Kurs Südost

  • Es war ein imposanter Anblick, den die Schiffe der Classis Ravennas boten, als sie an der Westküste von Epirus und Achaia entlang nach Südosten fuhren, um zuerst das Myrtoum zu streifen, um von dort ins Mare Aegaeum zu gelangen. Aber noch lagen einige Tage vor ihnen, bis dieses Ziel erreicht war, und die Tatsache, dass der Wind eher aus Südosten kam, anstatt in diese Richtung zu blasen, machte die Fahrt nicht unbedingt schneller. Während die Kriegsschiffe noch mit Muskelkraft der rudernden Soldaten dagegen halten konnten, war die Situation für die segelnden Lastschiffe schon schwieriger. Dem Flottenpräfekten bereitete allerdings auch dies wenig Sorgen, denn die Jahreszeit sollte es nicht allzu schwierig machen, die Soldaten auch bei Anlandung in kleineren Häfen mit dem notwendigen Proviant zu versorgen, um die zügige Weiterfahrt sicher zu stellen.


    Präzise Nachrichten über den Kurs der feindlichen Schiffe aus dem Osten gab es noch nicht, aber nach seinen Berechnungen rechnete der Präfekt mit einem ersten Aufeinandertreffen in wenigen Tagen. Vorsichtshalber hatte er aber einem recht erheblichen Teil seiner Flotte einen etwas weiter südlicheren Kurs befohlen, der auf Creta zuführte. So sollte verhindert werden, dass die Schiffe aus dem Osten möglicherweise heimlich an der Streitmacht aus Ravenna vorbeischlüpften, während diese ins Mare Aegaeum hinein fuhr.

  • Je näher sie ins Zielgebiet kamen, umso genauer wurden die Nachrichten, nach denen ein Zusammentreffen mit der Flotte der Aufständischen bald bevorstehen würde. Leichte Schiffe fuhren auch in der Nacht voraus, um im Morgengrauen ausspähen zu können, ob schon feindliche Segel am Horizont zu sehen waren. Die Flotte der Aufständischen schien Kurs auf Corinthus zu nehmen. Für die Classis aus Ravenna verlängerte dies den Weg bis zum Zusammentreffen, zumal der Wind ungünstig stand und den Gegnern nützte. An ein Zusammentreffen war nicht zu denken, bevor die gegnerischen Schiffe den Golf von Corinthus schon erreicht hatten. Der Praefectus ließ trotzdem mit voller Kraft weiter fahren, denn er wusste noch nicht, wie viele Schiffe wirklich gesichtet worden waren und ob noch weitere Teile der gegnerischen Flotte auf dem Weg auf demselben Kurs waren. Die Lage zwischen den vielen kleinen Inseln im Mare Aegaeum war unübersichtlich und konnte die Größe und auch den Kurs einer Flotte leicht verbergen. Sicher war nur, dass sie es nicht geschafft hatten, die gegnerische Flotte vor einer Landung in Achaia zu stellen.

  • Aus der Sicht von Cornelius Palma hätte es kaum besser laufen können: Der Wind hatte günstig für seine Truppen gestanden und alle Schiffe hatten anlanden und die Soldaten in Achaia absetzen können, bevor die herannahende Flotte aus Ravenna sie aufhalten konnte. In zügigem Marsch hatte er seine Soldaten westwärts führen können, auf die Westküste Achaias zu und damit Italia entgegen.


    Der Clou seines Manövers lag zu diesem Zeitpunkt jedoch im Einsatz der Flotte, die er in drei Gruppen hatte teilen lassen: Die erste Gruppe verließ Corinthus in südöstlicher Richtung, um der Classis Ravennas entgegen zu fahren und ihr dadurch Widerstand zu bieten. Lange würde dieser nicht halten, aber es sollte reichen, um ihre Fahrt zu verlangsamen. Diese Verzögerung sollte die zweite Gruppe nutzen, um ungehindert wieder nach Osten zu fahren, wo in Halicarnassus der restliche Teil der Armee auf eine Gelegenheit zum Übersetzen wartete. Der dritte Teil schließlich sollte auf dem Diolkos über den Isthmus gezogen werden, um so westlich von Corinthus wieder eingesetzt zu werden. Der Diolkos war zwar nicht in seinem besten Zustand, da seine verkehrstechnische und militärische Bedeutung zuletzt abgenommen hatte, aber Cornelius Palma kam diese Abkürzung allemal mehr als gelegen. Schließlich brauchte er auf der westlichen Seite zum Übersetzen nach Italia wieder Schiffe und er konnte sich nicht alleine auf Hilfe seiner Verbündeten, Überläufer und gekaperte Schiffe aus der Classis Ravennas und Classis Misenensis verlassen, auch wenn diese durchaus einkalkuliert waren.


