IUD PRIV - Die Feststellungsklage des C. Duccius Call. hinsichtlich des Betr. v. Bäck. d. Senatoren

  • Ein Duccius klagte vor Gericht? Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen! Denn auch wenn das hier nur eine Feststellungsklage werden sollte, hatte ich mehr als genügend Gründe, um diese Veranstaltung hier mit meiner Anwesenheit zu beglücken: Zum Einen wollte ich natürlich wissen, wer dieser neue Duccius überhaupt war. (Ein Römer? Ein Germane? Vielleicht sogar ein Verwandter des duccischen Konsuls?) Aber auch die Sache selbst klang keinesfalls uninteressant. Denn es sollte um die Anwendung der Lex Mercatus gehen; und ganz speziell um deren Paragraph 4 Absatz 5 in Bezug auf Bäckereien. Mit anderen Worten also lautete die Frage: Waren Bäckereien Betriebe, welche der Produktion landwirtschaftlicher Güter und deren Weiterverarbeitung dienten und die deshalb von Senatoren, Mitgliedern des Ordo Senatorius und Patriziern geführt werden durften? Oder waren Bäckereien eben keine solchen Betriebe und durfte also nicht von Senatoren, Mitgliedern des Ordo Senatorius und Patriziern geführt werden?


    Ich hatte zu diesem Thema natürlich auch meine eigene Meinung in den Verhandlungssaal mitgebracht. Und diese Meinung orientierte sich natürlich maßgeblich an der alten, der bewährten, der bestehenden Rechtsauffassung. - Warum das so war? Das war so, weil ich sie sehr logisch, überzeugend und stichhaltig fand, die bestehende Rechtsauffassung in dieser Sache; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und so setzte ich mich also (ich hatte extra ein kleines fliederviolettes Sitzkissen mitgebracht, das mit meinem blasslilanen Kleid harmonierte) in die zweite Sitzreihe, schlug die Beine übereinander und unterhielt mich noch ein bisschen mit meinem Hausadvokaten Poppaeus Sabinus, bevor es losging. (Und auch er war gespannt auf die Argumentationen in dieser Causa.)

  • Es war schon etwas länger her, dass Macer einem Gericht als Iudex vorgesessen hatte und tatsächlich war er auch etwas überrascht gewesen, wieso Praetor Remmius Cicereianus ausgerechnet ihn als Iudex gewählt hatte, denn als großer Rechtsgelehrter war Macer ja nun einmal bisher nie aufgetreten. Ablehnen wollte er das Amt natürlich trotzdem nicht, zumal er sich zuletzt ohnehin in der Öffentlichkeit recht wenig hervor getan hatte und so ein Vorsitz eine gute Gelegenheit war, das zu ändern. Also erschien er pünktlich zum angesetzten Termin mit ein paar Klienten im Schlepptau und seinem Privatsekretär an seiner Seite im Verhandlungssaal und nahm auf dem Richterpodest platz.


    "Ist der Kläger bereits anwesend?" erkundigte er sich, da er den Kläger nicht persönlich kannte und daher auch nicht entdecken konnte, sofern er denn schon anwesend war.

  • Caius hatte seine Toga extra für diesen Gerichtstermin waschen lassen, sich rasiert und sogar über einen Besuch beim Tonsor nachgedacht, was ihm von seinem Assistenten Crassus aber ausgeredet worden war. Das Erscheinungsbild des jungen Ducciers war an diesem Tage nun also dem Auftritt bei Gericht angemessen und so musste der Kläger sich lediglich Gedanken um den vorzubringenden Inhalt machen, was schon schwer genug war. Als Caius die Basilica Ulpia betrat, war bereits einiges schaulustiges Volk anwesend und wie erwartet rutschte ihm das Herz in das Untergewand. Oh ihr Götter, wieso hatte er sich zu dieser Klage bereit erklärt? Beinahe wollte er umkehren, einfach stiften gehen, dieses ganze Schauspiel anderen Akteuren überlassen. Crassus, der das Zögern seines Freundes bemerkte, drückte ihm jedoch kurzentschlossen die Hand in den Rücken und schob Caius dergestalt voran. Sie erreichten die Sella Curulis des Iudex, wo sie nun angespannt auf dessen Eintreffen warteten.


    Allzu lange mussten die beiden nervösen jungen Männer nicht warten, denn alsbald betrat Senator Spurius Purgitius Macer die Halle. "Äh, ja. Das bin ich!", meldete Caius sich hastig, als der Iudex nach der Anwesenheit des Klägers fragte, und schob eilig hinterher: "Senator Purgitius."

