De vita beata...

  • Das triste Grau der Wintermonate war nach und nach den bunten Farben des Frühlings gewichen und alles erwachte wieder zu neuem Leben. So wie jedes Jahr. Nur in diesem Jahr wirkte irgendwie alles viel schöner und intensiver angesichts der Tatsache, dass dieses Jahr nicht nur die Natur ihre alljährlich auferlegten Fesseln abstreifen würde, sondern darüber hinaus der verhasste Diktator in Rom bald Geschichte sein würde. Jeden Tag konnte es soweit sein und durfte man auf die freudige Nachricht aus der Hauptstadt rechnen. Wie lange würde es wohl noch dauern bis die Rebellen siegreich in Rom einziehen würden, oder ... würden sie am Ende, so kurz vor dem Ziel, doch noch aufgehalten werden?


    Zumindest der Frühling war nicht mehr aufzuhalten, als er mit kräftiger Brise über das Land strich und die Gräser auf den sanften Hügeln in wilden Reigen zum tanzen brachte. Ein wundervoller Anblick im Glanz der wärmenden Sonne, welche die Szene in ein imposantes Farbenspiel tauchte. Ein Kontrast aus tiefem Blau und sattem Grün, durchsetzt mit unzähligen Farbtupfern die dem Auge schmeichelten, wohin man auch blickte. Was für ein herrlicher Morgen, dachte Prisca bei dem Anblick und sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals einen so schönen Tagesanfang wie diesen so bewusst erlebt zu haben. Recht genießen konnte die Aurelia diesen wunderschönen Morgen jedoch nicht wenn sie daran dachte, was ihr und ihrer Familie in den vergangenen Wochen und Monaten widerfahren war. Verglichen damit schien ihr jüngst schändliches Handeln noch harmlos, gleichwohl das Besäufnis mit dem Soldaten wie das Tüpfelchen Farbe auf einem riesigen schwarzen Loch wirkte, welches Prisca als unsichtbaren Makel über sich schweben sah. Eine Patrizierin allein unter Soldaten, dazu noch so betrunken, sodass sie sich an nichts mehr erinnern konnte. Da hätte ja (wissen die Götter was) alles passieren können und je länger Prisca so für sich allein darüber nachgrübelte, umso schlimmer wurde es. Allein! Ja das war genau der entscheidende Punkt. Prisca fühlte sich unglaublich einsam und allein und das nicht nur seit vorgestern. Dieser Zustand dauerte nun schon gut zwei Jahre an, seit sie nach dem Tode ihres geliebten Mannes sich zur Trauer zurück gezogen hatte und nach ihrer Rückkehr nach Rom (dank des Vescularier) das Familiendomizil verwaist vorgefunden hatte. Lediglich die Prätorianer leisteten ihr von da an regemäßig unliebsame Gesellschaft und nun, da alles soweit überstanden war, war sie immer noch allein. Wo war nur ihre ganze Familie abgeblieben? Und wo waren all ihre Freundinnen? Es fehlte einfach jemand, an dessen Schulter sie sich endlich hätte anlehnen und ausweinen können und dem sie alles hätte beichten können, ohne dabei vor Scham im Boden zu versinken?


    Nun gut. Ihr Cousin Lupus war noch am Leben und er hatte sich fürsorglich um sie gekümmert, doch im Grunde wusste die Aurelia nur zu gut, wie er über sie und ihr Verhalten dachte, auch wenn er es ihr offen gegenüber so niemals gesagt hatte (und so wie er dachten viele von den konservativen Aureliern). In Lupus Augen hatte Prisca sich verhalten wie eine billige lupa und damit Schande über sich und die Familie gebracht und nur der Umstand, dass dies alles an einem abgelegenen Ort geschehen war und die Zahl der Zeugen nicht ins Gewicht fiel hatte sie davor bewahrt, ihrem Leben wenigstens auf ehrenvolle Weise ein Ende setzen zu müssen. Aber was nicht muss kann ja immer noch sein, oder war das Leben so noch lebenswert?


    Eine Böe erfasste Prisca in dem Augenblick da ihre Gedanken um dieses unschöne Thema kreisten und wirbelte ihr langes offenes Haar wild durcheinander, so wie die Gräser auf den Hügeln. Was für eine seltsam melancholische Stimmung dieser Wind mit einem Mal heran trug, gerade an solch einem schönen Tag … Der Wind verweht und mach vergessen, trägt fort was alt und welk ist, er reinigt und macht Platz für Neues … Man müsste sich einfach von ihm mit nehmen lassen und alles wäre gut, dachte Prisca mit einem traurigen Seufzer, die Arme vergeblich ausgebreitet in der Hoffnung, der Wind möge auch sie für immer davon tragen. Wäre das nicht die einfachste und beste Lösung? So viele unerfüllte Liebschaften, ein verlorenes Kind, ein dahin geschiedener Ehemann, Selbst ihr Lieblingscousin Ursus dem Tode nahe und der Rest der Familie zerstreut in alle Winde, so wie ihr guter Ruf … All das verloren, für immer, so schien es …


