Theatrum Marcelli | Ludi Apollinares


  • LVDI APOLLINARES


    Nachdem man die sibyllinischen Bücher im Krieg gegen Hannibal befragt hatte, wurden die Ludi Apollinares eingeführt. Zu Ehren Apolls wurden Wagenrennen und Wettkämpfe organisiert, jedoch keine Gladiatorenkämpfe.
    Desweiteren fanden Theateraufführungen statt....



    HEUTE:


    Sophokles
    Antigone


    Sim-Off:


    Wer hier mitschreiben möchte, ist herzlich dazu eingeladen, jedoch ist mein Erzählstrang bereits reserviert! ;)

  • Ich hatte schon immer einen Hang fürs Theater. Besonders die griechischen Dramen hatten es mir angetan. Für eine kurze Zeit konnte man der Realität entfliehen, konnte seinen Geist frei machen, von dem, was die Gedanken belasteten. Am schönsten war ein solcher Theaterbesuch, wenn man ihn nicht allein tätigte, sondern in Begleitung war. In Begleitung einer Freundin oder einer Verwandten, oder in einer Person, die beides war.
    Die junge Flavia, mit der ich mich verabredet hatte, kannte ich eigentlich noch gar nicht richtig. Ich wußte, sie war die Schwester von Aulus Piso. Auch wenn ihr Bruder nicht unbedingt mein Liebling war, so war ich ihr gegenüber vollkommen uneingenommen. Nigrina war in einem Alter, in dem man sich nach einem Ehemann umschaute. Daß sie das zweiffellos nicht selbst, oder zumindest alleine tat, stand außer Frage. Die gens Aurelia hielt noch einige junge Männer parat, die durchaus angemessen für eine Flavia waren. Eine weitere Verbindung und die daraus erwachsende Festigung der familiären Beziehungen lag daher im Bereich des Möglichen.
    Die Ludi Apollinares hatte ich zum Anlaß genommen, um Nigrina näher kennen zu lernen. Für Wagenrennen hatte ich kein großes Interesse, doch glücklicherweise wurden anläßlich zu den Ludi auch einige Theateraufführungen zu Ehren Apolls gegeben.
    Gemeinsam hatten wir uns in einer aurelischen Sänfte zum Theatrum Marcelli tragen lassen. Bereits im Voraus hatte ich für uns zwei Plätze reservieren lassen, von denen man einen guten Blick auf das Geschehen auf der Bühne hatte. Und nicht nur das! Ebenso war es möglich, von dort aus auch die anderen Theaterbesucher zu beobachten. So versicherte es mir jedenfalls der Sklave, den ich beauftragt hatte.
    Recht vergnügt und voller Vorfreudehatten wir das Theater betreten. Ein Platzanweiser führte uns und die Sklaven, die uns begleiteten zu unseren Plätzen. Und tatsächlich, der Sklave hatte nicht zu viel versprochen!
    "So, da wären wir!", meinte ich lächelnd zu Nigrina, nachdem ich Platz genommen hatte. Es gab nun viele Möglichkeiten, sich die Zeit bis zum Beginn der Aufführung zu vertreiben. Gewisslich war eine davon, Konversation zu treiben. Gesteigert werden konnte die allerdings noch, wenn man seine Blicke zu den anderen Theaterbesuchern schweifen ließ und dann Konversation betrieb.
    "Schau nur, Nigrina! Da drüben sitzt diese aufgeplusterte Virginia Postumia!" Unauffällig wies ich auf eine Frau, die zwei Reihen unter uns zur Rechten saß. "Meine Güte, ihr Dekolleté platzt ja gleich!" Fürwahr, ihr voluminöser Körper war in eine viel zu enge Tunika gezwängt worden. "Ihr Gatte ist einer der reichsten Männer Roms und sie trägt seinen Reichtum auf ihren Hüften!", meinte ich süffisant zu meiner Begleitung.

  • Potitus hatte die gewöhnliche Arbeit für heute gelangweilt. Also hatte er beschlossen, wieder einmal ein wenig "auf Kultur" zu machen. Nicht etwa, weil er ein großer Sophokles-Fan war, sondern vielmehr, weil das immer die Möglichkeit bot, die ein oder andere Schönheit Roms ungestört zu begutachten.


