Nachtwache der Vigiles

  • Mehr oder weniger gleichmässig klapperten die benagelten Schuhe über das Pflaster, während der Trupp Vigiles seine Route abpatrouillierte. Hier mal ein Rütteln an einer Tür, um zu schauen, ob sie verschlossen war, dort mal ein prüfender Blick in einen Innenhof, in dem eine der üblichen nächtlichen Warenlieferungen verladen wurde. Viel mehr gab es nicht zu tun für die Männer, die dafür sorgen sollten, dass die Einwohner Roms nachts beruhigt schlafen konnten.

  • Es war wirklich sehr ruhig heute Nacht. Alles schlief so tief und fest wie ich es in Rom noch nie erlebt hatte. Mein Kamerad schien kein besonders gesprächiger Typ. Gut mir sollte das auch recht sein. Die nächtlichen Lieferungen in den Innenhöfen der Stadt waren die einzigen Anzeichen dafür das wir nicht allein waren in dieser Stadt. Mal sehen was die Nacht noch so mit sich brachte dachte ich mir während ich weiter mein Gebiet abklapperte.

  • Um bei der Wache nicht im Laufen einzuschlafen, gab es zwei Möglichkeiten, sich wach zu halten: Ständig irgendwelche Abstecher und Richtungswechsel machen oder sich unterhalten. Da ersteres manchmal etwas albern aussah, verlegten sich andere früher oder später auf die andere Möglichkeit. "Warum bist du zu den Vigiles gekommen?" fragte dabei einer den Neuen. "Und wo kommst du überhaupt her?"

  • Das Schweigen hatte also nun doch ein Ende gefunden. Verstehen konnte ich es schon. Schließlich war die Zeit hier draußen sehr ansträngend in der Nacht. Ich sagte:


    "Ich bin zu den Vigile gekommen weil ich gerne anderen Menschen helfe."


    Naja ganz richtig war das nicht aber das spielte keine Rolle. Schließlich konnte ich ja nicht sagen ich bin her gekommen weil ich gerne Feuer mag und eben so sehr es einfach liebe etwas wie das Feuer zu zähmen. Nein das wäre wahrscheinlich nicht auf wohlgesonnene Ohren getroffen so wählte ich den nobleren Grund. Dann sagte ich:


    "Ich komme aus Alexandria. Ich bin dort aufgewachsen und als die Zeit reif war beschloss ich das Rom ohne mich wohl kaum weiter bestehen kann und so kam ich her."


    Ein leichtes Grinsen zog sich über mein Gesicht. Natürlich war ich etwas arrogant aber es war ja nur eine Alberei. Selbst wenn er das nicht so verstehen würde wäre mir das egal da ich sowieso keinen Gedanken daran verschwende was andere von mir denken.

  • "Meine Fresse, aus Alexandria?" Der Kamerad schien beeindruckt. Zumindest schenkte er dem Herkunftsort mehr Beachtung als dem Grund für den Eintritt bei den Vigiles, der nur einen schiefen Blick geerntet hatte. "Als Matrose auf einem Schiff hier her gekommen?" Ein anderer Kamerad grinste breit. "Und dann keine Heuer für die Rückfahrt bekommen, wetten? Also anderen Job gesucht." Er schien die noblen Gründe auch nicht zu ganz zu glauben.

  • Die Männer schienen von meiner Herkunft sehr beeindruckt zu sein. Doch über die Gründe meines Aufenthalts wurde wild und viel spekuliert. Das war in Ordnung denn ich verstand das es nicht gewöhnlich war einfach hier her zu kommen nach Rom um Vigile zu werden. Ganz so war es ja auch nicht abgelaufen aber das wollte ich hier nicht erzählen. Allerdings wollte ich auch nicht das die Anderen dachten das ich hier nur fest saß. Also sagte ich:


    "Naja als Matrose hier her ist wahr. Die Zeit auf dem Schiff war allerdings nicht das beste auf der Reise hier her. Als ich wieder auf dem Festland war dankte ich Neptun für die sichere Überfahrt. Allerdings wollte ich aber nach Rom. Ich hoffe das ich hier ein paar Dinge finde die ich in Alexandria gesucht aber nicht gefunden hatte."


    Das klang so als ob ich auf der Suche nach Frauen und Wein war. Dies war ja auch nicht ganz unwahr doch mehr als das suchte ich Antworten die selbst die Bibliothek Alexandrias mir nicht geben konnte.

