Soldaten auf dem Weg nach Mantua...

  • Die Sonne stand noch nicht lange über dem Horizont, als zwei Cohorten der LEGIO I TRAIANA mit ihrem Tross das Lager in der Nähe von Rom verliessen und sich auf den Weg nach Ostia machten. Der Transport nach Norden sollte bis Genua von der Flotte durchgeführt werden, um ein paar Tage Fußmarsch zu sparen.


    Der Tross bestand aus vielen Tragtieren und Wagen und führte diverse Baugeräte mit. Die Soldaten waren schwerer beladen als bei einem Feldzug, da sie diesmal wirklich alles mit nehmen mussten, was ihr Eigentum war. Einige hatten einen Teil ihre Besitzes allerdings auch bei Zivilisten untergebracht, von denen sie wussten, dass sie ebenfalls nach Mantua ziehen würden. In den nächsten Wochen würde auf der Via Aurelia sicher mehr Verkehr nach Norden sein als üblich.


    Die Soldaten winkten der Bevölkerung zu, die sich vor dem Tor des Lagers versammelt hatte, um sie zu verabschieden und warfen einen leicht wehmütigen Blick zurück auf Rom. Die Hauptstadt würden sie so bald nicht wieder sehen, das wussten sie. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, stimmten einige der Optiones fröhliche Marschlieder an und schon bald schallten in Rhytmus der benagelten Sandalen tatsächlich einige launige Soldatenlieder über die Landstraße nach Ostia.

  • Nachdem die Soldaten am frühen Abend den Hafen erreicht hatten und ihre Ausrüstung auf die Schiffe verladen hatten, die im militärischen Teil der Kaianlagen festgemacht waren, verbrachten viele von ihnen den Abend in den Tavernen von Ostia.


    Am nächsten morgen zelebrierten einer der Tribunen und der Praefectus Castrorum vor dem Capitol der Hafenstadt ein kleines Opfer, um für eine glückliche Überfahrt zu beten. Ein Augur betrachtete den Rauch und das Opfertier und sagte ruhige See und einen milde gestimmten Wind voraus. Jeder der vielen Fischer in der Hafenstadt hätte nach einem Blick auf die Wolken und auf das Meer das selbe vorausgesagt, aber die LEGIO I darf nun einmal nicht ohne den Segen der Götter losziehen.


    Anschließend gingen sie zu Pier XIX und betraten die Temperstas. Der Praefectus Castrorum hatte für den Kapitän noch einen Brief von Legat Macer dabei, den er ihm aushändigte.
    Als alle Soldaten auf den Schiffen waren, übernahm der nautische Kommandeur der kleinen Transportflotte das Kommando und ein Schiff nach dem anderen machte die Leinen los und segelte durch die Hafenausfahrt.

  • Die Stimmung der Männer besserte sich.
    Mit jedem Schritt, der sie weiter von Rom getragen hatte, blickten die Soldaten optimistischer in die Zukunft.


    Obwohl sie hundemüde in Ostia ankamen, wurde keine Verschnaufpause gewährt. Immerhin galt es, so schnell als möglich Mantua zu erreichen.


    Auch Sophus war der Einheit zugeteilt, die jenes weit entfernte Kuhdorf in eine mächtige Festung der römischen Armee verwandeln sollte. Der Kommandeur der kleinen Flotte lies, nachdem sich die Soldaten in den engen Räumlichkeiten der eleganten Schiffe eingefunden hatten, sofort die Anker lichten.


    Sophus beschloss, sich auf der Tempestas etwas umzusehen.
    Er wunderte sich, dass entgegen den Gepflogenheiten der Flotte keine Galeeren eingesetzt wurden.
    Die Schiffe legten ein ordentliches Tempo vor und alsbald war Ostia am Horizont nicht mehr auszumachen.


    Mehr und mehr Kameraden kamen auf Deck, um der stickigen Luft im Schiffsbauch entrinnen zu können und natürlich auch, um ihre kleine Flotte der Morgensonne entgegenfahren zu sehen.

  • Ich blickte über das Deck. Auch wenn die Tempestas ein großes Schiff war, standen mir doch zu viele Legionäre an Deck.