    … die Augen geschlossen und nur den intensiven Duft der Natur in ihrer Nase schmeckend, den weichen Boden unter den nackten Füßen ertastend und den Geräuschen des Windes und dem Gesang der Vögel lauschend. … berauschend … wäre jetzt nicht der Augenblick um mit allem für immer und ewig abzuschließen? Prisca öffnete die Augen wieder und erblickte einen kleinen Fluss, der sich vor ihr durch die wunderschöne Landschaftsidylle schlängelte. Das Glitzern des Wassers hatte eine magische Anziehungskraft auf die Aurelia und Sekunden später fand sie sich bis zu den Knöcheln tief im Wasser des Flusses wieder. Wieviel mächtiger als der Wind mochten diese Fluten sein, die alles mit sich davon trugen. Und wohin? … Ins Elysium, wohin sonst …


    Die Aurelia blickte über die Schulter zurück, den Hügel hinauf zu ihrem Reisewagen, aus dem sie sich vorhin heimlich davon geschlichen hatte, während ihre Begleiter damit beschäftigt gewesen waren ein zerbrochenes Rad an einem der Lastenkarren auszutauschen. Dort oben würde das Leben weiter gehen, als wäre nichts geschehen und wenn ihr Verschwinden bemerkt werden würde, dann hätte der Fluss sie längst ins Jenseits getragen. So einfach wäre es …! "Beatus ille, qui procul flagitiis [SIZE=7](glücklich ist der, der fern aller Schande ist)[/SIZE]", sprach Prisca die Worte laut zu sich in der Hoffnung, sie würde wirklich glücklich werden, sobald sie den letzten und entscheidenden Schritt gewagt hätte. Nur noch ein einziger kleiner Schritt und da(nn) …


    …ertönte plötzlich ein lautes *KNACKEN* aus dem Gebüsch neben ihr. Erschrocken zuckte Prisca zusammen und wirbelte zu dem Geräusch herum. Der Wunsch aus dem Leben zu scheiden war verflogen, stattdessen wünschte sie sich ein tiefes Loch herbei, in das sie augenblicklich vor Scham hätte versinken wollen: "Was? Du meine Güte!!! Du??? ...Aber, ...was machst du denn hier. Bist du mir etwa nach geschlichen???", keuchte Prisca völlig verwirrt und machte reflexartig einen Schritt rückwärts. Dummerweise trat die Aurelia dabei ausgerechnet auf einen glitschigen Stein, der sie ins taumeln brachte. "Uuuuaaaahhh ...Hiiiilfe!!", suchend nach Halt, ruderte Prisca nunmehr verzweifelt mit den Armen um eben jenen Fluten zu entgehen, in die sie sich Sekunden zuvor noch freiwillig stürzen wollte …


    Sim-Off:

    *RESERVIERT* :)

  • Und noch ein Morgen. Ein weiterer Morgen, der Ahala vermutlich weit mehr zusagen würde, wenn er ihn seinem überaus bequemen Bett in Rom einläuten könnte, nach einer durchzechten und durchspielten Nacht langsam zu sich kommend, nicht mehr Verantwortung vor sich als den Gang zur Therme und das eine oder andere Schwätzchen hier und da, bereits auf der Suche nach den Verlustigungen der nächsten Nacht. Ach ja, die gute alte Zeit, wie herrlich entspannend sein Leben doch damals gewesen war, höchstens mal unterbrochen von der ein oder anderen väterlichen Nachbohrerei oder der ungemein einschläfernden Phase während seiner bislang doch sowohl zeitlich als auch inhaltlich arg limitierten politischen Karriere, die sich zum großen Teil in einem verstaubten Officium abgespielt hatte. Ja, dieser Teil war mehr als langweilig gewesen, aber alles andere….welch herrlicher Müßiggang, welch Sorglosigkeit, nur ein wenig in Mitleidenschaft gezogen durch die Affäre mit Flora, seiner Stiefmutter, die im Tausch dafür andere, nicht minder angenehme Begleitaspekte mit sich gebracht hatte. Von einem abgesehen, vielleicht…
    Ob es wohl schon auf der Welt war, das Kind? DAS Kind, wohlgemerkt, in Ahalas Gedanken stets nur unter Vermeidung jeglicher Possessivpronomen auftauchend. Das Kind, das nach logischen Gesichtspunkten inzwischen eigentlich längst geboren sein musste, selbst nach den biologischen Kenntnissen eines Mannes, dessen Interesse an einer Schwangerschaft sich von jeher auf die unmittelbare Entstehungsphase beschränkt hatte. Ja, vermutlich war es inzwischen da, und nach ihrer Ankunft in Mantua würde er sich zwangsläufig mit ihm auseinandersetzen müssen und mit der Mutter gleich mit, aber noch war es erfreulicherweise nicht soweit. Ein weiterer Morgen, eine weitere Galgenfrist, was ganz beruhigend war, auch wenn das bedeutete, mal wieder mit einem kaputten Rad in einem Schlammloch festsitzen zu müssen. Überhaupt hatte Ahala manchmal das Gefühl, den Großteil des Bürgerkrieges auf diversen Vehikeln, von Ochsenkarren bis Reisewagen, verbracht zu haben, die eine oder andere Dame von A nach B eskortierend, während die meisten anderen sich zeitgleich die Köpfe einschlagen ließen. Allzu heldenhaft war sein bisheriger Beitrag zur Rettung der mos maiorum, die sein hochmotivierter Senior sich auf die Fahne geschrieben hatte, wahrlich nicht gewesen, aber dafür war der jetzt auch schon seit Ewigkeiten im Elysium unterwegs, und er, Ahala, nach wie vor quicklebendig. Und das war doch immerhin auch schon was, oder etwa nicht?
    Ja, im innerlichen Schönreden und Verdrängen unliebsamer Wahrheiten hatte Aulus Tiberius Ahala Tiberianus, einstmals Aulus Tiberius Celsus aus Syracusae, schon immer schon über erstaunliche Ressourcen und Talent verfügt, und so stellte er nach kurzer Zeit das Grübeln (das ja bekanntlich ohnehin zu nichts führte) wieder ein, ließ Flora Flora und das Kind das Kind sein, schloss vorübergehend Frieden mit seiner wenig beeindruckenden Rolle als Reisebegleiter und entschied kurzerhand, dass es an der Zeit war, sich mit dem angenehmen Aspekt seiner aktuellen Aufgabe zu beschäftigen: Aurelia Prisca.


