Ravenna | Das Anwesen des Cnaeus Flavius Aetius

  • Ein Tag wie jeder andere. Sanfte Lyraklänge schwebten durch die Luft und umschmeichelten die Ohren derer, die sie hörten. Nigrina lag auf einer Liege in der Exedra und genoss die erste laue Frühlingsluft, die ersten, wenn auch noch schwachen, Sonnenstrahlen. Der Frühling in Ravenna war schön. Sie mochte den Frühling hier. Abgesehen davon war Ravenna aber ein Provinznest. Ihr Vater mochte das. Hier war er der große Karpfen im Teich – und dieser Gedanke hatte durchaus etwas Liebevolles an sich. Nigrina war überzeugt davon, dass er es auch jederzeit in Rom hätte schaffen können, aber in Rom hätte er seine privaten Vorlieben kaum so offen ausleben können wie er es hier konnte. Und all seine Geliebten wäre er in Rom kaum so problemlos losgeworden wie hier. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Wenn man seine Prioritäten gesetzt hatte, war es nur konsequent, danach zu leben.


    Genau das hatte sie ebenfalls vor. Nur unterschieden sich ihre Prioritäten ein wenig von jenen ihres Vaters, was nur naturgemäß war, war sie doch eine Frau und stand erst am Anfang ihres gesellschaftlichen Lebens. Und was sie und ihre Zukunft betraf, waren Gnaeus und sie, wie in so vielen Dingen, einer Meinung. Rom war der einzige Ort, wo es sie nun hinführen konnte. Ein Ehemann an ihrer Seite die einzige Option, die es gab. Und die Verlobung würde der nächste Meilenstein sein auf ihrem Weg. Erst heute morgen hatte ihr Vater ihr gesagt, dass er einen geeigneten Kandidaten gefunden hatte. Einen Patrizier, selbstverständlich, alles andere hätte sie auch nicht akzeptiert, aber einen geringeren hätte auch ihr Vater niemals ausgewählt. Er hatte vor, bereits brieflich Kontakt aufzunehmen, die eigentlichen Verhandlungen jedoch – so Interesse an ihr gegeben war, aber daran hegte Nigrina offen gestanden nicht den minimalsten Zweifel – würden Verwandte führen, die in Rom ansässig waren. Sie reckte sich ein wenig auf der Liege und machte eine vage Handbewegung, hörte trappelnde Schritte, die sich ein wenig entfernten und gleich darauf wieder kamen. Langsam schlug sie ihre Augenlider auf und nahm den Becher entgegen, der ihr gereicht wurde, und nippte daran. Dann verzog sie das Gesicht und schüttete den Inhalt dem Sklaven entgegen. „Welcher Idiot war das?“ Der wusste, woher der Wind wehte. „Eine Neue, Herrin. Sie kam erst vor wenigen Tagen in den Haushalt deines Vaters.“ Nigrina schenkte ihm einen eisigen Blick. Sie nahm sehr wohl zur Kenntnis, dass er ihr keinen Namen sagte. Es spielte gar keine Rolle, ob er ihn wusste oder nicht, und es spielte auch keine Rolle, dass sie ihn in wenigen Momenten wieder vergessen haben würde – es ging ums Prinzip. Allerdings: Nigrina war heute gut gelaunt. „Dann sorg dafür, dass sie in Zukunft weiß, welches Mischverhältnis ich bevorzuge.“ Unnötig zu erwähnen, dass er mit der Neuen gemeinsam darunter zu leiden haben würde, wenn Nigrina das nächste Mal wieder einen Fruchtsaft vorgesetzt bekam, dem zu viel oder zu wenig Wasser beigemischt war. „Sehr wohl, Herrin.“ Nigrina hatte ihren Blick schon wieder abgewandt, aber dann, plötzlich, sah sie doch wieder zu dem Sklaven auf, und ihre Augenbraue wanderte, ganz in flavischer Manier, ein Stück nach oben. „Mein Saft…?“ Der Sklave sah sie einen Augenblick an, fast erschrocken, dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand, um neuen zu holen. Aus der Küche. Mit hoffentlich der richtigen Mischung. Nigrina unterdrückte indes ein Seufzen. Es waren Sklaven, ja. Was hieß, dass ihre geistigen Fähigkeiten beschränkt waren, nicht immer bei jedem gleich, aber in irgendeiner Form immer. Irgendetwas war immer, selbst bei den Klügsten unter ihnen, und wenn es nur der Fakt war, dass sie Sklaven waren. Und hier waren gerade nicht unbedingt die Klügsten anwesend, hatten sie doch nicht mehr zu tun als für Musik und Getränke zu sorgen und ihr generell jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Aber war es wirklich zu viel verlangt, dass sie gelegentlich auch mitdachten?

