Das Anwesen des Weinhändlers Dagonius


  • Am westlichen Ufer der Mosella vor den Toren Augusta Treverorums, die Einheimischen nennen es auch kurz Treveris, liegt das Anwesen des Weinhändlers Dagonius, umgeben von Weinbergen.
    Eine steinerne Brücke über den Fluss schafft eine Verbindung zur Civitas der Treverer. Der Fluss, sowie eine Fernstraße verbindet die Stadt mit Lugdunum in Gallien, sowie Mogontiacum, Confluentes in Germania superior und Colonia Agrippinensium in Germania inferior.

  • Paps war eine große Nummer in Treveris. Der Handel mit Wein hatte ihn groß gemacht. Frühzeitig hatte er erkannt, dass man nur groß werden konnte, wenn man mit viel Mut und Risikobereitschaft an die Sache heranging. 'Du verdienst Geld, wenn du Geld investierst', pflegte er immer zu sagen. Natürlich lag die Kunst darin, zu wissen, wo man sein Geld investieren sollte und wovon man besser die Finger ließ. Aber dafür hatte der Alte schon immer ein besonderes Näschen.
    Er hatte sich als junger Mann nicht mit dem popligen Laden abfinden wollen, den ihm sein Vater nach seinem allzu frühen Dahinscheiden vermacht hatte. Nein, sein Ziel war es, ganz groß herauszukommen. Dazu verfolgte er unterschiedliche Strategien: Optimierung des Angebots, Sondierung der Absatzmöglichkeiten und Neuorientierung in der Kundenauswahl. Natürlich war ihm jeder Kunde wichtig, der bei ihm Wein kaufte. Doch richtig viel Kohle machte er erst, nachdem er diverse Großunternehmen als neue Kunden an Land zog. Wer war der größte Abnehmer für Wein in der Gegend? Nicht etwa die einheimische Bevölkerung, die vielleicht aus Solidarität beim treverischen Händler kaufte, statt bei dem römischen. Es waren die Römer selbst! Ihr Militär, ihre Verwaltung und der ganze Rattenschwanz, der daran hing.


    Als er dann irgendwann ein kleines Vermögen verdient hatte, ließ er es dabei nicht bewenden oder setzte sich etwa zur Ruhe, um die Früchte seiner Arbeit zu genießen. Ganz in Gegenteil! Er dachte nur an Expansion!
    Paps versorgte inzwischen die ganze Gegend mit Wein aus alle Herrn Ländern. Nun wollte er auch das Gleiche in Durocortorum, der Provinzhauptstadt Berlgicas schaffen. Außerdem dachte er sich, warum nicht in die Ferne schweifen, in den Nachbarprovinzen tranken die Leute bestimmt auch gerne Wein.
    Da aus dem einstigen Ein-Mann-Laden inzwischen ein Unternehmen mit etlichen Mitarbeitern und einem Heer von Sklaven geworden war, schickte er einige seiner besten Angestellten in die Städte der benachbarten Provinzen, wo sie Verträge mit der dort ansässigen Weinhändlern abschließen sollten. So wurden aus möglichen Konkurrenten Geschäftspartner, die für ihn die Arbeit vor Ort erledigten.


    Tja, auf diese Weise hatte sich Dagonius, mein Vater eine goldene Nase verdient. Er war damals erst Ende zwanzig und noch unverheiratet und er befand, dass es nun Zeit war, einen Nachkommen zu zeugen. An potentiellen Bewerberinnen für diese Aufgaben hatte es nie gemangelt. Mehrere Familien der Cives Treveri, der treverischen Bürger, hatten ihm ihre Töchter angeboten. Letztendlich hatte er sich für ein Mädchen aus gutem Hause entschieden: Belana – meine Mutter!


    Neun Monate später erblickte ich, Brennus, als ältester Sohn des Dagonius und der Belana das Licht der Welt.

  • Auch wenn mein Vater in persönlichen Dingen eher selbstlos war, wollte er für seine Familie doch nur das Beste. Seine Frau, meine Mutter sollte in keiner popligen Hütte wohnen, wie es zum Teil unsere Vorfahren noch getan hatten. Nein, ihm schwebte von Anfang an eine Villa im römischen Stil vor und zwar mit allem Pipapo. Natürlich sollte meine Mom in ihrem neuen Zuhause keinen Handschlag mehr selber machen müssen. Dafür hatte Paps Sklaven besorgt. Am Anfang waren es nur eine Handvoll. Später bekam ich sogar meinen eigenen.