    Die werte Prisca und vor allem deren Ruf hatten, nach allem was er so aufgeschnappt hatte, seit ihrer Ankunft im Rebellenlager ein wenig Schaden genommen, doch das focht Ahala herzlich wenig an. Zum einen war er allen Verdrängungsmechanismen zum Trotz selbstkritisch genug, um sich seiner eigenen, unter moralischen Gesichtspunkten wenig glanzvollen Person und Vorgeschichte bewusst zu sein, und zum anderen genoss er Priscas Anwesenheit durchaus. Etwas, das Flora vermutlich wenig schmecken würde, aber die war ja bislang noch weit weg, und außerdem hatte er ja schließlich sogar hoch offiziell den Auftrag bekommen, Prisca nach Mantua zu geleiten, da musste er doch schließlich Interesse zeigen, nicht wahr? Apropos….wo war sie überhaupt?
    Ahala suchte ein paar Minuten vergeblich die unmittelbare Nähe des lahmgelegten Reisewagens ab, erweiterte dann seinen Radius und entdeckte die Vermisste, schön anzusehen wie eh und je, schließlich den Hügel hinab am Ufer eines Flusses. Nein, mehr oder weniger schon im Fluss, um genau zu sein, und Ahala beschloss auch in diesem Fall, unnötige Grüblereien über die genaue Bedeutung dieser Position auf später zu verschieben und kämpfte sich durch ein höchst ungünstig stehendes Buschwerk, nur um Sekunden später in gespielter Entrüstung die Arme in die Luft zu werfen.


    „Was ich hier mache? Ich versuche, auf dich aufzupassen und wohlbehalten nach Mantua zu bringen, Aurelia, so wie ich es deinem Vetter versprochen habe. Hätte ich schleichen wollten, dann wäre wohl eine andere Taktik sinniger gewesen, als mich hier durch dieses dämliche Gesträuch zu quälen.“ Mit einem leisen aber durchaus noch hörbaren Fluch zog Ahala sich Bruchstücke von Dornenranken von verschiedenen Stellen seiner Tunika, griff dann jedoch reflexartig nach vorn und packte die strauchelnde Prisca ein wenig unsanft, dafür aber sicher an einem ihrer wild um sich schlagenden Arme und zog sie zu sich hinüber. Besonders elegant war das ganze Manöver beim besten Willen nicht, zumal Prisca durch den Schwung kurz gegen seine Brust prallte, aber dafür war sie nach wie vor an einem Stück und sogar noch weitgehend trocken.


    „Ist alles in Ordnung? Tut mir leid, wenn ich zu grob war, aber ich kann doch meinen Schützling nicht einfach so ertrinken lassen, das wäre deinem Vetter sicher nicht recht.“ Ahala hatte Prisca inzwischen wieder losgelassen und bedachte sie mit einem leicht schiefen Grinsen, dem man durchaus auch ein gewisses Maß an Erleichterung ansehen konnte.

  • Zitat

    Original von Aulus Tiberius Ahala Tiberianus
    ...


    Blöder glitschiger Stein! Wenn Prisca etwas hasste, dann waren das Steine. Nutzlose Dinger, die nur sinnlos in der Gegen herum lagen und Stolperfallen bildeten um sich entweder die Zehen daran wund zu stoßen oder ungelenk darüber zu stürzen - meistens genau dann, wenn Andere dabei zu sahen. Ein Glück nur, dass Prisca´s erst kürzlich pedikürten Zehennägel (eine der wenigen Annehmlichkeiten auf dieser Reise) keinen Schaden davon trugen und sie dank Ahala´s guter Reflexe vor einer unsanften Landung auf dem Boden bewahrt wurde. So weit so gut. Jetzt fehlte nur, dass dem Tiberer ein Lacher aus käme: Dann aber, … wehe dir!


    Belustigt wirkte Ahala´s schiefes Grinsen jedoch nicht, eher wirkte er besorgt um ihr Wohl. Sein Glück! Prisca´s anfänglich verfinsterte Miene erhellte sich prompt, jedoch blieb ein leicht skeptischer Blick in ihren Augen zurück, während sie ihren "Retter" noch leicht irritiert musterte. "Ehm, ja, alles in Ordnung und nein, keine Sorge, du warst nicht zu grob" Ein Lächeln zuckte über ihre Lippen. Obwohl ihr rechter Unterarm von seinem beherzten Zugriff schmerzte, gebot es der Anstand ihm dies nicht zum Vorwurf zu machen, schließlich hatte er in seiner Funktion als Aufpasser lediglich in guter Absicht gehandelt.