  • Macer blickte den jungen Mann an, der sich auf seine Frage hin meldet und nickte. "Sehr schön. Du bist also Duccius Callistus?" versicherte er sich. "Du vertrittst dich selbst, wurde mir mitgeteilt? Müssen wir trotzdem noch auf jemanden warten oder können wir beginnen?" ging er dann die Formalitäten durch. Er wusste ja nicht, ob der Kläger irgendwelche Rechtsgutachten oder ähnliches vorlegen wollte, für die er auf die Anwesenheit weiterer Personen warten musste.

  • Varus war bei der Gerichtsverhandlung seines Patrons dabei und verfolgte diesen. Man konnte ja nie wissen ob man mal helfen konnte und was lernen über die Iusterei war ja auch nie verkehrt.

  • Auch Varenus war unter den vielen Schaulustigen anwesend. Hatte er doch einen Anlass dazu. Immerhin besaß seine Händlervereinigung sowie seine geliebte Tochter einige Bäckereien in der Stadt, sodass ein positives Urteil alles andere als wünschenswert wäre, weil es mehr Konkurrenz bedeutete. Schlimm genug, dass sich sein damaliger vorlauter Praktikant Petronius erlaubte eine Bäckerei in Ostia zu erwerben. Doch dieser mittlerweile im sandigen Ägypten aufhielte. Und die These 'die Konkurrenz belebt das Geschäft' war ja vollkommender Nonsens. Sowas konnten auch nur die Griechen behaupten. Allein ein Monopol sicherte die ständige Versorgung an Sesterzen.


    Die Duccier waren seiner Meinung nach wie Parasiten, die sich im ganzen Reich ausbreiteten, ohne wirklich wem zu nützen. Er konnte einfach nicht verstehen, wieso ausgerechnet seine Tochter so sehr auf den Consul Duccius stand. Einer der Hauptverantwortlichen für die Misshandlungen die die Decimer vor Inthronisierung von Palma erleben mussten.

  • "Ich bin Caius Duccius Callistus, Senator Purgitius", bestätigte der Gefragte mit dem Anflug eines Schmunzelns. "Äh", äußerte sich daraufhin wieder die Nervosität des Klägers in einem unschönen Füllwort, bevor er die weiteren Fragen des Iudex beantwortete: "Ja, ich vertrete mich selbst und nein, deshalb müssen wir auf niemanden mehr warten, um beginnen zu können, Senator." Erwartungsvoll sah er den Iudex an. Jetzt wurde ihm wieder leicht übel, denn in wenigen Sekunden war er dann wohl dran mit einer einleitenden Rede.

  • Langsam aber sicher füllte sich der Verhandlungssaal: Consular Purgitius, der Patron meines Onkels Kaeso Modestus, erschien in seiner heutigen Funktion als Iudex Prior. Der duccische Kläger gab seine Identität auch kurz darauf preis: Ein junger Bursche, dem ich auf den ersten Blick leider noch immer nicht ansah, ob er nun Römer oder Germane (oder Hispanier oder sonstwas) war; ob er zu den Ducciern des Duccius Vala gehörte oder nicht. "Naja. Aber wenigstens in seiner Rede gleich wird er ja hoffentlich auch etwas dazu sagen, wer er ist.", tuschelte ich zu meinem poppaeischen Hausadvokaten und Sitznachbarn. Der nickte nur stumm. Denn auch ihm war sicher klar: Wer sich mit dem Anstrengen einer Klage bekannt machen wollte, der musste schon auch ein bisschen was über sich preisgeben. Ansonsten wussten die Leute nachher vielleicht, dass irgendein Duccius Callistus (erfolgreich oder erfolglos) geklagt hatte. Aber ein Gesicht bekam er allein damit sehr wahrscheinlich noch nicht.


    Ich schaute mich weiter um.. und entdeckte dabei meinen Vetter Varus, der mir noch eine Antwort auf meinen letzten Brief schuldete. (Bisher hatte er es ja offensichtlich tunlichst vermieden, mir gegenüber Farbe für oder gegen diese Quintilia zu bekennen!) Ich beschloss also, dass ich meinen Vetter hier erstmal geflissentlich "übersah". Dafür blieb mein Blick danach an einem mir nicht unbekannten Zauselbart hängen: Decimus Varenus. "Falls jemand fragt, bin ich heute natürlich auch in meiner Funktion als Procuratrix Annonae hier.", tuschelte ich nochmal in Richtung meines Vertrauten Poppaeus Sabinus. (Der nickte nur wieder stumm.) Falls mich Decimus Varenus in diesem Moment ebenfalls entdeckte, schenkte ich ihm ein begrüßendes Lächeln. Denn ich hatte unseren gemeinsamen Pakt nicht vergessen, auch wenn mir seit unserer letzten Begegnung ("Und vergiss niemals den Pakt, Sergia.", so klang er mir noch im Ohr.) keine Gelegenheit in den Sinn gekommen wäre, bei der ich seine Hilfe hätte gebrauchen können. Und umgekehrt hatte er meine Hilfe in der Zwischenzeit offenbar auch nicht gebraucht. (Ob er mittlerweile wohl zum Kanzleiprokurator aufgestiegen war? Verdient hätte er es ja sicherlich.. trotz dieser scheußlichen Gesichtsbehaarung.) Ich nahm mir vor, spätestens nach dieser Verhandlung hier mal kurz ein Wort ein ihm zu wechseln.. falls er Zeit hatte.. und falls er nicht jetzt schon für einen kleinen Plausch einfach zu mir herüber kam.

