Cella servorum | Schlafzimmer von Cimon und Phaeneas

  • Weil Lucianus gewusst hatte, dass Cimon und Phaeneas ein Paar waren, hatte der Vinicier bestimmt, dass Phaeneas im Falle seines Todes an Aurelius Ursus überschrieben werden sollte. Dem Bithynier wäre tausendmal lieber gewesen, Lucianus hätte sich nicht dieser haarsträubenden Verschwörung angeschlossen und hätte dabei nicht sein Leben riskiert. Und Phaeneas hätte dafür eben nicht mit Cimon zusammengelebt. Aber in Anbetracht dessen, dass er nun endgültig tot war, fand der Sklave es sehr rücksichtsvoll von seinem verstorbenen Herrn, dafür gesorgt zu haben, dass Cimon und Phaeneas erst einmal zusammenbleiben konnten.
    Der Auszug aus der Villa Vinicia war wie die vielen davor gewesen. Keinen Blick hatte er zurückgeworfen. Lucianus war das einzige gewesen, was ihn mit diesem Ort zeitweise verbunden hatte. Der Ort selber war ihm völlig egal. Lucianus' Bruder auch, genauso wie seine jetzt ehemaligen Mitsklaven.
    Dass Cimon und Phaeneas ein gemeinsames Schlafzimmer zugewiesen worden war, hatte der Bithynier ganz selbstverständlich hingenommen. Schließlich waren sie ein Paar.
    Auch wenn er es nicht zeigte, war er trotzdem nervös deswegen, dass sie jetzt zukünftig zusammenleben sollten. Schließlich hatte er sein Leben lang immer mit mehreren Sklaven in einem Zimmer geschlafen. Bis auf einmal, als Jener eine Zeit lang mit ihm Raum und Bett geteilt hatte. Zu lang ... Aber damit würde seine neue Schlafsituation hoffentlich nichts zu tun haben, schließlich war Cimon ja so ganz anders als jener Herr, nicht wahr? Hoffentlich jedenfalls …
    Nachdem Phaeneas in seine neue Lebenssituation und Arbeit eingewiesen worden war, war er Cimon überlassen worden, mit dem Auftrag ihm vor allem seinen neuen Schlafraum zu zeigen. So war er dem Nubier über den Gang gefolgt, mit ausdruckslosem Gesicht.
    Seit ihrem letzten Treffen war etwas Zeit vergangen und der bithynische Unfreie hatte sich wieder beruhigt. Er hatte auch nicht mehr wirklich über das merkwürdige Verhalten des aurelischen Sklaven dabei nachgedacht. Schließlich hatte er wichtigeres zu tun gehabt. Um Lucianus trauern.


    Dann betraten sie einen durchschnittlich großen Raum im zweiten Stockwerk der Villa. Darin standen zwei schlichte, aber hochwertige Betten mit je einer Truhe und einem Tischchen mit einem Öllämpchen darauf. Die Wände waren mit schlichten Blumenranken und Mustern verziert. Sie kamen nicht entfernt an die üppigen Landschaften und die leuchtenden Farben in dem repräsentativen Teil der Villa Aurelia heran, aber sie waren längst nicht so karg gestaltet wie der durchschnittliche Raum eines Wirtschaftstrakts. Das einzige, was Phaeneas an der Gestaltung des Zimmers irritierte, war die Tatsache, dass sie an einigen Stellen eher in germanischem denn römischem Stil gehalten war. Schließlich war er lange genug mit Lucianus in Mogontiacum gewesen, um das zu erkennen. Woran auch immer das lag, dass hier dieser Stil mit hineinspielte. Aber den Bithynier interessierte es auch nicht wirklich.


    Sim-Off:

    Ich habe die Raumbezeichnung auf "Cella servorum" geändert, weil ich das hier gefunden habe:
    Link 1
    Link 2
    Das legt nahe, dass da wohl doch eher der Plural (servorum) gebräuchlich war.
    Es macht auch inhaltlich mehr Sinn, schließlich haben sich in der Regel mehrere Sklaven einen Raum zum Schlafen geteilt.

  • Der Nubier konnte froh sein das Ursus ebenso mit der Verbindung der beiden Sklaven einverstanden war wie Lucianus es gewesen war. Es erleichterte den beiden das gemeinsame Leben. Doch wie würde sich dieses Leben gestalten? Cimon war sich nicht sicher, da sein Phaeneas sich in letzter Zeit seltsam verhielt. Jedenfalls in seinen Augen. Sein Herr war gestorben und der Nubier konnte sich kaum vorstellen wie es ihm gehen würde, sollte Ursus gehen. Nur wieso stieß der Bithynier ihn irgendwie von sich? Wieso diese Kälte? Vielleicht brauchte er nur Zeit. Zeit die Cimon ihm geben wollte. Seltsam wie sich alles veränderte wenn einzelne Menschen einen verließen. Da wollte der Nubier es ihm besonders 'hübsch' machen.


    Die Kammer des dunklen Sklaven war stets aufgeräumt. Doch heute besonders sauber. Als hätte er jeden Winkel des Raumes mit einem kleinen Tuch sauber geschrubbt. Die Ausstattung war einfach und doch hatte sie etwas besonderes, da er vieles selber gebaut hatte. Später hatte auch Baldemar, der germanische Mitsklaven ihm geholfen. So das die Schnitzereien auf dem Holz allesamt germanischer Natur waren. Cimon hatte keine Vergangenheit. Zumindest keine aus der er eine heimatliche Schrift oder Ähnliches hätte mitnehmen können. Inzwischen stand ein weiteres Bett im Raum, was den Platz etwas verkleinerte. Allerdings geschah hier ja nicht viel mehr als schlafen und gelegentliche Handarbeit. Am Fußende von Cimons Bett stand ein Holzgestell welches mit Fellen ausgelegt war. Hier schlief die einzige Erinnerung die er von seiner früheren 'Sünde' noch vorzuweisen hatte, momentan lag dort eingerollt ein kleiner Kater. Er war nicht mehr so jung, jedoch war er nie besonders groß geworden. Als die Tür sich öffnete sah er neugierig und auch müde auf. Nur langsam bewegte er sich und streckte den ganzen Körper um wach zu werden. Da Cimon da war, blieb der Kater ruhig. Sonst wäre er längst an den Ankömmlingen vorbei gerannt und sich irgendwo versteckt oder eine Maus gejagt.


    Bis jetzt war Cimon sehr still geblieben. Auch wusste er nicht ob er Phaeneas den Kater vorstellen sollte, oder ob ihm auch dieser egal war. Der Nubier entschied sich dazu erst einmal abzuwarten und den Moment abzupassen. Zunächst wollte er sich dem Bithynier anpassen um es ihm so angenehm wie möglich zu machen. Aber wenn sich nicht bald etwas änderte, so würde er seinen Freund, seinen Mann den Kopf waschen müssen. Er wollte ihm helfen. Die Vorstellung jede Nacht hier wach zu liegen und zu Phaeneas rüber zu schauen während dieser stumm und kühl war, blieb unerträglich. Als erstes hatte ihm jemand natürlich erklärt wie sich alles in der Villa zusammen fügte und was seine Aufgaben waren. Nun war es an Cimon ihm sein Bett zu zeigen. Die Kammer war vielleicht klein, aber er war stolz darauf. Es war sein Reich und nun wäre es ihr gemeinsames zu Hause. Das Gesicht des Anderen machte ihm etwas Angst, jedoch versuchte der Nubier es sich nicht anmerken zu lassen. Einige Zeit war vergangen nachdem sie sich zuletzt getroffen hatten. So lang und doch nicht lang genug, wenn Cimon in das Gesicht seines Freundes sah.
    Nachdenklich rieb er sich den Nacken und nahm sich vor Phaeneas so gut es ging vor der Tätowierung zu beschützen. Vielleicht würde Ursus es ja vergessen. Das war etwas an das der Sklave seinen Herren ausnahmsweise mal nicht erinnern würde. Er schluckte seine schlechten Gedanken hinunter. "Willkommen zu Hause" meinte er dann mit einer einladenden Geste und machte sich daran hinter ihm einzutreten. Während der Kater langsam aus seiner Box durch eine Luke krabbelte und Phaeneas begrüßen wollte. Wobei er zunächst neugierig schnupperte. Seltsamerweise schnurrte er dabei. Das kannte Cimon ja gar nicht von ihm. Es zauberte ihm ein Lächeln auf die Lippen. "Der Kleine will dich wohl auch begrüßen" flehend sah er zu seinem Freund. Er wollte so sehr das Phaeneas sich hier wohl fühlte.

  • Für Aurelius Ursus war es natürlich sehr praktisch gewesen, er hatte durch Phaeneas einen extrem wertvollen Sklaven geschenkt bekommen, dessen Wert inzwischen sogar noch deutlich gestiegen war durch die verbürgte lange Treue gegenüber Lucianus und der erlernten Fähigkeit, lesen und schreiben zu können. Außerdem war es wieder eine ausdrückliche, für alle sichtbare Bekräftigung der Bande wischen der Gens Aurelia und der Gens Vinicia, schließlich war es üblich, sich wertvolle Sklaven zu schenken, um das freundschaftliche Verhältnis, das bestand, zu betonen.


    'Willkommen zu Hause.' Erstaunt sah Phaeneas Cimon an. Das tat er im Moment nur selten, ihn überhaupt nur anzuschauen. Maximal sehr flüchtig.
    Seine Augenbrauen hoben sich. Er war nirgendwo 'zu Hause'. Unter anderen Umständen hätte er das Cimon gesagt. Aber mit dem Tod von Lucianus und Phaeneas' Überforderung mit den eigenen überwältigenden Gefühlen dabei, war der Nubier vorübergehend auf einer gewissen Ebene auf den Rang eines für Phaeneas Fremden zurückgestuft worden. Und mit Fremden teilte man keine Informationen über die Wahrnehmung des eigenen Lebens. Mit Fremden sprach man am Besten so wenig wie möglich.


    Die Sauberkeit des Zimmers war jedenfalls vorbildlich, wie Phaeneas mit geübtem Blick feststelle.
    Da kam plötzlich eine Katze auf die beiden Männer zu. Auf den ersten Blick hatte der Bithynier das Gestell, das offensichtlich den Schlaf- und Dösplatz des felligen Tieres darstellte, übersehen.
    Phaeneas mochte Katzen. Mit Katzen konnte er viel mehr anfangen als mit Menschen. Katzen machen keine Unterschiede zwischen den Menschen, entweder dulden sie jemandes Gesellschaft oder sie dulden sie nicht. Luna, die damals in Germania in der Domus des Statthalters gelebt hatte, hatte sich immer gern von Phaeneas streicheln lassen. Er mochte Katzen eigentlich. Aber gerade hatte er auch dafür keinen Sinn, sich mit diesen geheimnisvollen Geschöpfen mit den wachen Augen zu beschäftigen.
    'Der Kleine will dich wohl auch begrüßen.' - Ah, ein Kater. Erstaunlich, dass wohl ein Kater mit ihnen leben sollte, jetzt wo der Sklave darüber nachdachte. Jedenfalls hatte er noch nie mit einem Tier im selben Raum gelebt.
    Er kam näher und schnupperte an Phaeneas' Bein. Der sah nur hinunter und kümmerte sich nicht weiter darum. Trotzdem nahm er sichtbar Rücksicht auf den Kater, als er vorsichtig weiter an ihm vorbei in den Raum ging.
    Cimons Blick, als er auf das Tier Bezug genommen hatte, sortierte der ehemalige vinicische Sklave nur als weiteres Anzeichen seines momentanen seltsamen Verhaltens ein.


    Nun gut, das hier sollte jetzt also sein neues Schlafzimmer sein. Das war offensichtlich. Und weiter? Die Informationen, die Cimon bisher gegeben hatten, waren sogar dem Bithynier zu spärlich. Klar, er wollte jetzt keinen Plausch mit dem Nubier halten, aber etwas mehr musste er allein schon der Notwendigkeit wegen wissen. „Und welches ist mein Bett?“, fragte er deshalb in absolut neutralem Tonfall. Ohne jedes Lächeln, ohne jede Regung, mit genauso viel Körpersprache wie sonst auch immer: praktisch keiner.