    Meine Schwester Selma, sie wurde zwei Jahre nach mir geboren, und ich hatten wirklich eine unbeschwerte Kindheit. Es mangelte uns an nichts. Ganz im Gegenteil, unser Vater hatte es sich in den Kopf gesetzt, uns eine Erziehung angedeihen zu lassen, die sich an der römischen orientierte. Dafür hatte er uns einen echt griechischen Paedagogus besorgt, der uns nützliches aber auch ganz viel unnützes Zeug beibrachte. Der arme Kerl hatte es nicht immer leicht mit uns.
    Allerdings machte Vater auch nie einen Hehl daraus, woher er ursprünglich kam. Auch das sollten wir auch verinnerlichen. Vielmehr sollte es uns eine Warnung sein, wie unser Leben womöglich hätte aussehen können, wenn unser Vater nicht so erfolgreich gewesen wäre und Geld zum fressen gehabt hätte. Und je älter wir wurden, wussten wir dies auch zu schätzen. Nein, ich hatte wirklich alles: Freunde (wahre Speichellecker), Frauen (insbesondere eine süße kleine Haeduerin, die mir Paps günstig vom Sklavenmarkt mitgebracht hatte) und Wein. Letzteres in rauen Mengen, wenn es sein musste. Schließlich saß ich ja an der Quelle!


    Ein Nachteil hatte allerdings das Leben in Saus und Braus: Ich hatte keine Ahnung vom richtigen Leben da draußen. Wenn es ein Problem gab, dann regelte das einer unserer Sklaven für mich. Mein Vater hatte sich dafür einen ausrangierten Gladiator ins Haus geholt – Ingolf, der germanische Knochenbrecher. Sobald ich mit Ingolf irgendwo auftauchte, wurde es erst mal ganz still. Keiner traute sich, mir auch nur ans Bein zu pinkeln. Auch bei den Mädels schindete ich mit ihm ordentlich Eindruck. Ja, es war echt cool, Sohn meines Vaters zu sein! Doch eines Morgens, ich war inzwischen Siebzehn, brach der Himmel über mir zusammen. Ein Umstand, den wir Kelten besonders fürchteten.
    Es bedeutete nichts Gutes, wenn mein Vater mich in sein Officium zitierte. Früher, als ich noch klein war, hatte ich dann immer etwas ausgefressen. Doch dieses Mal war ich mir keiner Schuld bewusst.


    "Mein Sohn! Setz dich!", sagte er ganz unverbindlich als ich eintrat. Er hatte kurz zu mir aufgesehen, denn er saß gerade an seinem Schreibtisch und las den Bericht vom Verwalter seiner Niederlassung in Durocortorum. Ich setzte mich und wartete, bis er sich mir widmen konnte. Nach einer Weile legte er das Schriftstück beiseite und schaute mich musternd an, bis er endlich zu mir sprach. "Wie alt bist du jetzt? Siebzehn, nicht wahr! Nun, mein Junge, hast du dir schon Gedanken um deine Zukunft gemacht?" "Äh," da hatte er mich aber wirklich auf dem falschen Fuß erwischt! Wieso hätte ich mir Gedanken über meine Zukunft machen sollen? Ich hatte doch alles, was ich brauchte. Von mir aus hätte das auch für immer so bleiben können. Wenn sich also sonst keiner Gedanken über meine Zukunft gemacht hatte, konnte ich mir sicher sein, dass es mein Vater bereits getan hatte. "Nö, worauf willst du denn hinaus?" Besser ich fragte mal vorsichtig nach, woher der Wind wehte.
    Mein Vater verzog seinen Mund zu einem angedeuteten Lächeln. Wenn er das machte, wusste ich schon im Voraus, dass nichts Gutes folgen würde. Denn er tat das nicht, um mir danach einen geduldigen Vortag zu halten, was das Leben noch alles für mich bereithielt. Eigentlich tat er das immer, wenn er etwas gereizt war. „Ich spreche davon, was du in Zukunft zu tun gedenkst. Wovon willst du leben?“
    Bei dieser Frage wurde es mir Angst und Bang! Was hatte Paps denn mit mir vor? Wollte er mich vor die Tür setzen? "Ich verstehe nicht, ich lebe doch!" antwortete schulterzuckend. Mein Vater räusperte sich. "Ich spreche davon, dass für dich nun die Zeit gekommen ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Du hast bisher ein unbekümmertes Leben geführt und hast das Geld in großen Zügen ausgegeben. Nun sollst du lernen, wie das Geld wieder zu dem zurückkommt, dem es gehört. Das süße Leben, wie du es bisher kanntest, ist für dich vorbei! Du wirst arbeiten, mein Junge. Tagtäglich wirst du arbeiten! Von morgens bis abends! Bis die Arbeit eine Droge für dich wird, die du nicht mehr missen möchtest!" Beim Teutates, was hatte ich meinem Vater nur angetan, dass er so mit mir sprach! Ich war erst mal baff und konnte gar nichts darauf antworten. Mein Mund stand offen und ich war um die Nase herum ganz weiß geworden. Ich musste ein ziemlich schräges Bild abgeben. Selbst meinem Vater musste es aufgefallen sein, wie sehr mich seine Worte überrascht hatten.