  • Die Frage war berechtigt aber ich wollte auch nicht zu offen sein. Also sagte ich das was mir als einzige Antwort noch einfiel:


    "Nun ja mehr Aussichten für die Zukunft."


    Das mochte vielleicht sehr abgedroschen wirken aber nun ja besser ging es leider nicht.

  • "Aussichten für die Zukunft? Und dann kommst du zu uns zu den Vigiles?" Für den Kameraden schien das nicht ganz zusammen zu passen. "Weisste, die Arbeit hier ist schon 'ne vernünftige, keine Frage, und ich bin stolz hier bei der Truppe zu sein, aber wenn ich mir was mit Aussichten gesucht hätte, wäre ich nicht hier gelandet. Nach zwei Wochen kennste deinen Bezirk auswendig, nach vier Wochen haste alle geilen Nutten durch und nach sechs Wochen fällt dir ein brennendes Haus auf den Kopf." Letzteres war jenem Kameraden allerdings bisher offenbar erspart geblieben.

  • "Damit hast du vielleicht recht. Doch das sind drei Aussichten mehr als keine Aussichten. Diese Wahl hatte ich bereits in Alexandria. Außerdem muss ich sagen das Rom gewiss ein oder zwei Überraschungen immer bereit hält. Dessen bin ich mir sicher."


    Bei den letzten Worten schien mir vor Zuversicht der Kopf zu platzen. Doch die Anderen hatten recht. Allzu viele Aussichten blieben nicht. Dennoch reizte es mich einfach zu sehr. Konnte ich dies sagen? Nein das würde ein noch schlechteres Licht auf mich werfen als das bisher vorhandene. Vielleicht würde man mich jetzt für Dumm halten. Doch lieber für Dumm gehalten werden und es nicht sein als bekannt zu sein für die Sucht nach dem Risiko.

  • "Das hast du Recht! Besser das hier als gar nichts! Und wennschon, dann hier in Rom." stimmte nun wieder der andere Kamerad zu. "Wie willst du das wissen? Hast doch noch nix anderes außer Rom gesehen", warf ein weiterer Vigil grinsend ein.

  • Naja gesehen hatte ich schon vieles und erlebt ebenso doch das erzählen wollte ich gewiss nicht. Dennoch brachte mich das einen Moment lang dazu nach zu denken. Schließlich hatten die Männer mit einem Recht. Ich hätte auch dort bleiben können. Es war ja allerdings so das nur hier ich etwas über meine Vergangenheit erfahren konnte bzw. über meine Eltern. Nun ja egal ich musste jetzt nur noch etwas sagen um die Männer wieder zu beschäftigen so sagte ich:


    "Naja ein zwei andere Orte sah ich auch. Aber Rom ist nun mal die Stadt mit den meisten Möglichkeiten."


    Damit lag ich ja nicht einmal so falsch.

  • "Klar, mit dem Schiff bist du wohl schon ein bisschen rumgekommen", war nun wiederum ein anderer Kamerad an den Erzählungen des Neuen interessiert. "Wo warst du denn überall?" Nachtwache zu laufen war langweilig genug, um sich mit solchen Erzählungen Abwechslung zu verschaffen.

  • Ja genau wo war ich denn schon überall. Das fragte ich mich auch. Es kam mir so vor als ob ich überall gewesen sei. Vor allem da die Reisen auf dem Schiff eine halbe Ewigkeit gedauert hatten. Dennoch hatte ich viel gesehen.


    Schließlich war ich von Alexandria nach Carthago Nova gereist bevor wir dann erst wesentlich später übersetzten nach Ostia. Gut wie ich nach Carthago Nova gereist war war gewiss eine komische Geschichte die ich nun hier nicht erzählen wollte. Letzten Endes sollten meine Kameraden nicht gleich am ersten Abend nichts mehr von mir halten.


    Also erzählte ich nur den oberflächlichen Teil der Geschichte:


    "Ich reiste von Alexandria bis in die Provinz Hispania. Dort blieb ich dann für einen längeren Zeitraum. Als die Zeit dann wieder reif war stieg ich erneut auf ein Schiff und reiste bis nach Ostia."

  • "Dat is einiges. Und was hasste in Hispania gemacht? Hafenarbeiter?", fragte der Kamerad durchaus beeindruckt weiter. Selber war er wohl auch noch nicht nennenswert aus Rom heraus gekommen, so dass alleine die Erwähung von Hispania ihn erfürchtig Staunen ließ.