  • "Hervorragend", stellte Macer fest, der offenbar keine Lust auf Verzögerungen hatte und dahingeben nun auch nicht enttäuscht wurde. Ein prüfender Blick ging zu den Schreibern, die diesem Prozess zugeteilt worden waren, dann erhob er sich von seinem Stuhl und sorgte für Ruhe im Saal.


    "Dann eröffne ich hiermit die Verhandlung zur Feststellungsklage des Duccius Callistus zur Anwendbarkeit von §4 Absatz 5 der Lex Mercatus auf Bäckereien. Das Wort hat der Kläger. Die Wasseruhr überwacht die Redezeit." Letzteres war bei solchen Klagen allerdings im Allgemeinen unkritisch, da es keine zwei Parteien gab, die sich in der Ausnutzung der Redezeit zu überbieten versuchten. Macer war das durchaus Recht, denn auch das vermied Verzögerungen. Nach den eröffnenden Worten nahm er wieder Platz und wartete auf die Rede des Klägers.

  • "Nun, ich würde sagen, entschlossenes Auftreten sieht anders aus.", raunte mir mein poppaeischer Hausadvokat munter zu. Ich lächelte, während sich mein Bick vom zauselbärtigen Decimus löste und erneut dem klagenden Duccier zuwandte. "Wohl war, wohl war.", raunte ich meinem Sitznachbarn dabei entspannt zurück. Denn mir sollte es nur recht sein, wenn diese Klage schon im Ansatz scheiterte. Ich hatte nicht das geringste Interesse daran, dass sich am Status Quo hier etwas änderte: Ich war entschieden gegen senatorische Backstuben.

  • Das Wort hat der Kläger. Das Wort hat der Kläger. Das Wort hat der Kläger. Dieser kurze Satz des Iudex hallte in Caius' Gedanken wider und blockierte für einen Augenblick alle Funktionen. Wie vom Donner gerührt stand er da, einer Salzsäule gleich, und starrte ein dickes Loch in die Luft.


    "Verdammte Axt, Caius! Du bist dran!", fluchte Crassus leise neben ihm. Ein kräftiger Stoß in die Seite holte den Duccier zurück in die Wirklichkeit.
    "Wodan steh' mir bei", flüsterte er gequält. Warum hatte er sich nur darauf eingelassen diese Klage vorzubringen? Auf einmal wollte er wieder nur noch weglaufen. Aber hinter ihm stand Crassus mit verschränkten Armen und räusperte sich auffordernd.


    Nungut. Mochten die Nornen ihm beistehen, denn jetzt gab es kein Zurück mehr, ohne dass Caius sich völlig blamierte. Er trat einen Schritt vor, räusperte sich und richtete sein Wort schließlich an den Iudex Purgitius:
    "Hohes Gericht. Ich... hrrm." Die ersten Worte klagen wie von einer Käsereibe gehobel. Caius räusperte sich erneut. Dann ging es besser. "Iudex Purgitius, §4 Absatz 5 der Lex Mercatus schreibt Senatoren und Angehörigen des Ordo Senatorius vor, welche Art von Betrieben sie führen beziehungsweise nicht führen dürfen. Maßgebliches Kriterium soll hierbei sein die Zuordnung des Betriebes zur 'Produktion landwirtschaftlicher Güter und deren Weiterverarbeitung'."


    Kunstpause. Caius schluckte. Ein hastiger Blick zur Wasseruhr. Los, jetzt kommt die Ankündigung:


    "Ich werde heute darlegen, dass Bäckereien dem Tatbestand des §4 Absatz 5 der Lex Mercatus zuzurechnen sind."


    Nochmal eine kurze Pause. Sacken lassen. Caius' Finger waren schon ganz feucht. Er wischte sie verstohlen an seiner Toga ab.