    Auf einen Aufpasser hätte Prisca trotzdem gut und gerne verzichtet, wenn es nach ihr gegangen wäre, doch hatte ihr Cousin Lupus in diesem Punkt nicht mit sich handeln lassen. Ein Aufpasser für mich! ..Pah! Als ob ich noch ein kleines Kind wäre. Irgendwie kam Prisca sich aber gerade so vor, wenn sie Ahala so reden hörte und es war schon irgendwie seltsam, ausgerechnet ihm jetzt hier gegenüber zu stehen, nachdem sie ihm zuletzt vor ewiger Zeit in der Erbangelegenheit ihres verblichenen Mannes begegnet war. Seitdem war wahrlich viel passiert und ihm war sicherlich ebenso viel widerfahren wie ihr, in den Wirren dieses viel zu lange dauernden Bruderkrieges, in dem die sie zumindest auf der selben Seite standen.


    "Meinem Vetter ist im übrigen so einiges nicht recht was ich tue und, wie ich mich verhalte. Von daher würde es mich eher wundern wenn es ihm - im Gegenteil - nicht eher recht wäre wenn du mich ertrinken lassen würdest, um ich auf diesem Weg, zumindest halbwegs ehrenvoll, ins Elysium schicken würdest.", fügte Prisca ihren ersten Worten noch jene spontan und sarkastisch klingend an da sie davon ausging, dass Ahala von ihrem ungebührendem Verhalten wusste. Eine Adelige, die sich mit einfachen Soldaten betrank? In der Vergangenheit hatten schon mindere Gründe dafür ausgereicht um die Ehre der Familie zu beschmutzen und nicht selten war der Suizid der/ des Schuldigen der einzige Weg, um die selbige Ehre wieder her zu stellen. Wie dachte der Tiberer wohl über solche Dinge und über sie? Ob er ihr Verhalten ebenfalls verurteilte?


    Oder tat sie Ahala gerade Unrecht, was seine Meinung über sie betraf? … Prisca seufze leise denn sie merkte, dass sie sich wieder mal viel zu viele Gedanken machte. Am Ende wusste der Tiberer gar nichts von den Geschehnissen, die vorgefallen waren.


    Oh je, was rede ich da eigentlich? ...Ein Räuspern, dann meinte die Aurelia wieder etwas gefasster: "Aber lassen wir das , … sag mir bitte, werter Tiberius, was bringt dich dazu meinem Vetter, respektive meiner gens, diesen Wunsch zu erfüllen und was veranlasst dich dabei zu einer derart seltsamen Taktik, dich durch ein Dornengebüsch an mich an zu schleichen, oh pardon, ...du bist ja nicht geschlichen, ehm, sagen wir besser: … wie du dich mir zu 'nähern' gedacht hattest?" … Angriff war bekanntlich das beste Mittel, wenngleich Prisca in diesem Fall eher auf Verteidigung aus war - so schnell wie ihr Herz bei diesen Worten bumperte ...

  • "Nun, ich muss gestehen, dass ich deinen Vetter nicht wirklich allzu gut kenne, Aurelia, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm etwas an einem baldigen Eintritt deinerseits ins Elysium gelegen sein sollte, ehrenvoll oder auch nicht." Nachdem der erste Schreck verklungen war, spürte Ahala durchaus, wie ein amüsiertes Grinsen seine Mimik zu übernehmen drohte, doch das drohende Funkeln in den Augen der werten Prisca ließ ihn dann doch lieber einen betont arglosen Gesichtsausdruck beibehalten. Ja, diese Art von Funkeln kannte er bereits von seiner hochgeschätzten Stiefmutter, und auch wenn es am richtigen Ort und zur richtigen Zeit eine Menge Feuer und Bewegung in das gesellige Beisammensein bringen konnte, so hatte es sich im Interesse der eigenen Gemütlichkeit bei Gesprächen oder Diskussionen als empfehlenswert herausgestellt, den Ball auf unauffällige Weise möglichst flach zu halten. "Und was heißt überhaupt ehrenvoll..." Ahala, der unter normalen Umständen nicht gerade zu den tiefgründigsten und grüblerischten Vertretern seines Geschlechts gehörte, hatte sich aus gegebenem Anlass über dieses Thema in den letzten Monaten tatsächlich den einen oder anderen Gedanken gemacht, und schüttelte entsprechend überzeugt den Kopf. "Ja, Ehre ist ein beeindruckendes Wort, und man kann sich nett damit schmücken, solange man lebt, aber den Toten bringt sie gar nichts mehr. Tot ist tot, und wenn ich als Schatten durch die Unterwelt geistere, kann ich es mir mit all meiner Ehre auch nicht gemütlicher machen. Da sorge ich doch lieber dafür, dass es mir jetzt und hier gut geht, dann hab ich wenigstens ein paar schöne Erinnerungen, mit denen ich mir da im Elysium ein paar warme Gedanken machen kann." Inzwischen war doch ein Grinsen auf dem Gesicht des Tiberiers erschienen, und er zuckte entschuldigend die Schultern. "Vermutlich bin ich aber auch der falsche Gesprächspartner für ein derart hehres Thema wie die Ehre, Aurelia, in Rom und selbst in Mantua würdest du mit Sicherheit Dutzende von Männern finden, die sich mit dem Erwerb und Erhalt von Ehre besser auskennen als ich." Für Ahala, der sich seiner Familie zuliebe zumindest in seinen eigenen Kreisen bemühte, einen gewissen Schein zu wahren, waren das schon recht offene Worte, aber im Fall von Aurelia Prisca, deren öffentliche Ehre von den Untiefen des Lebens auch bereits ein wenig zerrupft worden war, hatte er das Gefühl, sich nicht komplett verstellen zu müssen, und das machte ihm die Frau ihm gegenüber nicht nur attraktiv sondern auch durchaus sympathisch. Was allerdings nicht bedeutete, dass er die Andeutung, er habe sich wahlweise wie ein pickliger und schwärmerischer Jüngling oder ein mit finsteren Absichten versehener Bösbert durchs Gebüsch an sie herangerobbt, einfach so stehen lassen konnte!
    "Was mich dazu bringt? Nun, werte Aurelia, ich habe deinem Vetter meine Hilfe zugesagt, weil Fl...meine Stiefmutter und ich deiner Gens einiges zu verdanken haben. Ohne die Unterstützung deines Cousins Ursus hätten wir nach dem Tod meines Vaters nichts gehabt, wohin wir hätten gehen können, und so etwas vergesse auch ich nicht. Und abgesehen davon...." das Grinsen auf Ahalas Gesicht verbreiterte sich"...hatte ich eine gewisse Sorge, du könntest von deinem Standort im Fluß vielleicht Opfer eines Sturzes oder der Fluten werden, wenn ich in aller Gemütsruhe erst all die Büsche hier umrunde, um zu dir zu gelangen. Nicht ganz unberechtigt, wenn ich das mal so sagen darf..."

