Am Golf von Neapolis - Oh großer Freiheit jähes Ende

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    Silas würgte und spuckte. Die Freiheit war zum Kotzen.
    Es war nur eine sanfte Brise, die die Segel der „Krösus“ blähte, und kleine Wellen mit Schaumkrönchen wie hüpfende Lämmer, die den bauchigen Rumpf in den Golf von Neapolis trugen. Ein atemberaubendes Panorama erstreckte sich vor dem Bug, an die lichtblauen Fluten geschmiegt lagen hier die berühmten Städte wie Edelsteine in einem Geschmeide, das stolze Misenum, das luxuriöse Baiae, das quirlige Neapolis, und am Horizont erhob sich imposant die Silhouette des Mons Vesuvius. Die Geschichte von dessen Ausbruch, vom Untergang Pompeis, hatte den jungen Silas seit jeher schauerlich fasziniert, und er hatte sie nicht oft genug hören können, aber jetzt entlockte dessen Anblick ihm kaum ein müdes Aufschauen, denn erneut krampfte sich sein Magen zusammen und über die Reling gekrümmt spuckte er noch eine Mundvoll Galle ins schimmernde Azur.
    Als Schiffsjunge war er eine Null. Schon bei kleinsten Windhauch und Wellengang rebellierte sein Magen und seit dem Auslaufen aus dem Hafen von Ostia war er aus dem Kotzen gar nicht mehr herausgekommen. Selbst der raue Spott der Matrosen, die den jungen Abenteurer anfangs noch aufs Korn genommen hatten, war mittlerweile einem mitleidigen Ignorieren gewichen.
    So hatte Silas sich das alles nicht vorgestellt. Auf den Weltmeeren sein Glück zu machen, dann wettergegerbt und mit exotischen Reichtümern versehen heimzukehren, dann seine Familie freizukaufen und seiner Mama ihr eigenes Bauernhaus zu schenken... und dann Vigil zu werden...
    ... das würde so wohl nicht funktionieren. Außerdem vermisste er schon jetzt ganz doll seine Familie (sogar seine mega-nervigen Eltern erschienen rückblickend gar nicht mehr so übel), seinen Kumpel Paulinus, Nachbars Camilla und die wunder-wunderhübsche Grian, die Brettspiele mit Dominus Casca, ja sogar an die sabbernden Molosser und seine Arbeit als Mundschenk – da wusste er wenigstens was er tat, hier auf der Krösus schien er immer alles nur falsch zu machen - dachte er wehmutsvoll zurück. Grüngesichtig an ein Stag geklammert sah der Jüngling unverwandt zum rettenden Land...

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  • Von zwei Ruderbooten gezogen, gelangte die Krösus in den Handelshafen von Misenum, wurde eng zwischen anderen Kauffahrern vertäut. Dicke Wergkissen lagen an den Seiten der Schiffe, es quietschte und knarrte, als die Rümpfe im leichten Schwell, der auch hier im Hafenbecken herrschte, langsam auf und nieder schaukelten. Eine Planke wurde zum Kai gelegt, ein würdevoller Hafenmeister erschien, doch alsbald waren er und der Kapitän in ein lautstarkes Streitgespräch verwickelt: die Krösus war durch widrige Winde verspätet eingetroffen, der Platz am Ladekran längst anderweitig vergeben. So kam es, dass die Matrosen, und mit ihnen der noch immer ganz grüngesichtige Silas, kurz darauf - wie die Ameisen - Amphoren, Ballen und Kisten an Land trugen, angetrieben von einem übellaunigen Maat. Die schweren Lasten wollten dem jungen Mundschenk schier den Rücken zerbrechen, und immer neue Pakete tauchten aus den Tiefen des Laderaumes auf.
    Schweißgebadet und keuchend sackte Silas auf einen Poller.
    "Na Junge," Der Maat - ein beeindruckender Goldring blitzte in seinem Ohr - nahm Silas ins Visier. "Schon müde?"
    So fix und fertig war Silas, das diese winzige Äusserung vermeintlichen Mitgefühls ihn mit echter Dankbarkeit erfüllt
    "Puh," ächzte er, "Ich muss nur kurz durchatmen... eine klitzekleine Pause machen."
    "Eine klitzekleine Pause möchte er machen, harrharr" lachte ihn der grobe Gesell aus, "Faulpelz! Ausruhen kannst du wenn du tot bist!"
    Ein fieser Hieb mit dem Tauende scheute Silas zurück zu den Lastenträgern. Dann ging es ans Beladen: Wagen um Wagen voll Getreidesäcke fuhr vor.