    "Der ehrenwerte Eques Tiberius Caecilius Metellus definierte Landwirtschaft einst als 'die zielgerichtete Erzeugung von pflanzlichen oder tierischen Produkten auf einer bewirtschafteten Fläche.' Dass eine Bäckerei pflanzliche oder tierische Produkte nicht erzeugt, ist, äh, allgemein bekannt.


    Richten wir vielmehr unseren Blick auf das Merkmal der Weiterverarbeitung. Auch hierfür entwickelte Caecilius einst, eine sachdienliche Definition. Ähm. Sie lautet: 'Unter (Weiter)Verarbeitung versteht man den Prozess in dem aus einem Rohmaterial ein Produkt geschaffen wird. Das Rohmaterial eines Verarbeitungsprozesses kann dabei selbst das Produkt einer vorhergegangenen Verarbeitung sein.'


    Hier pausierte Caius nochmal, atmete tief durch. Langsam kam er zur Ruhe, fühlte sich sicherer.


    "Wollte man also gestatten, dass Senatoren eine Bäckerei betreiben dürfen, so müsste man die Feststellung treffen, dass die Bäckerei ein landwirtschaftliche Erzeugnisse weiterverarbeitender Betrieb sei.
    Im Urteil des Iudicium Minor"
    - ein kurzer Blick auf eine Tabula, die Crassus ihm reichte, bevor er weitersprach - "ANTE DIEM XIII KAL NOV DCCCLVII A.U.C. (20.10.2007/104 n.Chr.) konstatierten die Praetoren hierzu:" Erneut sah Caius auf die Tabula, denn diesen Teil musste er einfach ablesen.


    "'Eine Bäckerei kann kein Brot herstellen ohne Mehl, das seinerseits aus Getreide hergestellt werden muss. Getreide ist ein landwirtschaftliches Produkt, Mehl ist daher ein weiterverarbeitetes Produkt, da seine Form durch specificatio verändert wurde und niemals mehr in seine ursprüngliche Form zurückverwandelt werden könne. Da eine Bäckerei jedoch auf dieses weiterverarbeitende Produkt Mehl angewiesen ist, kann es schon per se kein landwirtschaftlicher Betrieb sein.'


    Dieser Urteilsspruch mag damals korrekt gewesen sein. Heute dagegen müssen wir ihn vor den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten beleuchten. Werfen wir dazu einen genaueren Blick auf den Prozess, der vom Getreide bis zum Laib Brot führt:
    Der Bauer pflanzt also sein Getreide, erntet es, verkauft es. Dies ist der Schritt, der gemäß der Lex Mercatus als 'die zielgerichtete Erzeugung von pflanzlichen oder tierischen Produkten auf einer bewirtschafteten Fläche' einzustufen ist.
    An wen verkauft der Bauer?, gilt es nun zu fragen. Früher, zu Zeiten des vorgenannten Urteils, veräußerte der Bauer sein Getreide meist an einen Müller. Dieser mahlte das Korn zu Mehl. Hierin ist - wie auch im zitierten Urteil geschehen - der Schritt der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Sinne des §4 Absatz 5 der Lex Mercatus zu sehen."


    Hier machte Caius noch einmal eine kurze Kunstpause. Er ließ die Worte wirken. Bisher hatte er nur Fakten und Meinungen gesammelt, die gegen seinen Antrag sprachen. Das wollte er nun umkehren. Caius holte Atem, rüstete sich für den entscheidenden Abschnitt seiner Gerichtsrede.


    "Heutzutage jedoch liegen die Tatsachen anders. Niemand geht mehr zu einem Müller. Statt dessen ist es dem Bäcker zugebilligt worden, das benötigte Getreide gleich beim Bauer einzukaufen und daraus selbst Mehl zu mahlen, mit dem er schließlich seine Backwaren erzeugt.


    Was können wir aus diesem Umstand folgern? Beim Mahlen des Getreides und der Verarbeitung des Mehls zu Brot und Gebäck handelt es sich um einen einzigen Arbeitsschritt, der im Haus des Bäckers vorgenommen wird. Es ist kein Zwischenschritt von Nöten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Bäcker einer anderen Beurteilung im Sinne des § 4 Absatz 5 der Lex Mercatus zu unterziehen als bisher geschehen."


    Jetzt kam die Conclusio: "Hoher Iudex Purgitius, gemäß meinem Antrag bitte ich festzustellen, dass ein Bäcker gemäß § 4 Absatz 5 der Lex Mercatus nunmehr als Betrieb einzustufen ist, der landwirtschaftliche Erzeugnisse weiterverarbeitet. Meine Argumente legen dar, dass es in einem einzigen Produktionsschritt zur Weiterverarbeitung von Getreide zu Backwaren kommt. Damit muss es Senatoren und Mitgliedern des Ordo Senatorius nunmehr gestattet sein, Eigner einer Bäckerei zu sein."