  • Ein neuer Tag. Nigrina hatte es sich wieder in der Exedra bequem gemacht. Mit einer Schriftrolle, die sie jedoch nicht wirklich las. Vielmehr galt ihr verborgener Augenmerk der aktuellen Gespielin ihres Vaters, die sich ebenfalls hier ausgebreitet hatte. Das Ding, wie sie es leicht spöttisch in Gedanken nannte, war nur unwesentlich älter als sie. Nigrina hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich ihren Namen zu merken. Sie kannte ihren Vater. Sie konnte in etwa abschätzen, welche wohl lange genug seine Gunst behalten würde, dass sie es wert war, sich ihren Namen zu merken – und selbst dann merkte Nigrina sie sich nicht. Schon aus Prinzip. Trotzdem war das aktuelle Ding… interessant. Aus mehreren Gründen. Vor allem aber, weil Nigrina sich diesmal sicher war, dass sie es nicht lange machen würde. Und das aus einem bestimmten Grund.


    Nigrinas rechter Fuß, bereits befreit von der Sandale, seit sie auf der Cline lag, fing an sich zu bewegen. Zuerst ganz sacht nur, strich sie mit ihrem Ballen an ihrem anderen Fuß entlang. Langsam hob sich ihr Knie dann immer mehr, so dass sich die Berührung ausweitete auf ihren bloßen Unterschenkel. Ein Glück dass ihr nicht kalt war, dafür sorgten genügend Kohlebecken, und die Frühlingssonne tat ihr Übriges. So war es durchaus beabsichtigt, dass ihre schlichte, aber dennoch elegant-modische Tunika bei jeder Bewegung ein winziges Stück weiter hinauf rutschte, bei jeder Bewegung ein winziges Stück Haut mehr preis gab. Nigrina gab vor, gänzlich in ihre Schriftrolle versunken zu sein, die Bewegung überhaupt nicht bewusst zu realisieren, sie völlig versonnen durchzuführen. Was natürlich keineswegs der Fall war. Sie hatte die Blicke bemerkt, die das Ding ihr zuwarf, wenn es glaubte keiner sähe es. Nigrina hatte keine Ahnung, warum es das tat, ob nun weil sie tatsächlich Gefallen an ihr fand, oder weil sie einfach so opportunistisch war, aber das war auch zweitrangig. Eine Rolle spielte nur, dass sie sie so ansah. Und Nigrina musste sich ein zufriedenes Grinsen verbeißen, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, wie das Ding sie nun ansah. Wie es sie beobachtete. Ihren Fuß, um genauer zu sein. Oh ja, das würde ein leichtes Spiel werden…