  • Na das war ja nochmal in letzter Sekunde gut gegangen. Puh! …. So schnell wie Prisca den Halt verloren hatte, konnte sie gar nicht mehr bewusst reagieren, aber zum Glück hatte der Tiberer sie mit einem beherzten Griff gerettet und damit wieder ein Stück weit in die Realität zurück gerissen. Der Eintritt ins Elysium (ob nun ehrenhaft oder der Ehren halber) musste wohl noch ein wenig warten. Oder auch ein wenig länger, jetzt, da Prisca wieder mit beiden Beinen auf festem Boden stand und sie realisierte, dass sie gerade eben ernsthaft darüber nach gedacht hatte sich das Leben zu nehmen. Dabei hing die Aurelia eigentlich sehr am Leben und an den Freuden, die es mit sich brachte und bei dem Anblick der Idylle rings um sie herum lief Prisca regelrecht ein Schauer über den Rücken und sie war in dem Moment richtig froh, dass Ahala jetzt hier bei ihr war.


    Selbst wenn Ahala jetzt offen zugegeben hätte, dass er sie tatsächlich hatte heimlich beobachten wollen, hätte sie ihm das verziehen. Er war hier und seine Stimme und seine Worte taten irgendwie gut und es brachte ein Stück weit wieder Normalität in ihr chaotisches Leben zurück. Aber im Grunde war sie nicht die Einzige, die es in diesen Zeiten schwer getroffen hatte das wurde ihr erst so recht bewusst als sie Ahala ansah. Er hatte viele nahestehende Verwandte verloren und niemand wusste wie viele noch folgen sollten. Der Krieg würde zweifellos noch weitere Spuren hinterlassen, Spuren des Todes und der Trauer, selbst wenn die Waffen längst nieder gelegt wären. … Und dennoch: Das Leben ist schön! ...


    ...ebenso wie das breite Grinsen auf Ahalas Lippen, das ihn wie einen Schelm erscheinen ließ. Ein sympathischer Schelm, dessen Erklärung bezüglich seiner Anwesenheit auch die letzten Zweifel in Prisca ausräumte: "Nun ...da muss ich dir recht geben. Du hast schnell und ehrenvoll gehandelt und mich vor Schlimmeren bewahrt", lenkte Prisca dementsprechend ein und schenkte ihm ein dankbares Lächeln: "Ich bin jedenfalls froh, dass du da bist und was die Ehre betrifft, nun, ich denke in der zurück liegenden Zeit konnten nur wenige sich wirklich mit Ehre schmücken, ich …" Mit einem leisen Seufzer brach Prisca im Satz ab. Zu viele Erinnerungen - an den Krieg und die Gerüchte um den Tod des Kaisers und an der Verschwörungstheorie, bei der ihre Familie und die der Tiberer beteiligt gewesen sein sollten - drohten augenblicklich wieder ihre Gedanken zu überfluten.


    "Ich ..ich meine, ich wollte mich nur bedanken … dafür, dass du auf mich aufpassen willst, so wie du es meinem Cousin versprochen hast", schloss Prisca den angefangenen Satz schließlich provisorisch und mit einem verlegen wirkendem Lächeln ab. Reflexartig legte sie ihre rechte Hand auf seinen Unterarm, um dem Dank noch einmal Nachdruck zu verleihen und, als merkte was sie da tat zuckte sie leicht zurück. Zu solchen Reaktionen neigte Prisca eigentlich nur gegenüber sehr nahestehenden Personen und in besonderen Momenten ...Woher kam nur diese plötzliche Verlegenheit, die ihre Wangen erwärmte …?


    "Habt ihr, du und mein Cousin, eigentlich darüber gesprochen wie es weiter gehen soll sobald wir in Manuta sind? ...", versuchte Prisca nun irgendwie von ihrer Gesichtsfarbe abzulenken und mit einem prüfenden Blick über Ahalas´ Schulter vergewisserte sie sich, ob überhaupt noch Zeit zum plaudern bliebe . Doch soweit sie das von hier aus sehen konnte waren Sklaven oben am Hang immer noch mit dem Radwechsel beschäftigt und vor ihnen lag ein wunderschönes Fleckchen Erde ausgebreitet das regelrecht zu einem Spaziergang einlud.

