Silvanus

Aus Theoria Romana
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Silvanus war ein römischer Waldgott. Er galt als einer der großen Götter des goldenen Zeitalters, als Gott des bäuerlichen Weltbildes und als Erfinder des Pflanzenbaus. Er verkörperte die teils gewalttätige Macht der Natur und des Wachstums.

Quintus Horatius Flaccus bezeichnete Silvanus als horridus (struppig), allerdings sind seine bildlichen Darstellungen meist sehr ordentlich mit langem, meist gelockten Haar und Bart.
Frühe Darstellungen zeigen ihn spärlich bekleidet, meist nur mit einem Schaffell und einer Tiermütze aus dem Fell eines Bären. Eines seiner Hauptattribute ist ein Kranz aus Pinienzapfen oder aber der Zweig eines Pinienbaumes, den er dann in Händen hält. Mit den Laren gemeinsam hatte er das Attribut des Hundes als Begleiter.
Auch sonst stand er in relativer Nähe zu den Laren und Penaten, war vielleicht sogar als ein einzeln auftretender Lar anzusehen. Ebenso wie diese wurde er nur im Privatkult verehrt. Auch wenn die Lares praestites und Penates publici im Kalender des Staatskultes vertreten waren, so waren sie hier als Schutzgottheiten des gesamten res publica zu sehen. Silvanus allerdings hatte kein öffentliches Pendant. Im Privatkult wurde er verehrt als Grenzwächter (tutor finum), jedes Haus besaß einen eigenen Silvanus domesticus. Damit beschränkte sich die Macht von Silvanus nicht nur auf die Wälder, sondern auch auf die urbaren Felder und sogar die Gärten der Häuser. So schützte er die Grenzen von Grund und Boden. Hierbei schien die Auffassung vertreten worden zu sein, dass ein Silvanus eine einzelne Grenze bewache, lehrten doch die agrimensores (Feldvermesser), dass jeder Besitz mindestens drei Silvani haben müsse (so dass ein Dreieck gebildet werden kann).
Diese Rolle als Grenzwärter ist durchaus auch gesellschaftlich zu verstehen. Das Leben in der Antike spielte sich zwischen gegensätzlichen Polen ab: Öffentlichkeit – Privatbereich, Arbeit - Muße (negotium et otium), städtischer Wohnung - Villa rustica (urbanus et rusticus) und auch Staatskult – Privatkult. Ebenso sein Auftreten als einzelne Person, war man doch auch allein, wenn man über Felder und Wiesen reiste.

Als Fruchtbarkeits- und Feldgott hatte Silvanus traditionell eine enge Verbindung zu Mars. Cato beschrieb eine Zeremonie für die Gesundheit der Rinder, die Marti Silvano vollzogen wurde. Unklar ist, ob es sich hierbei um zwei Numina oder um ein numen mixtum mit dem Namen Mars-Silvanus handelte. Weiter heißt es hier, dass bei diesem Ritus keine Frau beteiligt sein soll, noch sehen soll, wie dieser durchgeführt wird.
Die enge Beziehung der beiden Gottheiten erinnert an die gemeinsame Anrufung des Mars und der Laren zu Beginn des Arvalliedes. Auch erinnert dieses rein männliche Ritual an das der Arvalbrüder zu Ehren der Laren und deren Mutter.

Der Kult des Silvanus war alt und stimmte vermutlich mit dem des etruskischen Gottes Selvans überein. Wenngleich Selvans als Jüngling dargestellt wurde, ist dies zu vernachlässigen, da die Etrusker allgemein jüngere Gottheiten bevorzugten. So wurde Culsans als Entsprechung des Ianus auch jugendlich dargestellt.
Selvans trug meist ebenso wie Silvanus ein Schaffell als Bekleidung, ebenfalls gleich war das lockige Haar. Zudem trug Selvans häufig feine Fellstiefel und einen torques, einen gewundenen Halsreif.