    Gerade hatte er sich zu den Plätzen der reichen und mächtigen begeben, als er auch schon eine Senatorengattin erspähte, die genau seinen Vorstellungen entsprach: Viel Haut, viel Dekolleté! Wahrscheinlich hätte Cato Censorius nicht nur ihren Mann, sondern auch alle, die sie auch nur flüchtig kannten, aus dem Senat ausgeschlossen, aber Salinator genoss solche Augenblicke (auch wenn sie ihm fast ein bisschen zu stämmig war). Als er dann weiterblickte, entdeckte er noch zwei Schönheiten, hinter denen er Platz nahm. Scheinbar lästerten sie gerade und zwar direkt über die Dame, die er gerade noch begutachtet hatte. Er lachte laut los. "HAHAHAHAHA!! Vielleicht hat ihr Mann ein bisschen viel davon, was?" Er beugte sich zwischen die beiden und sah Zustimmung heischend von einer zur anderen.

  • Zwei Theaterstücke innerhalb kürzester Zeit. Nigrina fand das hervorragend. Zum einen liebte sie das Theater – nun, nicht so sehr wie Gladiatorenkämpfe, das ganz sicher nicht, aber doch in aller Regel mehr als Wagenrennen –, zum anderen gab es kaum etwas besseres als Veranstaltungen wie diese, um sich Stück für Stück in der Gesellschaft zu zeigen. Und Leute kennen zu lernen, vorzugsweise die richtigen. Diesmal war Nigrina mit einer Verwandten unterwegs, genauer gesagt jener ominösen Verwandten, die bei einer anderen Familie aufgewachsen war, nicht bei den Flaviern, das arme Geschöpf. Aber flavisches Blut war nun einmal flavisches Blut, das ließ sich nicht leugnen. Und bereits die ersten, oberflächlichen Gespräche mit Celerina hatten ihr gezeigt, dass Celerina eine Flavia war.


    Durchaus vergnügt und vorfreudig auf die kommenden Stunden mit Celerina folgte Nigrina ihr bis zu den Plätzen, die ihre Verwandte hatte reservieren lassen. Und kaum hatten sie sich gesetzt, begann Celerina, die anderen Besucher zu beobachten und ihr von ihnen zu erzählen – ganz ohne dass sie eine Frage hätte stellen müssen. Besser könnte es gar nicht laufen, fand sie. Es war etwas mühselig, seinen Gesprächspartnern Informationen aus der Nase ziehen zu müssen, aber es gab nichts besseres, als über die Menschen um sie herum Bescheid zu wissen. Celerina hatte ihr gegenüber einen großen Wissensvorsprung, was auch nicht allzu schwer war, war sie doch noch nicht allzu lange in Rom – aber sie schien ihr Wissen bereitwillig teilen zu wollen. Und Nigrina fand das äußerst zuvorkommend von ihrer Verwandten. Während sie noch darüber nachgrübelte, musste sie sich zugleich ein Grinsen verbeißen, als sie hörte, was Celerina zu erzählen hatte. „Es hat tatsächlich den Anschein, als wüsste sie nicht, wofür sie sein Geld sonst ausgeben könnte“, kommentierte sie mit einem nur angedeuteten Grinsen, aber bevor sie fragen konnte, wer denn dieser reiche Mann war, und ob er möglicherweise nicht nur reich, sondern auch politisch einflussreich war, als plötzlich direkt hinter ihnen jemand anfing, laut zu lachen. Nigrina wandte ihren Kopf ein wenig und erblickte einen Mann, der sich in diesem Augenblick ein wenig vorbeugte. Keiner von der hübschen Sorte, fand sie, aber nun, bei Männern konnten Ansprüche durchaus verschiedener Natur sein, je nachdem worauf frau gerade Wert legte. „Oh, zu viel Geld kann ein Mann nicht haben. Aber ihr scheint es an Fantasie zu mangeln, um andere Möglichkeiten des Ausgebens zu finden“, antwortete sie, teils ein wenig spöttisch, teils durchaus im Ernst.

  • Potitus grinste das schlagfertige Mädchen an. Er mochte solche Frauen! "Ach, ob der Diamant jetzt rot oder blau ist, ist doch wirklich egal! Oder sag bloß, du würdest das Geld deines Mannes in Landbesitz oder Schiffsflotten investieren!" Natürlich war sich Salinator sicher, dass Frauen keine Ahnung von vernünftigem Wirtschaften hatten, weshalb seine Aussage so ironisch war, dass er fast selbst darüber lachen musste.

