Attius Navius

Aus Theoria Romana
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Attius Navius war ein Augur, der zur Zeit der Herrschaft des Königs Tarquinius Priscus gelebt haben soll. Um seine Person ranken sich wohl mehr Legenden als Tatsachen. Er galt bei den Römern jedoch als der berühmteste aller Auguren.

Zur gleichen Zeit wie der König Tarquinius Priscus, lebte und wirkte, wie die Sage meldet, Attius Navius, ohne den der König nichts Wichtiges unternahm, und der auch alle heiligen Plätze, namentlich den Tempelraum der capitolinischen Gottheiten, weihte. Sein Ansehen wurde insbesondere durch einen legendären Vorfall begründet: Sein Vater war ein armer Landmann, und so musste Attius Navius dabei helfen die Schweine zu hüten. Bei dieser Arbeit schlief er irgendwann ein, und als er aufwachte, waren die Schweine weggelaufen. Der Knabe war trostlos und fürchtete sich vor der Züchtigung des Vaters. Da ging der in seiner Angst schwelgende zum Heiligtum der Laren und bat diese mit einem Gelübde, ihm bei der Findung der Schweine behilflich zu sein. Zum Lohn wollte er ihnen die größte Taube im Weinberg opfern.

Nachdem sich die Schweine gefunden hatten, war er in Verlegenheit, wie er sein Versprechen erfüllen und die große Taube ausfindig machen sollte. Da wandte er sich wieder an die Götter und bat sie, ihm durch den Vogelflug die Gegend anzuzeigen, wo die Taube zu finden wäre. Er teilte zu diesem Zwecke den Himmel durch eine in Gedanken gezogene Linie in zwei Teile und beobachtete die Vögel in beiden. Als durch deren Anzeichen die eine der beiden Seiten für die bessere erklärt war, schnitt er diese durch eine Querlinie wieder in zwei neue Hälften und so weiter, bis er, in dem genannten Raum angelangt, wirklich eine Taube von wunderbarer Größe erblickte.

Sein Vater sah ihn die Taube zum Heiligtum der Laren tragen und indem er ihn über die Geschichte ausfragte, erkannte er , dass eine göttliche Gabe dem Knaben innewohne. Er brachte ihn daher in die Stadt, um ihn in den Schriften unterrichten zu lassen, zuletzt führte er ihn auch zu einem Augur. Navius brachte es mittels solchen Beistandes von außen so weit, dass er der größte Augur seiner und der vorhergehenden Zeiten wurde, dass man aus der Nähe und Ferne herbeiströmte, um seine Weissagungen anzuhören. Die Augurencollegien aller Staaten konsultierten ihn und der König Tarquinius berief ihn zu sich und unternahm nichts, ohne diesen vorher zu befragen.

Der König Tarquinius beabsichtigte eines Tages wohl aus der Plebs ganz neue Tribus und Rittercenturien zu schaffen. Allein dieses Vorhaben scheiterte an dem Widerstande des Attius Navius. Er hielt ihm entgegen, ohne Genehmigung der Vögel dürfe nichts an den Einrichtungen geändert werden, die Romulus nach Befragung des Vogelflugs getroffen habe. Ärgerlich über diesen Widerspruch, spottend über die Kunde, gab ihm der König auf, aus dem Vogelflug zu erforschen, ob es möglich sei das zu tun, was er in diesem Augenblick denke. Der Augur, nachdem die Vögel befragt wurden, antwortete, dass es möglich sei. Der König erwiderte daraufhin: So schneide mit diesem Schermesser diesen Schleifstein entzwei, denn dies war es, was ich mir gedacht hatte. Der Augur führte es aus. Verblüfft über diese Tatsache, verzichtete Tarquinius auf sein Vorhaben und begnügte sich innerhalb der hergebrachten drei Tribus und Rittercenturien die Anzahl der Geschlechter und Ritter zu verdoppeln. Das Schermesser und der Schleifstein wurden zum Andenken an die merkwürdige Tat auf derselben Stelle auf dem Comitium, wo sie geschehen war, vergraben, und eine Einfassung (puteal) darauf gesetzt; daneben, an den Stufen der Curie, wurde dem Attius ein ehernes Standbild errichtet.


Literatur:
Hartung, John Adam: Die Religion der Römer, Bd. 1, Erlangen 1836.
Schwegler, Albert: Römische Geschichte, Bd.1, Tübingen 1853.