[Ludus Dacicus] Gladiatorenschule


  • Der Ludus Dacicus lag wie die meisten Gladiatorenschulen in der Nähe des Colloseums, allerdings nicht ganz so nah wie der Ludus Magnus, die größte Schule Roms. Etwas südlicher in der Nähe der Trajansthermen gelegen brauchte er sich hinter diesem aber dennoch nicht zu verstecken.
    Das Hauptgebäude bestand aus einem rechteckigen, dreistöckigen Bau, in dessen Innenhof ein kleines Amphitheater eingebaut war. Die ellipsenförmige Arena hatte einen Umlauf von knapp einem stadium Länge und war mit feinem Sand gestreut. Teils wurde dieser Wagenweise herbeigebracht, um den Boden wieder aufzufüllen und so den Gladiatoren die Möglichkeit zu geben, sich an die Bodenbeschaffenheiten später im Colloseum oder in anderen Arenen zu gewöhnen.Marmorverkleidete Sitzreihen boten einem kleinen Publikum Platz, sofern denn jemand beim Training überhaupt zusehen wollte. Meist nutzten die staatlichen Procuratores diesen Platz, um sich ihre Untergebenen einmal anzuschauen. Immerhin war man in staatlichem Besitz.
    Die Zugänge der Arena lagen auf der Längsachse, auf der Querachse befanden sich Ehrentribünen.


    Um den Innenhof herum befand sich oberhalb des Amphitheaters ein zweigechossiger Travertinportikus, der zu einer Vielzahl kleiner Räume führte, in denen die Gladiatoren lebten.


    Zugang zu der Anlage bot ein hohes Tor aus dunklen Eisenstäben. Unangemeldete Besucher mussten hier auf Einlass warten, Bewunderer der Kämpfer erhofften hier immer wieder einen Blick auf ihre Lieblinge zu erhaschen. Die Außenmauer war vollgekritzelt mit den verschiedensten Lobeshymnen auf den einen oder anderen Mann und wurde nur dann und wann wieder frisch überstrichen. Sie zu reinigen wäre ein nutzloses Unterfangen, kamen doch fast täglich neue Graffiti hinzu.


    Ausgebildet wurden hier vor allem Nahkämpfer. Den Namen erhielt die Anlage daher, da hier vor allem dakische Kriegsgefangene trainiert worden waren, ebenso wie hier hauptsächlich die Gladiatorengattungen unterrichtet wurden, die an Kämpfer der östlichen Eroberungsgebiete erinnerten. So rühmte sich die Schule, die besten Thraex und die besten Dimachari innerhalb Roms hervorzubringen, während der nahe Ludus Gallicus eher die westlichen Nationen repräsentierte und sich auf Murmillones und Holpomachi konzentrierte.

  • “Und du meinst wirklich, das ist eine gute Idee?“ Axilla stand nun schon seit gut 10 Minuten auf der anderen Straßenseite und blickte zu dem Eisentor hinüber. Levi stand neben ihr und versuchte, nicht an seiner Herrin zu verzweifeln.
    “Herrin, wenn du wirklich einen Leibwächter willst, musst du dir auch mal einen kaufen. Warum nicht so einen? Das ist modern!“
    “Ich weiß nicht recht...“ Axilla haderte noch mit sich.


    Eigentlich hatte sich die Idee vor zwei Tagen toll angehört. Gladiatoren konnten kämpfen, vermutlich sogar besser als alles, was sonst so zu haben war. Sie waren groß und kräftig. Ab einer gewissen Bekanntheit genügte ihre bloße Anwesenheit, um Strauchdiebe davon abzuhalten, anzugreifen. Und wie Levi schon sagte, es war durchaus angesehen in den gehobeneren Gesellschaftsschichten, wenn man einen eigenen Gladiator hatte, sei es als Leibwächter oder wirklich, um in der Arena zu kämpfen.
    Nur gab es da ein Problem. Nunja, eigentlich gab es mehrere. Zum einen waren Gladiatoren nicht ganz billig, vor allem die, die schon einen Namen hatten. Weiters gab es bei diesen Gladiatoren meist Gerede, wenn eine Frau so einen Gladiator kaufte. Immerhin gab es mehr als eine Matrone, die sich ihr Eheleben dadurch versüßte, ihr Bett dann und wann für ein paar Stunden mit solch einem Mann zu teilen. Wobei man sie dafür nicht zwangsläufig kaufen musste, sondern die meisten Verwalter der schulen ihre Männer durchaus auch mal 'vermieteten'. Und der dritte Grund schließlich war, dass es Axilla immernoch so vorkam, als würde sie Leander einfach ersetzen. Auch wenn dieser nun schon bald ein halbes Jahr tot war und bald jede noch so große Trauerzeit schon von Gesetz wegen zu enden hätte – wenngleich einem Sklaven wohl nicht 10 Monate Trauerzeit zugestanden hätten, egal in welchem Fall – Axilla hatte das Gefühl, sie würde ihn verraten, und daher zögerte sie.


    Levi wiederum war wenig angetan, hatte er doch alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass seine Herrin überhaupt diese Gladiatorenschule betreten konnte in der Absicht, jemanden zu kaufen. Die meisten verkauften nämlich äußerst ungern ihre Ware, war mit ihnen doch auch sehr viel Geld zu verdienen. Und die Ausbildung war auch nicht gerade billig, so dass es an Verschwendung grenzte, sie dann herzugeben, ohne dass sie ihren Zweck erfüllt hatten. Wobei es natürlich auch keinem Zweck – abgesehen von der Belustigung des Pöbels – diente, wenn ein Gladiator nach einem Kampf tot am Boden lag.
    “Herrin, wenn du den Mann versetzt, wirst du nicht noch einmal die Gelegenheit bekommen. Du musst ja keinen kaufen, du kannst ja erstmal nur schauen, was er überhaupt anzubieten hat.“ Der Blick, den der jüdische Junge seiner Herrin zuwarf, war nahe an der Verzweiflung.
    Axilla kaute ein wenig auf ihrer Unterlippe herum. Levi hatte recht, sie konnte ja einfach mal gucken. Sie musste weiter nichts tun oder machen. Es zwang sie ja niemand, tatsächlich zu kaufen. Und es war sicher interessant, den Männern beim Training zuzuschauen. Ihrem Vater hatte sie als Kind immer gern zugesehen, wenn er daheim ein wenig geübt hatte. Auch wenn das wohl nicht zu vergleichen war.
    “Gut. Aber nur schauen!“ Sie sah Levi kurz ein wenig unsicher an, als wolle sie sichergehen, dass wenigstens er ihr glaubte. Wenn sie selbst schon nicht ganz sicher war, ob sie sich glauben konnte.
    Der allerdings seufzte nur erleichtert und nickte dann. Bevor die Iunia es sich nochmal anders überlegte, führte er sie über die Straße zu dem Tor mit den Eisengittern und war froh, dass auf der anderen seite in Erwartung ihrer Ankunft schon jemand stand. “Meine Herrin Iunia Axilla hat einen Termin bei Potitus Catonius Quirinalis. Bitte lasst uns ein.“
    Und wenig später waren die beiden im Bauch der Bestie, die sich Gladiatorenschule nannte, verschwunden.

  • Von der schneeweißen Marmortribüne aus hatte man einen wunderbaren Blick in die Arena. Axilla saß neben ihrem Gastgeber, einem Mann in den Vierzigern mit fein säuberlich rasiertem Gesicht und strengen Augen. Er hatte sich als Spurius Iuventius Murcus vorgestellt, und Axilla hatte einen Moment gebraucht, ihre eigene Neugier bezüglich seines Namens in Neugier zu dem, was auf dem Platz vorging, umzuwandeln. Immerhin war er der erste Spurius, den sie traf, und dieser Name war nichts weiter als eine Andeutung, dass ein Kind außerhalb der Ehe geboren war. Immerhin bedeutete Spurius 'unehelich' oder 'vaterlos'. Besondere Kreativität konnte man den Römern beim Finden von Namen wohl nicht vorwerfen.
    Aber Axilla beherrschte sich, was wohl auch ganz gut war, und sah sich an, was in der Arena so vor sich ging. Pfähle steckten in dem sandigen Boden, und angetrieben von einem Mann, der früher wohl mal selbst Gladiator gewesen sein mochte, nun mit aber sicherlich 35 oder noch älter wohl nicht mehr in die Arena ging, hieben einige bewaffnete Männer gehorsam auf einzelne stellen dieser Pfähle ein, immer und immer wieder. Es hatte etwas mechanisches an sich, diese steten Wiederholungen, so dass Axilla beim Zuschauen beinahe in eine Art Trance verfiel und gar nicht mehr so richtig aufpasste. Unterdessen erzählte Murcus in einem fort. “Wie du siehst, sind alle unsere Kämpfer gut ausgebildet und gesund. Wenn du einen erwerben möchtest, ist der Preis selbstverständlich von der Erfahrung und der Bekanntheit des Gladiators abhängig. Du wirst verstehen, dass die Unterbringung und die Ausbildung hier teuer ist und diese Aufwendungen vor allem dadurch wieder gedeckt werden, dass der Gladiator Erfolgreich ist und das Publikum für sich gewinnen kann...“
    Axilla hörte nur so halb zu, während sie ihren Blick über den Platz schweifen ließ. Nur immer wieder nickte sie oder schenkte ihrem Sitznachbarn ein bewunderndes Lächeln, um diesem den Eindruck zu vermitteln, sie hinge an seinen Lippen. Allerdings interessierte sie das genau Hin und Her der wirtschaftlichen Aspekte gar nicht. Für sie war der Name nicht wichtig, und auch der Preis nur insofern, ob sie es sich leisten konnte oder eben nicht. Überhaupt, sie wollte ja gar nicht kaufen und war nur hier, weil Levi sonst geschmollt hätte. Und damit sie beim nächsten Streit zu ihrem Mann sagen konnte, sie hätte sich schon umgesehen, aber nichts passendes gefunden.
    Ihr Blick blieb auf einem großen Kerl hängen, einem Thraker, denn er trug Schwert und schuld und den Helm mit dem stehenden Kamm. Murcus bemerkte es und nickte einmal fast anerkennend. “Theodikles. Vielleicht hast du ihn schon einmal gesehen. 4 Jahre ist er jetzt hier, 12 Siege. 28 Jahre alt. Einer unserer Besten, wenngleich in einem Alter, wo er bald damit aufhören muss auf die eine oder andere Weise.“
    Die meisten Gladiatoren starben, bevor sie 30 waren. Es war eben ein sehr gefährlicher Beruf. Ein Kampf konnte das Leben beenden. Wenngleich sie auch nur vielleicht 3 Mal in einem Jahr wirklich in der Arena kämpften. Vielleicht war es deswegen, dass es immernoch einige junge Männer gab, die für sich freiwillig dieses Los wählen wollten. Oder, weil die Zeit, in der man hier drinnen sonst lebte, außer vom Training noch erfüllt war mit dem Ruhm und der Bewunderung der Massen. Und Medizin, Kleidung, Nahrung.
    Axilla kümmerte es wenig, sie schaute schon weiter, diesmal zu einem Dimachaerus. Mit zwi Schwertern hieb er auf seinen Pfahl. Immer erst einmal auf Kopfhöhe, wo das Schwert nur leicht gegen das Holz tippte, dann blitzschnell auf Brusthöhe mit der zweiten Klinge, dicht gefolgt von der ersten nur etwas höher und kräftiger. Es sah sehr interessant aus, dem Fliegen der beiden Schwerter zuzuschauen. “Simonides, 8 Siege. Ich würde ihn dir für 3000 Sesterzen überlassen. Wenn du ihn weiter hier trainieren willst, kostet das natürlich dann weiterhin einen kleinen Obulus...“
    Axilla winkte leicht ab. Sie wollte ja eigentlich gar nicht kaufen, erst recht nicht, um denjenigen weiter trainieren zu lassen, dass der in ihrem Namen weiter Siege einfuhr. Sie wollte... eigentlich gar nichts. Sie wollte dass Levi nicht böse war, weil sie es nicht versuchte. Sie wollte, dass Archias aufhörte zu nerven. Das wollte sie.