  • Gerade noch nickte ich Nigrina zustimmend zu, ich hatte auch schon eine passende Antwort parat, als ich durch ein lautes und äußerst vulgär anmutendes Gelächter hinter uns abgelenkt wurde. Wurde unsere Unterhaltung etwa belauscht? Nun ja, das wäre auch kein großes Kunststück gewesen, saßen wir doch schließlich inmitten eines sich füllenden Theaters. Und alleine nur weil wir auf einigen der teureren Plätze saßen, waren wir wohl nicht vor ordinären Störungen gefeit. Bevor ich mich zu dem "lustigen" Gesellen hinter uns umdrehte, zog sich mein Augenlied charakteristisch nach oben.
    Was ich nun hinter mir erblicken mußte, hätte mich keinesfalls in Erstaunen versetzt. Ein glatzköpfiger, massiger und ebenso häßlicher wie niveauloser Möchtegern, wie mir schien. Ich hatte zwar keine Ahnung, um welches Individuum es sich bei ihm handelte und um bei der Wahrheit zu bleiben, verspürte ich auch nicht das Verlangen, ihn näher kennen zu lernen. Nigrina aber, Opfer ihres jugendlichen Leichtsinns, erwiderte sogleich etwas auf seinen Einwurf. So konnte ich mich dem nicht länger entziehen.
    "Gut gesagt, meine liebe Nigrina! Man kann nie genug davon haben - in unseren Kreisen. Jedoch wenn der Reichtum zu plötzlich kommt, weiß man nicht so recht etwas sinnvolles damit anzufangen." Natürlich zielte ich mit dieser Antwort auf die plebejische Herkunft der Virginia ab. Einfach schrecklich, dieser neureiche Mob!
    Unser unbekannte Freund hatte es sich in den Kopf gesetzt, die restliche Zeit, bis endlich das Theaterstück begann, uns mit seinen Einlagen zu unterhalten. Nun ja, ob wir uns nun solange langweilten, oder eine amüsante Unterhaltung mit dem Kerl führten, was machte das schon!
    "Ob rot oder blau ist eine eminent wichtige Frage! Besonders wenn man an der Seite seines Ehemannes in der Öffentlichkeit erscheint," meinte ich, während ich Nigrina einen bedeutungsschwangeren Blick zuwarf.

  • In Nigrinas Augen glitzerte es spöttisch, als sie Celerinas Bestätigung ihrer Worte hörte – und die Erweiterung, die sie anfügte. Natürlich wusste sie, worauf die andere Flavia abzielte, und – natürlich – gab sie ihr Recht. Geld mochten manche innerhalb kürzester Zeit anhäufen, sei es nun aufgrund von glücklichen Zufällen oder zwielichtigen Kontakten, aber Geschmack und Stil konnte man sich eben nicht kaufen, egal wie schnell man reich wurde.


    Der Mann hinter ihnen jedoch schienen die Kommentare nicht abzuschrecken, vielmehr gewillt zu sein, sie weiter in ein Gespräch zu verwickeln, und Nigrina hatte nichts dagegen. Sie genoss es durchaus gelegentlich, wenn ihr jemand Kontra gab. „Ja, die Auswahl der Farbe will wohlüberlegt sein. Bei ihr allerdings wäre es schon ein Fortschritt, würde sie das Geld ihres Mannes überhaupt in Diamanten investieren, und nicht in Hüftgold.“ Sie erwiderte zunächst Celerinas Blick und schmunzelte ihr kurz zu, dann sah sie zu dem Mann, während nun ein feines Lächeln ihre Mundwinkel umspielte. „Ich würde sagen, auch Landbesitz und Schiffsflotten haben etwas für sich. Wobei ich eher zu Landbesitz tendiere, muss ich gestehen. Die Möglichkeiten, was darauf gebaut werden könnte, sind zahllos.“

  • Potitus rümpfte ein wenig die Nase. Die eine schien ein bisschen arrogant zu sein. Zwar konnte er nicht sehen, ob sie Lunulae an ihren Sandalen trug, aber er war sich sicher, dass das nur eine Patrizierin oder zumindest ein arrogantes Senatorentöchterchen war. Da war ihm die andere schon weitaus sympathischer! "Jaja, Hauptsache Geld verprassen!" Er blickte zu Celerina. "Gegen sich für seinen Mann hübsch machen, habe ich natürlich nichts! Ich liebe schöne Frauen!" Er grinste sie mit einem leicht obszönen Blick an. Wie sie wohl ohne all die Hübschmacher aussah, die sie verdeckten?