  • Naja ich hatte wohl in Hispania diverse Dinge gemacht die ich aber auch nicht mehr aus den Tiefen meiner Erinnerung holen wollte. Einige davon waren Dinge auf die ich nicht besonders stolz war. Aber wir tun doch schließlich alle das was wir tun müssen um unser Schicksal zu erfüllen oder nicht? Sind es nicht die Götter die uns an diese Prüfungen führen und dann uns beobachten während wir versuchen sie zu überstehen? Nun ja Fragen über Fragen die nach einer Antwort verlangen die Niemand mir geben kann. Daher wollte ich darüber nicht weiter nachdenken. Dennoch hatte ich tatsächlich anfangs als Hafenarbeiter gearbeitet. So konnte ich also sagen, ohne dabei zu lügen :


    "Ja ich habe dort als Hafenarbeiter gearbeitet. Allerdings muss ich schon sagen war die Arbeit dort nicht nur wegen der Lasten schwer. Regelmäßig musste ich acht geben das keiner der Seefahrer mir ein Messer in den Rücken rammt weil er behauptet ich hätte seine Fracht beim Ausladen zerstört."


    Dabei musste ich an den Letzten denken dem ich half sein Schiff zu entladen. Er war ein 1.65m großer und eben so breiter Mensch. Sein Bart hatte ihm damals den Mund verdeckt als er nuschelte : "Wo ist meine Ladung. Was hast du damit gemacht?" Mir war schon klar was damit geschehen war. Schließlich trank er zuviel und hatte wahrscheinlich so wie so häufig sie im Rausch über Board geworfen da er dachte das Schiff würde sinken.

  • "Ein Messer kannst du hier in Rom auch an jeder Straßenecke zwischen die Rippen bekommen", brummte einer der Kameraden und lachte anschließend dreckig. Zumindest schien ihm die Aussicht, dabei verletzt oder gar getötet zu werden, nicht die Laune zu verderben.


    Langsam erlahmte aber auch das Interesse der Kameraden, den Neuen nach seiner Vergangenheit auszufragen, so dass sie später eine Weile schweigend weiter ihre Runden drehten. Immerhin waren sie auch schon lange unterwegs und es war bald fast schon wieder Zeit, zur Kaserne zurückzukehren.

  • Mit der Zeit schienen die Fragen weniger zu werden. Irgendwann wurden dann keine mehr gestellt. Das war gut den ich mochte es nicht über meine Vergangenheit zu sprechen. Die Zeit verging und wir hatten allerlei von Rom gesehen. Mit einem hatten sie jedoch recht. Ein Messer konntest du auch in Rom in den Rücken bekommen. Deswegen war ich ja auch so ein vorsichtiger Mensch. Nach einiger Zeit fragte ich dann letzten Endes:


    "Und was hat euch zu den Vigiles gebracht?"


    Ich wollte ja auch nicht das meine Kameraden mich für einen ruhigen Typen hielten. Obwohl es nicht unbedingt ganz fern von der Wahrheit war.

  • "Ist ein fester Job, wo sie dich nicht gleich rausschmeißen, wenn das Geschäft nicht läuft", antwortete einer. "Ergab sich so. Bin direkt gegenüber von einer Kaserne geboren, da kennt man fast nix anderes", wusste ein anderer zu berichten. Bei den anderen war es ähnlich, so dass einige nur zustimmend nickten.

  • Es war wirklich unglaublich das ich der einzige war der eine echte Geschichte zu erzählen hatte. Bei den anderen hatte man mehr das Gefühl das für sie das Leben ein Fluss sei auf dem man sich treiben lässt. Doch es war mir gleichgültig wie andere Menschen ihr Leben lebten. Letzten Endes hatte ich schon mit meinem eigenen Leben genug Schwierigkeiten. Dennoch ließ ich mir aber von meinen Gedanken nichts anmerken. Ich wollte auch nicht meine Kameraden beileidigen. Also sagte ich:


    "Tja das Leben schlägt manchmal unerwartete Bahnen ein. Deswegen sollte man froh sein wenn das Leben einen dann doch beim einschlagen einer anderen Bahn nicht zu sehr überrascht."


    Ich dachte über das nach was ich gesagt hatte. Es klang irgendwie komisch. Eins war sicher ich war gewiss kein Redner. Obgleich die Götter mir viele Geschenke gemacht hatten, die Zunge des Apollo gehörte nicht dazu. Daher fragte ich um wieder von meinem Satz abzulenken:


    "Wie lang geht unsere Runde noch?"

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