    Nach diesen Worten signalisierte er mit einem "Vielen Dank", dass er mit seinem Sachvortrag fertig war. Crassus nickte beeindruckt. Caius wischte sich mit einer fahrigen Bewegung den Schweiß von der Stirn. Jetzt musste nur noch der Iudex mitspielen...

  • Aaach du meine Güte. Schon ganz zu Beginn des Vortrags des Klägers konnte ich nur seufzen: Keine eigene Vorstellung und keine Einleitung, nur ein kurzes Hallo und dann sprach der Duccier auch schon über seine Idee von der Backstube für Senatoren. Ich könnte fast wetten, dass mindestens die Hälfte des Publikums am Ende der Verhandlung nicht mehr wussten, wie der Kläger überhaupt hieß. Geschweige denn dass auch nur einer mehr als den Namen dieses Mannes behalten würde. (Was anderes gab der Kerl ja auch nicht preis über sich.)


    Doch dann kam er zu seiner Argumentation.. und.. ich konnte wieder nur mit dem Kopf schütteln: "Das ist doch das reinste Garum, was der da erzählt!", beschwerte ich mich in Tuschel-Lautstärke bei meinem Hausadvokaten und Sitznachbarn Poppaeus. "Der hätte sich lieber erstmal mit dem Besitzer eines Getreidehofs unterhalten sollen, bevor er sowas hier behauptet." Früher verkauften die Getreidegut-Besitzer ihr Getreide an einen Müller? In Einzelfällen: Vielleicht. Aber ganz allgemein? Nein. Das hielt ich definitiv für ein Gerücht. "Und überhaupt ist das doch auch völlig irrelevant, Poppaeus! Denn was interessiert es, WO aus dem Getreide das Mehl wird, bevor man es zu Brot weiterverarbeitet?!" Getreide war der Rohstoff und blieb der Rohstoff. Mehl war das Zwischenprodukt und blieb das Zwischenprodukt. Und damit war Brot ein weiterverarbeitetes Zwischenprodukt und blieb ein weiterverarbeitetes Zwischenprodukt. Ganz einfach. "Selbst wenn ich vom Getreide bis zum fertigen Käsebrot, von den Trauben bis zum fertigen Honigwein und vom einfachen Suppenhuhn bis zum fertigen Huhn a la Fronto alle Produktionsschritt in einem Gebäude oder Komplex zentriere, wird aus einer Taberna noch lange kein für Senatoren und Co. erlaubter Betrieb." Ich ließ mich zu einer wegwerfenden Handbewegung in Richtung des Klägers hinreißen. "Hanebüchen ist das!", fasste ich dann zusammen. "Einfach nur hanebüchen." Hoffentlich würde die Argumentation dieses Ducciers gleich nach Strich und Faden auseinandergenommen werden. Denn sowas.. das war doch einfach nur unglaublich.


    Jemand anders meldete sich etwas lauter als ich nach der Rede ungefragt zu Wort: "Backst du dein Brot denn mit Getreide oder mit Mehl?!" Eine provokante Frage. Aber im Kern genau meine Meinung. Der Duccier hatte schließlich selbst vom Caecilius zitiert: "Getreide ist ein landwirtschaftliches Produkt." Das stimmte damals. Das stimmte heute. "Mehl ist daher ein weiterverarbeitetes Produkt, da seine Form durch specificatio verändert wurde und niemals mehr in seine ursprüngliche Form zurückverwandelt werden könne." Auch das stimmte damals genauso, wie es heute stimmte. "Da eine Bäckerei jedoch auf dieses weiterverarbeitende Produkt Mehl angewiesen ist, kann es schon per se kein landwirtschaftlicher Betrieb sein." Und auch das war damals gültig und heute eben nicht anders. Oder wollte der Kläger die Frage des Zwischenrufers etwa wirklich mit "Getreide" beantworten? (Und wer sich für dieses Detail interessierte: Der Zwischenrufer, der in der Reihe hinter mir auf dem Platz hinter Poppaeus Sabinus saß, war mein Klient Titus Nonius Turbo. Er hatte offensichtlich mein halblautes Getuschel mitgehört und.. sprach jetzt halt aus, was ich dachte.)