    Etwas seitlicher, fast am Rand, trainierte noch ein Gladiator. Weil es heiß war und er schwitzte nahm er den Helm ab und wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. Auch ein Thraker. “Und der da?“ fragte Axilla eher beiläufig. Sie fand es nur interessant, dass er als einziger grade nicht trainierte, sondern verschnaufte.
    Murcus neben ihr war aber wohl nicht so freundlich neugierig, seine Augen verengten sich kurz und ein unwilliger Zug strich um seine Mundwinkel. “Ein Idiot...“ kam es kurz unwillig, als er dem Trainer kurz zunickte und dann in die Richtung deutete. Er schien nicht wirklich wütend auf den Mann zu sein, denn sogleich wandte er sich wieder den nächsten Gladiatoren zu. “Dort hinten, werte Iunia, haben wir noch einen vielversprechenden Parther. 4 Siege bisher in einem Jahr, 24 Jahre alt...“
    Axilla hörte ihm nicht zu. Sie beobachtete, wie der Trainer auf den Mann zuschritt und dieser nach einem gebellten Befehl Haltung annahm. Und danach erstmal einen heftigen Schlag ins Gesicht einstecken musste, gefolgt von einer Tirade übler Schimpfworte, die alle mehr oder minder zum Inhalt hatten, dass er in der Arena seinen Helm nicht einfach abnehmen konnte, egal, wie warm es auch sei. Axilla sah in das Gesicht des Mannes, dessen Lippe jetzt blutete und der trotzdem einfach nur dastand und nichts erwiderte.
    “Kann ich mit ihm sprechen?“ fragte sie aus heiterem Himmel, als Murcus ihr gerade etwas über einen Inder erzählen wollte, so dass ihr Gesprächspartner kurz aus dem Konzept kam. “Sicher, du kannst mit jedem Gladiator reden?“ Sein Blick folgte dem ihren, und ging wieder zurück zu ihr. “Ich sollte dir sagen, dass dieser Mann schon 29 Jahre alt ist und erst spät zu uns kam.“
    “Das macht nichts. Gehen wir hinunter, oder kommt er herauf?“ Axilla interessierte doch das Alter nicht. Sie interessierte dieser Blick. Auch wenn sie ihn wohl nicht kaufen würde. Aber es machte sie neugierig.
    Murcus musterte sie kurz, sichtlich nachdenklich, ehe er antwortete. “Er kommt hinauf. Allerdings nicht hier auf die Tribüne, sondern dort oben in einem Raum. Wenn du mit ihm ein wneig allein sein möchtest, gibt es da natürlich auch andere Möglichkeiten...“
    Axilla blinzelte verwirrt, bevor sie verstand, was er meinte, und rot anlief. “Nein, ich will mich nur unterhalten.“
    Der Iuventier nickte und stand auf. Er rief kurz nach dem Trainer und gab dem dann ein Zeichen, woraufhin der nickte und nochmal an der Rüstung des Mannes ohne Helm rüttelte, als wolle er ihn gleich in den Sand schmeißen. Dann gab er ihm mit ein paar harschen Worten zu verstehen, er solle sich vom Acker machen und nach oben gehen.
    Axilla sah, wie der Mann zum Ausgang ging. Nur einmal blickte er kurz zu ihr hoch, so dass sich ihre Blicke trafen.

  • [Blockierte Grafik: http://img823.imageshack.us/img823/1926/malachi2.jpg]


    Hier oben war es kühler als in der sandigen Arena. Im Schatten des Säulengangs, der vor den einzelnen Räumen entlangführte, schien stets ein erfrischendes Lüftchen zu wehen. Malachi schritt langsam den Gang hinunter, den Helm noch immer auf dem Kopf. Der Trainer, insgesamt einer von vier doctores hatte ihn deswegen gehörig zur Sau gemacht, und er wusste, dass sein Überleben hier zu großen Teilen von diesem Mann abhing. Er war es, der dem Lanista mitteilte, ob er bereit für einen Kampf war oder nicht, und je öfter er meinte, Malachi solle kämpfen, umso öfter würde er das tun.
    Natürlich hatte er die Frau gesehen, die auf der Tribüne neben Lanista gesessen war. Ihr grünes Gewand hatte auf der weißen Marmortreppe gewirkt wie eine grüne Oase in einer Steinwüste. Das war nicht zu übersehen. Was sie von ihm wollte, interessierte ihn eigentlich nicht besonders. Es kam immer wieder mal eine Frau vorbei, die ein paar schöne Stunden mit einem Gladiator verbringen wollte. Nur meistens fiel die Wahl auf einen der berühmten Kämpfer, häufig den palus primus. Malachi war weit davon entfernt, diese Position einzunehmen. Er war schon froh, dass er nicht als Löwenfutter an den Ludus Matutinus verkauft wurde. Wobei das so gesehen auch keinen großen Unterschied gemacht hätte. Er fragte sich nur am Rande, warum die junge Dame ihn ausgesucht hatte. Als er zu dem dunklen Gang unter der Tribüne gegangen war, hatten sich kurz ihre Blicke getroffen. Sie hatte ihn nicht angesehen wie eine Frau, die vor Leidenschaft glühte, sondern beinahe schon traurig.
    Sein Schwert und sein Schild hatte er abgegeben. Nach oben durften sie nicht mitgenommen werden, sie wurden fest verschlossen, sobald ein Gladiator die Arena verließ.


    Er sah die offene Tür des kleinen officiums schon, seit er den Gang beschritt. Das ließ wohl darauf schließen, dass die Dame nicht auf persönliches Vergnügen aus war, dafür gab es passendere Räume, wenn auch offiziell niemand etwas davon wissen wollte. Malachi betrat den Raum und nahm Haltung vor dem Lanista an. Die Frau saß auf einem Stuhl, hinter ihr noch ein junger Bursche, der wohl ihr Sklave war.
    “Salve, Lanista. Melde mich wie befohlen“, meldete der Gladiator knapp und korrekt, ohne seinen Blick auch nur eine Sekunde irgendwo anders hinzurichten, als gerade vor sich.
    Spurius Iuventius Murcus nickte einmal betont knapp. “Nimm den Helm ab, Gladiator.“ Malachi tat, wie ihm geheißen, und klemmte den Helm mit dem auffälligen Kamm unter seinen Arm. Die Ausrüstung war stets pfleglich zu behandeln, das war das erste, was er hier gelernt hatte.


    Die Frau sah zu ihm herüber. Ein Zucken, als wolle sie aufstehen, ging durch ihren Körper, aber sie blieb sitzen und sah zu Murcus hinüber. “Darf ich mit ihm reden?“ Offenbar war sie noch nie in einem Ludus gewesen, oder aber sie war nervös. Erst, als der Lanista ihr mit einer Handbewegung andeutete, dass es in Ordnung war, stand sie auf und kam auf ihn zu.
    Irgendwas war in ihrem Blick, das Malachi nicht zuordnen konnte. Es war definitiv kein Begehren, eher eine Frage, die sie aber nicht stellte. Sie war über einen Kopf kleiner als er und kam relativ dicht vor ihn, ohne ihn aber zu berühren. Sie stand eine Weile nur da, sah ihn an, seinen Oberkörper, seine Rüstung, und dann sehr lang sein Gesicht, seine Augen. Malachi sah die meiste Zeit einfach nur gerade aus, nur ab und an ließ er den Blick zu ihr sinken um zu sehen, was sie da eigentlich tat. Sie sah nicht wirklich aus, als würde sie nachdenken und abwägen, weil sie ihn kaufen wollte. Im Grunde hatte er keine Ahnung, was sie da tat.
    “Wie ist dein Name?“ fragte sie schließlich leise.
    “Namen sind in diesen Mauern irrelevant.“ Kurz glitt sein Blick zum Lanista, der nicht erfreut aussah. “Aber er lautet Malachi.“
    “Malakii“, wiederholte sie etwas falsch und schien dann wieder zu überlegen. “Hast du Angst, wenn du in der Arena kämpfen musst?“
    Nun sah Malachi doch kurz richtig nach unten und musterte die Frau, die da vor ihm stand. Sie wirkte noch sehr jung, aber ihr Blick hatte etwas bohrendes. Ihre Worte klangen dahingegen aber sanft und weich, fast schon besorgt. Normalerweise hätte er nun die einstudierte Antwort gegeben, dass Gladiatoren für ihren Mut bekannt wären und keine Angst zeigten, sondern froh um ihr Schicksal waren. Das was man eben von ihnen erwartete. Aber er tat es diesmal nicht. “Alle Menschen, die Hoffnung haben, haben Angst, Herrin. Ich aber weiß, dass ich schon tot bin.“
    Er konnte es in ihrem Blick sehen, wie seine Worte in ihr arbeiteten. Wie ihr Blick leicht flackerte, ehe er sich senkte, wie die Lippen sich kurz leicht teilten, wie sie auf ihrer Unterlippe leicht kaute, was ihr einen unschuldigen Anblick verlieh. Wie sie fast hilfesuchend zu ihrem Sklaven blickte, während der Lanista mit mahlendem Kiefer im Hintergrund stand.
    “Und... du hast keine Angst vor dem Tod?“ fragte sie schließlich nochmal, konnte dieses Mal den Blick aber nicht auf ihn gerichtet halten. Andere wären vielleicht amüsiert über diese Frage gewesen, aber Malachi hingegen war es recht gleich. Er hatte sich schon lange damit abgefunden, dass er eines Tages tot in der Arena liegen würde. Und wenn sein Gott dieses Schicksal für ihn erkoren hatte, dann würde es so richtig sein.
    “Warum soll ich etwas fürchten, was jeden Menschen ereilt und vor dem niemand fliehen kann? Das einzige, was man daran fürchten sollte, ist, dass er sinnlos ist, domina.