  • Nigrina verstand es zu spielen. Sie verstand es sogar sehr gut, zu spielen. Sie hatte viel von ihrem Vater gelernt, und sich noch mehr von ihm abgesehen. Und von seinen Gespielinnen, bei denen häufig auch solche dabei waren, die selbst zu spielen verstanden. Nigrina hatte genug gelernt, um das Spiel inzwischen nahezu perfekt zu beherrschen – perfekt, wenn man sie fragte. Bisher zumindest hatte sie niemanden getroffen, der ihr das Wasser hätte reichen können. Dass das durchaus auch an der Gesellschaft in Ravenna und ihrer – trotz aller Eskapaden ihres Vaters – behüteten Kindheit und Jugend liegen mochte, war ihr selbst nicht klar. Was die Menschen jedenfalls betraf, die sie hier umgaben: mit diesen verstand Nigrina es perfekt zu spielen. Sie bekam, was sie wollte. Und im Augenblick wollte sie das Dingelchen. Hätte man sie gefragt, Nigrina hätte nicht einmal sagen können, wieso. Es reichte, dass sie da war. Dass sie eine jener Gespielinnen ihres Vaters war, die eine… fast schon… rührende Naivität ausstrahlten. Nigrina konnte nicht wirklich den Finger darauf legen, was es war, weil es ihr so völlig fern lag, aber Naivität traf es ganz gut. Vielleicht auch Vertrauensseligkeit. Das Ding gehörte zu denen, die dachten, sie würden ihrem Vater tatsächlich etwas bedeuten. Wie es auf die Idee kam, war Nigrina schleierhaft, aber es schien so zu sein. Es glaubte, ihr Vater sei ihm verfallen, genug jedenfalls, dass es mit der Tochter zu liebäugeln begonnen hatte. Welch erfrischende Naivität.


    Und welch Gelegenheit für Nigrina. Als ihr aufgefallen war, wie ihres Vaters Gespielin sie manchmal ansah, hatte sie sich Erkundigungen eingezogen, das hieß, einziehen lassen, und es hatte nicht lange gedauert, bis ihr berichtet worden war, dass die neueste Eroberung ihres Vaters dem eigenen Geschlecht durchaus nicht abgeneigt. Was vermutlich einer der Gründe war, warum sie es überhaupt an ihres Vaters Seite geschafft hatte, vermutete Nigrina. Sie kannte ihren Vater ja. Für sie allerdings bedeutete diese Bestätigung ihres Verdachts, dass sie loslegen konnte. Es musste sich nur eine passende Plattform bieten, und die hatte sie heute geschaffen mit diesem Zusammentreffen in der Exedra. Und das Spiel konnte beginnen… Erst die Bewegungen, völlig unbewusst scheinbar. Der Fuß, der am anderen entlang strich, immer wieder, und dabei stückchenweise mehr nackte Haut entblößte. Ein leichtes Nippen an ihrem Getränk, ein stark verwässerter, fruchtiger Wein, was sicherlich den Blick auf ihre Lippen lenkte. Der Arm, der sich hob, über dem Kopf abgelegt wurde, wodurch sich ihr Oberkörper streckte. Ein leichtes Räkeln in der Sonne, genießerisch die wärmenden Strahlen empfangend, angedeutet lasziv, aber ja nicht zu viel, nie zu viel, nie so, dass es vulgär hätte wirken können. Niemals so. Dann, nach und nach, die Blicke, versteckt, scheinbar. Es war nicht schwer so zu tun, also wollte man eigentlich nicht, der andere sähe es. Der Trick war nicht, im richtigen Moment hinzusehen – der Trick war, im richtigen Moment wegzusehen. Nigrina genoss ihr Spielchen, trieb es weiter, bis sich schließlich ein erster richtiger Blickkontakt manifestierte, der erste, dem sie nicht auswich, sondern begegnete – standhielt, wie es wohl für die andere aussehen musste –, Momente lang, bevor Nigrina ihre Lider wieder senkte, scheinbar verlegen, und dabei ein verschämtes Lächeln ihre Mundwinkel umspielen ließ. Nur um einen Augenblick später wieder, unter immer noch leicht gesenkten Lidern, hervorzublinzeln – und den Blick abermals zu senken, da die andere sie immer noch ansah. Den Blick von ihr nicht abzuwenden können schien. Nigrina musste Acht geben, dass ihr Lächeln nicht triumphierend wurde, während sie zugleich bedauerte, nicht auf Kommando eine leichte, verlegene Röte auf ihre Wangen zaubern zu können. Dies zu beherrschen, ihren Körper derart zu kontrollieren, wäre wahrhaftig die Krönung gewesen.