    Ähnlich wie die Flotte teilte Cornelius Palma seine Armee in zwei Teile: Der weitaus größere Teil macht sich bereit für eine weitere Verschiffung nach Westen, während der kleinere Teil ein Stück nach Norden zog, um den Isthmus gegen die zu erwartenden Truppen der Donauarmee abzuriegeln. Allzu weit schickte er sie dabei nicht voraus, denn das war ein unnötiges Risiko. Es reichte völlig, wenn sie den Gegner abfingen und ihm das Leben schwer machten, sobald er die Grenze zwischen Macedonia und Achaia überschritten hatte.

  • Aus Sicht der Classis Ravennas stellte sich die Lage weniger erfreulich dar: Der ungünstige Wind hatte die Fahrt verlangsamt, die vorsichtshalber Richtung Creta geschickten Schiffe waren auf einem völlig nutzlosen Kurs und die Landung des Gegners in Corinthus hatte nicht verhindert werden können. Entsprechend unzufrieden war der Praefectus, der nun seinerseits seine Flotte teilen musste: Während die einen wieder westwärts fuhren, um die Küste Italias zu schützen, meldeten die anderen endlich direkten Feindkontakt, als Teile von Palmas Flotte von Corinthus aus direkt auf die zu steuerten. Zwar war die Classis Ravennas ihrem Gegner zahlenmäßig weit überlegen, aber diese Überlegenheit war nicht immer von Vorteil, wenn zwischen den Inseln schlicht kein Platz zum manövrieren in breiter Front blieb. Zudem schienen sich die Gegner völlig damit zu begnügen, mit gezielten Aktionen einzelne Schiffe der Classis Ravennas gezielt anzugreifen, um für Unordnung zu sorgen.


    Kam es jedoch zu einem Enterkampf mit annährend gleicher Anzahl an Schiffen, war die Classis Ravennas stets weit überlegen, denn die Schiffe der gegnerischen Flotten schienen selten mehr als die notwendige minimale Besatzung aufzuweisen. Überraschend war dies nicht, hatten sie doch gerade erst Soldaten in Corinthus abgesetzt und sollten nun eigentlich weitere Soldaten aus dem Osten holen. So gab immerhin jedes eroberte oder versenkte Schiff dem Praefecten die Gewissheit, Cornelius Palma wieder ein paar Soldaten des Nachschubs entzogen zu haben. Gleichzeitig bedeutete aber auch jeder Kampf, dass die Classis Ravennas nicht von der Stelle kam und andere Schiffe dadurch ungehindert nach Osten ziehen konnten, wo sie zwischen all den Inseln kaum auszumachen waren für eine Verfolgung.

  • Mit jeder Stunde, die seit der Landung in Achaia und der Teilung der Truppen vergangen war, wurde die Lage für Cornelius Palma unübersichtlicher, weil schwieriger zu kontrollieren. Einem Teil seiner Flotte war es hoffentlich gelungen, noch vor der herannahenden Classis Ravennas nach Osten zu gelangen, um den dort wartenden zweiten Teil des Heeres aufzunehmen. Verifizieren konnte Palma diese Hoffnung nicht, denn das Risiko einer Nachrichtenübermittlung mitten durch den umkämpften Westen des Mare Aegaeum war viel zu hoch. Der zweite Teil der Flotte schlug sich genau dort hoffentlich tapfer gegen die Classis Ravennas, aber auch das konnte Cornelius Palma derzeit nicht verifizieren. Lediglich über den dritten Teil der Flotte wusste er Bescheid, denn dieser war unter seiner Aufsicht auf dem Diolkos über den Isthmus gezogen worden, um nun für die Weiterfahrt des Heeres nach Westen Richtung Italia bereitzustehen. Starten wollte Cornelius Palma dieses Unterfangen aber erst, wenn ihm seine Mittelsmänner berichten konnten, dass das Mare Ionium für ihn relativ sicher war, weil sich alle stärkeren Flottenverbände gerade irgendwo anders aufhielten. Cornelius Palma nutzte die Zeit, mit größeren Mengen Geld einige Küstenstätte auf seine Seite zu bringen, um ihm freiwillig weitere Schiffe zu stellen oder zumindest der Classis Ravennas bei der Suche nach Proviant das Leben schwer zu machen. Ein paar gezielte Falschmeldungen waren auch dabei, um vielleicht den einen oder anderen Kommandeur zum Überlaufen zu bewegen.