Als jagender Gottheit wurde ihm die Jagd auf Bären zugeschrieben, so wie der Diana die Jagd auf Eber vorbehalten war und dem Hercules die Löwenjagd. Vermutlich sollte damit das Alter des Kultes unterstrichen werden, indem ihm diese urtümliche Jagd zugedacht wurde. Auch lieferte dies eine Erklärung für die häufig dargestellte Bärenmütze.

Eine etwas eigenwillige Interpretation erhielt Silvanus unter Kaiser Hadrian. Um seinem Geliebten Antinous, der im Nil ertrunken war, kultische Verehrung zukommen zu lassen, gab es zahlreiche Erinnerungsmale, die den Verunglückten in Silvanusgestalt zeigten. Hier zeigte sich der Gott sehr häufig in Gesellschaft der Diana als weiterer Waldgottheit. Diverse Vereinsgründungen nannten Diana und Antinous-Silvanus als ihre Schutzgötter.

Als Vereinsgottheit war Silvanus überhaupt sehr beliebt. Vor allem in der Kaiserzeit erlebte sein Kult regen Aufschwung mit der Ausdehnung des Imperiums und der Angleichung fremder Wald- und Flurgottheiten. Vor allem unter der ländlichen Bevölkerung erfreute sich der Gott großer Beliebtheit, doch auch unter den Soldaten. Der Großteil der Veteranenvereine benannten ihn als ihren Schutzgott, sie selbst bezeichneten sich als collegia, cultores, sodalicia oder familiae Silvani. Hier änderte sich seine Darstellung auch vom Schaffell tragenden Gott und er zeigt sich in der feinen Toga der Vereine. Einzig der Hund als Attribut begleitet ihn auch hier.

Die genaue Abgrenzung zwischen Silvanus und Faunus fällt schwer. Beide Gottheiten wurden mit den Stimmen in den Wäldern in Verbindung gebracht, womit beide eher ein akustisches Numen denn ein visuelles waren. In den meisten Fällen wurden solche Stimmen und andere unerklärliche Phänomene im Wald mit Fauni et Silvani benannt. Beides waren Wald- und Vegetationsgottheiten. Für beide Götter wurde eine Gleichsetzung mit dem griechischen Pan mehrfach in der antiken Literatur bezeugt.
Erst ab Horaz wurde Pan nur dem Faunus zugeordnet, und diesen beiden Gottheiten gemein war das Zeichen des Ziegenbocks, der bei Silvanus keinerlei Rolle spielte. Silvanus trug ein Schaffell und auch als Opfertier hatte die Ziege bei ihm keine besondere Rolle. Dafür wurde dem Silvanus der Bär zugeordnet, der wiederum bei Faunus nicht auftauchte.

Typische Opfertiere für Silvanus waren Widder und Schwein. Ein Schwein, das ein bereits bestelltes Feld verwüstet hatte, wurde für Silvanus üblicherweise gejagt, erlegt und Silvanus noch am selben Tag geopfert.
Frauen und kleine Kinder waren von seinem Kult ausgeschlossen, da man glaubte, dass er diese rauben wolle. So rief man aus diesem Grund auch einige Gottheiten (wie Deverra, Intercidonia oder Piluminus) an, um seine zerstörerische Kraft abzuwenden.

In der Nähe der etruskischen Stadt Caere (das heutige Cerveteri) besaß Silvanus einen ihm geweihten Hain. In Rom selbst hatte er keinen großen Tempel, aber vermutlich einen kleinen in der Regio V sowie einen gemeinsamen mit Hercules in der Regio XII. Da er hauptsächlich im heimischen Privatkult verehrt wurde und nicht im Staatskalender auftaucht, mag sich dies leicht erklären.


Literatur:
Simon, Erika: Die Götter der Römer, Hirmer Verlag GmbH München 1990.
Lücke, Hans-K. und Susanne: matrixwissen: Die Götter der Griechen und Römer, Matrix Verlag GmbH 2007
Der Kleine Pauly, Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co. KG, München, 1979.