  • Es wäre die Krönung gewesen. Aber es war nicht nötig. Nigrina spürte mehr die Bewegung als dass sie sie tatsächlich sah, als die andere plötzlich aufstand und dann zu ihr herüber kam. Nigrina wartete, wartete… und hob ihren Kopf erst dann, als sie sich tatsächlich auf ihrer Cline niederließ, neben ihren Beinen. Ihre Mundwinkel zuckten kurz, als die andere die Sklaven fortwinkte, und sie lenkte kurz ihren Blick zu den die Exedra verlassenden Körpern, sah ihnen nach. Und dann spürte sie eine sachte Berührung auf ihrem Bein. Ihrem Unterschenkel, knapp unterhalb des Knies. Dort, wo der Stoff ihrer Tunika zum Ruhen gekommen war. Ein Blick zeigte ihr, dass die Gespielin ihre Finger dorthin gelegt hatte, die Hand auf dem Stoff, die Finger jedoch am Saum ihrer Tunika, wo die Kuppen auf bloße Haut trafen. Irrte sie sich, oder spürte sie sogar eine sachte Bewegung dort? Nigrina hob ihren Blick und begegnete dem der anderen. Ihr fiel durchaus das ein oder andere ein, was sie nun hätte tun können, um das Ganze zu beschleunigen. Aber noch wollte die Maske der Unschuld gewahrt bleiben, fand sie. Vielleicht wollte sie die ganze Zeit gewahrt bleiben, so genau wusste Nigrina das nicht, das entschied sie spontan, ob und wann sie offenbarte, wer in diesem Spiel tatsächlich die Strippen zog. Noch jedenfalls ließ sie die andere in dem Glauben, dass sie, schon allein als die Ältere, aber auch als die Geliebte des Hausherrn und nicht als dessen Tochter diejenige war, die die Oberhand hatte. Wieder irrte ihr Blick kurz zu der Hand, dann wieder zu den Augen der anderen, dann bewegte sie ihren Fuß, zog ihn leicht an, so dass die Hand etwas herabrutschte an ihrem Unterschenkel, und streckte ihn dann wieder ein wenig. Dass dabei die Finger der anderen Frau nicht nur über die Haut strichen, sondern am Ende höher lagen als zuvor und irgendwie unter den Stoff geraten waren, war dabei pure Absicht gewesen – auch wenn Nigrina sich Mühe gab den Anschein zu erwecken, als sei sie erschrocken darüber. So erschrocken, dass sie innehielt. Erschrocken nicht aber über die Tatsache an sich, sondern scheinbar erschrocken über den eigenen Mut, so sehr, dass sie sich den Anschein gab nicht zu wagen, sich noch einmal zu bewegen. Und ihr Plan ging auf, denn nun bewegte sich die andere. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen, und Nigrina kannte diese Art von Lächeln zu gut, um es nicht zu erkennen – den Triumph, der sich nur mühsam verhalten darin spiegelte. Der sich in ihrem eigenen Lächeln gespiegelt hätte, hätte sie es zugelassen. Stattdessen öffnete sie ihre Lippen nur leicht und strich sich mit der Zunge darüber. „Was…“ Ein Wispern war das Wort, ein Hauch nur, kaum laut genug, um wirklich verstanden zu werden. „Sh“, machte die andere, hob eine Hand und legte einen Finger auf Nigrinas Lippen. Erneut ein Lächeln, das Lächeln der – vermeintlich – Erfahreneren, das Lächeln derjenigen, die sich siegreich wähnte. Die Bewegungen der Hand auf Nigrinas Bein wurden deutlicher. Zart strichen die Kuppen über ihre Haut und wanderten dabei Stück für Stück nach oben. Und Nigrina musste sich zurückhalten, um nicht jetzt schon den Kopf zurückzulegen, zu einladend zu wirken. Sie war die Unerfahrene. Die, die neugierig war, ja, die ausprobieren wollte und nur etwas Überredung brauchte, aber dennoch vor allem eines war: die Unschuldige. Die Rolle machte ihr im Augenblick noch zu viel Spaß, um nun schon herauszufallen, und davon abgesehen konnte es immer noch sein, dass die andere sich womöglich zurückzog, wenn sie merkte, dass Nigrina nicht ganz so schüchtern und unschuldig war wie sie dachte. Sie ließ ihren Atem etwas schneller werden, als die Finger höher wanderten und nun auf ihrem Oberschenkel waren – und blieben –, ließ ihren Blick wieder dorthin wandern, wo sich die Hand unter dem Stoff abzeichnete. Sie legte ihre eigene darauf, allerdings nicht in einem Griff, der es tatsächlich darauf anlegte, die andere zu stoppen. „Mein…“ Einen Moment hielt das Ding inne. Dann ließ es ein Lächeln auf seinen Lippen erscheinen, das wohl vertrauenerweckend sein sollte. „Er ist nicht da. Vertrau mir. Genieß einfach.“ Nigrinas Lippen öffneten sich erneut leicht, aber diesmal nicht, um etwas zu sagen. Stattdessen fuhr nur wieder ihre Zungenspitze darüber, ganz leicht. Und nun konnte die andere nicht mehr an sich halten. Sie neigte sich nach vorne und berührte Nigrinas Lippen, sacht zunächst nur, vorsichtig, stets bereit sich zurückzuziehen, schien es, aber als von Nigrina kein Widerstand kam, wurde sie fordernder, und Stück für Stück gab die Flavia nach, offenbarte mehr, ließ die andere mehr von sich kosten. Zugleich spürte sie, wie die Hand auf ihrem Oberschenkel sich weiter vortastete, sich mehr und mehr ihrem Schoß näherte, der mit zunehmender Hitze in Erwartung auf das Kommende reagierte.