  • Nachdem er gehört hatte, dass sein Patron Spurius Purgitius Macer wieder einmal einem Prozess vorsaß, war Modestus am anberaumten Prozesstag zur Basilica Ulpia aufgebrochen. Noch dazu würde der Duccier sprechen, an dem Modestus Interesse hatte. Der Fall war an sich nicht sonderlich wichtig. Kein Vatermörder oder Hochverräter. Aber am Anfang seiner Karriere musste man nehmen, was man kriegen konnte. Da dieser Fall jedoch die Rechte der Senatoren betraf, würde er im Falle eines Erfolges vielleicht sogar etwas Aufmerksamkeit für den jungen Duccier generieren. Nun wollte Modestus sehen, wie das Verfahren ausging und wie der Duccier sich schlug.


    Allerdings kam er zu spät und bekam nur die letzte Hälfte der Rede des Ducciers mit. Das war ärgerlich. Aber er hätte wissen müssen, dass er nicht mehr so gut zu Fuß war wie früher. Dabei hatte er sogar eine Dutzend Klienten mitgenommen, die ihn beinahe wie Liktoren umringten. In dem Gedränge, das manchmal auf den Straßen herrschte, wäre er vor wenigen Tagen beinahe gestürzt, weil ihn jemand angerempelt hatte. Dieses Risiko wollte er nicht noch einmal eingehen. Als er einiges Getuschel und dann auch den ersten Zwischenruf hörte, lies er seine Klienten einen Weg durch die Menge bahnen. Er mochte es nicht wenn irgendwelche Rabauken, einen Prozess störten. Als Praetor hatte er zwei Männern von dieser Sorte sogar die Peitsche angedroht. Römisches Bürgerrecht hin oder her! Erstaunlicherweise stand er dann plötzlich vor seiner Nichte. "Sei mir gegrüßt, meine Nichte. Ich bin überrascht dich hier zu sehen."

  • Varus der bei der Verhandlung seines Patrons ja bisher nur als stiller Zuhörer anwesend gewesen ist, wobei ja soviel noch nicht passiert war, horchte auf als es endlich losging.
    Er hatte schon gemerkt das sein Patron diese Sache hier eher als lästige Pflicht als als Ehre ansah und wollte das es schnell vorbei war. Dementsprechend war er sicherlich über die Zeit die es dauert bis der Kläger seine Sicht vortrug nicht erbaut.


    Dieser versuchte scheinbar etwas Zeit aufzuholen indem er ohne wirkliche Einleitung sofort mit dem in seinen Augen wesentlichem loslegte.
    Varus störte überhaupt nicht die Art wie der Duccier seine Sicht vortrug. Jeder war mal jung und fing mal an und Varus konnte sich noch sehr gut daran erinnern als er das erste mal vor den Winzern in seiner Heimat über das sprechen musste was er gelernt hatte.
    Das was der Duccier inhaltlich sagte störte ihn allerdings dagegen sehr.
    Varus war weder Patrizier, noch Senator ja noch nicht einmal Eques.
    Er war der Sohn eines Legionsveteranen, bezeichnete sich selber als Winzer und hatte 4 gut gehende Betriebe aus dem Nichts aufgebaut.
    Die Vorstellung das mit einem postivem Urteil in diesem Verfahren der erste Schritt gemacht wurde um den reichen Senatoren den Einstieg in das volle Wirtschaftsleben zu ermöglichen gefiel ihm ganz und gar nicht. Die meisten, gerade die Patrizier, würden sich wohl kaum selber damit beschäftigen. Aber alleine die wenigen die es tun würden und vor allem die die reich genug waren sich entsprechende Sklaven zu kaufen würden den Markt wesentlich verändern. Für Leute wie ihn war der Aufstieg dann noch schwieriger als jetzt schon. Wo sollte auch der finanzielle Hintergrund herkommen? Ein reicher Senator und diese mussten ja schon von der Definition reich sein um diesen Status überhaupt zu erreichen, hatte einfach ganz andere Möglichkeiten Zeiten finanzieller Engpässe zu überbrücken. Ja was würde sie daran hindern die Preise dann auf ein Niveau zu senken bei denen Varus und Leute wie er einfach nicht würden mithalten können.
    Senatoren waren schon Reich und hatten politische Macht! Sollten die jetzt etwa auch noch in der Wirtschaft wesentlich bestimmen? Dann könnte man ja gleich alle Civis wieder zu Kleinpächtern machen oder gar zu Sklaven. Dann würde nur noch ein König fehlen und man war hunderte von Jahren zurück in der Gesellschaft!
    Varus übertrieb in seinen Gedanken vielleicht etwas aber im Kern würde er auch mit Abstand noch dieser Meinung sein.
    Nach dem ersten Zwischenruf und der Tatsache das er von seinem Patron noch keinerlei Zeichen oder Hinweisen gesehen hatte das er auf der Seite des Klägers stand hielt es ihn auch nicht mehr auf dem Stuhl.
    "GENAU!" stimmte er den Argumenten des anderen Zwischenrufers zu!