    Wieder Schweigen, und ein Kauen auf der Unterlippe. Die Frau sah immer wieder zu ihm, dann zum Lanista, dann zu ihm, zu ihrem Sklaven. Malachi begann sich zu wünschen, sie würde zu einer Entscheidung gelangen, worüber auch immer sie entschied. Er wollte nur gern vom medicus seine Muskeln massieren lassen und dann vielleicht etwas schlafen.
    “Ich kaufe ihn...“ kam dann schließlich zaghaft und leise. Sie sah zu ihm hoch, als wolle sie ihn um Erlaubnis bitten, ehe sie sich zum Lanista umwandte. “Wieviel kostet er?“

  • Axilla sah kurz das leichte Zucken in den Mundwinkeln des Lanistas, was wohl sein Äquivalent eines Lächelns darstellte, ehe jener sich erhob und scheinbar einen Moment nachdenken musste.
    “Nun, er ist sicher eine gute Wahl. Er hat auch 3 Siege eingebracht in 2 Jahren. In einem Monat wäre sein nächster Kampf.“ Der Iuventier erhob sich und kam zu Axilla und Malachi herüber. Überlegend legte er einen Finger an die Lippen und tippte leicht dagegen, und axilla beobachtete ihn fast fasziniert dabei. Sie glaubte nicht, dass er wirklich so viel nachrechnen musste, nachdem er ihr bei den anderen Gladiatoren draußen gleich eine Summe hatte sagen können. Außerdem wusste Axilla, wie handeln funktionierte. Der Xenai Agorai war ihr zweites Zuhause gewesen in Alexandria. Aber es war interessant, einen so ernsten und ruhigen Mann dasselbe machen sehen wie einen parthischen Tuchhändler auf einem lärmenden Marktplatz.
    “Ich denke, für 2000 kann ich ihn an dich verkaufen. Das wäre ein fairer Preis für einen gut ausgebildeten Gladiator.“
    Der Preis war so unverschämt, dass Axilla kurz den Mund aufklappte, ehe sie sich beherrschen konnte. Das hier war Handel, sie wusste, wie das ging. Dennoch war der Preis eine absolute Unverfrorenheit. “Ich glaube, du hast ein M mit einem C verwechselt, werter Iuventius.“ Axilla schaffte es, das ganze zuckersüß und unschuldig hervorzubringen, so verträumt wie das meiste andere, das sie sagte. Sogar ihr Lächeln schien so ausgelassen wie immer zu sein. Dennoch war ein Preis von 200 Sesterzen näher an dem, wo sie sich schließlich treffen würden als 2000 Sesterzen. Auch wenn Axillas Preis nun wiederum unverschämt niedrig war und sie aufpassen musste, nicht zu forsch zu sein. Immerhin wollte sie Malachi auch kaufen.
    Und sie wollte ihn wirklich kaufen. Da war etwas in seinen grauen Augen... Axilla wollte ihn nicht hier lassen. Erst war sie sich nicht sicher gewesen, aber nach seinen Worten war sie sich sicher. Sie konnte es nicht erklären, warum jetzt eigentlich. Sie war definitiv nicht in ihn verliebt oder so etwas. Aber sie konnte nicht einfach gehen und ihn hierlassen und sich einreden, dass sie einfach nur niemanden gefunden hatte, der ihr Leibwächter hätte sein können. Er war auch definitiv kein Ersatz für Leander, und Axilla hatte auch gar nicht vor, ihn dazu zu machen. Sie kannte ihn ja auch gar nicht. Aber... ach, sie konnte es nicht erklären. Das Gefühl bei ihm war einfach richtig, wenn sie ihm in die Augen schaute und er so gleichgültig zurücksah.


    Unterdessen verschluckte sich der Lanista beinahe bei ihren Worten. “Für 200 bekommst du gerade Mal einen einfachen Sklaven vom Markt, ohne Ausbildung und ohne Können. Das hier ist ein ausgebildeter Thraker, der bereits getötet hat. Du wirst das doch wohl kaum mit diesen Wilden vom Markt vergleichen wollen, werte Iunia.“
    Axilla riss sich aus ihren Gedanken und sah Murcus ein wenig ertappt an. Jetzt war es an ihr, so zu tun, als müsse sie überlegen, obwohl sie das eigentlich nicht musste. Und während der Lanista sich hinter stoischer Ruhe verbarg, bestand Axillas Maske aus Unschuld und scheinbarer Unwissenheit. “Nun, du hast wohl recht. Aber Zweitausend Sesterzen ist definitiv viel zu viel. Du hast selbst gesagt, er ist schon fast dreißig! Und so lange geht seine Ausbildung auch noch nicht. Andere in seinem Alter sind schon längst doctor und bilden selbst aus, anstatt zu lernen und zu kämpfen.“
    Ihr unschuldiger Blick hätte wohl Steine erweicht. Allerdings keine Iuventier, zumindest ließ sich dieser hier nichts dergleichen anmerken. Stattdessen schaute er sie fast etwas abschätzig an, ehe er kurz die Lippen schürzte und dann fast schon beiläufig sein nächstes Angebot fallen ließ. “Gut, das sind sicher gute Gründe, den Preis zu reduzieren. Allerdings musst du bedenken, dass ausgebildete Gladiatoren durchaus gefragt sind. Viele Damen geben gerne die Hälfte ihres Vermögens für einen treuen und ausgebildeten Kämpfer..““Aber ich weiß doch gar nicht, ob er treu ist...“ “... natürlich ist er das. Sonst hätten wir ihn nicht weiter ausgebildet. Aber, um dir meinen guten Willen zu zeigen, und da du ihn wohl benötigst, werde ich ihn dir für 1500 überlassen.“
    Dieser Preis war nun schon eher nach Axillas Geschmack. Aber sie konnte ihn sicher noch weiter drücken. Immerhin hätte er ihr einen seiner Champions für Dreitausend gegeben. Malachi war davon weit entfernt. Und genau das brachte sie jetzt auch zum ausdruck. “Simonides hätte für 8 Siege 3000 gekostet. Das sind nichtmal 400 Sesterzen für einen Sieg. Und der war jünger als Malakii.“ Dass sie den Namen falsch aussprach, merkte sie freilich nicht. Woher auch, es widersprach ihr ja niemand. “Da würde ich sagen, für drei Siege und ein paar Jahre älter gebe ich dir dreihundert pro Sieg, also 900.“ Axilla bemühte sich, so streng und fachmännisch zu schauen, wie Urgulania es immer getan hatte. Ganz so matronenhaft würde sie es nicht hinbekommen, aber vielleicht wenigstens ein kleines bisschen.
    Der Lanista auf jeden Fall sah sie eine ganze Weile an, erst freundlich, dann fragend, dann bohrend. Aber Axilla blieb einfach stehen und hielt dem Blick stand. “Eintausendeinhundert“ war schließlich sein Angebot. Und mit einem “Eintausend“ hielt Axilla ihm schließlich die Hand hin, genau wie beim Pferdekauf. Und er schlug ein.


    “Die Formalitäten erfordern noch einen schriftlichen Kaufvertrag. Möchtest du ihn weiter trainieren lassen mit Unterkunft hier oder soll er gänzlich in deinen Hausstand übergehen?“ Der Iuventier war wieder ganz geschäftsmännisch geworden und hatte sich auf seinen Platz zurückbegeben, während Axilla krampfhaft versuchte, ein siegessicheres Grinsen zu unterdrücken, was aber nicht ganz gelang.
    “Oh, nein, er soll in die Casa Iunia. Er soll mein Custos Corporis sein, da brauch ich ihn bei mir. Und... also, wieviel würde das denn kosten, ihn weiter ausbilden zu lassen?“
    Der Lanista nannte eine Summe, die für eine wöchentliche Gebühr recht üppig war. “Inklusive Unterbringung, Verpflegung, medizinischer Versorgung und natürlich Trainingsgerät und Ausrüstung“, fügte er mit der Andeutung eines Lächelns noch an, dennoch schluckte Axilla.
    “Und wenn er nur... dreimal die Woche trainiert und dann wieder mit mir mitkommt? Ohne Unterbringung und Verpflegung? Und ich die medizinische Versorgung zahle, wenn sie anfällt?“ So viel wollte sie ja nicht ausgeben.
    Der Iuventier atmete einmal ruhig durch und schien im Kopf seine Tabellen durchzurechnen. “Die medizinische Versorgung musst du mitzahlen, sonst trainiere ich ihn nicht. Ich werde hier niemanden verbluten lassen und warten, bis der Besitzer seinen Geldbeutel gefunden hat. Das ist kontraproduktiv.“ Es klang sehr bestimmt, war also kein Weg, um Geld zu sparen. “Aber ich trainiere ihn für 30% der Gebühr an drei Tagen der Woche, ohne Verpflegung und Unterbringung. Du wirst den Monat im Voraus zahlen und wenn er zu spät oder gar nicht kommt, ist das dein Problem. Der Ablauf darf nicht gestört werden, und er bekommt keine andere Behandlung als die anderen, die mein Eigentum sind. Für die Zeit unten in der Arena liegt sein Leben ebenso in meinen Händen wie das jedes anderen, und wenn ich seinen Tod befehle, wirst du kein Recht auf Klage deswegen haben.“
    Axilla war kurz davor, zu sagen, dass er es dann vergessen konnte. Sie wollte sich ja nicht über den Tisch ziehen lassen und soviel Geld zahlen, nur damit er ihren Gladiator bei nächster Gelegenheit zum Orcus schickte. Allerdings war sie auch die Tochter eines Militärs, sie verstand die Notwendigkeit dieser Maßnahme. Disziplin war wichtig. Jeder Soldat musste sich darauf verlassen können, dass diese mit voller Härte umgesetzt wurde. Disziplin war keine Strafe, sie war Sicherheit.
    Dennoch drehte sie sich kurz zu Malachi um und fragte ihn direkt. “Möchtest du weiterhin trainieren und ausgebildet werden?“
    Kurz flackerte es in seinem Blick, ehe er Axilla wieder mit diesem fragend-gleichgültigen Blick ansah, als ob er durch sie hindurchblickte. “Was immer meine domina wünscht, werde ich erfüllen.“
    Axilla biss sich kurz auf der Lippe herum, ehe sie zu einem Entschluss gekommen war. “Einverstanden.“


    Bis der Vertrag aufgesetzt und alle Formalitäten geregelt, ein gültiger Wechsel ausgestellt und schließlich Axilla um einiges an Sesterzen ärmer, an Erfahrung aber reicher war, dauerte es bis in die frühen Abendstunden. Und ein etwas merkwürdiges Gefühl blieb bei der Iunia zurück, als sie mit Levi und ihrem neuen Sklaven diesen Platz hier verließ. So recht wusste sie selbst nicht, was sie soeben getan hatte.