    Genieß einfach.


    Genau das hatte Nigrina vor.

  • Je fordernder die Lippen der anderen wurden, je weiter ihre Hand vordrang, desto schwerer fiel es Nigrina, weiterhin die Unerfahrene zu spielen. Sie erwiderte den Kuss, und nicht zuletzt dank ihr wurde er stürmischer, zügelloser. Die Gespielin ihres Vaters war jedoch entweder selbst schon so weit, dass sie dem keine Beachtung mehr schenkte, oder es war ihr egal. Ihre Hand fand endlich ihren Bestimmungsort, und dies war der Augenblick, in dem Nigrina auch den letzten, noch vage vorhandenen Versuch über Bord warf so zu tun, als sei dies etwas neues für sie. Wer wusste es schon, vielleicht war das Ding ja blöd genug zu glauben, ihr Können allein habe die Exstase zu verantworten, die von Nigrina Stück für Stück Besitz ergriff, und nicht etwa ein Gutteil Vorstellungskraft, die die Flavia ihr eigen nennen durfte. Glaubte vielleicht, ihrem Können allein sei es zu verdanken, dass Nigrina sich dieser Exstase ergab, die ihren Körper ergriff – oder dass sie nun selbst die Initiative ergriff. Während sie den Kuss unterbrach und ihren Kopf leicht zur Seite drehte, so dass die Gespielin sich ihrem Hals und, nachdem die Fibeln an der Tunika gelöst waren, ihrer Brust widmen konnte, griff Nigrina mit ihrer linken Hand in die Haare der anderen. Ihre andere legte sich auf die Hand der Gespielin und verstärkte den Druck, ließ das Spiel der Finger fordernder werden, fester, drängender. Ein Stöhnen drang über ihre Lippen, während sie die Berührungen genoss, dann, nach und nach, drückte sie den Kopf der anderen hinab, immer weiter hinab, bis sich zu den Händen schließlich Lippen und Zunge gesellten. Nigrinas Körper war schon lang nicht mehr ruhig. Sie wand sich unter den Berührungen der anderen, die durchaus etwas verstand von dem, was sie da tat, erzitterte im Lustrausch und bog ihren Rücken durch, während ihr Kopf sich in den Nacken legte und Gesicht und Oberkörper von der Frühlingssonne beschienen wurden, ihre Haut noch mehr erhitzten als sie ohnehin schon war. Aufforderung brauchte die andere inzwischen nicht mehr, dennoch blieben Nigrinas Hände nicht untätig, krallten sich nur in die Haare der anderen und zeigten auf eine deutliche Art und Weise, was ihr gefiel, bis die Berührungen ihr schließlich jene Lustschauer bescherte, denen sie entgegen gefiebert hatte, seit zum ersten Mal bemerkt hatte, wie das Ding sie ansah. Es war etwas anderes, mit einer wie ihr. Etwas anderes als, beispielsweise, eine Sklavin zu verführen. Etwas völlig anderes, als einer Sklavin zu befehlen gleiches zu tun. Dazu kam der Nervenkitzel, den die momentane Situation hervorrief, oder besser, hervorgerufen hatte, denn im Augenblick verschwendete Nigrina keinen Gedanken mehr daran, wer sie sehen könnte – ganz abgesehen von der Tatsache, dass sie durchaus darauf spekuliert hatte, gesehen zu werden. Ja, es etwas anderes, und Nigrina genoss jeden Augenblick davon, genoss jede Berührung, jedes Geräusch, das sie hörte und selbst von sich gab, bis ihr Körper schließlich ermattet zur Ruhe kam. Ein wohliges Schnurren drang aus ihrer Kehle, als sie sich genießerisch räkelnd auf der Cline zurücklegte und zum ersten Mal seit einiger Zeit wieder bewusst die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut genoss, und mehr noch den zarten Wind, der über sie hinweg streichelte.

