Frauenhof, zu dem sowohl Männer wie Frauen Zutritt hatten, während der innere Vorhof, der "Hof Israels", den Männern vorbehalten war. Als sich in hell. die wirtschaftlichen Bedingungen verbesserten, wurde der Tempel von Zeit zu Zeit verschönert. Das Allerheiligste war leer; die Bundeslade war und blieb verschollen. Antiochus IV. entweihte diesen Tempel, der dann von den Makkabäern gereinigt und neu geweiht wurde (Dan 11,31; 1. Makk 1,23-24.46-50; 4,36 ff.).

Der Tempel des Herodes

Herodes der Große begann im 15. oder 18. Jahr seiner Regierung mit dem Bau eines neuen Tempel, der in der jüdischen Geschichtsschreibung als der Zweite Tempel bezeichnet wird. Um das Vorhaben geheimzuhalten, ließ er alle notwendigen Baumaterialien vorbereiten, bevor die eigentliche Arbeit aufgenommen wurde. 1000 Wagen und 10.000 Facharbeiter (darunter 1000 Prieter), die eine Hälfte Steinmetze, die andere Zimmerleute, führten die Arbeiten aus, die sich über 45 Jahre erstreckten; der Baubeginn lag somitum das Jahr 20 v.Chr. Durch enorme Stützmauern vergrößerte Herodes das Areal des Tempelbergs und schuf eine ausgedehnte Terrasse. Auf diesem riesigen Podium, das noch heute größtenteils erhalten ist, wurde der Tempel errichtet, wobei die Vorhöfe terrassenförmig übereinander lagen und das eigentliche Gebäude die Anlage krönte. Um den Tempelberg verliefen prächtige Säulenhallen aus Marmor. Zwei Brücken im Westen verbanden den Tempel mit der Stadt; eine von ihnen stellte sich nach den Ausgrabungen als Treppenaufgang heraus. Vor dem eigentlichen Tempel lag der innere Vorhof, der "Hof Israels", mit seinen 32 x 32 Ellen großen Altar, dem Becken für kultische Waschungen, dem Schlachthaus für die Opfertiere und den Tischen zum Vorbereiten der Weihgaben. Der Vorhof war von Magazinen für die im Ritual benötigten Materialien umgeben. Im Westen schloss sich der große Vorhof der Frau an; die dort genauten Eckräume dienten den Nasiräern (Menschen, die bestimmte Gelübde zur Enthaltsamkeit abgelegt hatten), den Lebrakranken und zum Aufbewahren von Holz und Öl.

Wie der salomonische bestand der herodianische Tempel aus drei Hauptteilen: der Vorhalle, der Tempelhalle und dem Allerheiligsten. Der Bau war nach Osten orientiert. Zwölf Stufen, in Gruppen von je drei geteilt und mit breiten Absätzen, führten vom Vorhof in die Vorhalle, die 70 x 11 Ellen maß und durch seitlich angefügte Räume auf eine Gesamtbreite von 100 Ellen, entsprechend der Höhe des Bauwerks, gebracht wurde. In der Vorhalle hing eine goldene Lampe; die rückwärtige Wand war mit Gold verkleidet und in ihrer Mitte befand sich der Haupteingang ins Heiligtum, über dem eine vergoldete Weintraube schwebte. An Mobiliar gab es in der Vorhalle nur einen goldenen und einen marmornen Tisc für die Schaubrote; der Eingang hatte keine Tür, sondern einen Vorhang. Von der Vorhalle führte eine Tür in das Heiligtum, das 40 Ellen maß und goldverkleidete Wände hatte. Dort standen der goldene Altar (1 x 1 x 2 Ellen groß) und der goldene Tisch für die Schaubrote, auf dem zwei Weihrauchbecher und ein siebenarmiger Leuchter aus Gold (Menora) ihren Platz hatten. Ein doppelter Vorhang schirmte das Allerheiligste vom Heiligtum ab. In das Allerheiligste hatte einzig der Hohepriester (an einem Tag des Jahres, am großen Versöhnungstag) Zutritt und in ihm gab es keinerlei Mobiliar.

Das gesamte Tempelgelände einschließlich der Vorhöfe war von einem brusthohen Steingeländer umgeben und allen Nichtjuden war der Zutritt verboten; sie durften lediglich den um das Tempelgelände liegenden Platz, den Vorhof der Heiden, betreten. Zwei griechische Inschriften, die in der Nähe des Tempelbergs gefunden wurden, geben darüber Auskunft. Der Tempelberg wurde über zwei Tore im Süden, das Doppel- und das Dreifachtor, betreten. Der König und die Priester hatten eigene Zugänge an der Westseite.

Der Tempel des Herodes wurden 70 n.Chr., kurz nach seiner Fertigstellung, bei der Eroberung Jerusalems durch die Römer (Niederschlagung des ersten jüdischen Aufstandes) zerstört. Nach dem Bar-Kochba-Aufstand (132-135 n.Chr.) diente der Tempelplatz den Römern als Kultstätte; dort stand vermutlich ein Jupiter geweihter Tempel. In byzantischer Zeit lag der Tempelberg verlassen. Heute steht an der Stelle des Tempel der islamische Felsendom ("Omar-Moschee"), der Ende des 7. Jh. durch die Araber erbaut und während der Kreuzfahrerzeit vorübergehend (1099-1187) in eine christliche Kirche umgewandelt wurden.

Der herodianische Tempel ist ausführlich bei Flavius Josephus beschrieben (Altert. XV, 318.380-425; Jüd. Krieg I, 40 ff.).


Quellen:
Pattloch, Foto-Bibel, 1993
Archäologisches Bibellexikon, Herausgeber Avraham Negev