    Der Aufwand war gerechtfertigt, denn alles war sich Cornelius Palma nicht erlauben konnte war der Verlust weiterer Truppenteile auf dem Weg Richtung Italia. Ein Teil seiner Armee stand noch immer in Asia und einen Teil hatte er nach Norden geschickt, um mit der Blockade von Thebae ein Nachrücken gegnerischer Truppen nach Achaia zu verhinden. So blieb ihm nur ein kleiner Teil seiner Armee, mit dem er baldmöglichst nach Italia übersetzen konnte, wo er hoffentlich auf den Überraschungseffekt bauen konnte.

  • In Größe, Besatzungsstärke und Anzahl waren die Schiffe der Classis Ravennas ihren Gegnern weiterhin deutlich überlegen. Fast immer hatten sie daher bei Enterkämpfen den Vorteil auf ihrer Seite und konnten kurzen Prozess mit dem Gegner machen. Dass der Gegner genau deshalb solchen Kämpfen aus dem Weg ging, die Flotte zwischen den Inseln der Kykladen durch wechselnden Kurs abzuschütteln versuchte und die Schiffe in gefährliche Untiefen lockte, erwies sich aber als effiziente Gegenwehr. Immer wieder musste sich Verbände der Classis Ravennas neu ordnen, wieder sammeln und den gemeinsamen Kurs abstimmen, während die versprengten gegnerischen Schife in der Ferne hinter der nächsten Inselspitze zu verschwinden drohten.


    Auch die Einheimischen schienen die Rebellen auf ihre Seite gebracht zu haben, denn das Anlaufen von Häfen machte dem Praefectus Classis zunehmen Sorge. Zuletzt hatten ihn Meldungen erreicht, dass Schiffe in Brand gesetzt worden waren, als sie einen Hafen anlaufen wollten und zuvor schon war eine Schiffsbesatzung überwältigt und entwaffnet worden, als sie Proviant an Bord nehmen wollte. Ernsthafte Probleme machte dies zwar noch nicht, denn die Verluste waren winzig im Vergleich zur Größe seiner Flotte, aber es nervte schon. Zudem kostete das Suchen von geschützten Buchten, in denen man unbedrängt Proviant von den Versorgungsschiffen auf die Kriegsschiffe umladen konnte, wertvolle Zeit, in der wieder einige gegnerische Schiffe entkommen konnten.

  • Während im Mare Aegaeum die kaisertreue Classis Ravennas Jagd auf die zu Palma übergelaufene Classis Syriaca machte, drehte selbige im Mare Ionium den Spieß um. Dabei gingen die Schiffe, die an Corithus vorbei dort hin gebracht worden waren, allerdings wesentlich subtiler vor, denn das, was Cornelius Palma am allerwenigsten gebrauchen konnte, war nun die Aufmerksamkeit des Gegners an dieser Stelle. Solange die Classis Ravennas im Mare Aegeum operierte, die Donaulegionen Achaia noch nicht erreicht hatten und in Italia noch niemand mitbekommen hatte, wie nah er mit der Speerspitze seiner Truppen schon war, konnte er seine Position perfekt ausnutzen. Dementsprechend vorsichtig ließ er seine Schiffe zu Werke gehen, wenn sie sich an der Classis Ravennas vergriffen. Keine Zeugen durfte es geben und vor allem keine flüchtenden Schiffe, die die Übergriffe melden und dadurch Alarm schlagen konnten. Es reichte Cornelius Palma völlig, wenn ihm mit einer schnellen Piraterieaktion in der Dämmerung oder im Morgengrauen ein kleiner, scheinbar unwichtiger und daher schlecht gesicherter Nachschubverband in die Hände fiel. Jedes Schiff, dass er erbeuten konnte, ersetzte zumindest einen Teil der Verluste, die er im Mare Aegaeum zeitgleich unweigerlich erlitt. Zudem störte jeder abgefangene Verband die Kommunikation und den Nachschub des Gegners. Und nicht zuletzt konnte man die gefangengenommenen Soldaten entwaffnen, um Waffen für eigene Freiwilligentrupps zu gewinnen.