  • Die junge Nigrina, sie imponierte mir! Eine hübsche intelligente junge Frau! Es war mir eine Freude, ihr zuzuhören, wie sie diesem Möchtegern Kontra gab.
    "Dem kann ich dir nur beipflichten, liebste Nigrina! Ein schönes Fleckchen Erde und eine noch schönere Villa darauf gestellt, hat etwas. Und unsere Familie hat ein Gespür für schöne Fleckchen." Wenn ich da an Ostia oder Baiae dachte, ging mir das Herz auf. Leider hatte ich bislang Nigrinas alter Heimat Ravenna noch keinen Besuch abgestattet. Aber was nicht war, konnte noch werden.
    Unserem Gegenüber schien es nicht zu schmecken, was er von uns zu hören bekam. Und dann sah er mich auch noch auf diese Weise an, als er vom Geld verprassen sprach! Was glaubte der eigentlich? Zugegebenermaßen machte es mir viel Freude, Geld für schöne Dinge auszugeben, Schmuck, Kleider, Kosmetik, Bücher und exotische Sklaven. Aber weshalb tat man das eigentlich?
    "Was hat man davon, wenn man zu Hause sein Geld hortet, bis man alt und grau ist? Carpe diem sage ich nur! Nutze den Tag, gestalte ihn dir so angenehm, wie möglich. Schicke dein Geld auf die Reise, damit es wieder zu dem zurückkommt, dem es gehört!", meinte ich mit einem leichten Schultern zucken.
    "Im Übrigen gehört das auch dazu, sich für einen Mann schön zu machen. Und ich liebe Männer, die mir etwas bieten können," antwortete ich mit einem gewissen lockenden Blick, völlig außer Acht lassend, daß meine liebe Verwandte neben mir saß, die dazu noch unverheiratet war. Natürlich war es nicht meine Absicht, mich mit diesem Parvenü einzulassen, doch ich liebte es zu spielen. Und dies war ein netter Zeitvertreib.

  • Potitus grinste. "Carpe Diem, das ist mal eine Philosophie, die mir gefällt. Nicht immer nur diese trockenen Stokier." Mit Grauen erinnerte er sich an den Schulunterricht zur Philosophie, den er schnellstens wieder vergessen hatte! Als Celerina dann auf ihren favorisierten Männertyp zu sprechen kam, meinte er nur "Also ich kann so einiges bieten..." Er zwinkerte der Dame zu.

  • Nigrina zog ganz leicht eine Augenbraue hoch, als der Kerl die Nase rümpfte und sich mit seinen nächsten Worten eher an ihre Verwandte zu richten schien. „Ja“ erwiderte Nigrina, ebenfalls an Celerina gewandt, mit einem leichten Lächeln. „Es geht doch nichts über ausreichend Landbesitz, zumal wenn man eine gewisse Abwechslung vorzieht.“ Nun schenkte sie auch dem Mann wieder ein Lächeln, diesmal eines von der Sorte, das ein wenig mehr Arroganz zeigte, während Celerina ganz richtig darlegte, dass Geld nicht das Geringste brachte, wenn man es nicht ausgab. Bevor Nigrina allerdings etwas hinzufügen konnte, sprach die andere Flavia schon weiter. Und nun war ihre Augenbraue abermals versucht, nach oben zu zucken – aber diesmal beherrschte Nigrina sich. Diese Worte, dazu dieser Blick… Flirtete Celerina etwa? Ihre mit einem Senator verheiratete Verwandte? Nun, das war interessant. Äußerst interessant. Nigrina lehnte sich zurück und lächelte zunächst verhalten, dann süß, unschuldig. Sie verstand es hervorragend, unschuldig zu wirken. „Wenn Carpe Diem dir gefällt, dann sind wir uns ja einig, dass Geld dazu da ist, ausgegeben zu werden. Was hättest du denn zu bieten?“