  • Da war es schon wieder, dieses Wort: ehrenvoll. Aus römischem Munde, männlich wie weiblich hörte man es recht häufig, und Ahala stellte wieder einmal fest, dass seine eigenen Vorstellungen in dieser Hinsicht ganz offensichtlich nicht allzu konform mit denen der Mehrheit seiner Zeitgenossen gingen. Was in Anbetracht der Entwicklungen in den letzten Jahren und Monaten vermutlich auch ganz gut war, denn ansonsten hätte er sich angesichts seiner persönlichen bisherigen Lebensleistungen vermutlich längst ins väterliche Schwert stürzen müssen. Schön, er hatte Prisca vor einem Sturz in den Fluss bewahrt, aber diesem winzigen Punkt auf der Haben-Seite standen bei näherer Betrachtung mehr als genug unrühmliche gegenüber, die in ihrer Gesamtheit ein recht wenig schmeichelhaftes Bild des Aulus Tiberius Ahala Tiberianus und seiner Ehre zeichneten.
    Seine Spielsucht zum Beispiel, die ihn bereits manches mal in der Vergangenheit in derbe Schwierigkeiten gebracht und entscheidend dazu beigetragen hatte, dass Ahalas ohnehin nicht übermäßig ruhmvolle Rolle bei der väterlichen Verschwörung ein böses Ende nahm, dessen Konsequenzen sich auszumalen er bis zum heutigen Tag tunlichst vermied. Und die Liebelei mit seiner werten Stiefmutter war auch nichts, mit dem man in der Nachbarschaft hausieren ging, zumal besagte Liebelei bereits begonnen hatte, als sein Väterchen zwar nicht mehr allzu frisch aber doch zumindest noch einigermaßen munter gewesen war, was angesichts von Floras Schwangerschaft für die Außenwirkung im Nachhinein wiederum ganz günstig war.
    Es hätte Ahala nicht allzu viel Mühe und Phantasie gekostet, diese Liste noch um einige vielleicht nicht ganz so spektakuläre aber dennoch eher unschmeichelhafte Punkte zu ergänzen, doch Priscas gleichermaßen unerwartete wie erfreuliche Berührung hielt den Tiberier dann doch von weitergehenden Selbstzweifeln, die ohnehin nicht gerade eine besonders hervorstechende Charaktereigenschaft von ihm waren, ab. Die Gunst der Stunde nutzend und dabei die größtmögliche Arglosigkeit versprühend bot Ahala Prisca den gerade berührten Arm, damit sie sich einhaken konnte und setzte sich dann langsam am Flussufer entlang in Bewegung. Da oben würden sie wohl noch ein Weilchen mit der Reparatur des Rades beschäftigt sein, und da man ohne sie beide schwerlich aufbrechen würde, konnten sie sich die Wartezeit doch schließlich auch mit einem kleinen Spaziergang vertreiben.


    „Dafür brauchst du dich nun wirklich nicht bedanken, Aurelia.“ Ahala versteckte den überraschend aufkommenden Hauch von aufrichtiger Verlegenheit hinter einem weiteren Grinsen und schüttelte den Kopf. „Ich tue es wirklich gern, nicht nur, weil ich es mit Sicherheit unseren beiden Familien schuldig bin, sondern auch weil deine Anwesenheit etwas wirklich angenehmes für mich ist. Was nun Mantua betrifft….“ Er räusperte sich unwillkürlich, als das Gespräch wieder in ernstere Bahnen zurückglitt. “….Ich denke, dass alles Weitere davon abhängen wird, wie es unseren Verwandten dort inzwischen geht. Vor allem Ursus, natürlich. Ursus soll sehr schwer verletzt worden sein, und ich werde mit meiner Cousine Septima abklären müssen, wie es mit ihm weitergehen soll und welcher Ort für seine Genesung am besten geeignet wäre. Naja, und deine Cousine Flora müsste inzwischen ihr Kind bekommen haben. Natürlich wäre es schön, Mutter und Kind möglichst schnell ins Haus meines Vaters nach Rom zu bringen, da das sicher in dessen Sinne wäre, aber auch da werden wir abwarten müssen, wie es den beiden überhaupt geht und ob sie schon reisen können.“

  • Der Wechsel des Rades schien noch eine Weile zu dauern und wie es aussah, würde die Reisegruppe deshalb wohl einen weiteren Zwischenstopp einlegen müssen. Wieder eine Nacht in irgendeiner Herberge verbringen müssen, Puh! … Darauf hatte Prisca so gar keine Lust, aber andererseits bot sich durch den Zwangsaufenthalt nun die unerwartete Gelegenheit zu einem Spaziergang in wundervoller Umgebung. Und mit einer sehr angenehmen Begleitung, wie Prisca feststellte. Ihre ursprüngliche Angst vor einer Begegnung mit dem Tiberer und die Bedenken (er würde sie womöglich für ihr Verhalten verurteilen) waren mittlerweile verflogen. Ahala sah manche Dinge wohl ähnlich gelassen wie sie und das gefiel Prisca ebenso, wie sein einnehmendes Lächeln und seine galante Art, mit der er ihr nun den Arm zum Geleit anbot.