    Cornelius Palma wusste, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Jeder Tag erhöhte die Chance, dass die Classis Ravennas schwere Verbände zurück in Mare Ionium und Mare Adriaticum schickte oder Unterstützung von der Classis Misenensis erhielt. Jeder Tag erhöhte außerdem die Chance, dass die Donaulegionen Achaia erreichten. Aber noch ermöglichte ihm auch jeder Tag eine bessere Vorbereitung der Überfahrt nach Italien und erhöhte zudem die Chance, dass Truppen aus Asia zu ihm nachrücken konnten.

  • Die kriegerische Auseinandersetzung auf dem Mare Aegaeum entwickelte sich immer mehr von einer halbwegs geordneten Seeschlacht hin zu einem wirren Katz-und-Maus-Spiel. Versprengte Schiffe der Classis Syriaca flüchteten in alle erdenklichen Richtungen und zogen damit auch die Verbände der Classis Ravennas auseinander, wenn diese die Verfolgung aufnehmen wollten. Kaum brachen sie die Vefolgung jedoch ab, sammelten sich solche Schiffe wieder, nahmen womöglich auf einer der Inseln freiwillige Kämpfer mit an Bord und fielen den feindlichen Schiffen wieder in den Rücken, wenn diese unvorsichtig agierten.


    Andere Schiffe der Classis Syriaca hatten inzwischen wieder weitgehend planmäßig die Westküste Asias erreicht und tatsächlich einige Soldaten der dort wartenden Teile der Streitmacht Palmas aufnehmen können. So kamen den verfolgenden Schiffen der Classis Ravennas nun plötzlich wieder voll bemannte Schiffe mit ausgeruhten Besatzungen entgegen, die zwar in ihrer Zahl noch immer unterlegen waren, diesen Nachteil aber mit Tatkraft wieder wettzumachen versuchten. Zudem wurde an der Küste Asias die Versorgungssituation für die Classis Ravennas nun noch schwieriger, weil hier erst Recht alle Städte und Häfen treu zu Palma standen. Während sich die Kriegsschiffe noch problemlos auf offener See aus den Transportern versorgen konnten, mussten diese nun immer weitere Wege fahren, um selber wiederum frisches Wasser und Getreide an Bord nehmen zu können. Und dabei immer wieder Gefahr laufen, in die Hände von versprengten Verbänden aus Palmas Flotte zu geraten.

  • Unerbittlich lief die Zeit, aber noch immer lief sie für Cornelius Palma. Doch die Luft wurde dünner. Von dem nach Norden vorgeschobenen Teil seiner Armee hatte er erfahren, dass die Armee der unteren Donau Thebae erreicht hatte und dort auf seine Blockade traf. Jetzt war es endgültig nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn erreichen konnten. Wenn die Blockade fiel, blieben ihm kaum mehr als maximal zwei Tage, um mit allen seinen Truppen nach Italia überzusetzen. Cornelius Palma wusste dies und es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich darauf vorzubereiten.


    Auch aus Italia drangen keine unbedingt beruhigenden Nachrichten zu ihm, sondern es wurde von großen Truppenaufmärschen in Oberitalien berichtet. Ein Zusammentreffen der ihn unterstützenden Truppen aus Germania und den salinatortreuen Truppen aus dem Illyricum stand wohl unmittelbar bevor. Eingreifen konnte Cornelius Palma dort sicher nicht, aber falls das Treffen ungünstig ausfiel, durfte er Salinator auch auf keinen Fall genug Zeit lassen, um Truppen in den Süden Italias zu verlegen. Von dort hörte er bisher erstaunlicherweise nichts beunruhigendes.