  • Ein Grinsen meinerseits blieb nicht aus! Hört, hört, dachte ich nur. Dieser Fremde sah nun in der Tat nicht aus, als lebe er in Armut und Bescheidenheit. Dafür waren seine Körperumfänge einfach viel zu enorm. Dabei konnte er sicher mit sich selbst zufrieden sein. Wahrscheinlich aus dem Nichts kommend, hatte er sich über die Jahre hochgearbeitet. Braver Mann! Vielleicht hatte er aber einfach nur die richtigen Freunde gehabt. Nun, im Grunde war mir das gleich. Ich wußte nur, solche Leute konnten einer altehrwürdigen Familie, wie der unseren bei Weitem nicht das Wasser reichen.
    Nigrina war mir mit ihrer Frage etwas zuvor gekommen, doch mich interessierte auch brennend, was ein solcher Mann einer Frau wie mir denn noch bieten konnte. Gutes Aussehen und ein wohlgestalteter Körper eher nicht. Also was dann?
    "Ja, da würde mich auch interessieren? Was könntest du uns bieten?"

  • Potitus grinste. Das Gespräch bewegte sich in eine Richtung, die ihm ausgezeichnet gefiel, zumindest wenn er die Nachfragen der beiden Frauen richtig interpretierte! "Ich bin der Stellvertreter des Kaisers, Mädels! Ich kann euch alles bieten, was ein Sterblicher bieten kann!" Er beugte sich wieder etwas vor und senkte seine Stimme leicht. "Aber nur der Tod ist umsonst, und der kostet das Leben! Also stellt sich wohl die Frage, was ihr zu bieten habt." Sein Blick prüfte unterdessen bereits, was sie offensichtlich zu bieten hatte (soweit dies bei der Kleidung der beiden möglich war).

  • Offenbar fand unser neuer Freund etwas schrecklich witzig an Nigrinas und meiner Frage. Ein wahrer Spaßvogel! Oder grinste er einfach nur gerne?
    Nun ja, seine umgehende Antwort ließ keinen Zweifel daran, daß er gut Lachen hatte. Nun war es zumindest an mir, die etwas konsterniert aus der Wäsche guckte.
    "Der Praefectus Urbi…," kam es mir zögernd, doch voller Ehrfurcht über die Lippen. Ein Räuspern folgte, dann ein vorsichtiger Blick zu meiner Verwandten, die, wie ich glaubte, nun von mir erwartete, mich geschickt aus der Affaire zu ziehen.
    "Vescularius Salinator, wenn ich mich nicht irre?" Nein, ich irrte mich nicht. Erst kürzlich hatte ich über ihn gesprochen, oder sollte man besser sagen, ich hatte im Bad mit Septima über ihn hergezogen, weil er in meinen Augen ein Emporkömmling war, der keinerlei Kultiviertheit besaß. Nun saß er mir im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken. Doch in einer Sache hatte ich mich ganz sicher nicht geirrt, der Kultiviertheit! Natürlich war es mir nicht entgangen, auf welch unflätige Art und Weise er uns nun musterte, Als seien wir gewöhnliche lupae, die er nur noch aussuchen mußte. Und auch seine anzüglichen Avancen waren einfach unmöglich!
    Glücklicherweise wandelte ich nicht zu sehr offenherzig durch die Welt. Wie es sich gehörte, war ich ordentlich gekleidet. Eine Sommertunika, deren Stoff leicht auf der Haut lag, aber nicht allzu viel zur Schau stellte, aber dennoch manche Stellen besonders betonte. Doch eine leichte Stola erlaubte es mir, auch diese Stellen bei Bedarf abzudecken.
    "Was wir zu bieten haben? Aber aber! Ich bin eine verheiratete Frau und meine liebe Verwandte hier wird es auch bald sein. Nicht wahr, liebste Nigrina?", antwortete ich kokett. Wahrscheinlich hörte das Nigrina heute selbst zum ersten Mal, schließlich war sie ja noch nicht einmal verlobt.