  • Sicher war Axilla traurig. Irgendwie. Ein bisschen. Sie hatte viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was passiert war. Und auch, wenn er furchtbar eifersüchtig gewesen war und ihr viele Dinge angetan hatte, auf die sie hätte verzichten können, Archias hatte sie geliebt. Irgendwie. Ein bisschen. Und sie hatten eine schöne Zeit miteinander gehabt. Es war ja nicht alles schlecht gewesen. Sie hatten auch glückliche Stunden miteinander gehabt. Irgendwie. Ein bisschen.
    Was Axilla nach wie vor nicht verstand, war, warum er sich ausgerechnet vom Tarpejischen Felsen geschmissen hatte. Dort wurden Leute hingerichtet, die die Pax Deorum durch ihr Handeln gefährdet hatten, wie Inzesttäter. Oder aber Hochverräter. Abschaum wurde dort hingerichtet. Warum also hatte er sich grade da hinuntergestürzt? Hatte er gewollt, dass es möglichst viel Gerede über sie gab? Hatte er vielleicht doch gemerkt, dass sie sich scheiden lassen wollte, und das war noch ein letzter Racheakt gewesen? Oder aber hatte er einfach nur nicht darüber nachgedacht, wie über so vieles? Axilla wusste es nicht. Sie wusste überhaupt vieles nicht.


    Sie saß nur da, zwei Sitzreihen unterhalb des Lanistas, und sah hinunter zu den Gladiatoren. Sie sah sich gerne das Training an. Auch wenn sie dem Lanista auf Iuppiters Stein hatte schwören müssen, niemals seine Trainingsmethoden in Frage zu stellen oder gar dazwischenzurufen. Aber die stetigen Wiederholungen hatten etwas hypnotisierendes, und – Hand aufs Herz – die halbnackten Männerkörper auch. Im Grunde wunderte sich Axilla mehr, warum sie hier die einzige Frau war, die sich das ansah, wie die gestählten Körper verschiedene Übungen vollführten, um das Kämpfen zu lernen. Vermutlich, weil es wohl nicht ganz schicklich war.
    Für eine Frau in Trauerkleidung eigentlich schon zweimal nicht. Axilla seufzte einmal leise und resignierend. Sie war es leid, dieses schwarz. Sie wollte ihre luftigen Kleider wieder anziehen, das schöne, lebensfrohe Grün. Sie wollte wieder ein bisschen Schmuck tragen. Sie trug ja nie viel, aber so ein bisschen. Sie gab ja eigentlich nicht so viel auf ihr Äußeres, aber im Moment sah sie ja aus wie eine Vogelscheuche! Gut, eine teure Vogelscheuche, immerhin war das Kleid aus sehr feinem Stoff, aber trotzdem. Sie war es leid, der Welt vorzumachen, wie bestürzt sie über den Tod des Mannes war, von dem sie sich hatte scheiden lassen wollen. Die Welt war einfach nicht gerecht.
    Das einzige, was ihr wirklich zu schaffen machte, war ihr Glaube an einen Fluch. Es war ja wirklich schon fast auffällig. Ihr Vater, den sie über alles noch immer liebte, war gefallen. Urgulania war ermordet worden. Silanus war schwer krank. Selbst von Timos hatte sie schon lange keine Nachricht mehr erhalten. Und nun hatte Archias sich selbst umgebracht. Jeder, den Axilla mal geliebt hatte, war gestorben, oder kurz davor. Das war das einzige, was wirklich, wirklich beängstigend für die Iunia war, und was sie davon abhielt, allzu genau auf die Gladiatoren unten in der Arena zu achten.
    Sie stützte ihren Kopf auf ihrer Hand ab, den Ellbogen auf ihr Knie gestützt, und seufzte noch einmal leise. Die Welt war wirklich nicht gerecht.

  • Ohne großartig etwas auf den Mann zu geben, der ihr aufgeregt hinterher lief, kam Nigrina herein gerauscht. Im Schlepptau hatte sie nicht nur Heini der Gladiatorenschule, der verzweifelt versuchte sie irgendwie aufzuhalten oder wenigstens zu überholen, damit er immerhin noch zuerst den Lanista erreichte, sondern auch ihr übliches Gefolge an Sklaven – zwei Leibwächter, eine Leibsklavin, die ihre Vorlieben kannte. Und der Parther, den ihr Bruder ihr geschenkt hatte. Mit dem hatte sie etwas Besonderes vor. Er eignete sich als Leibwächter, sicher, sie hatte noch keinen eigenen, keinen EIGENEN eigenen, die die sie begleiteten, waren ganz allgemein flavische Sklaven, von denen sie sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hatte sich die Namen zu merken. Gut, den Namen des Parthers wusste sie auch noch nicht, aber wenn sie ihn sich so betrachtete, konnte sich das durchaus ändern. Er hatte etwas. Er hatte einfach etwas! Er war... Nigrina verbot sich selbst, diesen Gedanken weiter zu verflogen. Immerhin war es nur ein Sklave. Aber: er hatte etwas. Und er war Parther. Parther waren nicht mehr ganz so sehr in Mode wie nach der Beendigung des Krieges, aber dafür waren sie nun wieder etwas seltener geworden. Vor einiger Zeit hatte doch JEDER einen Parther gehabt. Jetzt allerdings zeigten sich die echten Liebhaber und Sammler. Und IHR Parther hatte etwas.


    Nigrina unterdrückte ein Grinsen, was sich absolut nicht geschickt hätte, weder an diesem Ort, noch in dieser Situation, und erst recht nicht in Anbetracht der Tatsache, dass sie Trauer trug. Ein feines Kleid in tiefstem Schwarz, aus bester Seide gefertigt, maßgeschneidert. Wenn sie schon Schwarz tragen musste, dann sollte es wenigstens gut aussehen, und sogar sie musste gestehen, dass ihr das Kleid einfach stand, sowohl Schnitt als auch Farbe. Dafür, dass es Schwarz war, leuchtete die Farbe fast schon unverschämt. Aber nun gut, es war auch nagelneu, und der Stoff tat natürlich sein übriges. Und, das musste man einfach zu ihrer Verteidigung sagen: es war weder einfach noch billig gewesen, ein derartiges Kleid zu bekommen. Ihr Vater würde der Schlag treffen, wenn er wüsste, wie viel sie für ein Kleid, ein EINZIGES Kleid, ausgegeben hatte, und das noch dazu ohne mit der Wimper zu zucken.


    So also stürmte Nigrina in den Raum, in dem der Lanista war, die anderen ihr hinterher, und während sie nun dem Gladiatorenschulenheini endlich den Vortritt überließ – ging ja gar nicht an, dass sie den Lanista nun zuerst begrüßte –, ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Am Rande bemerkte sie, wie der GSH – Gladiatorenschulenheini – den Lanista mit leisen Worten darüber aufklärte, was sie wollte – „Sie ist eine Flavia, sie hat etwas davon gesagt, dass sie dich sprechen will, Herr, irgendetwas von wegen dass sie ihren Sklaven ausbilden lassen will, verzeih mir bitte...“ – uninteressant... solange der Lanista sich nicht ihr zuwandte – und gleichzeitig sah sie nun, dass sie nicht die einzige Anwesende war außer dem Lanista. Noch nicht einmal die einzige in Trauerkleidung. Sie ließ ihren Blick über die junge Frau schweifen, die in etwa in ihrem Alter zu sein schien, aber... nun ja... mit Verlaub: anders wirkte. Im Gegensatz zu Nigrina stand ihr Schwarz nicht wirklich. Die Flavia neigte leicht den Kopf zur Begrüßung. „Salve.“ Und dann, ohne sich lang mit weiteren Floskeln aufzuhalten: „Wer war es bei dir?“

  • Natürlich bekam Axilla mit, wie noch jemand die Ränge oberhalb der Arena betrat. Bei diesem Aufzug war es kaum möglich, es nicht zu bemerken. Drei Männer und zwei Frauen viel schon allein wegen der Masse an Leuten auf. Selbst wenn das ganze Stadion nicht sowieso leer gewesen wäre und damit auch schon ein einzelner aufgefallen wäre. So aber rauschte eine Frau in Trauer vor einem kleinen Gefolge daher, während ein hektischer Ludus-Angestellter sie aufzuhalten versuchte. Axilla sah kurz auf, den Kopf allerdings noch immer aufgestützt, und wartete auf die Reaktion des Lanistas. Im Grunde konnte sie sich die zwar schon denken, aber vielleicht war es ja heute anders. Axilla hatte den Mann noch nie wütend gesehen. Oder auch nur übermäßig erregt. Im Grunde war er der kälteste Fisch, der ihr je untergekommen war. Allerdings machte ihn das beinahe ehrfurchtgebietend unheimlich


    Sie schaute also gerade verstohlen aus den Augenwinkeln zu Spurius Iuventius Murcus hinüber, während dieser von dem hektischen Mann gerade darüber aufgeklärt wurde, dass die Frau zu ihm wollte – wohin denn auch sonst? - als diese sie plötzlich ansprach. Ertappt zuckte Axilla kurz ganz leicht zusammen und sah hoch. Der Grundstock an Manieren, der ihr doch beigebracht worden war, ließen sie ihre Hand runternehmen und sich gerade hinsetzen, ehe sie einmal verwirrt blinzelte. Wer es bei ihr war?
    “Oh... die Trauer meinst du. Mein Mann. Und bei dir?“ Dass die Frage vielleicht etwas unverschämt sein mochte, kam Axilla gar nicht erst in den Sinn, immerhin hatte die Fremde damit angefangen! Und auch, dass ihre Stimme bar jedes wirklichen Bedauerns, das vielleicht angebracht gewesen wäre, war, bedachte die Iunia nicht. Sie war auch nicht zutiefst traurig und am Boden zerstört! Und sie hatte es satt, so tun zu müssen, als sei sie es. Sie war gerademal achtzehn Jahre alt und keine achzig, so dass sie mit weinerlicher, tattriger Stimme auf das eigene Ende wartete und die schöne, alte Zeit beklagte.


    Der Lanista unterdessen bedachte die Flavia mit seinem emotionslosen, taxierendem Blick, den er eigentlich immer und jedem gegenüber zeigte und der so absolut gar nichts über seine Gedanken verriet. Er gebot mit einer einfachen Bewegung dem Gerede seines Untergebenen Einhalt und machte mit einer ebenso knappen Geste deutlich, dass die Flavia vortreten dürfe. Es hätte Axilla auch gewundert, wenn er die Stimme erhoben und über zwei Sitzreihen hinweg geredet hätte.

  • Der Mann also. Nigrinas Blick wurde für einen Moment undurchdringlich. Der Mann. Wie alt war die Frau? Wirkte sie jünger als sie war? Oder hatte sie so einen alten Knacker heiraten müssen? War ja nicht unüblich. In ihr regte sich Neugier. Und die Neugier wurde noch stärker, als sie bemerkte, dass die Frau nicht wirklich Trauer zeigte, sondern eher... unbeteiligt schien. Als tangiere sie es nicht wirklich, dass sie Trauer trug, dass ihr Mann gestorben war. Aber auch das musste nicht unbedingt etwas heißen, wenn sie tatsächlich an einen alten Knacker verheiratet worden war, der ihr nichts bedeutet hatte. Interessanter war da schon, dass sie es noch nicht einmal für nötig hielt, Trauer zu heucheln, was dann doch wieder viele taten. Nigrina legte den Kopf leicht auf die Seite. „Meine Schwester“, antwortete sie, ebenso ruhig, mit ebenso wenig Emotion.