    Dafür hatten seine kleinen Maßnahmen entlang der Küste Erfolg. Weitere Städte sicherten ihm Unterstützung zu und stellten Schiffe oder sogar freiwillige Kämpfer und weitere Schiffe der Classis Ravennas konnten auf der unvorsichtigen Vorbeifahrt eingesammelt werden. So langsam nahm seine Flotte auf diesem Wege eine Größe an, mit der er die Überfahrt nach Italia wagen konnte. Seine ersten Späher waren ohnehin schon dort und bereiteten sein Landemanöver im Verdeckten vor.

  • Die Gemütslage des Praefecten der Classis Ravennas sprach seit Tagen Bände und wurde von Stunde zu Stunde schlechter. Seine Schiffe machten nun schon seit Tagen Jagd auf die Verbände der abtrünnigen Classis Syriaca, die kreuz und quer durch das verdammte Mare Aegaeum mit seinen hunderten Inseln streunten. Um nicht selber ständig von einer Insel zur anderen zu hetzen und einzelne Schiffe zu jagen, hatte er kurzerhand sein provisorisches Hauptquartier in Naxos aufgeschlagen und versuchte von dort aus, die Unternehmungen seiner Schiffe zu koordinieren. Ein Unterfangen, das sich nach wie vor als alles andere als leicht erwies.


    Täglich kamen dutzende Meldungen über gegnerische Schiffsbewegungen, bei denen kaum auszumachen war, welche Meldungen sich nun auf dieselben Schiffe bezogen, welche zueinander passten und welche widersprüchlich waren. Mal wurde dem Nachschub aufgelauert, mal Schiffe in einen Hinterhalt gelockt, mal flüchtete der Feind, mal fuhr er waghalsige Angriffsmanöver mit zahlenmäßig unterlegenen und hoffnungslos unterbesetzten Schiffen. Eine Strategie konnte der Praefectus kaum erkennen, auch wenn es zahlreiche Meldungen gab, nach denen der Gegner wohl letztlich versuchte, heimlich weitere Truppen von Ost nach West zu verschiffen. Aber wo diese lagerten, woher sie fuhren und vor allem wann und auf welchen Schiffen, das war einfach nicht mit Sicherheit herauszubekommen und somit auch nicht so einfach zu verhindern.


    Hinzu kamen stockende Nachrichtenlinien bis zum Heimathafen in Ravenna beziehungsweise bis nach Rom. Regelmäßig schickte der Praefectus Nachrichten, aber nur unregelmäßig kamen Antworten. Ganz offensichtlich gingen irgendwo Nachrichten verloren, aber noch konnte er nicht identifizieren, wo das Informationsleck lag oder wo Schiffe angefangen wurden. Er hatte einen seiner Tribune im Verdacht, mit Palma zu sympathisieren und deshalb Nachrichten zumindest zu verzögern, aber auch hier fehlten ihm noch die Beweise und außerdem brauchte er im Moment jeden halbwegs fähigen Offizier, um überhaupt den Überblick zu behalten, welches Schiff gerade welche dieser wirkluch vielen Inseln umkreiste.

  • Es war ein etwas längerer Weg als jener von Marathon nach Athen gewesen, den der Bote zurückzulegen hatte und seine Nachrichten waren dazu auch nicht annährend so gut wie die seines berühmten Vorgängers. Er hatte nichts weiter zu vermelden, als dass der Blockade von Thebae ein massiver Angriff bevorstand und genaugenommen konnte er damit rechnen, dass die Blockade schon erfolgreich gebrochen war, wenn er das Lager von Cornelius Palma überhaupt erreichte. Und Cornelius Palma rechnete ebenso, als ihn die Nachricht erreichte. Er ließ seine Vertrauten zu sich kommen.