    Wie er diesen Tag überlebt hatte, hätte Silas später nicht mehr sagen können, doch kurzum: er tat es. Abgekämpft, jeder Muskel schmerzend, lag er abends auf der Kaimauer und kaute auf einem Kanten Brot. Blöderweise hatte das Schwanken auch an Land noch nicht ganz aufgehört, doch sein Magen machte wieder mit und er war verteufelt hungrig. Die Krösus sollte morgen schon wieder auslaufen, aber eines war klar: keinen Fuß mehr würde Silas auf diesen Seelenverkäufer - oder überhaupt auf schwankende Planken – setzen!!! Nach Lohn wagte er gar nicht zu fragen, aus Angst man würde ihn nicht gehen lassen oder ihm noch einen Fußtritt mitgeben, und Besitztümer hatte er auch keine an Bord, war er ja mit nichts als seinen Kleidern am Leibe ausgerissen.
    Ob das so eine gute Idee gewesen war... fragte sich Silas nicht zum ersten Mal... als er sich nun davonstahl.
    Palmen säumten die belebte Hafenpromenade, auf der es Menschen und Waren aus aller Herren Länder zu sehen gab. Manchmal auch Menschen, die Ware waren... Silas wandte den Blick ab, als ein Dutzend Sklaven aneinandergekettet und nahezu nackt vorübergetrieben wurden. Ein Trupp Classissoldaten auf Landgang steuerte zielsicher Richtung Kneipe. Dann bestaunte Silas eine lichterreiche Luxusbarke, die gerade Richtung Baiae ablegte. Musik wehte über das Wasser und die Frauen, die man dort zwischen Blumengirlanden auf dem Deck erspähen konnten, schienen Silas wie Göttinnen so schön... und zugleich ebenso entrückt.

  • Gebannt von der Aussicht auf die Luxusbarke und auf seine Schritte kaum achtend, prallte Silas mit einem Mal gegen eine breite Brust. Aufblickend sah er gestählte Arme, ein stiergleiches Kreuz und darüber ein bekanntes Gesicht: es war Arkadios!
    [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/3ix9k7of.jpg|Decimianus Arkadios
    "Salve Silas."
    Im allerersten Moment war es tatsächlich so was wie Erleichterung, die Silas durchzuckte. Nach all der Grobheit und Fremdheit, die sein Abenteuer mit sich brachte - zum ersten Mal wieder ein vertrautes Gesicht. Custos Arkadios, einer der Beschützer der Casa Decima, eines der Idole des jungen Silas, bärenstark und niemals aus der Ruhe zu bringen und... gewiss nicht ohne Grund hier...!
    Jetzt erst durchfuhr Silas der angemessene Schreck. Er war ein Fugitivus! Nur weg hier!! Er fuhr auf dem Absatz herum... und sah sich Pelias gegenüber. Dem Compagnon des Arkadios.


    Decimianus Pelias| [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/xqestx4r.jpg]


    "Na du hast uns ja ganz schön auf Trab gehalten."
    Pelias näherte sich, wie ein Tiger der Beute. Was jetzt?! Silas setzte zu einem beherzten Sprung ins Hafenbecken an, doch wie Schraubstöcke schlossen sich Arkadios' Hände um seine Schultern.
    "Lass es."
    Silas ließ es.

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  • [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/3ix9k7of.jpg|Decimianus Arkadios


    Decimianus Pelias| [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/xqestx4r.jpg]