    "Nach der Definition müssen wir dann auch bald mit Senatoren als Fernhändler rechnen. Weihrauch und Datteln sind ja auch landwirtschaftiche Produkte!
    Kann ja wohl nicht angehen!"

  • Römische Gerichtstage. Ich liebte sie. Denn wenn die Senatoren im Senat energisch debattierten, konnte man ja immer nur von draußen zugucken (vorausgesetzt man kam rechtzeitig und sicherte sich gute Plätze). Im Gericht hingegen konnte man live dabei sein, wenn sich Kläger und Angeklagter gegenseitig angingen, um die Gunst des Publikums zu gewinnen. Deshalb war es für mein Empfinden auch ganz normal, dass es nach dem Ende einer Rede kritische Gegenrufe genauso wie begeisterte Jubelstürme aus dem Publikum gab. Solange die Ordnung selbst im Gesichtssaal nicht gefährdet war (und davon war man hier nach meinem Empfinden noch einige Meilen entfernt), war meiner Meinung nach alles genau so, wie es sein sollte: Kämpferisch, leidenschaftlich, direkt.
    Römische Gerichtstage. Hier war man immer mitten drin, statt nur dabei. Das bewies auch mein Vetter Varus, der (ich war ein bisschen überrascht) so frei heraus meinem Klienten Nonius gleich noch etwas Rückendeckung gab. "Weihrauch und Datteln sind ja auch landwirtschaftliche Produkte. Wie meint er das jetzt, Poppaeus?" So ganz sah ich das Argument da nämlich noch nicht. Mein Sitznachbar nickte. "Ich nehme an, dass er damit sagen will.." Weiter kam mein Hausadvocatus nicht. Denn..


    ..plötzlich stand mein Onkel Kaeso neben mir. "Onkel Kaeso, wie schön! Komm und setz dich zu uns.", bot ich ihm einen Platz an. Dann rutschte ich kurz auf meinem fliedervioletten Sitzkissen zurecht. "Ich bin eine amtierende Procuratrix Annonae.. natürlich bin ich da gleich vor Ort, wenn irgendjemand den" Jetzt durfte ich bloß nicht von den Senatoren sprechen! "Patriziern erlauben will, Backstuben zu eröffnen und zu führen." Zum Glück hatte ich mir diesen Grund schon vorher überlegt, sodass ich keine Probleme damit hatte, ihn jetzt ohne großes Nachdenken zum besten zu geben. "Und du?", holte ich dann zur Gegenfrage aus. "Ist einer deiner Klienten Bäcker und fürchtet um seine Geschäfte, wenn die" Immer schön von den Patriziern sprechen! "Patrizier in seine Branche eindringen?" Ich sah ihn besorgt an, bevor mir ein anderes Licht aufging. "Oder unterstützt du einfach nur deinen Patron Purgitius heute?" Ich sah zum Richterstuhl nach vorne, wo der Consular seinen Platz eingenommen hatte.

  • Macer folgte den Ausführungen des Klägers schweigend und machte sich hin und wieder knappe Notizen zum Gesagten. Wenig ließ darauf schließen, was er von den vorgetragenen Argumenten hielt und wie er sie zu würdigen gedachte. Erst ganz gegen Ende des Vortrags legte sich seine Stirn sichtbar in Falten und er warf einen prüfenden Blick auf seine Notizen.


    Am Ende des Vortrags gönnte er sich einen Augenblick des Nachdenkens, bevor er in den Saal blickte. In Richtung der Zwischenrufer gab es einen bösen Blick, der verdeutlichen sollte, dass er sich Zurückhaltung im Saal wünschte. Dann wandte er sich an den Kläger. "Ich danke für den Vortrag. Ich möchte dich jedoch noch einmal bitten genau zu präzisieren, wie die Feststellung lauten soll, die das Gericht treffen soll. Deine eben vorgetragenen Worte lauteten darauf, dass festgestellt werden solle, dass eine Bäckerei landwirtschafte Produkte verarbeitet. Anschließend trugst du eine Schlußfolgerung vor, die du daraus ziehst. Ist diese Schlussvolgerung Teil der eingeklagten Feststellung?" Für Macer schien das zumindest einen wichtigen Unterschied zu machen.

  • Varus hatte Fausta gar nicht bemerkt. So gut kannte er ihr Aussehen ja auch gar nicht um sie sofort zu erkennen. Hätte sie ein Schild mit Namen getragen hätte er natürlich sofort gewusst wer sie ist aber das war ja natürlich nicht der Fall.