    Mit einem Nicken zum Dank nahm Prisca das Angebot an und nachdem sie sich bei ihrem Retter unter gehakt hatte, schritten sie Seite an Seite neben dem idyllisch gelegenen Bach entlang. Es war ein schönes und lang vermisstes Gefühl, so entspannt dahin zu spazieren und dabei insgeheim die Nähe zu einem Mann genießen zu können, der ihr sympathisch war. In Rom und in der Öffentlichkeit hätte ihr Anblick womöglich für so manche Tuschelei gesorgt, doch hier und jetzt interessierte sich kaum jemand für sie außer vielleicht das Vogelpärchen, das da auf einem Baum in der Nähe saß und scheinbar neugierig zu ihnen herab blickte.


    Prisca musste kurz schmunzeln als sie die beiden Vögel sah und sie gleichzeitig Ahala´s Worten lauschte: Meine Anwesenheit ist etwas wirklich angenehmes für ihn?! … Das war wirklich sehr nett formuliert. Und dazu sein leicht verlegenes Grinsen, das ließ so manche Spekulationen über seine Gedanken zu, die Prisca nur zu gerne anstellte wenn sie die Männer dabei beobachtete, wie diese sich wiederum in ihrer Gegenwart verhielten. Warum hatte Flora eigentlich seinen Vater heiraten "müssen", anstatt ihn? Er ist doch soviel jünger und attraktiver! Hätte das die Bande mit den Tiberern nicht ebenso gefestigt wie die Ehe mit dem alten Knac ...ehm, Konsul? Diese Frage schoß Prisca spontan durch den Kopf als Floras Name fiel und wenn sie ehrlich war, fiel ihr keine plausible Antwort darauf ein, worüber sie andererseits eine gewisse Erleichterung verspürte, ohne erklären zu können weshalb.


    Was ist denn nur los mit mir?, dachte Prisca als sie zudem ein seltsames Gefühl in der Magengegen verspürte. Lag es an der Ungewissheit über den Gesundheitszustand ihres Cousins, den Ahala gerade erwähnte, oder waren es die Gedanken an Flora und wie es ihr und dem Kind bei der Geburt ergangen sein mochte? Nein, wenn Prisca ehrlich war, hingen ihre Gedanken (wie ihre verstohlenen Blicke) gerade mehr an dem Tiberer neben ihr fest, als an irgendetwas sonst.


    "Ich hoffe jedenfalls, dass es meinem Cousin und dem Rest der Familie soweit gut geht! Bis Mantua sind es ja zum Glück nur noch ein bis zwei Tage. Dann werden wir endlich Gewissheit haben und können hoffentlich bald alle zusammen nach Rom weiter reisen", entgegnete Prisca leise seufzend, den Blick grübelnd wieder geradeaus auf den Weg vor ihnen gerichtet und nach einem Atemzug hinzufügend Apropos Rom …: "Hast du eigentlich schon Pläne für die Zeit nach deiner Rückkehr nach Rom? Ich meine, was deine Karriere und deine Familienplanung betrifft? Sicherlich warten dort viele Aufgaben und Verpflichtungen auf dich und womöglich bereits eine Glückliche?"Ach du meine Güte. Hab ich ihn das jetzt wirklich laut gefragt? Oh wie peinlich! Prisca biss sich auf die Zunge und sie spürte wie ihre Wangen wärmer wurden während sie Ahala entschuldigend ansah. Gedanklich hatte sie nämlich gerade darüber nach gegrübelt warum Ahala eigentlich noch nicht verheiratet war und prompt war die Frage dabei aus ihrem Mund heraus gepurzelt.

  • Priscas Anwesenheit war in der Tat durchaus angenehm für Ahala. Warum auch nicht, war sie doch schließlich eine schöne und dabei auch noch unterhaltsame Frau, was in dieser Kombination nicht unbedingt häufig vorkam, zumindest nicht bei Angehörigen seines eigenen Standes. Zudem war dies auch eine Situation, die ihm sehr entgegenkam: ein netter und zwangloser Plausch in idyllischer Umgebung, während Andere im Hintergrund auf unaufdringliche Weise die Arbeit erledigten, ohne drohende Haken oder sonstige Komplikationen...Alles prima also, wenn man mal davon absah, dass er bei der Beantwortung von Priscas letzten Frages verdammt auf der Hut sein musste. Karriere und Familienplanung, ach du liebe Güte, da bot ja jedes Thema für sich schon mehr als genug Fallstricke, um Ahala in den Augen der ihm zurzeit doch erfreulich wohlgesinnten Aurelia gleich mehrfach derbe auf die Nase fallen zu lassen.