    "Die Stunde des letzten, wagemutigen Schritts scheint gekommen zu sein. Das Heer der unteren Donau hat die Blockade von Thebae erreicht und es ist wohl selbst mit der besten Unterstützung der Götter dann nur noch eine Frage von Stunden, bis sie hier eintreffen werden. Der zweite Teil unserer Armee hat es nicht geschafft, das Mare Aegaeum rechtzeitig zu überqueren, so dass wir mit dem Aufbrechen müssen, was wir haben. Ich gebe zu, es ist wenig, was wir aufbieten können, aber es ist genug, um das Wagnis einzugehen. Die Götter werden mit uns sein. Vielleicht wir man in Italia unsere Invasion schon erwarten. Hier, in Calabria, vielleicht in Tarentum oder Brundisium. Das ist der kürzeste Weg. Aber dort würden wir verlieren. Aber ich werde gewinnen, weil ich den längsten Weg nehme. Hier, in Rhegium werden wir an Land gehen und dann gegen Rom ziehen. Wir brechen noch diese Nacht auf. Der Mond ist hell genug. Macht alle Schiffe klar und opfert den Göttern. Wir werden diesen Schritt tun, wir werden Erfolg haben und wir werden Rom befreien!"

  • Was erheblich zur Besserung der Laune des Praefectus Classis aus Ravenna beitrug war die Tatsache, dass die Zeit für ihn spielte. Er hatte die größere Truppe und die größere Mannstärke, so dass er die Jagd auf die gegnerischen Schiffe schlicht länger aufrecht erhalten konnte. Wenn sie den Gegner schon nicht stellen konnten, so brauchten sie ihm wenigstens keine Ruhepause gönnen, ohne ihre eigenen Kräfte dadurch völlig zu verausgaben.


    Nachdem klar war, dass die Schiffe der Classis Syriaca nach Osten gefahren waren, um weitere Truppen zu holen, konnte den ganzen Aktionen immerhin auch eine gewisse Struktur gegeben werden. Inzwischen ließ der Praefectus Classis daher systematisch zwischen den Inseln patroullieren und gleichzeitig andere Verbände die Küste von Asia Minor nach verdächtigen Stützpunkten absuchen. Die neuesten Nachrichten deuteten darauf hin, dass der Gegner im Süden bei Halicarnassus sein Hauptquartier hatte, so dass sich die Operationen der Classis Ravennas langsam in diese Richtung orientierten und der Praefectus sein Quartier auf die Insel Astypalaea verlegte.

  • Die Anweisungen von Cornelius Palma wurden schnell und tatkräftig umgesetzt. Auch selber versäumte er es nicht, erst ein großes Opfer an Neptun für die kommende Überfahrt und dann noch eines an Mars für die bevorstehenden Kämpfe abzuhalten, bevor er sich im Lager und an den Botsanlegern zeigte, um seinen Männern Mut zu machen und sie anzuspornen. Soweit es ging, waren die Truppen durch Freiwillige verstärkt worden. Viel machte es nicht aus, aber da noch immer ein erheblicher Teil der Truppen in Asia minor festsaß, zählte jeder Mann. Eine komplette Legion hatte Cornelius Palma dabei, dazu Teile weiterer Legionen und einige wenige Hilfstruppen. Gerne hätte er mehr gehabt, aber mehr passten ohnehin nicht auf die Schiffe, die zur Überfahrt nach Italia zur Verfügung standen.


    Wie befohlen legten die ersten Schiffe schon mitten in der Nacht ab, als nur der Mond das Meer erhellte. Bis zur Dämmerung waren alle Truppen unterwegs nach Italia. Zurück blieb nur eine Nachricht, die die Stadtherren an Marius Turbo übergeben sollten, falls er den alten Lagerplatz der Truppen erreichte.


    Im Osten mussten sich die dort verliebenen Heerführer allerdings etwas gänzlich Neues ausdenken. Die Classis Ravennas hatte sie recht weit zurückgedrängt und an weitere Erfolge auf See war nicht mehr zu denken. Der Seeweg über das Mare Aegaeum war damit effektiv versperrt. Also musste der Landweg her, wenn man überhaupt so etwas wie Unterstützung leisten wollte. Immerhin gab es dafür eine gut ausgebaute Straße, die nach Norden führte, aber allen war klar, dass sie auf diesem Weg letztlich viel zu spät in Italia eintreffen würden. Die Geschichte würde ohne sie weitergeschrieben werden.

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