  • Nicht nur für seinen Herren war Phaeneas' Anwesenheit von Vorteil. Am meisten profitierte wohl Cimon von diesem Einzug. Dem Nubier war das eigene Glück zunehmend wichtiger geworden. Anders als noch vor Jahren bevor er zu Ursus gekommen war. Diese Zeit des Schreckens schien nun endgültig vorbei und überwunden. Das Zusammenleben mit dem Bithynier würde eine Art Höhepunkt in seinem Dasein darstellen. Um so mehr traf es ihn bis ins tiefste seines Herzens, wie kühl dieser nun wahr. Er sah ihn nicht einmal richtig an. Während Cimon die Augen des Anderen verzweifelt suchte. Wenn ihn etwas störte, warum sagte er es dann nicht? Was mochte es nur sein? Angestrengt dachte der Nubier darüber nach während ein unbeschwerter und stets freundlicher Kater sich auf den Weg machte den 'Neuen' kennen zu lernen. Noch einmal steckte er sich bevor er ihn weiter umrundete und um die Beine Strich. Dabei gab er selbstverständlich laut, um zu zeigen das er da war. Geschickt wich er den Beinen aus als Phaeneas vorsichtig weiter ging und Strich immer wieder erneut am Bein des großen Menschen vorbei.


    Es verwirrte Cimon immens das Phaeneas so gar nicht auf ihn zu reagieren schien ebensowenig wie er auf den dunklen Sklaven reagierte. Tief atmete er durch und nickte zu dem Bett an dem nicht das Bett des Katers stand. "Dies wäre dann für dich. Wenn es dir zusagt, mein Bester." Langsam würde es ihm aber wirklich zu dumm. Was sollte dieses Gehabe? Er selber hatte auch um Menschen trauern müssen, aber dabei nie das eigene Leben verloren, so wie es offensichtlich gerade mit Phaeneas geschah. Cimon liebte ihn, weshalb er so etwas auch nicht zulassen wollte. "Du benimmst dich recht kindisch" gab er deswegen auch ein wenig kühl von sich. Langsam trat er direkt zu seinen Liebsten und egal was dieser tun würde, er griff nach dessen Schultern. So drehte er den Anderen so das sie direkt voreinander standen und sah ihm fest in die Augen. "Was soll dein Verhalten bezwecken? Das ich mich von dir abwende? Das wird nicht geschehen. Allerdings solltest du langsam anfangen mit mir zu reden. Denn ewig lasse ich mir dies nicht gefallen" selten sprach er es so ehrlich und offen aus, was er dachte. Doch wenn er es ihm gegenüber nicht konnte, bei wem denn dann? Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und der Nubier glaubte keine Luft mehr zu bekommen, während er auf eine irgendwie geartete Reaktion wartete. Angst mischte sich in seinen Blick und seine Gefühle, da ihm langsam bewusst wurde das er zwar Phaeneas brauchte, aber dieser wohl nicht unbedingt den aurelischen Sklaven. Nur langsam entließ er ihn aus dem Griff und senkte die Arme. Innerlich begann er aufzugeben ohne es zu wollen und ohne wirklich Einfluss darauf zu haben. Cimon hatte sich vorgenommen immer um sein Glück und seine Liebe zu kämpfen. Seine Kraft drohte ihn nun aber zu verlassen.

  • Nicht mal, als er Cimon irritiert musterte, nach seinem Spruch von wegen 'zu Hause', hielt er den Blickkontakt lang. Schließlich galt es hier, sich eine Übersicht über seine neue Unterkunft zu verschaffen. Der Kater war hartnäckig. Dafür sammelte er die ersten Minuspunkte bei Phaeneas. Er hielt nämlich gar nichts davon, wenn jemand nicht begriff, dass man gerade anderweitig beschäftigt war und eine Störung unangebracht. Konsequentes Ignorieren hielt der Bithynier da immer noch für die beste Vorgehensweise. Erst wenn Leute noch zudringlicher wurden, reagierte auch Phaeneas aktiv: Einen unaufgefordert auf seinen Schoß gesprungenen Kater hätte er beispielsweise wieder auf den Boden zurückgesetzt.
    Wenigstens erfuhr er endlich, wo er schlafen sollte. 'Wenn es dir zusagt' war auch eine dieser Floskeln, mit denen er gar nichts anfangen konnte: Er war ein Sklave. Es war nicht der Sinn der Sache, dass ihm etwas zusagte. Er hatte darin zu schlafen, sodass er seine Aufgaben tagsüber so gut wie möglich erledigen konnte. Das war alles. Und Phaeneas hatte gelernt: Als Sklave hatte man auf jedem Lager Schlaf zu finden. Gerade wollte er zu seinem neuen Bett und der Truhe dort gehen, da gab Cimon etwas von sich, was ihn völlig überraschte. Das sah man ihm auch an.
    „Ich … benehme mich … kindisch?!, wiederholte Phaeneas völlig ungläubig und kein bisschen aggressiv. Die Umständen konnten gar nicht weiter von der Realität entfernt sein, wenn man den Bithynier fragte. Im Gegenteil, seine Handlungen waren stets in jeder Hinsicht rational und durch zwingendste Notwendigkeiten bedingt.
    Auch der inzwischen eher ungeduldige Tonfall erstaunte Phaeneas total.
    Jetzt sah er Cimon auch längerfristig direkt an. Durch dieses seltsame Verhalten hatte der andere Sklave seine Aufmerksamkeit bekommen. So ein direkter Vorwurf war in der Lebenswelt des Bithyniers nämlich nicht vorgesehen. Heimliches hinter dem Rücken Taktieren, das war vorgesehen. Jemandem gut zuhören und jemanden sorgfältig beobachten, um dann eine heimliche Intrige gegen jemanden zu spinnen oder um sich gegen die Intrige so gut wie möglich zu schützen, die jemand anderes evt. gegen einen plante. So hatte die Welt funktioniert, in der Phaeneas aufgewachsen war, und so sah die Welt aus, in der er mental immer noch lebte. All der Sicherheit und Beständigkeit zum Trotz, die er in den Jahren bei Lucianus erlebt hatte, war er immer noch felsenfest davon überzeugt, dass die Welt nach wie vor den gleichen Regeln und Umständen unterworfen war wie den größten Teil seines Lebens bis zu diesem Zeitpunkt. Die bisherigen verstörenden, zermürbenden Erfahrungen waren zu stark und einprägsam gewesen, um von den neuen überschrieben zu werden.


    Aber noch bevor er auf diesen völlig verkehrten Vorwurf, der eigentlich anders herum wesentlich angebrachter gewesen wäre (Denn wer bettelte denn die ganze Zeit schon in vor den Umständen völlig unpassender Weise um Aufmerksamkeit? Gerade wo bei Phaeneas doch fast nie ein freundliches Sozialverhalten zu erwarten war, in Anbetracht dessen, dass er so etwas nur äußert selten zeigte – meistens eben ein korrektes, distanziertes.), reagieren konnte, näherte sich ihm der Andere. Dabei dachte er sich erst noch nichts Böses und war ein weiteres Mal heute völlig überrascht, sobald er die nubische Hand an seiner Schulter spürte.
    Als Cimon nach ihm fasste und ihn sogar zu sich herdrehte, blitzten Phaeneas' fast schwarze Augen auf. Mit festem Blick starrte er den anderen – widerstrebend und mit offensichtlichem Widerstand darin - an. Und wehrte sich mit aller Heftigkeit und Stärke, zu der er fähig war, um dem Griff zu entkommen.
    Auf einen Schlag schien alles an ihm lebendig und sein ganzer Körper war kraftvoll angespannt. Auch wenn man es ihm nämlich auf den ersten flüchtigen Blick nicht ansah und er kein muskelbepackter Athlet war, war Phaeneas doch sehr kräftig. Nicht durch bewusstes Krafttraining, aber allein nur die täglichen Aufgaben, die er seit frühester Kindheit zu erledigen hatte, brachten es mit sich, dass er fit gehalten wurde. Und darin nachzulassen hätte er sich eben in Hinblick auf seine Pflichten gar nicht leisten können. Auch wenn seine Aufgaben bei Lucianus immer weniger körperliche Arbeit beinhaltet hatten – man konnte ja nie wissen, was bei den nächsten Herrschaften gefragt war.
    Aber gegen den wesentlich stärkeren, sportlicheren Cimon mit Leibwächterausbildung hatte er natürlich keine Chance. So hörte er schnell auf sich zu wehren und ergab sich dem Griff.
    Eine Welle von Hilflosigkeit und ein Gefühl von Ausgeliefertsein schwappten über Phaeneas hinweg, spülten den Widerstand, der sich noch eben in ihm aufgebaut hatte, davon. Erstarrt und passiv blieb er zurück, fassungslos über den Übergriff. Augenblicklich fühlte er sich leer, wie eine seelenlose Hülle. Man konnte es nach außen hin sehen: Wie eine Marionette, eine Puppe musste er wirken, mit den jetzt braunen, starren, geweiteten Augen und der steifen Bewegungslosigkeit, die von seinem Körper Besitz ergriffen und allen Anschein von Kraft aus ihm vertrieben hatte. Genauso war der Großteil an Empfindungen aus ihm verschwunden, in ihm existierte nur noch dumpfe, schale Leere. Deswegen konnte er auch nichts mehr zu Cimons merkwürdigen Worten sagen. Denn er war in Duldungsstarre verfallen.


    Als der Nubier ihn nach gefühlten Ewigkeiten losließ, wich Phaeneas sofort zwei kleinere Schritte zurück. Gar nicht bewusst, es passierte einfach so. Zu mehr war er nicht in der Lage.

  • Phaeneas verwirrte Cimon immer mehr. Was sollte er davon nur halten? Was ging da vor sich? Der Kater schien zu spüren das etwas nicht stimmte, oder entschied sich einfach so dazu, sich in seine Kiste zurück zu ziehen und dort im weichen Untergrund zusammen zu rollen. Der Nubier bemerkte er ausnahmsweise mal so gar nicht, wie niedlich das Tier wieder einmal dabei wirkte. Nervös und ein wenig angespannt beobachtete er seinen Freund, seinen 'Mann'. Liebten sie nicht einander? Was hatte sich geändert? Natürlich hatte es Tragödien gegeben. In Phaeneas Leben eventuell einschneidendere als in dem seinen. Aber was änderte das zwischen Ihnen beiden?
    Cimon war es wirklich wichtig ob es dem Bithynier zusagte. Er würde alles tun und versuchen um es dem Anderen so angenehm wie möglich zu gestalten.


    "J... Ja. Schon" bemühte Cimon sich in einer unsicheren eher fragenden Antwort als sein Freund nachhakte ob er sich 'kindisch' benahm. War wohl doch die absolut unpassende Wortwahl, was der Nubier nun viel zu spät zu erkennen begann. Er verstand das Verhalten seines Mannes einfach nicht. Ein wenig begann es den dunklen Sklaven zu überfordern. Er direkte Blick ließ ihn sich klein und unbedeutend fühlen. Heimlichkeiten waren eben nichts für Cimon. Er musste es direkt ansprechen. So direkt er es eben vermochte.
    Mit seiner Annäherung hatte er unbeabsichtigt Phaeneas die Möglichkeit genommen eine entsprechende Antwort zu formulieren. Die dunklen Augen erschreckten ihn einen Moment als sie ihn ansahen. Hilfesuchend betrachtete der Nubier seinen Freund, sein einzig Herz. Das Starren machte ihm ein wenig Angst. Angst ihn zu verlieren, Angst etwas falsches zu tun. Aber was sollte er sonst unternehmen? Hasste er ihn etwa? Warum sah er ihn nur so düster an?