    "Legionäre, ab sofort sind nur noch 20 von euch gleichzeitig an Deck! Ihr steht meiner Besatzung beim Segel setzen im Weg. Tut mir leid, aber es geht nicht anders."


    Ich sah mich um. Die Tempestas war deutlich schneller als die anderen Schiffe.


    "Groß- und Besansegel reffen! Wir sind zu schnell!"


    Sofort rannten die Nautae los und refften die Segel wie befohlen. Wir verloren etwas an Fahrt, und schon bald waren wir wieder in Formation.

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  • Die Soldaten gingen unter Deck, gaben sich noch eine Weile dem Würfelspiel hin und dösten am Ende in dem stickigen Raum.
    Erst gegen Mittag brachte der Koch der Einheit einen riesigen Topf randvoll gefüllt mit altem Haferschleim, welcher von den Legionären weniger aus Begeisterung über solch - für die Legionen typische - Kochkunst, sondern vielmehr aus Notwendigkeit rasch verschlungen wurde.


    Die Tempestas schien gute Fahrt zu machen. Hin und wieder hatte man das Gefühl, als bremsten die Seemänner das Schiff, um den restlichen Booten nicht zu entfliehen.

  • Nach einiger Zeit ging ich mal unter Deck.


    "Salve, Legionäre. Ich hoffe, ihr fühlt euch halbwegs wohl an Bord. Ich gebe mir jedenfalls große Mühe, dass dieses Schiff so wenig wie möglich schaukelt. Ist aber nicht leicht, zu dieser Jahreszeit. Wenn alles glatt geht, sind wir heute abend bereits in Genua. Falls jemand fragen zu diesem Schiff hat, kann man sich gerne an mich wenden. Es ist sicher schon aufgefallen, dass es anders ist als die anderen Schiffe der Classis."

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  • Als der Trierarchus persönlich unter Deck kam, ging ein Raunen durch die schläfrigen Reihen der Legionäre. Dämmerzustand wich Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit wich Erleichterung, als man erfuhr, dass bereits zu abendlicher Stunde mit einer Ankunft in Genua zu rechnen sei.
    Als Nauticus den Raum verlassen wollte, meinte Sophus:


    "Salve! Dies ist keine Galeere, auch keines von den Booten, die in meiner Jugendzeit den Rhenus befuhren. Schnittig in der Form des Rumpfes, wendig wie ein Reiter in der Schlacht und doch mit ausreichend Laderaum versehen...sprich, ist dies eine Spezialanfertigung, gar eine neue Bootsklasse der Flotte?"

  • "Dieses Schiff ist in der Tat eine Spezialanfertigung. Es gehört, wie ich auch, zur Classis Germanica. Ich weiß nicht, ob du schon mal auf dem Oceanus Germanicus warst. Jedenfalls ist die See dort extrem stürmisch, und die üblichen Schiffstypen halten einem solchen Seegang nicht stand. Deshalb habe ich dieses Schiff entwickelt. Es ist ein reines Segelschiff, optimiert auf Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit. Es ist absolut hochseetauglich. Aber es hat auch Nachteile. Es ist nicht für den Nahkampf geeignet. Und es bedarf einer außergewöhnlich guten ausbildung der Nautae, um damit navigieren zu können. Außerdem ist es extrem teuer. Deshalb wird die Tempestas wohl das einzige Schiff dieser Art bleiben. Wenn du mehr erfahren möchtest, kann ich dir gerne das Schiff zeigen."

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  • "Nein, ich habe leider nie den Oceanus Germanicus gesehen.
    Die Vorteile dieses Schiffes auf hoher See liegen auf der Hand, doch bleibt ihm beim Anblick eines bis an die Zähne bewaffneten feindlichen Kriegsschiffes nicht nur die Flucht? Ich interessiere mich für die Bewaffnung des Schiffes - da es, wie du sagtest, nicht für den Nahkampf geeignet ist, auf welche Art und Weise kann es überhaupt gegen Feindschiffe bestehen?"

  • "Wir haben insgesamt sechs Ballisten an Bord. Momentan sind sie in Einzelteile zerlegt, um Platz zu schaffen, aber im Einsatz werden sie aufgebaut. Drei nach Backbord, und drei nach Steuerbord, jeweils neben den drei Masten. Als Munition haben wir Eisenbolzen und bronzene Hohlbolzen. Die Hohlbolzen werden mit Naphtha gefüllt und vor dem Abschuss angezündet. Wir haben bereits ein Piratenschiff versenkt, und glaub mir, die Dinger brennen gut. Wir kämpfen also auf Entfernung und nutzen dabei unseren Wendifkeits- und Geschwindigkeitsvorteil."