    In diesem Moment kehrte Ruhe ein beim Lanista und seinem Heini, und Nigrina sah auf, begegnete dem kühlen Blick des Mannes. Ein wenig unwillig runzelte sie die Stirn, weil sie schlicht etwas anderes erwartete. Er könnte ja die Höflichkeit beweisen, sie zu begrüßen, immerhin hatte sie vor, eine Menge Geld hier zu lassen. Dennoch glitt ein über ihr Gesicht ein höfliches Lächeln – das nichtsdestotrotz so kühl war wie sein Blick – und näherte sich ihm. „Salve, Lanista.“ Ihre Stimme hingegen war so süß, wie sie nur sein konnte. Sie hatte vor, Geld hier zu lassen, aber zunächst war sie es, die etwas von ihm wollte, das wiederum war ihr dann doch klar. Und: es war einfach lächerlich, da zu stehen und zu warten, wenn sie dann doch mit ihm sprach. Dann musste sie es gleich tun. Wenn sie nun wartete und er kam nicht auf sie zu, dann würde sie unverrichteter Dinge wieder gehen, weil sie sich zu so etwas nicht herabließ – dann schon lieber gleich gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn es nicht auffiel, wenn es wirkte, als hätte sie nie etwas anderes vorgehabt als nur zu warten, bis der Heini fertig war mit seinem Palavern und der Lanista ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. „Ist es richtig, dass bei dir auch Sklaven ausgebildet und trainiert werden können?“

  • Axilla versuchte in dem unbekannten Gesicht zu lesen, als diese so völlig unbeteiligt meinte, dass die Schwester gestorben sei. Entweder war die Frau darüber so wenig traurig wie Axilla über Archias Tod, oder aber sie verbarg es sehr geschickt. Kurz fragte sich Axilla, ob die Flavia nicht irgendwie trauriger sein sollte. Immerhin war es eine Schwester, jemand vom eigenen Blut. Axilla hatte bei Urgulanias Tod sehr geweint, und auch, sollte Silanus sterben, würde sie wahrscheinlich weinen. Ein bisschen. Vielleicht. Aber andererseits, Axilla hatte keine Geschwister. Sie hatte nur die Vorstellung in ihrem Kopf, wie es wäre, welche zu haben. Und die wären dann gewesen wie sie, nur besser. In Axillas Kopf existierten sowieso nur potentielle Brüder und keine Schwestern. Und bei denen wäre Axilla traurig gewesen. Zumindest dachte sie es sich so .
    Sie wollte gerade etwas – vermutlich wenig intelligentes – erwidern, als die Flavia auch schon vom Lanista herbeibeordert wurde und die zwei Sitzreihen hinter sich ließ. Axilla sah ihr kurz etwas nachdenklich nach, ehe sie ihre Aufmerksamkeit auf das Gefolge der Flavia richtete, das nun direkt hinter ihr stand. Meine Güte, so viele Sklaven. Da kam sich Axilla ja regelrecht nackt vor! Sie war nur mit Malachi hergekommen, und sie würde auch nur mit ihm wieder heimgehen. Aber hier waren drei Männer, die alle gut trainiert schienen und eine Frau, deren Aufgabe Axilla nicht erraten konnte. Ein richtiges, kleines Gefolge. Nagut, es war ja auch eine Flavia. Sie als Iunia sollte eigentlich auch mehr Leute mitnehmen, um den Stand ihres Familiennamens zu unterstützen, aber... nunja, es war einfach nicht so.
    Sie seufzte noch einmal leise vor sich hin und wandte sich dann wieder den Gladiatoren unten in der Arena zu. Malachi machte gerade etwas, das nach Dehnübungen aussah. Axilla legte leicht den Kopf schief, als sie ihn dabei beobachtete. Sah interessant aus, sollte sie vielleicht selbst einmal ausprobieren.



    Der Iuventier unterdessen verneigte sich zur Begrüßung leicht in Richtung der Flavia, verzog aber bei ihrer Frage keine Miene. “Nein, das ist so nicht ganz korrekt. Lass mich zuerst mich vorstellen. Mein Name ist Iuventius Murcus. Ich bin Lanista dieser Gladiatorenschule und hier werden Thraker und Dimachaeri ausgebildet. Sklaven, die nicht diesem Ludus gehören, müssen ebenso wie alle anderen die Eide ablegen und sind für die Dauer ihrer Anwesenheit hier ebenso mein Eigentum wie alle anderen auch. Wenn deine Frage allerdings darauf bezogen ist, ob wir auch für Privatpersonen diese Ausbildung übernehmen, die eben aufgezeigten Einschränkungen natürlich vertraglich festgelegt, so ist dies eine Frage des Entgeltes.“
    Seine Stimme hob sich bei keinem einzigen Wort auffällig, auch sein Blick blieb eines Stoikers würdig gleichgültig. Er musterte die Flavia mit scheinbarem Gleichmut, ohne mit der Wimper zu zucken. “Doch möchtest du, werte Flavia, dies vielleicht in abgeschiedenerem Rahmen in meinem officium besprechen? Oder möchtest du dich lieber hier von der Fähigkeit dieser Schule überzeugen? Dann möchte ich dir gerne einen Platz anbieten.“

  • Nigrina schenkte der anderen Frau für den Moment keine Aufmerksamkeit mehr, auch nicht der Tatsache, dass sie für einen Augenblick ihre Sklaven musterte. Nigrina richtete ihren Blick auf den Lanista und auch, wenn sie nach wie vor wenig begeistert war von seiner Art, ließ sie sich davon dennoch nichts anmerken. „Iuventius. Verzeih meinen Ausrutscher, mein Name ist Flavia Nigrina. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.“ Sie lächelte erneut, unschuldig, süß – und so falsch wie stets, wenn sie etwas wollte. Natürlich war es kein Ausrutscher gewesen, dass sie ihren Namen nicht als erste genannt hatte. Er hatte sie dazu gebracht zu ihm zu kommen – sie hatte dafür gesorgt, dass er sich zuerst vorstellen musste. Irgendwie musste ja ein gewisses Gleichgewicht gewahrt bleiben, fand sie. „Ich möchte gerne einen meiner Sklaven zu einem Dimachaerus ausbilden lassen.“ Der Typ mit den zwei Schwertern hatte ihr gefallen bei den Gladiatorenwettkämpfen, auch wenn er sozusagen der letzte Nagel zum Sarg ihres Wetterfolgs gewesen war. Und der Parther war keiner von diesen schweren Muskelprotzen, sie konnte ihn sich gut mit zwei Schwertern vorstellen. „Geld spielt dabei keine Rolle, und über die weiteren vertraglichen Anforderungen werden wir uns ebenfalls einig, davon bin ich überzeugt.“ War sie. Auch wenn ihr durchaus bewusst war, was seine Worte bedeuteten – dass es sein konnte, dass sie dadurch den Parther womöglich verlor. Aber nun gut, sie hatte ein paar Erkundigungen eingezogen, als ihr die Idee gekommen war, den Parther in einer Gladiatorenschule ausbilden zu lassen. Immerhin hatte sie die richtige Schule finden wollen, die passende, und sie mochte auch keine Überraschungen. Sie war im Begriff, einiges an Geld auszugeben, mehr als für gewöhnlich. Das wollte vorbereitet sein. Und so nahm sie es ohne ein Wimpernzucken hin, als er davon sprach, dass der Parther ihm gehören würde, solange er hier war. Nicht, dass der Lanista den Eindruck machte, in irgendeiner Form mit sich reden zu lassen darüber, und so passte Nigrina sich eben der Situation an. „Ich möchte ihn nur nicht jeden Tag hier lassen, sofern das im Bereich des Möglichen ist. Natürlich bleibt es dir und deinen Angestellten überlassen einzuschätzen, in welcher Häufigkeit er gerade anfangs trainieren sollte, aber dennoch käme es mir entgegen, wenn er an einigen Tagen mir zu Diensten sein kann.“ Ein weiteres Lächeln. „Tatsächlich würde ich gerne die Gelegenheit nutzen und zunächst ein wenig zusehen, bevor wir den Vertrag abschließen. Möchtest du dich mit dem Sklaven unterhalten?“ Sie hob die Hand und winkte leicht, ohne sich umzudrehen, was dem Parther ein Zeichen sein sollte, vorzutreten.

  • Mit gemischten Gefühlen hatte Shayan den Besitzerwechsel verfolgt gehabt. Nicht, dass er etwas dagegen hätte tun können. Nicht, dass seine Meinung irgendwie zählte oder auch nur jemanden interessierte. Er war ein Sklave, mehr nicht. Das Problem war nur, dass er das noch nie so deutlich gespürt hatte wie hier in Rom. Bei seinem früheren, seinem ersten Besitzer, war ein gewisser Grundrespekt vorhanden gewesen. Sie beide waren Soldaten, Krieger, und letztlich hatte der Römer sich gemeinsam mit seinen Landsleuten als die Stärkeren erwiesen gehabt. Aber hier... Rom war anders. Und seine Besitzer waren anders. Vor allem seine jetzige Besitzerin. Shayan zögerte noch, ein Urteil zu fällen, aber sie schien... Sie kam aus einer guten Familie, sie sah gut aus, sie war wohlhabend, sie war intelligent – und sie wusste all das. Und bereits jetzt hatte er gemerkt, dass sie launenhaft war. Doch, im Grunde hatte er ein Urteil gefällt. Sie war arrogant. Sie hielt sich für etwas besseres, und nach allem, was Shayan jetzt schon gehört hatte, hatten Sklaven bei ihr nicht unbedingt ein leichtes Leben. Aber das schien ganz allgemein auf die Flavier zuzutreffen. Mit Schaudern nur sprachen die Sklaven in der Villa von einigen Flaviern, die augenblicklich – wofür jeder dankbar zu sein schien – nicht in Rom weilten, sondern sonst wo. Und seine neue Herrin war auf dem besten Weg, sich einen ähnlichen Ruf zu erarbeiten. In jedem Fall hieß es, dass sie nicht viel Spaß verstand, wenn ihr Besitz sich in irgendeiner Weise daneben benahm.