    Die Gegenwehr verwirrte Cimon zunehmend. Wieso spannte Phaeneas sich nur so an? Schwer schluckte er seine Panik hinunter. In einem anderen Zusammenhang hätte er die starken Muskeln als anziehend empfunden. Dafür war jedoch nicht die Zeit. Allerdings ließ er ihn nicht los. Das würde er niemals. Er wollte ihn nicht los lassen. Ein brutales Gefühl des Verlustes brannte sich in seine Brust ein. Er hielt ihn, wollte ihm Wärme geben, ihm die Wärme seines Herzens zeigen. Doch es gelang ihm nicht. Stattdessen wurde der Körper in seinem Arm plötzlich passiv und kraftlos. Als er ihn los ließ und in die braunen leeren Augen sah, erschrak Cimon sichtbar. Er sah ihm nach als Phaeneas zwei Schritte nach hinten auswich und setzte selber zurück, um dann die geschlossene Tür in seinem Rücken zu spüren. Erneut schluckte der Nubier.
    "Ich..." Seine eigene Kraft schien ihn nun zu verlassen. Wie ein Wasserfall flossen seine Gefühle über die Klippe hinunter und er versuchte vergebens sie aufzufangen. "Ich ..." Er hob seine Hand in die Richtung des Anderen ohne ihm dabei näher zu kommen. "Ich will dir helfen." Es gab nichts was sich zwischen Ihnen befand und doch schien die gesamte Welt in diesem Augenblick zwischen den beiden zu stehen. "Lass mich für dich da sein" langsam senkte er seine Hand und sah sich im Zimmer um. Traurigkeit ließ seine Stimme nun erzittern. "Wenn es dir nicht recht ist ... Hier mit mir ... Dann sorge ich dafür das du deine eigene Kammer bekommst" es war genug Platz für sie alle und Cimon hatte einen guten ruf unter den meisten anderen Sklaven um eine Änderung ohne Probleme oder Neid erwirken zu können. Seine Augen jedoch zeigten, wie sehr er Phaeneas bei sich halten wollte.

  • Die letzten Saturnalien hatte er dazu genutzt, in aller Ruhe in dem Raum der Villa Vinicia, in den er sich bei dieser Gelegenheit sowieso immer zurückzog, um Lucianus zu trauern. Die ganzen Feiertage lang ungestört gewesen und nur für Notwendigkeiten wie Hunger unterbrochen worden zu sein, sodass er keine Fassade aufrechterhalten hatte müssen, das hatte sich als ungeheuer praktisch herausgestellt.
    Anders als jetzt, wo er gegenüber Cimon eine ruhige, gefasste Maske tragen musste. Aber er würde schon Gelegenheiten finden, auch jetzt, nach seinem Einzug in das Stadthaus der Aurelier, einen Ausgleich zu der Haltung während der Arbeit zu bekommen. Wenn er Ausgang hatte, würden sich schon Ecken in Rom finden, in denen man sich unbeobachtet und unbehelligt gehen lassen konnte.
    Am liebsten würde der Bithynier ja jeden einzelnen Abend weinen, schreien, zittern und wie betäubt in der Ecke liegen und gegen die Wand starren. Aber das ging definitiv nicht.
    Anders gesagt, das waren eindeutig die ersten Saturnalien gewesen, die Phaeneas zupass gekommen waren. Diese verrückten Feiertage waren also doch für was nütze.


    Dass der Kater sich trollte, nahm Phaeneas nur am Rande wahr. Er wollte endlich seinen wenigen Besitz verstauen. Aber dazu kam er nicht mehr.
    Jetzt hätte er nur noch 'Ita'st, domine.*' sagen können.
    Herrschaften gegenüber hätte er ganz anders reagiert. Schließlich hatten diese das Recht, Phaeneas anzufassen, wie auch immer sie wollten. Bei ihnen ging er gleich in Duldung über, je nach Situation unterschiedlich stark. Vor ihnen wich er auch nicht zurück. Das wäre schließlich Ungehorsam nahe gekommen. Aber im römischen Reich herrschte schließlich Recht und Ordnung (meistens, wie der Bithynier inzwischen gelernt hatte). Und da gab es Menschen, die ganz klar nicht die Befugnis dazu hatten, über ihn zu bestimmen.
    Eine gute Umgebung für Sklaven zeichnete sich laut Phaeneas dadurch aus, dass möglichst klar geregelt war, wer über wem stand. Sonst herrschte das Recht der Durchsetzungsfähigeren: Das waren meistens die mit den besseren Kontakten und mit mehr Wissen über das Umfeld. Im Idealfalls wusste man schon vorher, wem man sich lieber unterordnete und gegen wen man gegebenenfalls eine Chance hatte, wenn man sich wehrte. Schließlich musste man als Unfreier jeden Tag genug aushalten, da ersparte man sich besser zusätzlich Ärger und Aufgaben, die in der Regel auf einen zukamen, sobald einem noch jemand etwas zu sagen hatte. Das hatte Phaeneas' Mutter ihm eingeschärft, um so gut wie möglich im Leben bestehen zu können.
    Manchmal hatte man Glück in so einer Auseinandersetzung mit jemandem und manchmal eben nicht. Und natürlich bestand auch die Gefahr, dass die Person, der man sich erst verweigert hatte, danach wütend auf einen war und das in der Folge an einem ausließ. Deshalb war es wichtig, erst so gut wie möglich abzuwägen, wie erfolgreich eine Gegenwehr wohl sein würde.
    Nur in diesem Fall hatte Phaeneas diese Überlegung gar nicht vorgenommen. Er hatte einfach reagiert. Schließlich hatte Cimon sich ihm aufgezwungen. Und der liebte ihn doch eigentlich. Sollte es jedenfalls. Menschen, denen man etwas bedeutete, sollten einen nicht zwingen, niemals. Zumindest nicht ohne äußere Veranlassung: Wenn die Herrschaften es befahlen, natürlich. Zumindest der Bithynier hielt sich strikt an dieses Prinzip. Natürlich wusste er, hatte es oft genug erlebt, dass sich andere Sklaven nicht für sowas interessierten. Aber das mussten sie laut Phaeneas mit sich ausmachen und selbst für sich in ihrem Leben verantworten.
    Nur Cimon, von dem erwartete er, so etwas einzuhalten. Schließlich stand er ihm nahe. Aber es bestand immer das Risiko, dass man sich in Menschen getäuscht hatte ...


    Benommen bewegte sich der Bithynier in Richtung seines Schlafplatzes. Seine Schritte fielen immer noch klein aus und wirkten schwer. Langsam setzte er sich auf das Bett und ließ sein geringes Gepäck zu Boden sinken. Dort saß er, trotz des leblosen Anscheins gerade und aufrecht, als würde er sich nur kurz von vorübergehender Erschöpfung während der Arbeit erholen. So blieb er, die Hände neben seinen Oberschenkeln auf der Liegefläche, der Blick ging starr und leer in die Ferne.
    Von Cimon bekam er nur mit, dass er gegen die Tür gelehnt war. Der große kräftige Mitsklave versperrte den einzigen Ausgang aus diesem Raum.


    Sim-Off:

    * Ita'st, domine. = Ja, Herr.

  • Diese Saturnalien waren für Cimon eher ruhig gewesen. Er hatte nur wenig Sinn für Geschenke und hatte sich lieber mit Arbeit abgelenkt. Natürlich hatte er sich die ganze Zeit auf diesen Tag gefreut, was seinen Schmerz nun nur noch unerträglicher machte, da Phaeneas weniger begeistert wirkte. Die Maske die er dabei sah, störte den Nubier über alle Maße. Jedoch blieb er erst einmal ruhig. Sicher hatte sein Freund einen guten Grund. Ganz sicher sogar. Warum ließ er sich nicht gehen? Warum zeigte er nicht Cimon gegenüber seine Gefühle? Wie damals, bei Harem ersten Kuss. Oder waren das gar nicht die wahren Empfindungen gewesen?
    Der dunkle Sklave würde Phaeneas in den Arm nehmen und trösten, wenn er ihn nur lassen würde. Wenn dieser auch nur ein Zeichen geben würde. Nur eines. Allerdings schien alles auf 'Abwehr' gestellt zu sein.


    Recht und Ordnung. Etwas was auch für Cimon ein wichtiger Teil seines Lebens darstellte, wenn auch in gänzlich anderer Ausprägung und Definition wie für seinen blassen Freund. Niemals hätte der Nubier ihn zu irgendetwas zwingen wollen. Er sah seine Aktionen momentan auch nicht als solchen Zwang an. Um so seltsamer und kränkender nahm er nun die Reaktionen des Bithyniers auf. Er verstand es einfach nicht. Liebte er ihm doch über alles in seinem ganzen wertlosen Leben. Voller Sorge stand er nur da und beobachtete wie Phaeneas sich auf das Bett setzte und bei allem so kraftlos auf den dunklen, starken Mann wirkte.
    Nachdenklich knabberte er an seiner Lippe um sich schlussendlich von der Tür abzustoßen und in den Raum hinein zu gehen.
    Cimon setzte sich genau Phaeneas gegenüber auf seinen Schlafplatz und sah ihn fragend an. Kein Wort kam über seine Lippen. Ganz wie am ersten Tag als sie einander begegnet waren. Leicht bewegte er den Kopf, wie zur Frage was los sei.


    Ansonsten saß er einfach nur da. Mit gerader Haltung und die Hände ruhig auf den Oberschenkeln ruhend. Etwas besseres wollte ihm nicht einfallen. Wo seine Worte bislang derartig deplatziert gewirkt hatten, ebenso wie seine Aktionen, welche seinen Freund offensichtlich entweder überforderten oder aber missfielen. Beides war kein gutes Zeichen. Der Nubier musste und wollte helfen. Dazu müssten sie beide miteinander reden. Nur wie?
    Da gab es nur eines. Der Ursprung ihrer Beziehung. Der Grund warum sie einander aufgefallen waren. Cimon bemühte sich nun um seine eigene sklavische Maske und sah ihn mit fragenden Augen an. Augen die eine Ausdrucksstärke vorweisen konnten, die ganze Gespräche mit Inhalt füllen könnten. Die Kiefer des dunklen Sklaven arbeiteten kräftiger als gewöhnlich. Doch mehr als diese eine Frage stellte er zunächst nicht in den Raum. Er wollte erst wissen ob es die richtige Strategie war. Noch immer war da dieser schmerzende Knoten in seinem Magen. In seinem Herzen, der sich nicht lösen wollte. Sein Phaeneas brauchte ihn. Und er konnte ihm einfach nicht helfen. Schmerzen breiteten sich in seiner Brust und zeigten wie ernst es den eigenen Gefühlen, der Seele war.

  • Wie durch dicken Nebel bekam er noch mit, dass sich Cimon von der Tür entfernte und an ihm vorbei ging. Ein letzter hellwacher, konzentrierter Teil von Phaeneas verfolgte seine Bewegung, aber nur aus den Augenwinkeln, ohne direkt zu ihm blicken zu müssen. Dazu wäre er auch gar nicht mehr in der Lage gewesen. Trotzdem war der andere Mann im Raum, der ihn gerade noch gepackt gehalten hatte, nach wie vor eine potenzielle Bedrohung. Und da war es besser zu wissen, wo er sich gerade ungefähr aufhielt. ‚Behalte immer deine Umgebung im Blick, Phaeneas. Und verlier vor allem nie jemanden aus dem Auge, der dir gefährlich werden könnte.’ Gemäß der Warnung seiner Mutter bemühte sich zumindest sein Unterbewusstsein, wachsam zu bleiben und nahm zur Kenntnis, dass Cimon auf dem Bett gegenüber Platz nahm.
    Währenddessen fühlte Phaeneas nichts. Gar nichts mehr. Weder seinen Körper noch eventuelle Empfindungen, von denen er auch sonst schon wenig hatte. Kaum drangen Geräusche an sein Ohr, registrierten seine Augen noch Eindrücke, Gerüche waren komplett ausgeblendet.