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  • "Das ist alles sehr interessant. Für mich als Laien auf dem Gebiet der Seefahrt hört es sich so an, als gehöre deiner Konstruktion die Zukunft, da es sicher besser ist, dem Gegner ausweichen zu können und einen verlustreichen Nahkampf zu meiden.
    Sage mir, man erzählt sich, die Barbaren hoch oben im Norden seien noch grausamer und wilder als jene etwas nördlich der Alpen.
    Was hast du erlebt, als dies Schiff solch finstere Gewässer durchfuhr?"

  • "Nun, ich sah sie nur aus der Ferne. Die zum Beispiel Frisii leben auf kleinen, künstlichen Hügeln, die bei Sturm ganz vom Meer umgeben sind. Wer ein solches Leben aushält, muss unglaublich entschlossen und wild sein. Ich sah auch ihre Boote, mit denen sie zum Fischen hinaus fahren. Es sind wirklich seefeste Konstruktionen. Wenn sie jemals auf die Idee kommen, größere Schiffe zu bauen, wird das sicher eine Herausforderung für die Classis. Und dann sind da noch die Wälder. Überall Wälder. Entlang der Amisia, und entlang der Visurgis. Wo auch immer man hinsieht, Wälder, und keine anzeichen von Menschen. Aber sie waren da, und beobachteten uns. Ich halte die nördlichen Germanen wirklich für extrem gefährlich."

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  • Sophus lief es kalt den Rücken hinunter.


    "Mir schaudert bei deinen Berichten. Dies Schiff muss wahrlich von den Göttern geliebt werden, dass es solch bedrohliche Gefilde heil bereisen konnte.
    Die Barbaren aus dem Süden, in dem ich geraume Zeit wohnte, sind sehr kultiviert, teils gar wichtige Verbünderte...und doch sind sie seltsamerweise nicht durch ein Band der Freundschaft, sondern durch einen undurchsichtigen Nimbus des Argwohns verbunden.
    Wir sollten beten, dass es sich mit den Wilden aus dem hohen Norden ebenso verhält, denn ich zweifle, dass unsere Verteidigung einem gezielten Angriff vieler verbündeter Stämme standhalten kann.
    Welch Wahnsinnsbefehl trieb euch übrigens in jene Ränder des Erdenkreises?"

  • "Ich suchte die Möglichkeit, das Kommando über ein Schiff zu kriegen. In Germanien bekam ich es, wenn zunächst auch nur über einen Kutter. Mit diesem kleinen Kutter, gerade mal acht Mann Besatzung, kartographierte ich die gesamte Küste zwischen Rhenus und Visurgis, sowie einen Teil der Amisia. Dafür erhielt ich drei Phalera. Meine Karten sind sehr sorgsam ausgearbeitet, und verzeichnen den Verlauf der Fahrwasser. Aber um Auszeichnungen geht es mir nicht. Ich bin gerne Kapitän, so wie früher, als Zivilist. Und ich nutze gerne meine Fähigkeiten. Wozu sonst sollte ich Astronomie, Kartographie und Mechanik studiert haben? Ich fahre schon etwa 20 Jahre zur See, davon ein halbes in Diensten der Classis. Und inzwischen gefällt mir Germanien eigentlich ganz gut. Die See dort hält noch Herausforderungen bereit. Ich habe mit dem Kutter einen leichten Herbststurm durchquert. Ich bin mir sicher, dass ich mit der tempestas selbst durch einen schweren Orkan komme, wenn das nötig ist. Und ich habe davon gehört, dass germanische Piraten die Gewässer unsicher machen. Der Platz eines Kapitäns ist dort, wo man seine Fähigkeiten braucht. Germanien ist dafür ideal."

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  • Der Wind schien stärker aufzukommen und das Knurren des Holzes wurde lauter, doch die Besatzung schien alles unter Kontrolle zu haben. Die Legionäre waren nun, da die gröbste Mittagshitze verschwunden war, munter beim Würfelspiel versammelt.