    Und so wusste Shayan auch nicht so recht, was er davon halten sollte, als die Flavia den Einfall gehabt hatte ihn in einer Gladiatorenschule ausbilden zu lassen. Sie hatte sich noch nicht einmal sonderlich dafür interessiert, was er nun eigentlich konnte – dass er Bogenschütze war und kein Schwertkämpfer, beispielsweise –, sondern einfach etwas beschlossen. Er wusste noch nicht einmal genau, was er nun werden oder lernen sollte. Sicher konnte er mit einem Schwert umgehen, aber er war nur so gut damit, wie ein Mann eben sein konnte, der nur sporadisch damit trainierte und noch seltener damit gekämpft hatte. Er kannte die Grundlagen, er kannte den ein oder anderen Kniff vielleicht noch. Genug, um sich im Notfall wenigstens halbwegs verteidigen zu können, sollte er vom Pferd stürzen und in einen Nahkampf geraten, wo ihm sein Bogen nicht viel nützte, genug, um sich – wenn er denn Glück hatte, wenn er schnell war und es nicht zu viele Gegner waren – eine Flucht zu ermöglichen, bevor er selbst erschlagen wurde. Aber er war nicht gut. Er war nicht dafür ausgebildet, tatsächlich in einem Kampf zu bestehen, der nicht eine Flucht seinerseits zum Ziel hatte. Nur, die Flavia schien sich dafür nicht zu interessieren. Sie hatte ihm verkündet, was sie vorhatte, und ihn ohne großes Federlesen hierher geschleppt, und jetzt stand er hier und lauschte mit gemischten Gefühlen dem Gespräch zwischen ihr und dem Lanista. Einen Dimachaerus wollte sie aus ihm machen lassen. Es wäre schön, fand er, wenn ihn jemand darüber aufklären würde, was das war. Dennoch schwieg er, wartete – bis die Flavia ihm ein Zeichen gab, vorzutreten. Langsam näherte er sich seiner Herrin und dem Mann, mit dem sie sprach, sagte aber immer noch nichts, sondern neigte nur den Kopf zur Begrüßung.

  • Der Lanista besah sich ganz in Ruhe die Flavia und ließ sie sprechen, dann wandte er seine Aufmerksamkeit kurz dem Sklaven zu, um den es gehen sollte. Ein geübter Blick taxierte den Mann. Gute Körperhaltung, genug Muskelmasse. Etwas zu alt, um noch eine große Karriere zu machen. Der Iuventier hatte nie selbst in der Arena gestanden. Er war Beamter, eingesetzt vom Kaiserhof. Gut bezahlt, sollte man hinzufügen. Aber Erfahrung, was die Auswahl anging, hatte er dennoch genug. Für die Ausbildung wiederum hatte er seine doctores dort unten im Arenenstaub.
    “Der Medicus wird ihn auf Tauglichkeit überprüfen. Irgendwelche Gebrechen, die zu Einschränkungen führen würden? Alte Verletzungen, Schwachsinn in der Familie oder dergleichen?“ Er stellte seine Frage der Besitzerin. Sie würde ihrem Sklaven schon einen Wink geben, selbst zu antworten, so sie es nicht wusste. Er befand es nicht für nötig, mit dem Sklaven zu sprechen. Wofür auch? Wenn er nicht tauglich war, würde er nicht aufgenommen werden. Wenn er aufmüpfig war, würde er sterben. Wenn er versuchte, zu fliehen, würde er langsam sterben. Wenn er sich lernwillig zeigte, war das Leben als Gladiator angenehmer als das der meisten Bürger in der Stadt. Medizinische Versorgung, drei Mahlzeiten am Tag, gutes Training, hin und wieder eine Frau zur Entspannung, Zugang zu den Hauseigenen Bädern, Masseure für die Muskeln . All das für den Preis, zwei bis dreimal im Jahr sterben zu können. Ein so guter Tausch, dass einige Kaiser sich schon genötigt sahen, den freien Bürgern starke Einschränkungen zu geben, wie und wann sie sich selbst zum Gladiator melden durften und wann nicht.
    “Ich muss dich auch darüber aufklären, dass er etwas alt für eine Ausbildung ist. Der günstigste Zeitpunkt, eine solche zu beginnen, ist im Alter von 15 bis 16 Jahren, dann sind sie mit 20 gut für die Arena und meist siegreich. Man sollte sie entweder zum doctor oder zum Leibwächter machen, ehe sie 30 werden. Sollte es also dein Ziel sein, ihn bei Spielen antreten zu lassen und zum Champion zu machen, solltest du dir einen jüngeren aussuchen, werte Flavia. Ich will dich ja nicht berauben.“
    Die letzten Worte waren sogar beinahe so etwas wie freundlich, sofern man das an seiner ruhigen Stimme ausmachen konnte. “Sofern das aber im Bereich deiner Zustimmung liegt, können wir gern über die Vertragsmodalitäten verhandeln. Wenn dein Sklave nur teilweise hier bleibt, erhöhen sich natürlich die Kosten für die Logistik seiner Ausbildung. Eine Räumlichkeit muss für ihn ja auch in absentia freigehalten werden, dazu das Risiko der Verletzung außerhalb dieser Mauern, die dennoch medizinischer Versorgung hier bedarf, um den Trainingsablauf nicht zu stören.“


    Der Lanista kalkulierte schließlich noch ein wenig halblaut, gab der Flavia Gründe an, die die Gebühr, die er verlangen musste, verteuern würden. Axilla hörte immer interessierter zu, da bei ihr einige dieser Gründe zu einem Preisnachlass geführt hatten, während sie bei der Flavia zu einer Preiserhöhung führten. Axilla verkniff sich ein schmunzeln, aber die Flavia war ja auch selber schuld. Warum hatte sie gesagt, dass Geld keine Rolle spielte? Das war eine offene Einladung für alle Halsabschneider, Wucherer und eben auch für den Lanista, sie um viel Geld zu erleichtern. Und als er dann den Preis für die wöchentliche Gebühr nannte, lag der auch fast beim dreifachen von dem, was Axilla zahlte – und dabei fand sie ihre Gebühr schon recht happig. Verhandeln war definitiv nicht die Stärke der Flavia. Aber vermutlich hatte sie auch mehr Geld zur Verfügung als Axilla.

  • Alte Verletzungen? Schwachsinn in der Familie? Woher sollte sie das bitte wissen? Nigrina ging jedoch davon aus, dass ihr Bruder ihr keine mangelhafte Ware schenkte, so einfach war das. Sie winkte nur ab. „Nicht dass ich wüsste. Dein Medicus kann ihn sich gerne ansehen und selbst mit ihm sprechen.“ Sie warf dem Sklaven einen kurzen Blick zu. „Nein, er soll schon Leibwächter werden, daher möchte ich ihn ja von Beginn an um mich haben. Aber er ist nicht völlig unerfahren, er ist ein Parther, im Krieg gefangen. Sicher kann er auch den ein oder anderen Kampf bestreiten, sofern du es für vorteilhaft hältst“, Nigrina lächelte erneut süß, „das dann aber nur in Absprache mit mir.“ Aber wo der Lanista es ansprach... Nigrina ließ ihren Blick kurz zur Arena gleiten, wo die Gladiatoren trainierten. Einen jüngeren zu kaufen und hier in die Ausbildung zu schicken, um aus ihm einen Champion zu machen, das... nun... das hatte was. Aber ganz sicher. Vorausgesetzt es war einer, der dann auch gewann.


    Aber das hatte noch Zeit, und so wandte Nigrina ihre Aufmerksamkeit wieder dem Iuventier zu, der nun zum Preislichen kam. Und so wenig Nigrina vom Handeln verstand, so wenig ihr im Grunde klar war, wovon er da sprach und dass er im Begriff war sie über den Tisch zu ziehen – eines war dann selbst ihr schleierhaft. „Du willst mir doch nicht weismachen, es kostet mehr, wenn der Kerl seltener hier ist?“ Sie schüttelte den Kopf. Das mit dem Zimmer begriff sie. Sie hatte zwar nicht vor, den Parther allzu häufig hier nächtigen zu lassen, aber sie wollte, dass er die Möglichkeit dazu hatte. Wenn sie ihn schon ausbilden ließ, dann richtig, dann sollte er auch das Beste von dem bekommen, was hier möglich war. Allerdings wollte ihr nicht so ganz eingehen, weshalb das – und so manch anderes – Mehrkosten verursachte, wenn der Parther nicht da war. Ob er in dem Zimmer nun schlief oder nicht, war doch gleichgültig. „Nein, sollte er außerhalb dieser Mauern verletzt werden, muss er ohnehin von einem anderen Medicus behandelt werden, oder erwartest du etwa ich lasse ihn verbluten, bis deiner gekommen ist?“ Nigrina überlegte einen Augenblick und zuckte dann die Achseln. „Mehr zu zahlen für ein Zimmer und diverses anderes an den Tagen, an denen er definitiv nicht da ist, scheint mir mit Verlaub auch etwas unschlüssig zu sein. Sofern du bereit bist, dies in deiner Kalkulation zu berücksichtigen, wäre ich dir doch sehr verbunden.“ Nigrina machte keinen Vorschlag. Wie auch. Zu dem eigentlichen Preis hatte sie keinen wirklichen Bezug, konnte sich nicht wirklich etwas darunter vorstellen. Sie wusste natürlich, dass es viel Geld war, aber sie wusste nicht, wie viel Geld tatsächlich wert war, weil sie noch nie in der Situation gewesen war, es sich tatsächlich einteilen zu müssen, abwägen zu müssen, überlegen zu müssen... Nur selten hatte sie von ihrem Vater etwas nicht bekommen, was sie unbedingt gewollt hatte, und es hatte ihr noch nie an Grundlegendem gemangelt. Nigrina hatte im Grunde also keine Ahnung – und im Grunde war es ihr auch egal. Sie wollte, dass der Parther eine erstklassige Ausbildung hier erhielt, oder besser eine Weiterbildung, denn er war ja nicht unerfahren. Sie wollte mit ihm angeben können. Und sie war bereit, sich das einiges kosten zu lassen, zumal es ja auch nicht ihr Geld war, das sie ausgab – das hieß, sie betrachtete es als ihr Geld, aber sie war es nicht, die es hatte verdienen müssen. Aber ein wenig hatte sie dann doch auch in dieser Hinsicht von ihrem Vater mitbekommen, und wenn es nur das war, dass sie nicht für etwas zahlen wollte, was ihr nicht logisch schien. Wie viel der Lanista letztlich hinunter ging, war ihr schon wieder gleichgültig, solange er es tat, solange er ihre Einwände berücksichtigte. Oder ihr etwas anderes geboten wurde, was auch in ihren Augen einen zusätzlichen Aufwand für den Lanista bedeutete. „Oder wir verbleiben so, dass ich spontan entscheiden kann, an welchen Tagen ich ihn hierher schicke und an welchen nicht, sofern es nicht die Gesamtanzahl der vereinbarten Tage überschreitet.“ Ein weiteres Lächeln. Das war etwas, womit sie leben konnte, mehr noch, das war ihr fast lieber. Sie liebte Flexibilität, und wenn sie morgens Lust auf einen Ausflug hatte, wäre es doch zu unpraktisch darauf verzichten zu müssen, weil ihr neuer Custos Corporis zum Training musste. Und dann fiel ihr ein, dass sie vielleicht doch noch erwähnen sollte, worüber sie bereits jetzt sinnierte – womöglich stimmte das den Lanista ein wenig freundlicher gegenüber ihrer Anfrage nach Flexibilität... „Oh, und ich könnte mir durchaus vorstellen, demnächst noch einen zweiten hier ausbilden zu lassen, sofern ich zufrieden bin mit den Leistungen deiner Schule. Einen jüngeren, dann, der das Zeug zu einem Champion hat...“ Wieder schweifte ihr Blick zur Arena, und um ihre Lippen zuckte es kurz selbstzufrieden. Doch, einen siegreichen Gladiator ihr eigen zu nennen, das war ganz sicher etwas, was ihr zusagte.