    Über eine Stunde saß er so. Dann schüttelte er leicht den Kopf und blinzelte kurz. Als sein Blick dabei zufällig Cimon streifte und an ihm hängen blieb, war es dem Sklaven, als hätte er ihn gerade eben dort entdeckt. Dabei hatte er ihn die ganze Zeit wahrgenommen, dass er da war und ihn ansah. Nur daran erinnern konnte sich Phaeneas nicht wirklich bewusst, was seit Cimons Übergriff und seiner abwehrenden Reaktion darauf passiert war. Er wusste es nur irgendwie, dass sie beide da gesessen hatten. Das war immer schon so gewesen: Wenn ihn jemand danach gefragt hätte, was er denn gedacht oder gefühlt hatte, während er so abwesend gewirkt hatte, oder nach irgendwelchen äußeren Umständen, hätte er nur mit den Schultern zucken können.


    Jetzt sah er Cimon an, als wäre er aus einem Schlaf erwacht, aber gleichzeitig immer noch benommen und schläfrig. Trotzdem sprach er immer noch nicht. Schließlich war ihm noch sehr klar vor Augen, weswegen ihm seine Fähigkeit, seine Umgebung geordnet wahrzunehmen, so wie sonst halt, abhanden gekommen war. Und dass er um Lucianus trauerte. Nur das war gerade sehr in den Hintergrund gerückt, durch das akute Gefühl der Bedrohung, das Phaeneas überwältigt hatte. Aber seine Körperhaltung wirkte jetzt nicht mehr ganz so steif, obwohl er immer noch unverändert dasaß. Und so wie er vorher in die undefinierbare Ferne gestarrt hatte, notfalls direkt durch Cimon hindurch, so sah er ihn jetzt an. Ohne ihn erkennbar wahrzunehmen, ohne ein Zeichen des Registrierens, während er doch gleichzeitig irgendwie verwundert wirkte. Aber das schien nur so. Denn sein Kopf war immer noch sehr leer und sein Geist mit dem Wiederaufnehmen der Wahrnehmung und dem Neuordnen der Sinne beschäftigt.

  • Ruhig und ohne besonders wahrzunehmender äußeren Mimik betrachtete Cimon seinen Phaeneas eine ganze Weile. Es war als würde die Zeit nicht mehr existent sein. Hin und wieder zeigte sich Besorgnis oder ein fragender Blick im Gesicht des Nubiers. Ansonsten jedoch fasste er nichts in Worte, da er nicht glaubte die richtigen finden zu können.
    Nachdenklich besah er sich die Lippen des Anderen, die er zu gerne berührt hätte. Die Hände, von denen er sich wünsche sie würden ihn liebkosen und fest halten. Doch nichts von alledem geschah. Hätte er auch nur geahnt, eine Bedrohung für seinen Mann zu sein, hätte er vermutlich erneut mit Emotionalität reagiert, welche sein gegenüber nur weiter verwirrt oder auf Abstand gebracht hätte.


    Inzwischen saß er auf dem Bett gegenüber von Phaeneas. Sein Freund wirkte nicht so als würde er etwas, irgendetwas bewusst wahrnehmen. Und dennoch wartete Cimon. Er gab ihm jede Zeit die er brauchte.
    Mit festem Blick begegnete er den Augen des Bithyniers, der ihn anscheinend gerade erst zu erblicken, oder bewusst wahrzunehmen schien. Er wusste nicht wie lange sie beide reglos auf eine Veränderung gewartet hatten. Das war auch kaum mehr wichtig. Zunehmend fragend wirkten die Augen des Nubiers, welche nicht aufhörten die Augen seiner einzigen Liebe zu ergründen. Es war wie eine zarte Berührung aus der Ferne, ohne sich körperlich in irgendeiner Art und Weise näher zu kommen.
    Selbst im 'Erwachen' von Phaeneas blieb Cimon ruhig und blickte ihn nur an. Den Fehler ihn erneut zu überrumpeln wollte er tunlichst vermeiden.


    Beide schwiegen sie weiterhin. Allerdings kam es dem dunklen Sklaven weit weniger drückend vor als noch einige Zeit zuvor. Eventuell lag es daran, das er das Gefühl hatte das die Schultern, der Körper des Andren weit weniger verkrampft wirkten als noch vor einigen Momenten. Er konnte nur hoffen das dies keine Einbildung war. Schließlich hatte Cimon heute bereits genügend Fehleinschätzungen getätigt.
    Sie beide schwiegen weiter. Sahen sich an. Inzwischen jedoch mit deutlicherem erkennen als es bislang der Fall gewesen war. Zumindest meinte Cimon dies zu bemerken.
    Leicht nickte er ihm zu. Ein kleines Zeichen. Ein Gruß. Nach einem weiteren Augenblick der Stille sprach Cimon mit seiner dunklen und festen Stimme, jedoch nicht besonders laut sondern eher flüsternd. Langsam und betont punktiert Klängen die Worte die er formte. "Ich weiß, dein Leben hat sich vollkommen verändert. Phaeneas. Liebster. Lass mich deine Konstante sein. Mehr kann ich dir wohl kaum anbieten. Allerdings musst du dafür mit mir reden." Er wusste oder ahnte das es so einiges gab was sein Freund vor ihm verbarg. Dennoch wollte er ihn nicht drängen. Wo er gerade erst festgestellt hatte wie so etwas endete. Cimon hatte noch einiges zu lernen, wie er fand. Aufgeben jedoch kam niemals in frage.

  • Auf das Nicken reagierte er nicht, blickte nur immer noch etwas starr in die Richtung von Cimons Gesicht. Für so eine Interaktion war er immer noch nicht ausreichend aufnahmefähig.
    Er musste erneut blinzeln, als Cimon schließlich zu reden anfing. Es war schwierig, ihm zu folgen. Und der Inhalt … sehr kurios, gelinde gesagt.
    Vollkommen verändert? Wann hatte sich Phaeneas’ Leben bitte jemals nicht nach kürzester Zeit wieder komplett verändert? Dann kam der Höhepunkt: ‚Lass mich deine Konstante sein.’ Deine Konstante. Diese Worte grenzten an Hohn. Nein, sie grenzten nicht daran, sie waren Hohn. Hohn, der Phaeneas innerlich bitter auflachen ließ. Wann war jemals irgendetwas in seinem Leben konstant gewesen?! Außer die ständige Veränderung. Ständig hatte er sich umgewöhnen müssen, ständig hatte er sich auf neues einstellen müssen. Nichts und niemand war ihm je länger vergönnt gewesen und auf nichts hatte er sich je verlassen können. Und auf niemanden. Nicht mal auf seine Mutter. Sogar sie war am Ende schwach geworden und hatte seine Lebensumstände dadurch massiv verschlechtert. Durch ihr Versagen hatte er ab dem Alter von zehn Jahren seine Mutter nicht mehr um sich gehabt. Andernfalls hätte er heute noch mit ihr zusammen sein können.
    Seine Konstante. Wie gern hätte der Bithynier einmal etwas beständiges in seinem Leben akzeptiert. Wie liebend gern, nur einmal im Leben igendetwas. Er wollte da auch nicht wählerisch sein. Wie gern hätte er einen festen Ort, eine feste Tätigkeit, einen festen Menschen im Leben.


    Er sah Cimon an, sein attraktives Gesicht. Wie reizvoll doch seine Nähe war. Und mit wie viel Spott er ihn jetzt bedachte. Dementsprechend wandte er den Blick sofort wieder ab, das tat zu sehr weh. War alles umsonst gewesen? Wie er Cimon vor Beginn ihrer Beziehung sorgsam beobachtet und geprüft hatte? Hatte er sich etwa so in ihm getäuscht? War er jetzt nur von einer tragbaren Situation in der Familia Vinicia in eine geraten, in der er dem ausgeliefert war, der vorgegeben hatte, ihn zu lieben?
    Wie er sich als sein Retter aufspielte. Und wie künstlich bescheiden er sich dann noch gab, wie widerlich. Phaeneas brauchte niemanden, der auf große Hilfe in seinem Leben tat. Er war immer gut allein zurechtgekommen, er war auf niemanden angewiesen. In seinem Leben lief alles nach Plan, er hatte alles unter Kontrolle. Und auf Mitleid war er erst recht nicht angewiesen. Auch wenn die anderen Sklaven in der Familia Vinicia das oft anders gesehen hatten, warum auch immer. Zum Glück hatten sie ihm im Laufe der Zeit immer seltener offen ihr Mitleid gezeigt. Es hatte wohl gewirkt, dass er ihnen seinerseits gezeigt hatte, wie wenig er sich darüber freute und er davon hielt. Sprich, dass er unwirsch und abschätzig darauf reagiert hatte. Danach hatten sie zwar jedes Mal den Eindruck gemacht, beleidigt und verletzt zu sein und sich zurückgewiesen zu fühlen – aber wer hatte hier schließlich mit den unpassenden Kommentaren angefangen?
    Kein Wort der Entschuldigung erfolgte. Kein einziges. Es schien Cimon wirklich egal zu sein, welchen Schock er ihm eingeflößt hatte. Wie sehr er Phaeneas in seinem Vertrauen in ihn verunsichert hatte. Stattdessen stellte er schon wieder Forderungen. Dass er mit ihm reden sollte. Über was? Er verstand den Nubier nicht.
    Ganz davon abgesehen, dass er immer noch der Meinung war, dass ihn so jemand nicht Liebster nennen sollte, der so mit ihm umging.


    Der Bithynier fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Immer und immer wieder geriet er in Situationen, die es nach sich zogen, dass er den Bezug zur Welt vorübergehend endgültig verlor. Dass plötzlich Stille ihn umgab, bleierne Stille. Nach der er jedes Mal völlig erschöpft und müde wieder zu sich kam, wie gerädert. Das letzte Mal war ihm das in der Heftigkeit passiert, nachdem jener Herr seine Dienste in Anspruch genommen hatte. Phaeneas erinnerte sich noch ganz genau an das Gefühl von Wasser in seinen Haaren, im Gesicht, in den Ohren ... Daran, wie erstaunlich unangenehm sich das Wasser in dem Moment für ihn angefühlt hatte ... Wo es doch sonst eine so erleichternde Wirkung auf ihn hatte ... Damals war das kein bisschen so gewesen. Er erinnerte sich an die weichen Knie, an die Kurzatmigkeit ... Danach war er in genauso tiefe Dunkelheit gefallen wie heute, vor einigen Momenten. Aber nicht in eine so tiefschwarze, in die Jener ihn davor befördert hatte, während er noch bei ihm gewesen war. Und das Aufwachen aus dieser war viel schlimmer gewesen.
    Jener war genauso ein Sklave gewesen wie Phaeneas. Aber er hatte vollkommene Macht über ihn gehabt, deswegen war er sein Herr gewesen. Schließlich waren viele Sklavenhaushalte so groß, dass es verschiedene Hierarchieebenen gab. Und viele Sklaven darin hatten mit dem obersten Herrn nie etwas zu tun, sodass andere Unfreie ihre Lebensbedingungen bestimmten.
    Gerade hatte der Bithynier noch nicht einmal das Bedürfnis, diese aufkommenden Gedanken so schnell wie möglich wieder zu verdrängen. Schließlich schien ihm die aktuelle Situation im schlimmsten Fall nicht so weit weg zu sein von dem, was er damals erlebt hatte. Und alarmiert fühlte er sich sowieso schon, auch ohne sich aufdrängende Erinnerungen. Das Gefühl von Bedrohung und damit ein Zustand der Wachsamkeit waren automatisch zusammen mit seinem Bewusstsein zurückgekehrt. Wie gut, dass der andere Sklave wenigstens seine vorübergehende Handlungsunfähigkeit nicht ausgenutzt hatte. Das gab wenigstens ein bisschen Anlass zu Hoffnung …