  • Erst als Nigrina eine Bewegung spürte, öffnete sie die Augen und erblickte das Ding, das sie erwartungsvoll, jedoch mit zunehmender Verwirrung und Irritiertheit musterte. Nigrina zog die Brauen hoch. „Was ist?“ Die Frage war keineswegs ernst gemeint. Natürlich wusste die Flavia, was die andere nun wollte. Und wäre die Situation eine andere gewesen, Nigrina hätte ihr ihren Wunsch – vielleicht – erfüllt. Aber Nigrina war nicht auf eine längerfristige Liaison mit der anderen aus – auch wenn sie nur darauf beruhte, sich gegenseitig Lust zu verschaffen –, und selbst wenn sie es gewesen wäre: es hätte keinen Sinn gehabt. Nicht mit diesem Ding. Gleich was es sich selbst einbildete, es würde nicht lange an der Seite ihres Vaters bleiben, Nigrina wusste das. Im Gegenteil. Das, was gerade geschehen war, würde ihre Zeit auf diesem Anwesen nur verkürzen, und wenn sie selbst dafür sorgen musste, dass etwas zu ihrem Vater durchsickerte. Das Ding allerdings konnte keine Gedanken lesen, und so saß es da und sah Nigrina weiterhin an, nun sichtlich verwirrt. So wenig Hemmungen es gerade eben noch gehabt hatte, so viele schien es jetzt zu haben, auszusprechen, was es nun umgekehrt haben wollte. Und das bestärkte Nigrina nur in ihrer Überzeugung, dass es richtig war, das bei einer einmaligen Sache zu belassen. Was sie auch der Mühe enthob, weiterhin etwas vorzuspielen. „Ja?“ Diesmal klang ihre Stimme schon ungeduldiger. „Nun…“ War das etwa ein verlegenes Lächeln auf dem Gesicht der anderen? „Nun, ich dachte… du…“ Nigrina verzog den Mund ein wenig, kräuselte leicht die Nase und wölbte die Oberlippe etwas nach oben. „Du solltest nicht denken. Nur so als kleiner Rat von mir.“ Sie schloss wieder die Augen und wollte die Sonne genießen, aber das Ding gab keine Ruhe. „Aber… Ich dachte… Moment, du-“ Als Nigrina diesmal die Augen aufschlug, blitzten sie. Nicht in Wut, nein, dafür genoss sie auch dieses Spiel zu sehr. Die andere zu enttäuschen. Sie fallen zu lassen. Genauso wie ihre Maske. „Ich danke dir für die vergnüglichen Momente. Du kannst jetzt gehen.“ Wie auch Stichwort erschien Nigrinas Leibwächter. So wenig sie auch von Sklaven hielt, so abfällig sie von ihnen dachte, was die wenigen persönlichen anging, die Vertrauten, diese wählte sie sehr sorgfältig aus, und stets aus der flavischen Zuchtlinie. Natürlich ließ sie manches Mal auch andere, fremde in den engeren Kreis, aber diese dienten stets als Spielzeug, wurden nie wirklich zu Vertrauten. Ihre persönlichen Sklaven, ihre Leibsklavin und ihr Leibwächter, waren schon seit Jahren loyale Begleiter. Wären sie es nicht, Nigrina hätte nicht die geringsten Skrupel gehabt, sie loszuwerden.