  • Der Lanista versuchte sich an einem fruendlichen Lächeln. In etwa so eines, was man auch kleinen Kindern von Bekannten zukommen ließ, um zu zeigen 'Hey, schau her, ich mag dein Kind' und sich dabei gleichzeitig dachte 'Elende Rotzplage, zum Glück bist du nicht von mir'. “Ich fürchte, du hast das falsch verstanden, werte Flavia. Ich habe schon mit den verbilligten Kosten gerechnet, denn immerhin muss ich sowohl Ausrüstung als auch Ausbildung bereit halten, ebenso wie Versorgung, Verpflegung und Unterkunft, selbst wenn dein Mann nicht hier ist. Man kann schwerlich mit nur halben Menschen kalkulieren. Natürlich kostet es nicht mehr, wenn er nicht da ist, allerdings kostet es nicht nichts, wenn er hier fernbleibt.“
    Der Iuventier ließ die Flavia in Ruhe ausreden, hörte sich ihren Vorschlag an und verfiel wieder in sein schweigendes brüten, als müsse er genau nachrechnen, wie sich dies alles auf die Kosten auswirken würde und was machbar wäre. “Unter folgenden Bedingungen bin ich einverstanden“, begann er schließlich, als koste es ihn wirkliche Überwindung und wäre nur einem persönlichen Gefallen an sie geschuldet, dass er es überhaupt machen könne. “Du wirst sicher verstehen, dass ich den Trainingsablauf nicht für einzelne unterbrechen kann. An den Tagen, an denen er hier ist, hat er sich direkt zur hora secunda hier einzufinden für das Morgentraining und zur hora octa für das nachmittägliche Training. Und er wird ebenso wie jeder andere ebenfalls behandelt, während er hier ist und hat bis zum Ende des Trainings zu bleiben, ohne Ausnahme.“ Und die gesamte Körpersprache des Iuventiers machte grundsätzlich deutlich, das die in keinem Fall verhandelbar war, egal was die Flavia ihm auch anbieten mochte. “Desweiteren wird es unter Umständen Anlässe geben, die seine Anwesenheit erforderlich machen. Repräsentationen des Ludus und dergleichen. Solche Termine werde ich dir aber mindestens eine Woche im Vorhinein mitteilen können, so dass du diene Planungen dementsprechend auslegst.“
    Noch ein kurzer Blick zu Shayan, dann zu der Arena. “Die flexible Gestaltung erschwert natürlich den Trainingsplan, aber um dir und deiner ehrwürdigen Gens mein Entgegenkommen zu zeigen, bin ich mit dem zuvor genannten Preis einverstanden. Allerdings ist er wöchentlich im Voraus zu bezahlen, erste Rate fällig bei Vertragsabschluss. Wenn du damit einverstanden bist, weise ich dann meinen Scriba an, die Unterlagen so fertig zu machen und zur Unterzeichnung durch dich und deinen Tutor zur Villa Flavia zu schicken.“ Immerhin waren Frauen nur bedingt geschäftsfähig, und der Iuventier war nicht verrückt genug, um wegen dem Geschäft mit einer Frau sich mit den männlichen Vertretern dieses Namens anzulegen. Er hätte gern das flavische Siegel auf diesem Vertrag. “Sofern der Medicus ihn für geeignet und der zuständige doctor ihn für brauchbar einstuft, versteht sich.“ Das musste natürlich zunächst geklärt werden. Immerhin war nicht jeder für den Kampf mit zwei Waffen geeignet, einige waren schlicht zu sehr auf ihre Schreibhand fixiert und konnten ihre zweite Hand kaum mehr als zum Heben oder Senken der Waffe benutzen.

  • Nigrina selbst war ein Mensch, der weit häufiger ein falsches Lächeln schenkte denn ein echtes. Sie verstand sich darauf, anderen etwas vorzuspielen. Allerdings hieß das nicht notwendigerweise, dass sie sah, wenn andere ihr etwas vorspielten. Sie war eine Flavia. Natürlich war man ihr gegenüber freundlich. Und natürlich meinte man es so. Sie war immerhin eine Flavia!


    Und so, als der Lanista ihr scheinbar freundlich zulächelte und ebenso freundlichem Tonfall ausführlicher darlegte, was er zuvor nicht ganz deutlich gemeint hatte, lächelte Nigrina nur hoheitsvoll zurück. „Dann habe ich dich in der Tat falsch verstanden, Iuventius. Vielleicht solltest du beim nächsten Mal von vornherein klarer formulieren.“ Dieser Vorschlag war noch nicht einmal ironisch gemeint. Wenn man ihr entgegen kam – oder wenn sie meinte dass es so war –, konnte sie, in ihren Augen wenigstens, durchaus ebenfalls freundlich sein. Als der Lanista dann weiter sprach, neigte Nigrina ihren Kopf leicht zur Seite, und nach und nach verzogen sich ihre Lippen in einem leichten Schmunzeln. „Damit kann ich leben“, stimmte sie den Einschränkungen zu. Sogar sie hatte nicht so ganz erwartet, dass ihrem Wunsch nach Flexibilität derart stattgegeben werden würde – aber der Lanista tat es. Und da Nigrina nicht einmal auf die Idee gekommen war, den Parther womöglich zwischendrin spontan herauszuholen, fiel es ihr leicht, dem zuzustimmen. Irgendwann würde wohl der Tag kommen, an dem sie sich in den Kopf setzte, den Parther in diesem Augenblick zu brauchen und zwar GENAU in diesem, und dann würde sie sich wohl ärgern, dieser Regelung zugestimmt zu haben, aber für den Moment befand sie, damit leben zu können, zumal es auch für sie logisch klang, dass der Lanista eine gewisse Planungssicherheit brauchte. „Wunderbar. Schick die Unterlagen an meinen Bruder Aulus Flavius Piso, er kümmert sich um alles weitere.“ Nigrina verzog keine Miene, als sie das sagte. Es war selbstverständlich für sie, dass es so lief, etwas anderes hatte sie gar nicht erwartet. Womöglich würde sogar ihr Vater noch rechtzeitig in Rom eintreffen, um den Vertrag selbst zu unterzeichnen, aber falls nicht, wollte Nigrina nicht unbedingt warten, bis sie den Parther hier anfangen lassen konnte, und Piso konnte das ebenso unterzeichnen, immerhin war er ihr Bruder – und ihr Vater hatte ihm die Verantwortung für sie übertragen. „Was muss denn nun noch getan werden. Kann die Untersuchung gleich stattfinden?“ Sie sah kurz hinüber zu der anderen Frau, die dort in Trauerkleidung sah, und warf ihr ein kurzes, strahlendes Lächeln zu. Nigrina fühlte sich in diesem Moment schlicht lebendig. Zum ersten Mal seit Veras Ableben hatte sie das Gefühl, der Aura des Todes entronnen zu sein – und das ironischerweise in einem Umfeld, in dem Menschen – manche zumindest – den Tod stets präsenter hatten als andere. Aber das hier war etwas völlig anderes als die Krankheit, die Vera dahingerafft hatte. Das hier war Leben! Und genau das wollte Nigrina genießen. „Hast du auch einen Gladiator? Wie wäre es mit einem kleinen Probekampf? So kann dein Doctor meinen Sklaven gleich einschätzen. Und der Medicus erhält sicherlich auch bereits ein ungefähres Bild seiner Tauglichkeit.“ Nigrinas Blick war während ihrer Worte wieder zu dem Lanista gewandert, den sie nun ansah, immer noch mit diesem Lächeln.

  • Und plötzlich wurde Axilla miteinbezogen. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, nicht offensichtlich zuzuhören, aber naja, sie hatte ja auch nicht weghören können. Sie war nur zwei Sitzreihen entfernt, und auch wenn der Lanista und die Flavia nicht laut waren, sie waren eben auch nicht gerade leise. Und es gab ja sonst nichts, bei dem man hätte zuhören können. Und so spannend waren die schwitzigen Männerkörper nach über einer Stunde auch nicht mehr. Trotzdem war Axilla überrascht, dass sie so mir nichts, dir nichts angesprochen wurde, und drehte sich mit einem verblüfften umschauen zu den beiden um.
    “Was, ich? Ja, hab ich.“
    Der Lanista sah kurz zwischen den beiden Damen hin und her und übernahm souverän die Kontrolle über die Situation. Man merkte ihm durchaus an, dass er gewohnt war, als Herr der Lage zu fungieren und alles in seine Bahnen zu lenken. Axilla vermutete, dass er dies notfalls auch mit Gewalt tun würde, auch wenn der Mann immer ruhig und überlegt erschien. “Flavia Nigrina, darf ich dir Iunia Axilla vorstellen. Sie hat vor sechs Wochen einen Thraker hier erstanden, der nun unten trainiert. Iunia, darf ich dir Flavia Nigrina vorstellen. Sie beabsichtigt, einen Dimachaerus ausbilden zu lassen.“ Natürlich wusste der Iuventier, dass Axilla zugehört hatte. Aber die Höflichkeit gebot, so zu tun, als wisse er dies nicht.


    Axilla lächelte kurz verlegen zur Begrüßung, bekam aber keine Gelegenheit, dem Vorschlag der Flavia zuzustimmen. Der Lanista fuhr gleich fort. “Dein Sklave wird erst untersucht und dann passend eingekleidet. In dieser Kleidung kann er nicht in die Arena. Und er sollte vielleicht gegen einen der doctores...“
    “Malachi kann das sicher machen. Er ist doch schon ziemlich lange in der Ausbildung und er passt sicher auf, dass dein Sklave dabei nicht verletzt wird.“
    Der Blick des Iuventiers verfinsterte sich kurz, als er so einfach unterbrochen wurde in seiner hoheitlichen Ansage. Axilla bemerkte es, setzte aber eine völlig unschuldige Miene auf. Sie legte den Kopf ganz leicht schräg – das aber mehr aus Reflex denn aus Berechnung – und sah ihn mit unschuldigst grünen Augen einfach an, während sie immer weiter redete. “Und es wär doch spannend, wenn man das dann gleich sehen könnte. So die beiden Gladiatoren da unten und ihre Besitzerinnen hier oben. Das hätte etwas aufregendes, nicht?“
    Es entwickelte sich beinahe so etwas wie ein kleines Starrduell. Nur dass Axilla nicht starrte, sondern dreinschaute wie ein Reh oder ein Hundewelpe oder etwas mit ähnlich hohem Niedlichkeitsfaktor. Sie musste sich nicht einmal anstrengen dafür, sie musste nur eben ein wenig lieber schauen wie normal schon. Und auch, wenn der Lanista keine Miene verzog, es schien doch eine gewisse Wirkung zu erzielen. Er wandte sich zu der Flavia, noch immer ganz Stoiker. “Wenn es dein Wunsch ist, könnten wir ihn uns ja im Zweikampf mit diesem Gladiator ansehen.“
    Axilla verkniff sich ein breites Grinsen und wandelte es nur in ein erfreutes Lächeln. Nun stand sie auch auf und gesellte sich zu den beiden anderen richtig hinzu. War ja doof, immer über eine Sitzreihe hinweg sich zu unterhalten.