    Phaeneas hatte keine Ahnung, was Cimon von ihm wollte. Und noch weniger wusste er, was gerade sicher gewesen wäre zu sagen. Um Zeit zu gewinnen und in der Hoffnung, dass sich dadurch die Benommenheit in seinem Kopf schneller klärte, fuhr er sich mit den Händen durch die wilden schwarzen Locken.
    Aber auch danach fiel ihm nichts besseres ein als inhaltlich auf das einzugehen, was der Mitsklave ihm als Thema angeboten hatte. Es war leider etwas riskant, weil er dafür minimal tatsächlich etwas von seiner Einstellung preisgeben musste. Und weil er damit Cimon widersprach. Die wenigsten mochten es, wenn man ihnen widersprach. Und Phaeneas nahm den anderen gerade nur als eventuell gefährliches Gegenüber war, das unbedingt besänftigt werden musste. Nur wie er das tun sollte, war ihm noch nicht ganz klar. So gut hatte er den Nubier bisher schließlich doch noch nicht kennenlernen können … Der Bithynier hasste Risiken.
    „In meinem Leben gibt es nichts konstantes. Hat es nie gegeben, wird es nie geben. Für Sklaven ist garantierte Beständigkeit nicht vorgesehen und in meinem Schicksal erst recht nicht. Mach dir gar nicht erst die Mühe, mir etwas in Aussicht zu stellen, was du gar nicht bieten kannst. Es entspricht auch nicht meinen Erwartungen“, flüsterte er zurück. Was zumindest ohne Wackeln oder Zittern in der Stimme gelang.
    Das sagte er aber nicht wirklich, weil er es sagen wollte oder es wichtig fand, es anzusprechen. Sondern nur weil er sich nach diesem Vorfall dazu genötigt sah, Cimon irgendetwas zu antworten. Auch wenn seine Stimme jetzt kooperativ klang, verhielt er sich doch nur so, weil er in dieser Situation der Unterlegene war. Und wer am kürzeren Hebel saß, vermittelte besser dem Überlegenen einen Eindruck von Gefügigkeit.
    Soweit war es schon gekommen in ihrer Beziehung, nach so kurzer Zeit …

  • Langsam wurde es Cimon zunehmend anstrengend mit Phaeneas im selben Raum zu sein beziehungsweise verstehen zu wollen was da gerade im Anderen vor ging. Der dunkle Sklave spürte wie die Unsicherheit seine Hände leicht zittern ließ. Das starren seines Freundes machte ihn schier verrückt. Hinzu kam das er nichts, absolut nichts tun konnte um diese Situation zu retten. Diese Hilflosigkeit erinnerte Cimon an sein Leben, daran wer er war und wo er gesellschaftlich stand.
    Er ahnte ja nicht wie sehr seine Worte die Gesamtsituation noch verschlimmerten. Mit aller Kraft hielt er innerlich an Phaeneas fest und befürchtete dabei dennoch ihn gerade zu verlieren. Er wollte die Konstante sein, immer für seinen Mann da sein und an seiner Seite ihm den Rücken stärken. Das konnte man doch gar nicht falsch oder gar negativ auffassen. Aber weit gefehlt.


    Sein Blick war voller Liebe und Sorge um den Freund. Cimon wusste ja nicht das dieser es vollkommen falsch verstand. Oder eben 'anders'. Mit den Augen folgte er der Handbewegung seines Gegenübers, der sich durch die wunderbaren Locken fuhr. Was für ein Anblick. Und doch war er unfassbar in weite Ferne gerückt. Es war undenkbar für Cimon seinen Liebsten jetzt zu küssen, in den Arm zu nehmen und ebenfalls durch diese vollen, wilden Haare zu streichen.
    Die kühlen Worte erzeugten dann schließlich eine unbändige Angst im dunklen Sklaven. Hörte er da so etwas wie Distanz heraus? Die Lippen des Nubiers bewegten sich, doch er war nicht in der Lage irgendetwas zu sagen. Keine konstanten? Er solle sich nicht die Mühe machen? Das tat unfassbar weh und erzeugte einen ungreifbaren Schmerz in seinem Herzen.
    "Das sehe ich anders" widersprach Cimon dem Bithynier mit leisen und doch festen Worten. Aber er glaubte zu wissen das es nichts brachte Phaeneas das Gegenteil beweisen zu wollen. Langsam stand er auf und sah sich im Raum um. War es ein Fehler ihn in sein 'Reich' geholt zu haben? Mit traurigen Augen blickte der Nubier seinen Freund an. Entschlossenheit zog allmählich in ihm hoch. "Wenn du soweit bist, weißt du wo ich bin" offensichtlich brachte es nichts auf ihn zu zu gehen und ihn zu 'bedrängen'. So unangenehm es für Cimon auch war, er würde warten müssen bis Phaeneas soweit war, bis er auf ihn zu kam. Bis dahin wollte er alles tun, was in seiner Macht stand um es dem anderen leichter zu gestalten. Am ehesten würde da wohl eine gewisse Ordnung helfen.


    "Wenn du möchtest zeige ich dir jetzt den Rest und mache dich mit unseren ... Deinen Aufgaben bekannt" denn schließlich sollte er Cimon dabei unterstützen alles für Ursus zu tun was nötig war. Mit Phaeneas hatte sein Herr nun eine perfekte Ergänzung für administrative Dinge wie auch für all die Aufgaben des leiblichen Wohles, wo bislang alleine Cimon sich drum gekümmert hatte. Nicht weil es wenig Sklaven gab, bei weitem nicht. Sondern weil der dunkle Sklave es als seine Pflicht ansah und am Ende Ursus sich daran gewöhnt hatte, jemanden in seiner Nähe zu wissen, dem er uneingeschränkt vertrauen konnte und der einfach alles für ihn tat. Jetzt wo die Aufgaben geteilt werden konnten, war es Cimon möglich seine wichtigste Aufgabe, den Schutz des Herren in den Vordergrund zu stellen. Da dieser jedoch gerade nicht im Haus weilte, ergaben sich kleine Freiheiten. Auch wenn jetzt selbstverständlich der Sohn des Herren all diesen Schutz bekam.
    Phaeneas würde im Laufe der Einführung in seine Arbeit auch den jungen Herren kennen lernen, dem er sicherlich auch einiges würde beibringen können.


    Mit einem betont langsamen Schritt trat Cimon an die Tür und sah sich noch einmal nach Phaeneas um. Tief atmete er durch und unterdrückte all seine Befürchtungen, all seine Angst um diese junge Beziehung der beiden. Er wollte nicht schon wieder jemanden den er liebte verlieren. Allerdings wusste er nicht wie er dies würde verhindern können. "Bereit?" Fragte er deswegen auch nur ungewohnt knapp, da ihm seine Stimme zu versagen drohte.

  • ‚Das sehe ich anders.’ Häh, Phaeneas würde doch wohl noch am besten wissen, wie sein Leben verlief. Wo lag da die Möglichkeit, verschiedene Meinungen darüber zu haben? Allerdings gab Cimon ihm sonst keine weiteren Anhaltspunkte mehr, um diese Behauptung zu verstehen.
    Bitte was?! Das war alles?! Erst nötigte er ihn dazu, irgendetwas zu ihm zu sagen, und dann reagierte er nicht einmal wirklich darauf? Sagte inhaltlich oder sonst wie gar nichts dazu, sondern beendete nur das kurze „Gespräch“?
    Warum bitte nicht gleich?! Warum erst noch das Bestehen auf irgendwelche Worte aus Phaeneas’ Mund?! Der bithynische Sklave verstand die meisten Menschen einfach nicht und er würde sie nie verstehen. Und hier verstand er Cimon genauso wenig.
    Na gut, so musste er sich wenigstens nicht noch einmal zu einer Antwort zwingen. Dementsprechend sollte es Phaeneas recht sein. Das war ihm sowieso am liebsten, wenn er einfach in Ruhe hier sitzen konnte und schweigen.
    Die verstörte Verunsicherung, die vorhin bei dem Übergriff ausgelöst worden war, vermischte sich trotzdem mit Frust, wegen dieser scheinbaren Willkür. Phaeneas wusste schon, warum er mit Gefühlen auf Kriegsfuß stand. Sie konnten verwirrend sein.


    Inzwischen waren seine Sinne weit genug zurückgekehrt, sodass seine jetzt wieder schwarzen Augen aufmerksam den Bewegungen des anderen Sklaven folgten. So trafen sich ihre Blicke auch, als Cimon ihn wieder ansah. ‚Wenn du soweit bist’. Heute gab er ihm nur Rätsel auf. Nein, seit sie sich nach dem Bürgerkrieg wieder getroffen hatten, redete der Nubier ständig unverständliches Zeug. Wofür sollte er bitte soweit sein? Für weitere verwirrende sinnfreie Gespräche? Und woran sollte er erkennen, dass er soweit war? Diese Handlungsanweisung würde Phaeneas nicht umsetzen können, allein schon weil sie für ihn keinen Sinn ergab.


    ‚Unseren … deinen Aufgaben’? D.h. die Aufgaben der beiden würden sich größtenteils überschneiden? Phaeneas hatte noch nie langfristig fest mit jemandem zusammenarbeiten müssen. Er war auch nicht gut darin, mit anderen zurechtzukommen. Die meisten hielt er einfach für nachlässig, dumm und undiszipliniert. Und die wenigsten konnten mit seinen Standards mithalten. Aber nach seinen bisherigen Beobachtungen sah er eigentlich keine Veranlassung, sich da bei Cimon Sorgen machen zu müssen. Der schien auch Wert darauf zu legen, als Sklave gute Arbeit zu machen. Auch wenn er gerade eben Phaeneas’ Überzeugung von Beständigkeit im Leben Unfreier widersprochen hatte. Aber das waren wohl zwei verschiedene Paar Schuhe, die sich nicht notwendigerweise gegenseitig ausschlossen.


    Jedenfalls war das Angebot, ihn weiter mit seiner neuen Lebenssituation vertraut zu machen, ein angebrachter Plan, sodass er auf Cimons Aufforderung hin auch sofort aufstand. Bei einem Seitenblick auf sein Gespäck wurde ihm bewusst, dass das da noch herumstand. Schweigend verstaute Phaeneas noch kurz seine wenigen Habseligkeiten in der Truhe, in der schon Kleidung aufbewahrt wurde. Viel war sein Besitz nicht, aber dafür um so wertvoller. Als Leibsklave von Lucianus und oberster Sklave der Familia Vinicia hatte er schließlich im Laufe der Zeit einiges an Münzen zugesteckt bekommen. Im Allgemeinen wusste er mit Geld nicht viel anzufangen, weil es ihm nichts bedeutete. Gleichzeitig hatte er das Dilemma erlebt, es nicht verschenken oder viel für andere Menschen ausgeben zu können. Wer Geld hatte, war schließlich beliebt, zog Aufmerksamkeit auf sich und lockte dadurch Bewunderer und Nutznießer, sprich falsche Freunde an. Und das hatte der Bithynier auf gar keinen Fall riskieren wollen. Deshalb hatte er das Problem gelöst, indem er sich einige wenige, dafür umso teurere Kleidungsstücke und Schuhe gekauft hatte. Die hatte er wieder gebrauchen können für repräsentative Anlässe im Auftrag seines Herrn. So erfüllten sie für Phaeneas doch noch einen nützlichen Zweck, der ihm entgegenkam.


    Sobald die Truhe zugeklappt war, machte er sich auf in Richtung Cimon, um ihm zu folgen. Das Sitzen hatte gut getan, sodass seine Schritte auch wieder aussahen wie normal. Trotzdem war er innerlich immer noch nicht ganz wieder da und noch etwas distanziert zu seinem Körper, als würde er nur teilweise zu ihm gehören. Aber er funktionierte wieder größtenteils gemäß dem, was der Bithynier ihm vorgab. Der Rest war nicht schlimm, das war oft so bei ihm. Im Alltag, während der Arbeit, merkte das niemand. Er hatte es ihm Laufe seines Lebens perfektioniert, unaufällig in diesem Zustand seinen Pflichten nachzukommen.


    Endlich etwas vernünftiges tun, nach diesem … unschönen Zwischenfall und all dem sinnlosen bis demütigenden Gerede danach. Endlich Arbeit, endlich Struktur.