  • Der Stellvertreter des Kaisers also. Nigrinas linke Augenbraue wölbte sich ein winziges bisschen. Sieh mal einer an, dachte sie. Über den Vescularius hatte sie inzwischen bereits das ein oder andere gehört. Vor allem anderen natürlich wusste sie, wie... nun ja... stinkig ihr Bruder auf den Mann war. Ebenso wusste sie, wie mächtig der Kerl sein musste, aufgrund seiner Position, aber vielmehr noch aufgrund seiner Nähe zum Kaiser. Man konnte quasi nicht über den Praefectus Urbi sprechen, ohne auch davon zu hören, kombiniert mit allerlei Mutmaßungen und Gerüchten. Und: er war Plebejer, noch dazu einer von der Sorte, die keine allzu mächtige Familie im Hintergrund mit entsprechender Geschichte hatten, sondern einer, der sich hochgearbeitet hatte. Oder, mit Nigrinas Augen betrachtet: der sich... hochgeschleimt hatte. Eingeschmuggelt. Irgendwie. Trotz dieser Gedanken und ihrer Einstellung war Nigrina aber zugleich völlig klar, dass dieser Mann schlicht und ergreifend zu mächtig war, um ihm das allzu offensichtlich auf die Nase zu binden, was sie dachte. Ganz im Gegenteil. Wann lernte man denn schon einfach so den Praefectus Urbi kennen? Und wer wusste schon, welche Vorteile sie irgendwann mal aus dieser Bekanntschaft würde ziehen können? Sich diese Chance zu bewahren wiederum setzte allerdings voraus, dass sie ihn jetzt nicht vor den Kopf stieß. Mächtig wie dieser Mann war, konnte Nigrina großzügig über seine mangelhafte Abstammung – oder sein anzügliches Benehmen – hinweg sehen. Solange er diese Macht noch besaß, hieß das.


    Ihr Lächeln bekam eine gebührend beeindruckte Note, während Celerina seinen Titel aussprach und dann auf seine Frage antwortete. Nigrina indes nickte leicht. „In der Tat. Was ich zu bieten habe, ist bereits einem Mann vorbehalten.“ Nigrina wusste sehr wohl um die Doppeldeutigkeit ihrer Worte. Dennoch wurden sie begleitet von einem weiteren unschuldigen Lächeln, als wäre sie sich gar nicht bewusst darüber, wovon sie eigentlich sprach. Mal sehen, wie der Vescularier darauf reagierte. Und Celerina.

  • Potitus zog ein langes Gesicht. Zwar freute es ihn doch, wie beeindruckt sie waren, andererseits war es etwas enttäuschend, dass man ihn nicht sofort erkannte. Und noch viel mehr, wie prüde die beiden waren! "Es ist ja nicht so, dass ich es jemand anderem nicht auch gönne! Ich wette, ihr habt genug für zwei zu bieten!" Er schielte wieder an ihnen hinunter.

  • Genau das war einer jener Augenblicke, in denen wieder all meine Vorurteile gegenüber Plebejern im Allgemeinen und Salinator im Speziellen bestätigt wurde. Was glaubte er, wen er vor sich hatte? Zwei halbseidene Borsteinschwalben, die nur darauf aus waren, sich an reiche, oder besser gesagt an neureiche Kerle wie den Praefectus Urbi zu hängen, um mit ihm die nächste Nacht klarzumachen? Und dann dies anzüglichen Blicke!
    Doch was geschah, wenn man es sich mit genau diesem Praefectus Urbi verscherzte? Er war der Stellvertreter des Kaisers und wie man so hörte, machte er auch eifrig Gebrauch von seiner Macht, die ihm der Kaiser verliehen hatte.
    Also gab es nun zwei Möglichkeiten, um seine Würde als Patrizierin zu behalten. Wenn ich mich nun gänzlich entrüstet zeigte, Salinator sogar einen Wüstling nannte, dann war zwar meine Eitelkeit gestillt doch konnte ich auch davon ausgehen, daß meine Familie oder die meines Gemahls darunter zu leiden hatte.
    Die andere Möglichkeit war, ihn geschickt um den Finger zu wickeln, so daß er am Ende den kürzeren zog und man erhobenen Hauptes das Schlachtfeld verlassen konnte. Die letzte der bediden Möglichkeiten barg lauter Gefahren und es gab keine Garantie für ein erfolgreiches Ende. Aber einen Versuch war es dennoch wert.
    So lächelte ich nur überhörte die Anzüglichkeiten in seinen Worten.
    "Diese Wette würdest du in jedem Fall gewinnen, mein Lieber. Und wenn ich nicht die wäre, die ich bin, wäre es mir geradezu ein Vergnügen, dir dies zu beweisen."