    "Drei Phalerae? Ach...ja, ich erinnere mich. Deine Auszeichnungsurkunde war damals direkt neben meiner angeschlagen gewesen. Wie klein die Welt doch ist!
    Sehr ungewöhnlich ist diese Menge an Auszeichnungen und im Normalfall würde ich dies als verschwenderisch bezeichnen. Doch du hast jede einzelne verdient. Freiwillig in die Gefahr zu reisen, um Forschungsarbeit zu verrichten, dem muss höchste Achtung gezollt werden. Wahrscheinlich werden diese Karten in der Zukunft größeren Nutzen haben, als alle neuen Waffentechniken."

  • Sophus, der nebenher den Panzer gesäubert hatte, hielt einen Moment inne und dachte nach.


    "Tja, was hat mich zur Legion gebracht? Wenn ich mir das Essen hier so ansehe, frage ich mich das auch..."


    Er deutete schmunzelnd auf die Eintopfreste, wurde aber gleich wieder ernst.


    "Nein. Du wirst vielleicht überrascht sein, doch ich kam nicht zu den Legionen, um etwas von der Welt zu sehen - schließlich war ich Kaufmann in Grinario.
    Nein, es war das Gefühl, etwas für Rom, welches mir über all die Jahre hinweg wie verschwommene Kindheitserinnerungen anmutete, tun zu wollen, ja zu müssen.
    So kämpft jeder seine eigene Schlacht...
    Seltsam, oder?"


    Aurelius kramte zwei Becher und einen Lederbeutel hervor.


    "Etwas Wein?"

  • "Gerne."


    Ich nahm einen Schluck.


    "Da sag noch mal jemand, dass sich Legion und Classis nicht verstehen. Wir sind aufeinander angewiesen. Ohne Legionen gibt's keine sicheren Häfen, und ohne Classis gibt's keinen sicheren Nachschubtransport.
    Du sagtest, du warst Kaufmann. Das ist interessant. Ich war Reeder. Mir gehörten drei Schiffe. Ich war sogar mal richtig reich. Bis das falsche Schiff untergegangen ist. Dann war ich pleite und ging zur Classis. Und Neptun freute sich über Seide und Edelsteine im Wert von... ich weiß es nicht mehr genau, aber es müssen hunderttausende von Sesterzen gewesen sein."

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  • Sophus grinste.


    "Dies also ist die Erklärung, dass dir Neptun so gewogen ist. So können wir beruhigt auf die Ankunft in Genua warten.
    Im Grunde bin ich noch immer Kaufmann. Allerdings machen andere die Arbeit für mich, während ich in der Legion diene.
    Einer meiner Betriebe ist übrigens auf Sizilien gegründet worden.
    Es handelt sich um eine Fischerei. Ach, ich sage dir: Es ist ein Kreuz mit diesem hohen Wellengang dort. Ständig erreichen mich Schreiben über Schäden an den Booten. Zum Glück ist bisher noch keiner meiner Arbeiter zu Schaden gekommen, doch manchmal ist die See dort unten sehr gefährlich...besonders der Herbstwinde wegen."


    Der Legionär nahm einen weiteren Schluck des Landweines.


    "Aber du hast recht: Die Lebensadern Roms führen über die See. Gut zu wissen, dass ihr auf die Handelsschiffe aufpasst. Ginge eine der Ladungen verloren wäre ich in der Tat ruiniert..."

  • "Das Problem mit deinen Fischerbooten kann ich vielleicht lösen. Folge mir."


    Wir gingen in die Kapitänskajüte. Ich öffnete einen Schrank und holte die Baupläne der Tempestas heraus. Dann nahm ich eine Wachstafel und einen Bronzegriffel.


    "Also, wenn du den Rumpf der Boote leicht V-förmig baust, so wie den der Tempestas, liegen sie viel stabiler im Wasser." Ich skizzierte den Querschnitt auf der Wachstafel.
    "Dazu noch Bug und Hech etwas hochziehen, dann brechen auch höhere Wellen nicht über das Boot." Ich skizzierte auch das in Form einer Seitenansicht. "Das dürfte das Geschäft etwas sicherer machen." Ich gab ihm die Wachstafel.

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