    Auf der Via, einige Meilen nördlich von Misenum, sah man am folgenden Tag unter sengender Sonne drei Gestalten: Zwei Reiter, einer hühnenhaft, einer drahtig, gelassen ihre Pferde lenkend. Und hinter ihnen, mit gebundenen Händen, von denen ein Strick zu Arkadios' Sattel führte, der wieder eingefangene Ausreißer. Leidig schlurfte Silas durch den Straßenstaub, vorbei an Zypressen, Ginster, mageren Ziegen und einer gaffenden Ziegenhüterin.
    "Ich hab Durst." klagte er. "Und mir tun die Füße weh. Ich habe bestimmt schon Blasen."
    "Reiß dich zusammen." verlangte Pelias.
    Doch Arkadios verhielt sein Pferd und gab Silas den Trinkschlauch.
    "Was machst du auch so einen Blödsinn."
    Silas trank in tiefen Zügen von dem Posca.
    "Sei froh, dass wir dich gefunden haben, und nicht ein Sklavenjäger. Wir bringen dich heim."
    "Pah, und was seid ihr, wenn nicht: Sklavenjäger! Elende Sklavenjäger! "
    "Sag das nochmal und wir besorgen uns eine Peitsche!" Pelias Augen blitzten zornig. Da gab Silas klein bei, und schlurfte verstockt weiter hinter den beiden her. Das Leben war so unfair!


    "Das mit der Peitsche habe ich nicht so gemeint." sagte Pelias, als er sich eine Meile später wieder abgeregt hatte, im Sattel zurückgewandt zu dem Gefangenen. "Aber Silas, wirklich, du musst lernen: jegliches Handeln hat seine Konsequenzen."
    Blablablah dachte Silas.
    "Was dir kurzfristig lustvoll erscheint – fortzulaufen, einem Gaukelbild von Freiheit nachzuhaschen – bringt dir langfristig viel Unlust. Was dir hingegen kurzfristig mühsam erscheint – nämlich deinen dir in der Welt gegebenen Platz klaglos auszufüllen – das ist es, was dir langfristig Seelenruhe und die Freiheit von Schmerzen bescheren wird. Begnüge dich mit dem dir gegebenen. Sieh überhaupt mal was dir gegeben ist: es ist viel mehr als manch anderer nur zu hoffen wagt."
    "Du hast gut reden." maulte Silas. "Ihr seid doch beide freigelassen."
    "Was wir erlangt haben, indem wir den Platz, an den uns das Geschick gestellt hat, sehr gut ausgefüllt haben."
    "Und dies noch immer tun." ergänzte Arkadios.
    "Auch wenn auch wir vielleicht Lust hätten" erklärte Pelias etwas wehmütig, "etwas ganz anderes zu tun als verwöhnte Haussklaven durch ganz Italia zu verfolgen."
    "Pfff.... was denn?"
    "Etwas sinnvolles."


    "Ich für meinen Teil, würde jetzt gerne eine schöne Muräne im Teigmantel verspeisen." Schwärmerisch legte Arkadios den Kopf in den Nacken. "In dieser kleinen Küstencaupona in Circeii. Wir sollten dort Rast machen."
    "Es ist ein Umweg."
    "Aber köstlich."
    "Du und deine Muränen."
    "Für mich gehören sie nun mal zu den höchsten Genüssen." Arkadios lachte, und die beiden fuhren fort sich freundschaftlich zu kabbeln. Silas seufzte abgrundtief und schlurfte mit hängendem Kopf über das Pflaster. Das würde ein langer Heimweg werden...


    "Hast du mir nicht erzählt, dass du durch eine Muräne versklavt wurdest?!"
    "Nein, durch einen korrupten Phylenvorsteher. Wegen Fischwilderei... sie war aber auch ein Prachtexemplar. Ich sehe sie noch vor mir: groß und fett, der Leib gesprenkelt in einem satten Goldbraun... - Demokratie ist die Herrschaft der Bestechlichen."
    "So dass du nun gnadenlos Rache nimmst, indem du alle Muränen vertilgst, derer du habhaft wird."
    "Genau."

  • Nach einem schlimmen Tag, an dem Silas am Strick, immer hinter dem Pferdehintern, die Straße entlang traben musste, hatten die beiden miesen Sklavenhäscher dann aber ein Einsehen. Den nächsten Tag, und auch die darauf folgenden, durfte er hinter Pelias aufsitzen. Die Straße wurde zur Via Appia, unaufhaltsam näherten sie sich Rom, und Silas wurde immer mulmiger bei dem Gedanken, was ihn dort erwartete. Nochmal abzuhauen, das traute er sich aber nicht... Akadios und Pelias passten ausserdem gut auf. Und so kam der Tag, an dem die Stadt in Sicht kam, dann das Gedränge an den Toren, die vertrauten Straßen und zuletzt die Casa Decima...

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