  • Genug für zwei zu bieten... Nigrina gestattete sich für einen Moment, diesen Gedanken nachzuverfolgen. Zwei. Nun, solange sie im Mittelpunkt stand... aber vielleicht sollte sie es doch erst mal nur mit einem Kerl ausprobieren, bevor sie an irgendwelche anderen Experimente dachte. Es reichte ihr offen gestanden, nur auf Sklavinnen – oder dumme Puten alias Gespielinnen ihres Vaters – angewiesen zu sein, wenn sie jemanden wollte der ihr Lust verschaffte. Wobei, hier in Rom tatsächlich nur Sklavinnen, kannte sie sich hier doch nicht gut genug aus, um gefahrlos eine Römerin dazu zu bringen, ihr zu Willen zu sein.


    Was ihre Verwandte dachte, war in diesem Moment allerdings schwer zu erkennen. Celerina lächelte nur, und nur ihre Worte gaben ebenso wenig Aufschluss darüber, was sie nun insgeheim von dem Praefectus Urbi hielt. Für Nigirna indes war die Sache klar. Es war der Praefectus Urbi. Er hatte Macht. So einfach war das. Worauf er allerdings aus zu sein schien, konnte sie ihm nicht geben, schon gar nicht vor der Hochzeit. Danach... Nigrina malte sich für einen winzigen Moment aus, welche Vorteile es bot – für sie und ihren Zukünftigen –, wenn der Praefectus Urbi ihr aus der Hand fraß. Aber dazu müsste sie ihn erst einmal bekommen, und Nigrina war nicht so naiv zu denken, dass ein Mann in dieser Position ein Dummkopf war. „Warum also eine Wette eingehen, von der man weiß, dass man sie verlieren würde“, antwortete Nigrina auf Celerinas Worte und schob den unangenehmen Gedanken an ihren letzten Ausflug in die Wettwelt davon. Jede, aber auch JEDE Wette hatte sie verloren! Keiner dieser kleinen idiotischen Gladiatoren, auf die sie gesetzt hatte, hatte gewonnen! Sie könnte sich jetzt noch darüber aufregen, aber das hier war eindeutig nicht die richtige Zeit dafür – oder besser, nicht die richtige Gesellschaft. „Da dieser Beweis nicht geführt werden kann – erzähl uns doch von dir. Als Praefectus Urbi kannst du dich doch sicher nicht an mangelnder weiblicher Aufmerksamkeit beklagen. Wie kommt es, dass du sie ausgerechnet uns schenkst?“ Natürlich wusste Nigrina warum. Weil sie einfach TOLL waren! Sie selbst natürlich vor allem, aber Celerina auch, als Flavia schon per se. Aber es kam nicht so gut an, wenn man diese Meinung so offensiv vertrat.

  • Potitus grinste erneut (wieder einmal), aber eher, um seine Enttäuschung zu verbergen: Die beiden zierten sich scheinbar, was aber nicht bedeutete, dass sie gänzlich uninteressiert waren - wie auch, bei einem Mann wie ihm? Aber scheinbar wollten sie erst noch Komplimente! "Naja, es gibt zwar viele Frauen, aber nur wenige, die so schön sind wie ihr, müsst ihr wissen!" versuchte er daher für den Anfang.

  • "Ach ja, tatsächlich?", fragte ich und sah mich dabei demonstrativ um. Das theatrum hatte sich mittlerweile schon beträchtlich gefüllt. Nahezu alles, was Rang und Namen hatte, beziehungsweise was sich dazu zählte, konnte man bei genauerem Hinsehen erspähen. Darunter befanden sich natürlich noch etliche Damen, denen es sicher an Schönheit und Eleganz nicht fehlte.
    "Nun ja, da muß ich dir wohl zustimmen," erklärte ich grinsend.
    "Und du sollst wissen, wie sehr es uns ehrt, daß Mann wie du es bist, ausgerechnet von uns Notiz genommen hat. Das zeugt von deinem guten Geschmack, würde ich meinen," Ja, ja, ein wenig schleimen konnte beim Praefectus urbi nicht schaden, auch wenn ich mich dafür hassen würde. Man hatte ja schon einiges über ihn gehört. Letztendlich besaß er die Macht, einem das Leben schwer zu machen. Ob Nigrina auch nur die leiseste Ahnung davon hatte? Sie war ja noch so jung und womöglich unerfahren

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