  • Innerlich tobte es in Cimon und am liebsten hätte er seinen Phaeneas mal ordentlich durchgeschüttelt. Allerdings war er schlau genug, eben dies zu unterlassen. Das würde sicherlich in einer Katastrophe enden.
    Er war so unsagbar schwer zu durchschauen oder gar zu verstehen und doch liebte Cimon ihn. Aber wie sollte er es dem Anderen nur zeigen können? Kein Wunder also das der Nubier zunehmend ruhiger wurde. Der starke dunkle Sklave war ein wenig überfordert. War es vielleicht an der Zeit es dem Liebsten zu überlassen das alles zu retten? Ob das wohl gut gehen würde? Cimon bezweifelte es. Jedoch stellte er selber sich gerade auch nicht unbedingt schlau an, wie es den Anschein machte.


    Vielleicht wäre es doch um einiges besser sie würden sich auf die Arbeit konzentrieren. Der Rest würde dann ganz sicher von alleine kommen. Was Cimon nur hoffen konnte. Dabei war es äußerst angenehm das sie einiges zusammen würden erledigen können und müssen. Professionell gesehen würden die beiden mit hoher Wahrscheinlichkeit gut miteinander harmonieren. Wenn der Nubier denn seine Gefühle erst einmal vernachlässigen würde können.
    Ruhig wartete er ab bis Phaeneas seine wenigen Sachen in der Truhe verstaut hatte. Dabei schwieg auch er und die Kiefermuskeln zuckten unter seiner inneren Anspannung.
    Das die gute Kleidung in Zukunft dem hellhäutigen Sklaven ebenso von Ursus bezahlt werden würde wie es bei Cimon der Fall war, würde der Andere sicher bald erfahren. Auf die Tätowierung ging er Not ein, da sein Herr in letzter Zeit etwas nachlässig schien was das anging. Da weder Baldemar noch dessen Frau Frija eine solche vorzuweisen hatten. Nun gut, sie waren auch die Sklaven von Senecia. Aber war sie nicht die Frau des Hausherren? Cimon müsste das alles weder verstehen noch hatte er das Recht es in frage zu stellen.


    Kaum das sein Mann mit dem verstauen fertig war, kam dieser auf ihn zu und der Nubier trat mit ihm hinaus. Es folgte eine kleine Führung, die natürlich unterbrochen von diversen Arbeiten war und er stellte ihm einige der Sklaven vor. Die Aufgaben wurden weiter erläutert und als sie auf ihrem Rückweg waren ging es gerade um die Unterrichtung des jungen Titus.
    "Er ist ein wenig sprunghaft und sehr neugierig. Ich bin mir sicher er wird dich mögen" allerdings bezweifelte er irgendwie das Phaeneas den Sohn des Ursus mögen würde. Wobei der Junge ihm schon einige Male mit seiner offenen Art überrascht hatte. Vielleicht würde er auch seinen Freund überraschen können. Auf die gute Weise natürlich.

  • Seit seinem ersten Tag im Stadthaus der Aurelier beobachtete Phaeneas Cimon, verfolgte wachsam, wo er war, was er tat und wie er sich ihm gegenüber verhielt. Schließlich wollte er wissen, ob er damit rechnen musste, dass sich so ein unangenehmer Zwischenfall wiederholte.
    Das war überhaupt die sicherste Vorgehensweise, sich zurückhalten und schweigen, während man seine Umgebung genau im Auge behielt. Man selber war unauffällig, aber bekam alles schnell genug mit, um darauf reagieren zu können.


    Wie der bithynische Sklave bei seinen neuen Aufgaben sofort feststellen durfte, war der junge Herr tatsächlich genauso, wie Cimon ihn angekündigt hatte: sprunghaft und neugierig. Und diese zwei Eigenschaften machten ihn Phaeneas schon unsympathisch. Oder in seinen eigenen Worten: undiszipliniert und unerträglich neugierig. Der Bithynier wusste schon, warum er nicht scharf darauf war, mit Kindern zu tun zu haben. Die meisten waren so. Jedenfalls die, die nicht so aufgewachsen waren wie Phaeneas. Die wie der bithynische Sklave waren nämlich still, konzentriert und gehorsam gewesen, wenn ihnen jemand etwas beigebracht hatte. Etwas anderes hätten sie sich auch nicht leisten können. Aber gut, so erzogen zu werden war für einen freien Jungen dann vielleicht doch nicht ganz das richtige. Aber anstrengend war es halt trotzdem, wenn man ihm etwas erklären sollte. Und völlig unverständlich für den ehemaligen vinicischen Sklaven, wie man nur so sein konnte. Aber das ging ihm ja bei den meisten Menschen so.
    Trotz seiner persönlichen Einstellung dem jungen Herrn gegenüber bemühte er sich natürlich wie gewohnt, seine Arbeit tadellos durchzuführen und sich von seinen Vorbehalten nichts anmerken zu lassen. Allerdings ließ sich dabei nicht ganz verbergen, dass er nicht nur wie bei Phaeneas üblich auf distanzierte Weise höflich und korrekt war, sondern mit dem Jungen auch noch ziemlich steif umging.


    Inzwischen war es auch für die Sklaven der Aurelia Schlafenszeit. Der Bithynier nahm es ganz genau damit. Für ihn persönlich war es sehr wichtig, jeden Tag die exakt gleiche Menge an Schlaf zu bekommen und niemals ein Defizit aufzuhäufen, geschweige denn zu verschlafen. Schließlich hätte das zu Müdigkeit, verringerter Leistungsfähigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten geführt, die ihm seinen Alltag schwer gemacht hätten. In seinem Leben war Schlaf immer eine knappe Ressource gewesen, mit der er streng hatte haushalten müssen. Schließlich war er in vornehmen Familiae erzogen worden, in denen von Sklaven erwartet worden war, dass sie mit einem Minimum an Nachtruhe auskamen und trotzdem noch effektiv arbeiteten.
    Dementsprechend lag er nun schon mit seiner Schlaftunica im Bett und war gerade dabei, sich zuzudecken.

  • Selbstverständlich belastete der Abstand zu Phaeneas den dunklen Sklaven. Aber was sollte er machen? Wenigstens waren sie gemeinsam im selben Haushalt, hatten einen Herren und durften sogar in der gleichen Kammer schlafen. Was für ein Luxus. So bewunderte er seinen Freund aus der Ferne und gab ihm den Abstand und die Zeit die dieser zu benötigen schien.
    Es war fast ein wenig belustigend zu zusehen wie Phaeneas mit dem jungen Herren umging und wie dieser den Armen wohl immer wieder zutiefst zu verwirren vermochte. Titus hörte aber auch nicht auf den Bithynier mit fragen zu 'belästigen' und beinahe wie eine Schleuder damit zu bewerfen. In Cimons Augen entschädigten das Lachen und dieser unschuldige Blick des Jungen für alles.


    Es war wie so oft. Diejenigen die am meisten Abneigung empfanden die wurden manchmal am meisten belagert. Titus schien einen Narren an Phaeneas gefressen zu haben und wollte einfach alles von diesem Wissen. Wo er her kam, wie es da war, wieso er so still war und so vieles mehr. Natürlich auch wie die Welt funktionierte und was ihm diese Mathematik im Leben denn bringen sollte. Das verstand der junge noch immer nicht. Oder wollte es nicht verstehen. Die Reaktionen des Bithyniers störten den jungen Herren dabei wenig. Er nahm es mit Leichtigkeit und einem gut gelaunten Lächeln hin ... und mehr Fragen.
    Irgendwie gefiel es Cimon wie es war. Nun gut, bis auf den Abstand zu seinem Mann. Aber das würde schon noch kommen. Da war er sich ziemlich sicher. Wenn der Nubier etwas hatte, dann Geduld.


    Der Tagesablauf des Nubiers näherte sich immer mehr den des Freundes an. So bemerkte er wie dieser jeden Abend zur etwa gleichen Zeit zu Bett zu gehen pflegte. Cimon kam dieser Zeit selber immer näher. Er wollte bei ihm sein. Und wenn sie nur im selben Raum waren. Das reichte ihm vorerst. Seine Arbeit organisierte der dunkle Sklave immer perfekter um ja nichts liegen zu lassen. Zwar kam er mit wenig Schlaf aus, so das er auch mal früher würde aufstehen können, doch er hasste es abends etwas unerledigt zu lassen.
    An diesem Abend gelang es Cimon das erste mal ziemlich zügig nachdem die Zeit erreicht war ebenfalls zu Bett zu gehen. Als er gerade zur Nacht gewaschen in die Kammer trat, deckte Phaeneas sich zu. Unsicher lächelte er ihn an und nickte schließlich schlicht.


    Sich umdrehend zog der starke Nubier sich die Kleidung aus und legte diese perfekt zusammengefaltet an dessen Platz. Alles hatte seinen Platz. Da war er eigen. Cimon schämte sich nicht seiner Narben oder wegen der Tätowierung im Nacken. Nicht vor Phaeneas. Er war der einzige dem er sich so zeigte.
    Die Katzen waren inzwischen mehr draußen als in der Kammer, so das sie beide völlig alleine waren.
    Ohne eine einzige Bekleidung an seinem Körper drehte er sich zu dem Bithyniers um. Sah ihn stumm an. Kurz zuckte ein Brustmuskel, bevor sich Cimon in seine eigenen Laken hinein bettete. Er deckte sich bis zur Taille zu und drehte den Kopf rüber. Nur wenig Licht schimmerte von einer Lampe die auf einem kleinen Tisch in seiner Nähe stand. Sich auf die Seite wendend griff er danach und hörte nicht auf zu seinem Freund zu sehen während er das Licht löschte. "Guten Nacht, mein Liebster." Sprach er in die Dunkelheit. Eine schützende Dunkelheit. Er hoffte das sein Mann ihm nicht übel nahm, das er ihn eben noch angelächelt hatte.

  • Zusätzlich hielt sich das Gefühl der Distanz zum eigenen Körper noch weit über eine Woche, der Anschein der Abgeschlossenheit von der Umwelt und ihren Sinneseindrücken. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Phaeneas hatte auch sonst kein gerade … inniges Verhältnis zu seinem eigenen Körper, den er im Laufe seines Lebens größtenteils als Quelle von Schmerzen und unbefriedigten Bedürfnissen erlebt hatte. Aber in solchen Momenten war es noch deutlich distanzierter. Und ganz ehrlich, gerade wenn er sehr intensive unangenehme physische und psychische Empfindungen erlebte, war ihm dieser Nebel, der wie eine Wand zwischen ihm und seinem Körper stand und diese Empfindungen stark abschwächte - oder in Extremfällen sogar ganz abstellte - , mehr als willkommen.


    Denn wie er unangenehm entdecken und zugeben musste: Cimon regelmäßig vor Augen zu haben war schon ziemlich ablenkend in seinem Alltag. Bisher hatte er noch nie mit einem Geliebten unter dem selben Dach gelebt, geschweige denn im selben Schlafraum. Und gerade neben seiner Trauer um den Verlust von Lucianus passten diese Gefühle der Anziehung überhaupt nicht. Phaeneas war schon mit dem einen Teil seiner Empfindungen überfordert, aber diese Kombination war endgültig zu viel.
    Zusätzlich war ihm aufgrund länger zurückliegender negativer Erfahrungen nachwievor unbehaglich dabei, alleine mit einem anderen Menschen in einem Raum zu leben. Was seine Wachsamkeit zusätzlich beförderte und aufrechterhielt.