    "Keine Sorge, mein Sohn! Natürlich werde ich dich nicht ins eiskalte Wasser stoßen! Du wirst stets Hilfe erhalten, wenn du sie brauchst und natürlich wird für dich gesorgt sein!" Na das war ja auch das Mindeste! Allerdings spürte ich ganz deutlich, dass Paps noch eine Schreckensnachricht in petto hatte, mit der er normalerweise erst zum Schluss um die Ecke kam. „Also Junge, ich werde dich nach Mogontiacum schicken! Dort wirst du unser Officium übernehmen und es weiter ausbauen. Divico, meine rechte Hand wird dich begleiten und dich dabei tatkräftig unterstützen. Er wird mir auch regelmäßig Bericht erstatten. Und ich gebe dir natürlich ein paar Sklaven für deine Sicherheit mit und die sich um dein Wohl kümmern. Ach ja und natürlich erhältst du auch eine finanzielle Unterstützung, denn du musst dir ja eine Bleibe suchen… in Mogontiacum.“ Mogontiacum? Was hatte den Alten nur geritten? Welches Kraut hatte er geraucht?

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    Weinschiff von Neumagen, Rheinisches Landesmuseum, Trier


    So war es also beschlossene Sache. Ich sollte das Geschäft des Weinhandels von der Pike auf lernen und bekam dafür alles Notwendige bereits an die Hand gelegt. Mein Vater wollte einfach sehen, was ich daraus machte. Damit ich keinen Murks fabrizierte und die Niederlassung in Mogontiacum nicht gegen die Wand fuhr, schickte er mir seinen besten Mann mit: Divico.


    [Blockierte Grafik: https://s12.directupload.net/images/200502/xeythmpk.jpg] | Divico
    Er war ein hochgewachsener hagerer Mann Mitte vierzig und unverheiratet. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die zum Lachen immer in den Keller ging. Was bedeutete, dass er keinerlei Spaß verstand und durch und durch Buchhalter war. Er machte sogar einem römischen Beamten Konkurrenz.


    Was meine privaten Bedürfnisse betraf, so musste ich nicht lange überlegen.

    [Blockierte Grafik: https://s12.directupload.net/images/200502/5tmvj594.jpg] | Mian


    Natürlich würde mir Mian, mein Leibsklave mir auch in Mogontiacum auf Tritt und Schritt folgen. Der junge Iberer war ungefähr im gleichen Alter wie ich und wenn man es genau besah, dann war er mehr ein guter Kumpel, als ein Leibsklave. Wir beide hatten schon eine Menge Spaß zusammen. Dass würde sich in Mogontiacum wohl auch nicht groß ändern.


    [Blockierte Grafik: https://s12.directupload.net/images/200502/m5hhba2n.jpg] | Gwen


    Natürlich sollte auch Gwen mit von der Partie sein. Ohne mein haeduisches Betthäschen würde ich nirgendwo hingehen! Oh Mann, Gwenn war schon ein tolles Weibsbild! Ich konnte ihr überhaupt nicht böse sein, obwohl sie manchmal richtig zickig sein konnte. Wenn ihr irgendetwas nicht passte, dann zeigte sie mir dies ganz deutlich mit ihrem Schmollmund und ihrer Ignoranz.


    | Ingolf


    Auch Ingolf, der germanische Knochenbrecher sollte mich begleiten. Er war eigentlich der Leibwächter meines Vaters. Doch meine Mutter hatte darauf bestanden, dass mich Ingolf begleitete. Überhaupt hatte meine Mutter so ihre Probleme, dass der 'arme Junge' fort sollte und dann mutterselenallein in einer fremden Stadt klar kommen sollte.


    Kurz bevor die Reise losgehen sollte, landete mein Vater seinen neuesten Coup. Von der Classis Germanica hatte er ein ausrangiertes Versorgungsschiff gekauft und nach Treveris überführen lassen. Nachdem es wieder voll instand gesetzt und es für seine Bedürfnisse umgebaut worden war, konnte man damit doppelt oder sogar dreimal so viele Weinfässer transportieren, wie auf den Kähnen, die er bis dahin genutzt hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie ihm das gelungen war. Wahrscheinlich hatte er die Verantwortlichen solange genervt oder geschmiert… oder vielleicht auch beides, bis sie ihm freiwillig den Pott verkauft hatten. Damit es vor allen Widrigkeiten geschützt war, nannte er das Schiff 'Anacamna' nach einer keltischen Wasser- und Quell-Göttin, die hier in der Gegend verehrt wurde.


    Eigentlich hatte ich gehofft, die Reise nach Mogontiacum mit einem Reisewagen und einem Pferd, nämlich meinem Pferd zu unternehmen. Doch daraus wurde nichts. Paps bestand darauf, dass ich mit einer Ladung besten kampanischen Landweins die Mosella hinauf schipperte, in Confluentes Halt machte, ein Teil der Ladung verkaufte und dann Rhenus aufwärts bis Mogontiacum fahren sollte. Das bedeutete, eine ewig lange und total öde Flussfahrt stand uns bevor.


    So begab ich mich also mit meinen Begleitern, zwei Dutzend Weinfässern, etlichen Amphoren und der Rudererbesatzung samt Kapitän auf die Reise.

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