    "Ja, ein bis zwei Tage noch, dann wissen wir mehr." tat Ahala sein bestes, um noch ein wenig Zeit herauszuschinden und sich die nächsten Worte so unverfänglich und gleichzeitig glaubwürdig wie möglich zurechtzulegen.
    "Nun, die Antwort lautet in beiden Fällen nein, wenn ich ehrlich bin." sagte er schließlich. "An Karriere war als Sohn eines öffentlich geächteten angeblichen Hochverräters nun wahrlich nicht zu denken, und mein Marktwert bei der römischen Damenwelt dürfte aus dem selben Grund wohl knapp über Bodenhöhe liegen. Wer setzt sich schon gern einen Kerl mit verrufenem Namen und konfisziertem Erbe ins Atrium, da dürfte es zur Zeit wohl deutlich bessere Partien geben." Ahala bekam einen Seufzer hin, der recht erfolgreich seine aufrichtige Erleichterung darüber verschleierte, dem Ehejoch aus welchen Gründen auch immer bislang erfolgreich entronnen zu sein, und zuckte mit den Schultern. "Natürlich werde ich tun was ich kann, um nach meiner Rückkehr nach Rom die Dinge wieder zum Guten zu wenden, aber bis dahin werde ich mich wohl oder übel in Geduld üben müssen. Keine Familienplanung also zur Zeit, aber im Moment geht die Familie meines Vaters, also seine Frau und sein Kind, ohnehin vor, das bin ich ihm und seinem Andenken einfach schuldig." Was für ein Glück, dass der Tiberier als versierter Spieler nicht zum Rotwerden neigte, und die recht große Wahrscheinlichkeit, dass er ohnehin bereits einen nicht unerheblichen Beitrag zum Erhalt der Familiendynastie geleistet hatte, recht geschmeidig verdrängen konnte. "Und du, Aurelia?" spielte er den Ball zurück, bevor die nächste, eventuell noch prekärere Frage kommen konnte. "Ich weiß, dass du schon seit langer Zeit um deinen verstorbenen Ehemann trauerst, aber willst du das auch in Zukunft so beibehalten? Versteh mich nicht falsch, deine Haltung ist sehr ehrenhaft, aber es wäre doch auf lange Sicht ein sehr großer Verlust für die römische Männerwelt, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf."

  • "In zwei Tagen wissen wir mehr ..." Prisca nickte und seufzte leise. So lange müssten sie sich noch gedulden bis sie Gewissheit hatten. Um viele Angehörige und liebe Freunde hatte Prisca in der Vergangenheit getrauert und allein der Gedanke daran, dass in Manuta eine neue Hiobsbotschaft auf sie warten könnte ließ sie schaudern. Plötzlich hatte es Prisca gar nicht mehr so eilig nach Manuta zu kommen. Wäre dieser Ort hier nicht eigentlich perfekt um länger zu verweilen?, schoss es ihr spontan durch den Kopf, denn wohin Prisca auch blickte: Überall um sie herum schien alles so lebendig und harmonisch und wirkten die satten Farben der Wiesen, Bäume und des Himmels so berauschend, so wie das Rauschen des Windes selbst und wie die Stimmen der Natur, so als wäre dieser Ort für die Ewigkeit bestimmt.


    Angesichts dieser optischen und akustischen Eindrücke - die Prisca regelrecht in sich aufsog - entgingen ihr jegliche Anzeichen die womöglich Ahala´s Worte als nicht besonders glaubwürdig hätten erscheinen lassen. Vielmehr überkam Prisca eine seltsame Leichtigkeit, die sie zu folgender Bemerkung in Bezug auf seinen selbst geschätzten "Marktwert bei der römischen Damenwelt" hinreißen ließ:"Das kann sich aber auch schnell wieder ändern. Vielleicht schneller als dir lieb ist" Prisca kicherte beschwingt als hätte sie ein Glas Wein zu viel erwischt. Dabei war es lediglich der Wunsch und das Verlangen endlich wieder das Schöne zu genießen, anstatt nur trüben Gedanken nachzuhängen. Das Leben ist schön ..! Und ich werde schließlich auch nicht jünger, musste Prisca sich eingestehen, gerade als Ahala sie nach ihrer Zukunft fragte:


    Auf ewig die trauernde Witwe geben? Nein das hatte sie wahrlich nicht vor angesichts der stetig verrinnenden Zeit. Noch war sie jung genug um von vielen Männern begehrt zu werden und da Prisca seit jeher den (körperlichen und sinnlichen) Freuden nicht abgeneigt war, würde sie die sich bietenden Gelegenheiten mit Sicherheit nicht verstreichen lassen. "Und ich …?", stellte Prisca sich die Frage noch einmal selbst ehe sie Ahala prompt zur Antwort gab: Nun. Vorausgesetzt MEIN eigener Marktwert ist bis zu unserer Rückkehr nicht allzu schlecht, dann werde ich mir mit Sicherheit das Angebot der römischen Männerwelt mal ansehen und gegebenenfalls den Marktwert der potenziellen Kandidaten im Detail prüfen. …." Das Wort "prüfen" betonte Prisca dabei besonders während sie Ahala mit einem seltsamen Funkeln in den Augen ansah.


    Für einen kurzen Augenblick überlagerte ihr Herzschlag sogar die umgebenden Klänge der Natur. Das was sie eben gesagt hatte war natürlich nur als Scherz zu verstehen! Zumindest "offiziell", denn für eine Patrizierin ziemte es sich nicht so zu sprechen, geschweige denn auch nur so zu denken und dennoch war da dieses Verlangen und die Lust in ihren Augen deutlich zu erkennen, wann immer sie es liebte schwach zu werden … und bei Ahala? ... Soll ich? …


    +++


    "HERRRRRR! … DAS RAD IST REPARIERT … WIR KÖNNEN WEITER. ...WENN WIR UNS BEEILEN KÖNNEN WIR NOCH VOR EINBRUCH DER DUNKELHEIT DEN NÄCHSTEN GASTHOF ERREICHEN.", schallte es plötzlich vom Hang so laut zu ihnen herab, dass selbst der Gesang der Vögel kurzzeitig verstummte. Prisca zuckte bei dem Geschrei regelrecht zusammen und sie blinzelte irritiert. Das feurige Funkeln in ihren Augen verlosch für den Moment, so wie sämtliche Gedanken an das "schöne Leben" und an die herrliche "Leichtigkeit des Seins" dem hinzugeben, sie drauf und dran gewesen war ...

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