    Und so tauchte auch jetzt ihr Leibwächter auf, gerade im richtigen Moment, mit einem anderen Sklaven, der dem engeren Kreis des Maiordomus angehörte und, wenn schon nicht ihr, so doch ihrem Vater treu ergeben war. Die Gespielin sah ein paar Mal zwischen den Sklaven und der Flavia hin und her, sprachlos, schien es, mit zunehmender Empörung, in die sich nach und nach Unsicherheit mischte. Einen Augenblick des Überlegens brauchte sie noch – dann ging sie, mit so viel Stolz und Würde, wie sie in dieser Situation noch aufbringen konnte. Und über Nigrinas Züge glitt ein Lächeln, leicht triumphierend, mit dem Hauch von Arroganz derjenigen, die gewohnt ist zu kriegen, was sie will. Sie griff wieder nach der Schriftrolle und suchte nach der Stelle, an der sie aufgehört hatte. „Ihr habt gesehen, was passiert ist?“ Sie hatte die Stelle gefunden und begann bereits, die ersten Worte zu lesen, während sie noch auf Antwort lauschte. „Ja, Herrin.“ Erneut formte sich ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht. „Dann wisst ihr, was ihr zu tun habt.“

  • Die Sklaven hatten gewusst, was zu tun war. Und so hatte das Ding keinen Tag mehr in der Villa überlebt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aetius war nicht zimperlich, wenn es um die Entsorgung seiner Ex-Gespielinnen ging.


    Am nächsten Tag traf Nigrina sich mit ihrem Vater zum Frühstück. In der Exedra. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich auf eben jener Cline niederließ, auf der sie auch gestern schon gelegen hatte – da sie nur mit ihrem Vater speiste und sonst niemand anwesend war, verzichtete sie darauf, sich in einen der Korbstühle zu setzen. „Guten Morgen, Papá.“ Sie sah sich betont um. „Was ist mit deiner Freundin, die uns während der letzten Wochen Gesellschaft geleistet hat?“ Unschuldig lächelte sie ihn an. Aetius musterte sie für einen Augenblick und zog die Augenbraue hoch. „Sie musste uns verlassen.“ Nigrina trank einen Schluck von dem Saft, den ihr einer der Sklaven gereicht hatte. „Wie… schade“, bemerkte sie beiläufig. Ihr Vater wusste genau, was Sache war. Und sie wusste, dass er es wusste. Gerade deshalb machte das kleine Wortgeplänkel ja auch Spaß – und gerade deshalb hatte es ein wenig Nervenkitzel, weil sie sich nicht vollkommen sicher war, es nicht zu weit getrieben zu haben. Aetius wusste wohl, wie seine Tochter war und was sie gelegentlich anstellte, immerhin war sie seine Tochter, und von allen seinen Kindern schlug sie womöglich am meisten nach ihm. Und er hatte nie etwas dagegen gesagt, im Gegenteil, Nigrina hatte eher den Eindruck, dass er stolz auf sie war. Obwohl sie nicht Leontia war, sein erkorenes Lieblingskind, und auch kein Sohn, was ihm wohl am liebsten gewesen wäre. „Oh, ich kann mir vorstellen, dass du das schade findest… Sie war außerordentlich zungenfertig.“ Nigrina musste ein Lachen unterdrücken. „Das war sie in der Tat…“ Aetius grinste nun ganz offen, einige Momente lang, und spätestens jetzt wusste Nigrina, dass er ihr nicht böse war. Sie grinste zurück. Und dann wurde er plötzlich ernst. „Versprich mir nur, dass du dich nicht mit Kerlen einlässt. Nicht vor deiner Hochzeit.“ Nigrina sah auf. „Sicher nicht. Das setz ich nicht aufs Spiel, das weißt du.“ Ihr Vater musterte sie einen Augenblick lang eindringlich, dann nickte er. „Das ist gut so. Du wirst nämlich in ein paar Tagen nach Rom reisen, um dort deinen Zukünftigen kennen zu lernen. Die ersten Schritte sind schon gemacht, aber dein Bruder wird die eigentlichen Verhandlungen führen. Ich möchte, dass du dann schon in Rom bist. So kannst du dich erst mal dort in Ruhe einleben, unsere Familie dort kennen lernen und Rom genauso. Es kann nicht angehen, dass du auf deinen Zukünftigen und seine Familie angewiesen bist um dich einzuleben. Und Aulus wird es auch ganz gut tun, wenn du da bist, denke ich.“ Nigrina strahlte plötzlich. So ungern sie ihren Vater verlassen wollte, aber Rom. Rom! Und sie würde heiraten. Würde ein Mann haben, wie es sich gehörte, einen Patrizier, der zwar noch kein Senator war, der aber einer werden würde, dafür würde sie schon sorgen… Mit einer Frau wie ihr an seiner Seite konnte er gar nicht anders… Und sie würde in Rom leben… und davon ganz abgesehen: sie würde endlich gewisse Erfahrungen mit einem Mann sammeln können, eines der wenigen Dinge, die sie sich bis jetzt immer versagt hatte, so schwer ihr das manchmal auch gefallen war. „Das klingt doch hervorragend“, lächelte sie. Und damit war das Thema beendet, und Vater und Tochter begannen endlich richtig mit dem Frühstück.