    Was er dagegen natürlich mitbekam war der böse Blick von Macer.
    Aber war doch war wenn die Senatoren jetzt auch noch komplett in die Wirtschaft einsteigen würden.... das geht doch nicht! Was blieb dann noch Leuten wie ihm...außer dem Militär wo es ständig die Gefahr gab zu sterben.

  • "Deine Argumentation ist des Senats würdig." sagte Modestus zu seiner Nichte, nachdem er ihr Angebot dankend angenommen und sich gesetzt hatte. Dabei war er bemüht möglichst leise zu sprechen, um den Verlauf der Verhandlung nicht weiter zu stören. Immerhin war sein Patron auch der vorsitzende Iudex. "Aber ich sehe die Situation ein wenig anders. Wenn dieser Klasse der Besitz von Bäckereien gestatte wird, werden sie sicher nicht ihre Hände in den Teig stecken und in der Subura Stände aufstellen. Sie werden Großbäckereien eröffnen, welche die Kleinbäckereien unterbieten könnten. Das ist die realistischere Gefahr für die Kleinbäckereien. Aber das Problem an der Sache ist, dass es diese Großbäckereien bereits gibt. Nur sind sie momentan im Besitz der wohlhabenden Civites und Equites. Es geht also weniger darum die Interessen der einfachen Bäcker Roms zu wahren, als die Pfründe der Equites zu schützen. Als Senator können die wenig Mitleid von mir erwarten." sagte Modestus lächelnd und nur halb im Scherz. "Denn die Equites sind selbst schuld. Durch ihren Versuch ihre Profite zu erhöhen, indem sie das Getreide in ihren Großbäckereien selbst mahlen, haben sie den Senatoren diesen Angriffsweg geöffnet."


    "Aber im Grunde bin ich auch nicht wegen diesem Fall hier. Selbst wenn der Advocatus ihn gewinnt, wird sich wahrscheinlich eine andere Stelle noch einmal mit diesem Problem befassen. Ich bin vielmehr hier um mir den Advocatus, Caius Duccius Callistus, anzusehen." stellte Modestus fest und bisher hatte ihn der Duccier nicht enttäuscht.

  • Meine Argumentation sei des Senats würdig? Hm. Wie lange hatte mir mein Onkel schon zugehört? Sprach er nur von meiner Erwähnung der Patrizier? Oder hatte er auch mein Gespräch mit dem Poppaeus mitgehört? Apropos: "Das hier ist übrigens der Eques Faustus Poppaeus Sabinus, mein Hausadvokat und Vater meiner Freundin Poppaea Sabinilla. Poppaeus, das ist mein Onkel Kaeso Annaeus Modestus, Prätorier, ehemaliger Statthalter, Feldherr und Sieger über den Usurpator Vescularius." Der Poppaeer begrüßte meinen Onkel respektvoll, bevor ich fortfuhr: "Wir haben uns gerade darüber unterhalten, was es hier überhaupt für einen Unterschied macht, wo das Getreide zu Mehl verarbeitet wird.", klärte ich meinen Onkel dann auf. "Denn das Urteil, das der Kläger anführt, sagt ja ganz klar: Mehl ist ein weiterverarbeitetes Produkt, "da seine Form durch specificatio verändert wurde und niemals mehr in seine ursprüngliche Form zurückverwandelt werden könne." Wo das Mehl nun hergestellt und produziert wird, hat dabei keine Rolle gespielt. Fakt war: Eine Bäckerei braucht zur Herstellung von Broten Mehl, und Mehl ist ein weiterverarbeitetes Produkt." Ich zuckte mit den Schultern. "Weder das eine noch das andere hat sich seither geändert. Geändert hat sich maximal, wo das Mehl produziert wird.", was ja aber keine Rolle spielte in der Urteilsbegründung damals. Also wiedo sollte es heute eine Rolle spielen? "Deshalb sehe ich eigentlich auch keinen Grund, weshalb der Kläger auf die Idee kommt, Backstuben plötzlich auch für Patrizier" und Senatoren und auch mich (ich war ja durch meinen Mann im Ordo Senatorius) "zu öffnen." Erwartungsvoll blickte ich meinen Onkel an. Vielleicht konnte er mir ja sagen, wo ich hier einen Fehler in meiner Argumentation machte. Denn ich sah da keinen.


    Nach einer kurzen Pause fügte ich meinen Worten noch hinzu: "Du hast gesagt, du bist hier, um dir den Kläger anzusehen. Heißt das, du kennst diesen Duccius?" Da war ich natürlich neugierig. "Wer ist er?", fragte ich. "Er hat sich nämlich mit keinem Wort vorgestellt." Selbst seinen Namen hatte man zu Verhandlungsbeginn nur durch den Iudex Purgitius erfahren....

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