  • „Na großartig!“ rief Nigrina aus, als die Frau bestätigte, auch einen Gladiator zu haben. Allerdings zeigte sich der Lanista nicht ganz so begeistert, das hieß, er zeigte sich überhaupt nicht begeistert. Genau genommen zeigte er gar nichts. Er stellte Nigrina und die Fremde erst einmal vor, bevor er irgendetwas zu ihrem Vorschlag sagte. Die Flavia nickte der anderen flüchtig zu – eine Iunia also, so viel merkte Nigrina sich – und sah dann wieder zu dem Lanista, der nun, wie könnte es auch anders sein, Einwände vorbrachte gegen ihren Einfall. Gut, natürlich, dass der Parther etwas anderes anziehen müsste, das sah sie noch ein, aber was sprach denn sonst gegen einen Kampf – einen gegen einen anderen Gladiator? Gegen einen Doctor war es doch langweilig, der würde nur testen wollen, wie gut er war. Mit einem der richtigen Kämpfer sah das schon anders aus. Und wenn ihr Sklave gegen den der Iunia kämpfte, hatten sie beide hier oben noch einmal mehr Unterhaltungspotential. „Davon bin ich überzeugt“, lächelte Nigrina der Iunia zu, als diese versicherte, ihr Sklave würde schon aufpassen. Dabei war ihr das in diesem Moment fast schon egal. Natürlich wollte sie nicht, dass ihr Parher bereits bei seinem ersten Kampf verstümmelt wurde oder ähnliches, aber Nigrina wollte einen Kampf sehen, wollte die Erregung spüren, die sich dabei in ihr breitmachte, und nun, wenn der Parther sich ungeschickt anstellte, dann hatte er es auch nicht anders verdient als verletzt zu werden. Und wenn nicht... noch ein Grund mehr, sich zu freuen.


    Der Lanista hingegen war nicht überzeugt, das wurde deutlich. Ganz im Gegenteil. Nigrina sah, wie sich sein Blick veränderte, kurz unwillig wurde. Zum ersten Mal übrigens, ansonsten hatte der Mann bisher – außer seinem durchaus freundlichen Lächeln – kaum eine Regung gezeigt. Die Iunia indes sah so unschuldig drein, als könne sie keiner Fliege etwas zuleide tun. Nigrina war verblüfft, wie sehr sie dabei irgendeinem kleinen, weichen, knuddeligen Tierchen ähnelte. Nicht dass Nigrina viel für Viecher übrig hatte, solange sie nicht taten was man wollte oder auf ihrem Teller lagen, aber auch sie konnte sich nicht ganz diesem „Götter ist die süß“-Effekt entziehen – und das, obwohl sie ihn selbst gelegentlich einzusetzen pflegte. Als der Lanista sich dann erneut ihr zuwandte, setzte sie eine ähnliche Miene auf. „Ich hätte nicht das Geringste dagegen. Ganz im Gegenteil, ich fände es ebenfalls aufregend!“ Jetzt lächelte auch sie und wedelte mit einer Hand in Richtung ihres Sklaven. „Dann wäre das also geklärt. Sag ihm was er zu tun hat, damit er kämpfen kann.“

  • Axilla kannte den Lanista mittlerweile gut genug, um zu bemerken, dass ihm der Vorschlag nach wie vor nicht behagte. Sie machte es an seinen Augen aus, die irgendwie noch abweisender als sonst wirkten. Aber immerhin hatte er zugestimmt, und sie empfand das ja nicht als schlimm. Sie wollte ja nur der Flavia einen Gefallen tun, und ob nun Malachi mit dem Parther trainierte oder der doctor auf ihn eindrosch, um ihn zu testen, sollte ja nun nicht so sehr den Unterschied machen. Malachi war vielleicht nicht der palus primus, aber er hatte ja auch Erfahrung. Und Axilla mochte ihren Sklaven gern, womit er für sie ohnehin über Kritik erhaben war. Naja, zumindest über die meiste.
    Aber der Iuventier blieb dennoch ganz ruhig und winkte nur den hektischen, kleinen Beamten herbei, der eben noch versucht hatte, die Flavia aufzuhalten, und flüsterte ihm kurz etwas zu. Dieser besah sich den Parther, der ihn um gut einen Kopf überragte und nur “Komm mit“ zu ihm meinte.
    Der Iuventier hingegen, nun von zwei Damen umgeben, gab sich als großzügiger Gastgeber. Der Sklave wird zum Medicus gebracht und untersucht werden, ehe er die Rüstung und die Waffe erhält. Durch dieses Tor dort“ Er deutete auf einen kleinen, dunklen Eingang in der Arena, “wird er dann eintreten. Darf ich den Damen solange etwas zu trinken anbieten?“


    Axilla steckten ihre letzten Weinerfahrungen noch immer in den Knochen. Entweder landete sie dann immer im Bett mit irgendwelchen fremden Kerlen oder aber küsste andere Frauen und brachte damit Kerle zum johlen. Daher lächelte sie nur etwas ertappt. “Wasser, außer du hast zufällig auch einen Saft da. Sehr nett von dir, Iuventius.“
    Der Iuventier wartete noch auf Nigrinas Antwort und gab dann einem am Rundgang stehenden Diener einen kleinen, unscheinbaren Wink.

  • Die Unterhaltung, die er weiter mitverfolgen konnte, trug nichts dazu bei, dass Shayan sich wesentlich wohler gefühlt hätte in seiner Haut. Er hatte kein Problem damit zu kämpfen, er hatte auch kein Problem damit, nun womöglich zu lernen, besser mit dem Schwert umzugehen. Aber er bekam den Eindruck, dass die Flavia seine Fähigkeiten besser dastehen ließ, als sie waren. Wenn er alles richtig verstand, dann schürte sie zumindest den Eindruck, er wäre besser als er tatsächlich war. Aber sie hatte seine Einwände auch schon nicht hören wollen, als er zum ersten Mal davon erfahren hatte, dass er Gladiator werden sollte, was nebenbei bemerkt erst heute morgen gewesen war. Sie hatte... ihn einfach übergangen. Eine wedelnde Handbewegung gemacht und ignoriert. Und auch jetzt ergab sich zu keinem Zeitpunkt eine Gelegenheit, bei der er seine Meinung, seine Einschätzung hätte äußern können. Der Lanista schien sich für ihn ebenso wenig zu interessieren wie die Flavia. Wäre dies zu seiner Anfangszeit als Sklave passiert, Shayan hätte womöglich einfach etwas gesagt. Aber inzwischen war er an den Punkt gekommen, an dem er auch solche Dinge einfach geschehen ließ. Zumal es ohnehin kaum etwas ändern würde, befürchtete er. Die Flavia hatte ihren Entschluss gefasst, und so wie sie wirkte, würde sie ihn auch umsetzen. Ob er dabei auf der Strecke blieb, war gleichgültig. Vielleicht tat er ihr damit Unrecht, aber das war der Eindruck, der bei ihm entstand, und er glaubte nicht so recht daran, dass er damit falsch lag. Er war ein Sklave. Und die Flavia schien zu denen ihres Volkes zu gehören, für die Sklaven tatsächlich nicht mehr waren als simpler Besitz, der je nach Fähigkeiten irgendwo zwischen einfachsten Möbelstücken und wertvollen Rennpferden rangierte.


    Die Verhandlungen darüber, wie viel es kostete ihn zu trainieren, verfolgte Shayan nur mit halbem Ohr, und verstand infolgedessen nicht wirklich etwas. Sein Latein war zwar inzwischen ganz passabel, abgesehen von seinem Akzent, aber er musste sich nach wie vor doch deutlich konzentrieren, wollte er Gesprächen folgen. Stattdessen musterte er die Trainierenden unten in der Arena, bei denen er offenbar auch bald stehen würde. Immerhin, er konnte sich im Grunde glücklich schätzen, dass sich seine Herrin ausgerechnet diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte. Er würde trainieren können. Er würde etwas tun können, was er mochte, was ihm lag, sinnierte er. Er hätte auch zu ganz anderen Arbeiten verdonnert werden können. Shayan sah erst auf, als sich plötzlich die andere Frau einschaltete, die bereits hier gewesen war. Sein Blick glitt kurz über sie – und erst dann realisierte er, was sie da gesagt hatte. Ein Kampf? Mit einem leichten Stirnrunzeln sah er zu seiner Herrin, dann zum Lanista – und dann zu dem Angestellten, der ihn aufforderte, ihm zu folgen. Einen winzigen Moment blieb er, wo er war, und fragte sich, was er da gerade verpasst hatte, bevor er sich in Bewegung setzte und dem Mann folgte. „Entschuldige – was passiert jetzt?“ Der Mann musterte ihn kurz von der Seite. „Hast du nicht zugehört? Du kommst zum Medicus, der dich untersuchen wird, und danach zeigst du erst mal in einem Kampf, was du kannst.“ Shayan runzelte erneut leicht die Stirn. „Was ich kann“, wiederholte er. „Was ist, wenn das nicht viel ist?“ Jetzt schien der Mann für einen Moment überrascht – bevor er anfing zu lachen. Der Ton hatte irgendwie eine dreckige Note. „Dann wünsch ich dir jetzt schon mal viel Spaß.“ Danach ging es, erneut schweigend, weiter, bis sie zum Medicus kamen. „Arbeit für dich. Du sollst prüfen, ob er tauglich ist. Ich hol schon mal was er danach braucht.“ Shayan trat vor und ließ sich nun untersuchen, tat wie vom Medicus geheißen. Schweigend. Als tauglich würde er sich wohl erweisen, daran hatte er wenig Zweifel. Was seine Kampffertigkeiten hingegen anging, war er beim Arzt wohl an der falschen Adresse, seine Einschätzung kundzutun. Die Reaktion des anderen Mannes war recht eindeutig gewesen.


    Wie von ihm erwartet, fiel die Untersuchung entsprechend aus, und nur kurze Zeit später fand Shayan sich in der Arena wieder, wo er zu einem der Kämpfer gebracht wurde. Er trug eine leichte Rüstung und hatte zwei Schwerter in den Händen. Nicht nur eins, sondern zwei. Shayan sehnte sich nach seinem Bogen. Andererseits: hätte er in der anderen Hand einen Schild, würde das wohl auch keinen allzu großen Unterschied machen, immerhin konnte er mit dem noch weniger umgehen. Und ein Schild wäre zwar etwas, was ihn mehr schützen könnte, allerdings würde er ihn auch mehr behindern, und Shayan war es gewohnt, Bewegungsfreiheit zu haben. Und davon abgesehen: all diese Grübeleien führten zu nichts. Es war nicht so, als ob er die Wahl hatte. Und so neigte er leicht seinen Kopf zum Gruß gegenüber dem Gladiator, mit dem er nun offenbar gleich kämpfen sollte.

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