    Noch dazu waren die Fragen des jungen Herrn so dumm. Wie es in Bithynia war? Umgaben die aurelischen Herrschaften ihren wertvollen Nachwuchs überwiegend mit frisch eingefangenen Sklaven, quasi mit unzivilisierten Wilden? Woher sollte der ehemalige Vinicische wissen, wie es dort war, er hatte keinen einzigen Moment seines Lebens dort verbracht. Und seine Mutter hatte seine Zukunft in Rom sichergestellt, indem sie ihn ausschließlich römisch erzogen und seine Aufmerksamkeit von allem anderen weggehalten hatte. Anders gesagt, sie hatte ihm nichts von Bithynia erzählt. Wie sehr Phaeneas sie auch darum gebeten hatte. Aber solche Details behielt er für sich. Seine Meinung zu kontraproduktiver Erziehung von Sklaven nicht. Auch wenn er die Aurelier dabei nicht thematisierte geschweige denn den Jungen direkt kritisierte:
    Warum er so still war? Nur schlecht erzogene Unfreie plapperten drauf los. Es kam für den bithynischen Sklaven wieder auf die selbe Frage zurück: Ließen die Aurelier schlecht erzogene Sklaven auf ihre Kinder los? Es musste so sein. Überhaupt erwartete der junge Herr viel zu schnell viel zu einfache Antworten. Wenn Phaeneas alles verstehen müsste, was für sein Leben relevant war, wäre er schon lang durchgedreht. Weil ihm das meiste ein Rätsel war. Und das meinte er nicht als philosophische Aussage. Das fing schon bei ganz grundlegenden Dingen an: Was war der Sinn daran, dass er existierte und dabei nur ständig scheinbar sinnlos litt? Warum wurde er immer wieder vom Schicksal und seinen Herrschaften bestraft, obwohl er doch sowieso gehorchte?
    Auch hier galt: Gegenüber dem Jungen benutzte Phaeneas nie diese persönlichen Beispiele.


    Abgesehen davon, dass Phaeneas Veränderungen unliebsam waren, war er ziemlich erleichtert, seine Zuständigkeit als oberster Sklave los zu sein. Seiner Meinung nach mangelte ihm auch die Eignung für eine solche Aufgabe. Unfreie wie die frühere vinicische Köchin Berenice oder wie Cephalus zum Beispiel, die hatten eine natürliche Begabung dafür, aber Phaeneas nicht. Er war allein schon zu sehr für sich und hatte darüber hinaus auch absolut keine Lust dazu, sich um die Probleme anderer Leute zu kümmern. Was ihn auch daran störte, Lehrer des jungen Aureliers zu sein.
    Und weil Phaeneas weder die nötigen Fähigkeiten, noch eine entsprechende Ausbildung hatte, hatte er einen großen Teil seiner Arbeit an andere abgeschoben. An die, der ihm untergebenen Mitsklaven, die dafür wesentlich geeigneter waren als der Bithynier. Die hatten sich dem ohne Widerspruch gefügt und darüber nie auch nur das Gespräch mit ihm gesucht. Andere Möglichkeiten hätten sie nicht gehabt. Auch den Herrschaften war nichts davon aufgefallen, schließlich hatte er die repräsentativen Teile seiner Aufgaben vollständig übernommen. Darüber hinaus war er nie kontrolliert worden. Lucianus hatte Phaeneas kein bisschen gefragt, ob er zu dieser Stelle passte. Was ihm der Sklave insgeheim übel nahm, ohne sich das selbst allzu gern eingestehen zu wollen. Schließlich war Lucianus ein großartiger Herr gewesen, den er als Mensch sehr geschätzt hatte, und das schloss jeden Makel aus. Der Unfreie hatte ihm auch nie von sich aus eine Rückmeldung dazu gegeben: Denn er war absolut gehorsam und die Herrschaften mussten eben wissen, was sie wollten. Sie in Frage zu stellen, wäre einem Aufbegehren gleichgekommen. Und das würde Phaeneas nie tun.
    Da er offiziell die Aufgabe als oberster Sklave ausgefüllt hatte, hatte er Lob für „seine“ gute Arbeit bekommen. Für ihn war das ein weiterer von vielen Beweisen, wie dumm und naiv die meisten Menschen waren, und wie leicht es war, sie zu täuschen. Tja, mundus vult decipi, ergo decipiator. *
    Weil er einen guten Teil seiner Arbeit an andere abgeschoben hatte, hatte er im Endergebnis viel Freizeit gehabt, die er irgendwie hatte füllen müssen. Deswegen war er viel außer Haus gewesen. Die Herrschaften hatten von seiner Art der Pflichterfüllung ja nichts mitbekommen dürfen.
    Phaeneas hoffte, dass er zukünftig nie wieder eine solche Aufgabe übertragen bekommen würde, für die er sich gar nicht eignete. Schließlich wäre er dann dazu gezwungen, wieder dasselbe zu tun wie im vinicischen Haushalt.


    Cimons Gegenwart nahm der Bithynier nur kurz zur Kenntnis. Das Nicken und Lächeln fiel ihm gar nicht auf. Auch dass der andere ihn danach weiter im Blick behielt, beachtete er nicht mehr weiter. Erst wenn sich der Mitsklave unnötig weit an das „fremde“ Bett angenähert hätte, wäre er schlagartig wieder aufmerksam geworden. Kurz bevor Phaeneas die Augen schließen wollte, durchbrachen Worte die Stille. Die ihn sofort wieder an die Szene am ersten Tag in der Villa Aurelia erinnerten. Und sofort einen guten Teil der Gefühle davon mitbrachten. Derjenige, der sein Vertrauen so missbraucht hatte, nannte ihn erneut ‚Liebster’.
    Aber letzten Endes war es nur eine von vielen Erniedrigungen im Leben des Bithyniers. Er gab nur ein nüchternes „Gute Nacht.“ zurück. Und kaum dass er doch endlich die Augen zumachte, war er schon fest eingeschlafen.


    Sim-Off:

    *lat. Die Welt will betrogen werden. Also werde sie betrogen.

  • Phaeneas‘ Tage verliefen alle nach einem immer gleichen detaillierten Plan. Von morgens bis abends war alles durchorganisiert. Nie stand er nach einer Nacht auf und fragte sich, was er als nächstes tun sollte. Solche Unsicherheiten konnte es gar nicht geben, weil es bei ihm für alles Alltägliche feste Routinen gab, die er nie abänderte. Jedenfalls nicht, wenn ihn nicht äußerste Notwendigkeit von Seiten der Herrschaften dazu zwang. Sprich, im Zuge von einigen Benutzerwechseln hatte er sich schon bei einigen Abläufen umgewöhnen müssen, weil diese einen anderen Tagesrhythmus gehabt hatten als seine vorherigen Eigentümer. Auch hier in der Familia Aurelia hatte sich der Bithynier in einigen Dingen umstellen müssen.


    Aber nach einer Umgewöhnungsphase lag ihm doch daran, dass diese Routinen erst mal so bleiben würden wie momentan. Spontane Abweichungen mochte er überhaupt nicht und sie machten ihn nervös. Den ganzen restlichen Tag war er dann innerlich unruhig und konnte seinen sonstigen, eigentlich unveränderten Abläufen nicht mehr so vertrauen wie sonst. Unerwartete Planänderungen von außen hingen ihm oft noch tagelang nach und störten seine Gewohnheiten. Und gerade wegen dieser Abneigung gegenüber allem Neuen, allen Veränderungen, war in seinem Tagesablauf alles geplant, was planbar war. Auch die Regelmäßigkeit seiner körperlichen Funktionen machte jede Uhr überflüssig und ließ sie ungenau erscheinen. Für eines dieser Bedürfnisse war morgens ein exaktes Zeitfenster eingeplant. Direkt nach dem Aufwachen und vor dem Waschen.


    In der Phase kurz bevor sie zusammengekommen waren, als Cimon noch zwischen Phaeneas und dieser ominösen verbotenen Frau geschwankt hatte, hatte der Nubier ihn förmlich gezwungen, dieses Bedürfnis auch nachts vor dem Einschlafen zu befriedigen, weil der Bithynier sonst wohl noch ewig wach gelegen hätte. Schließlich hatte er gerade nach dem Hinlegen keine Möglichkeit mehr gehabt sich abzulenken, sodass das Bild von einem ganz bestimmten großen starken schwarzen Mann Aufregung in ihm hatte aufsteigen lassen, die ihn nicht hätte schlafen lassen, wenn er sie nicht durch Handanlegen gedämpft hätte. Auch die natürlicherseits folgende Entspannung hatte die Nachtruhe erleichtert.


    Aber für Phaeneas war es schrecklich gewesen, dass dadurch sein Tagesablauf so völlig durcheinandergeworfen worden war. Er hatte sich selbst verabscheut für seine Disziplinlosigkeit, für seine Unfähigkeit, seiner morgendlichen Gewohnheit nicht ausschließlich zu genau dieser einen Tageszeit nachzukommen. Wie es schließlich sein sollte. Dementsprechend war es ihm auch so unangenehm gewesen, von Cimon dabei erwischt worden zu sein. In diesem Moment war er Zeuge seiner mangelnden Selbstbeherrschung geworden, wenn auch wahrscheinlich unwissend über die genauen Umstände. Aber Phaeneas war es unendlich peinlich vor sich selbst gewesen, deshalb hatte Cimons Anwesenheit die Sache für ihn noch unangenehmer gemacht.


    Zum Glück hatte sich das alles inzwischen längst erledigt. Indem Cimon, nachdem er sich endlich ganz für Phaeneas entschieden hatte, mit ihm geschlafen hatte, hatte er ihn von seiner inneren Anspannung erlöst, die sich in dieser Phase nach ihrem ersten Kuss in ihm aufgestaut hatten. Seitdem fühlte sich Phaeneas wieder ausgeglichen wie davor und konnte seinen täglichen Routinen wie gewohnt nachgehen. Ohne Kopftheater natürlich, schließlich war es gefährlich, das eigene Begehren auf bestimmte Menschen oder Arten von Menschen zu richten. Erst recht in Phasen des Lebens, in denen gerade kein für eine Liebesbeziehung geeigneter Mann verfügbar war. Und deshalb fing sich das Phaeneas lieber gar nicht erst an. Bevor es sich nicht mehr zurückdrängen ließ und der Sklave dem hilflos ausgeliefert war.


    Dementsprechend drang auch an diesem Morgen ein kurzes leises Stöhnen von Phaeneas‘ Bett her an Cimons Ohr. Schließlich hatte er nichts zu verheimlichen. Zumindest in diesem Punkt.



    Sim-Off:

    *lat. wortwörtlich: Die Morgenröte ist die Freundin der Musen.
    Etwas freier: Der frühe Vogel fängt den Wurm.

  • Nur heimlich bewunderte Cimon seinen Phaeneas, der für seinen Geschmack viel zu viel Abstand hielt. Um so schwerer fiel es ihm, da der Nubier darum wusste wie es anders würde sein können. Er verzehrte sich nach Nähe und ein wenig Geborgenheit. Allerdings ließ er dem Bithynia alle Zeit die dieser zu benötigen schien.
    Wo Cimon den eigenen Körper nicht besonders mochte und alles tat um seine Fitness zu behalten, sah er Phaeneas‘ Körper als den an, der perfekter nicht sein könnte. Mehr als sich aus der Ferne zu verzehren und zu hoffen sich irgendwann wieder seinem Mann hingeben zu können, war ihm nicht möglich. Phaeneas durfte nicht sehen wie es in Cimon aussah, sonst würde der Nubier befürchten müssen, das der Andere noch mehr Abstand suchte.


    Seine Trauer um diese Situation behielt der dunkle Sklave für sich und in seinen Träumen. Es blieben ihm die Momente in denen sie sich über Tag sahen oder gemeinsame Aufgaben zu erledigen hatten. Von außen betrachtet zeigten die beiden Männer kaum Nähe geschweige denn Liebe. Dennoch nahm Cimon sich daraus alle Kraft die es ihm kostete den Abstand aufrecht zu erhalten.
    Der Nubier sah, das es Phaeneas nicht gut ging. Dabei schmerzte es ihn immens davon ausgeschlossen zu werden. Der Sklave ahnte das ein Ansprechen der Situation nur gegenteilige Wirkungen erzeugen könnte.


    Bei allem war es besonders erfrischend die vollkommen unschuldigen Fragen des jungen Herren Titus zu hören und zu sehen wie diese den Armen Phaeneas zu überfordern drohten. Cimon blieb dabei ruhig im Hintergrund und versuchte sich die ganze Zeit auf seine ruhige sklavische Maske zurück zu besinnen. Diese, so glaubte er, würde dem Angetrauten durchaus gefallen.
    Cimon fiel auf das der Junge, wenn auch nicht so offensichtlich, nachdenklich wirkte und sich alles was Phaeneas so sagte merkte. Sicher um später andere Sklaven passend mit entsprechenden ‚weiterentwickelten‘ Fragen zu ‚foltern‘.
    Cimon machte das was er am besten konnte. Er nickte gelegentlich milde, wenn er denn gerade in der Nähe war, wenn der Herr so unvermittelt auf den neuen Sklaven im Hause ‚los ging‘.


    So verging die Zeit. Und jedesmal wenn Cimon dem Anderen zu nahe zu kommen schien, zeigte der Bithynier zwar das er den Nubier wahr nahm, doch es wirkte nicht besonders begeistert. Noch etwas was Cimon ein wenig traurig stimmte.
    Es war ein Abend mit besonderer Grausamkeit. Guten Nacht. Mehr hatte sein Mann ihm nicht zu sagen. Etwas zerbrach in seinem innersten und im Dunkel der Nacht lag er eine ganze Weile wach. Cimon sah mit Tränen in den Augen in das Nichts und spürte wie es drohte ihn zu verschlingen. Allerdings war das Leben nicht so gnädig zu ihm, dies auch zu tun. Nein, er blieb wo er war. Musste weiter existieren. War gezwungen mit einem Kloß im Hals seine Gedanken zu beruhigen und irgendwie.... irgendwie einfach einzuschlafen. Einsam blieb er zurück. Im anderen Bett wurde die Atmung ruhiger, tiefer. Unglaublich das Phaeneas schlafen konnte.


    Die Tage glichen einander in erschreckender Weise. Langsam fragte sich Cimon ob es nicht besser wäre die Kammer wieder für sich zu haben. Sein Herz für sich zu haben. Alles beim Alten zu haben. Aber egal was er unternehmen würde. Nachts würden immer die Tränen kommen.
    Der Nubier verbrachte seine Tage damit seinen sklavischen Aufgaben mit besonderer Hingabe nachzukommen. Es war seine Art Ruhe zu finden. Auch ihm gab in diesem Falle die Routine eine gewisse Sicherheit. Sicherheit die er sich von Phaeneas gewünscht hätte.
    Zu den Riten des dunklen Sklaven gehörte eher der Sport als das Hand anlegen. Er sehnte sich nach Körperlichkeit. Aber er sehnte sich nach der hellen Haut des Andren Sklaven. Nach dessen sicheren Händen und festen Griffen. Momentan bekam er dies lediglich in seinen Träumen.


    Gerade war da wieder so ein Traum. Die Lippen von Phaeneas, wie er sie zum ersten Mal gespürt hatte. Die Hände, wie sie ihn das erste mal berührt hatten. Dieser Körper wie er sich zum ersten Mal mit dem seinem verbunden hatte. Leicht unruhig bewegte er sich im Schlaf. Dieser Traum war so real. So nah. Das wohlige Geräusch des Bithyniers so wahrhaftig.
    Aus seinem Traum erwachend brauchte er einige schwere Atemzüge um zu verstehen das er wach war. Er schlief nicht mehr. Und dennoch war da dieses Stöhnen zu hören. Hatte er selber eben etwa auch aufgestöhnt als er mit Erregung im Körper erwacht war? Sein Körper reagierte sofort. Schneller atmend sah er sich im Zwielicht um. Phaeneas lag in seinem Bett. Etwas bewegte sich unter der Decke und machte Geräusche. Eindeutiger hätte es nicht sein können. „Pha....Phaeneas?“ seine leise Stimme zeigte wie gefangen Cimon von der eigenen Lust war. Lust auf diesen Mann, der sich selber berührte, wo der Nubier doch direkt neben ihm lag.


    Einen Moment nur dachte Cimon darüber nach. Es war die Entscheidung des Bithyniers. Und diese wollte er respektieren. Langsam glitt seine Hand tiefer. So das es auch bei ihm bald recht eindeutige Bewegungen zu sehen und zu hören waren. Zuerst biss er sich auf die Lippen. Doch dann machte er es Phaeneas gleich und zeigte dem Anderen wie gut das was er tat war. Natürlich wünschte er sich das der hellere Sklave sich, was er brauchte bei ihm holen würde. Aber er hatte sich geschworen sich an phaeneas‘ ‚Geschwindigkeit‘ zu halten. Dabei erlebte er dies nun zum ersten Mal. Es war Spannend. Anders. Unzweifelhaft gut. Als wenn er es die ganze Zeit gebraucht hatte.
    Mit einem entschlossenen Keuchen setzte er sich auf, stieß die Decke beiseite und setzte sich auf die Kante des Bettes um, im nur wenig von den ersten Sonnenstrahlen erhelltem Raum, zu Phaeneas zu sehen. Während er nicht aufhören konnte sich zu verwöhnen. Seine Augen fixierten den Bithynier und sein Gesicht zeigte nur eines. Echtes, unverfälschtes Verlangen.

  • Während Phaeneas den Nubier meistens wie Luft behandelte und nur auf das Nötigste reduziert mit ihm interagierte, begann er relativ schnell, die Katzen des Hauses kennenzulernen und zu streicheln, sobald er ihnen in einer kurzen Pause begegnete. Katzen hatten sich ihm gegenüber noch nie undankbar oder treulos verhalten. Und er hatte sich nie von einer Hauskatze bedroht gefühlt.


    Davon, wie Cimon seine Nächte verbrachte, bekam Phaeneas absolut nichts mit. Sobald er die Augen schloss, schlief er tief und fest. Für gewöhnlich konnte er sich kaum an Träume erinnern. Zum Aufstehen wachte er immer pünktlich um die exakt gleiche Uhrzeit aus diesem scheinbar traumlosen Schlaf auf und arbeitete seine Gewohnheiten ab.


    Der Bithynier warf erst einen Blick Richtung Cimons Lager, als der schon auf der Bettkante saß. Er konnte trotz allem nicht anders als davon angetan zu sein, wie begehrenswert der nubische Mitsklve aussah. Und in diesem Moment erreichte er sowieso schon hörbar die angestrebte körperliche Befriedigung. Sobald dieser Teil seiner täglichen Routinen erledigt war, machte er mit den wie üblich danach folgenden weiter: Er wusch sich an der Waschschüssel und tauschte danach die Schlaftunica gegen Tageskleidung aus. Ohne Cimon weiter zu beachten, zog er sich aus und wieder an, so selbstverständlich und beiläufig wie eben jeden Morgen. Danach brach er zum Frühstücken in der Küche auf. Mit der gewohnten körperlichen Entspannung, die sich aus seiner Routine ergab.


    Ein paar Tage später hielt sich Phaeneas immer öfter eine Zeit lang in Cimons Nähe auf. Zum Beispiel war ein wichtiges Element seines Tages vor einem Fenster oder im Peristyl zu sitzen und in die Dunkelheit zu starren. So lange, wie er das eben nach seinem Arbeitspensum als Sklave in seinem knapp kalkulierten Tagesablauf unterbringen konnte. Das hatte er sich angewöhnt, nachdem seine Mutter von ihm getrennt worden war, als er ungefähr zehn Jahre alt gewesen war. Davor hatte er jeden Abend an ihre Brust gedrückt, mit der Nase in ihren Haaren vergraben verbracht. Die Ruhe, die sie ihm dadurch gegeben hatte, hatte er danach vermisst. Während er bewegungslos nachdenklich in die Ferne schaute, hielt er sich in seiner Phantasie an einem ganz anderen Ort auf. Er wusste nicht, ob dieser Ort überhaupt existierte. Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls war der Bithynier noch nie dort gewesen. Am meisten ähnelte diese Landschaft einer Mischung aus italischer Landschaft und germanischen Wäldern. Weit und frei war es dort und Menschen und Tiere nahm er nur aus der Ferne war. Es war ihnen unmöglich, sich ihm weiter zu nähern. Der Himmel war meistens weder besonders blau, noch besonders bewölkt. Phaeneas lief einfach nur darin herum und genoss es, nicht von anderen belästigt zu werden. Als Unfreier in einem Sklavenhaushalt war er schließlich kaum Privatsphäre gewohnt. Allein zu sein war eine Seltenheit und meistens nur von kurzer Dauer. Umso mehr war das Zweier-Zimmer mit Cimon eine Umstellung für ihn. Und sich genau so zu verhalten wie die Menschen in seiner Traumwelt, erwartete er momentan auch von jemandem, in dessen Gegenwart er sich dort hinträumte: Abstand einzuhalten.


    Nach weiteren zwei Tagen begann er seinem Mitbewohner kurze, nicht arbeitsrelevante Fragen zu stellen, wenn sie sich tagsüber begegneten. Danach ging er dazu über, sich abends geringfügig länger mit dem nubischen Mitsklaven über sehr oberflächliche Themen des Alltags zu unterhalten.
    Schließlich schritt er eines Morgens in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer auf ihn zu und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Um direkt im Anschluss den Raum zu verlassen und alleine zum Frühstücken zu gehen. Am selben Abend schlang er seine Arme um Cimons Hals, so leidenschaftlich wie der Nubier ihn kennengelernt hatte, um ihn ein weiteres Mal zu küssen. Dabei hefteten sich Phaeneas‘ Augen so an ihn, als ob er der begehrenswerteste Mann wäre, den der Bithynier je getroffen hatte. Einer der begehrenswertesten Männer war er definitiv für ihn.


    Diese Strategie erlaubte ihm, nachdem der Tod ihn auf herbe Weise von Lucianus getrennt hatte, Stück für Stück neu auszukundschaften, wie riskant die Nähe zu Cimon war. Schließlich war er in einer Umgebung aufgewachsen, in der durch Sexualität Macht über andere ausgeübt wurde. Jedes Mal, wenn man sich darauf einließ, mit jemandem zu schafen, ging man das Risiko ein, von demjenigen ausgenutzt zu werden, weit über pure Körperlichkeit hinaus. Wenn ein Mann die passive Rolle einnahm, bestand die Gefahr, dass das Gegenüber das zum Anlass nahm, einen sozial völlig von sich abhängig zu machen. Ein soziales Wagnis, das Phaeneas nicht für jeden beliebigen Mann auf sich zu nehmen bereit war.


    Seine Mutter hatte ihn von klein auf gewarnt: 'Sei vorsichtig, wem du vertraust, Phaeneas. Sei allen gegenüber misstrauisch, die meisten wollen dich ausnutzen. Sei zum Beispiel misstrauisch gegenüber Männern, die nur deinen Körper besitzen wollen. Deswegen prüfe sorgfältig, bevor du dich auf jemanden einlässt.' Auch in diesem Punkt hatte seine Mutter wie immer recht gehabt. Wenn er jemandem absolut Glauben hatte schenken können, dann ihr. Deshalb befolgte er ihren Rat auch noch Jahrzehnte nach ihrem Tod. Das meiste, was er von der Welt wusste, wusste er von ihr.


    Wegen ihrer Warnung, dass die meisten Leute andere nur benutzen wollten, hatte er auch erst nach der Trennung von ihr zum ersten Mal einem anderen Menschen als seiner Mutter genug getraut, um sich überhaupt mit ihm abzugeben. Das war Mahir gewesen, der ein paar Jahre danach sein erster Geliebter geworden war. Die Zeit, in der er unabhängig von ihr hatte zurechtkommen müssen, war schwierig gewesen. Eine regelrechte Prüfung, ob er gut genug von ihr gelernt hatte, um als Sklave überleben zu können. Das ständige Alleinsein war unerträglich gewesen, deswegen war er insgeheim sehr erleichtert gewesen, als Mahir ihn wiederholt angesprochen hatte. Zum Glück hatte der ihre Beziehung nicht dazu ausgenutzt, um Macht über ihn auszuüben. Phaeneas hatte ihn also im Vorfeld gut genug eingeschätzt, um schlimmeres zu verhindern.


    Aber an all das dachte er in dem Moment nicht, als er Cimon längst mit Blicken verschlang.

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