  • Mit einem Pferd, das beinahe zuschanden geritten worden war, erreichte ein Eil-Bote das Anwesen des Cnaeus Flavius Aetius in Ravenna, einen Brief im Gepäck:


    Cnaeus Flavius Aetius
    Villa Flavia | Ravenna | Provincia Italia


    Liebster Papá,


    leider ist es ein trauriger Anlass, aus dem ich dir diesen Brief schreiben muss. Vera ist gestorben. Verzeih mir, wenn ich nicht lange um den heißen Brei rede, aber du weißt, dass ich darauf gern verzichte, wenn es mir möglich ist. Und ich weiß, dass es dir ebenso geht. Vera also ist ihrem Leiden erlegen, das sie schon seit so langer Zeit geplagt hat und nun, in den vergangenen Monaten, wieder schlimmer geworden ist. Mir fehlen die Worte, um viel weiteres zu schreiben – ihr Tod ist tragisch, gerade in ihrem Alter, und Aulus trauert sehr um sie. Du weißt ja, wie empfindsam er sein kann. Aber er scheint gefasst genug zu sein, dass er sich um alles kümmert, und ich unterstütze ihn, so gut ich kann. Du brauchst dir also keine Sorgen machen, dass alles seinen korrekten Gang geht.


    Und dann gibt es noch einen weiteren Grund, der deine Anwesenheit in Rom erforderlich macht, Papá. Ich halte es nämlich für besser, wenn doch du die Verhandlungen zu meiner Hochzeit zu einem Ende bringst. Aulus [strike]ist ein riesengroßer Vollidiot[/strike] ist verliebt in eine Aurelia, und ich fürchte, er ist nicht unvoreingenommen genug für die Verhandlungen, die mich betreffen. Es gab sogar einen unschönen Vorfall, als wir ein Theaterstück besucht haben – gemeinsam mit seiner Auserkorenen und dem Aurelier, den du für mich ausgesucht hast (was ich aber erst später erfahren habe, dass er es ist). Davon erzähle ich dir am besten, wenn du hier in Rom eintriffst.


    Ich freue mich schon sehr darauf, dich bald in Rom zu begrüßen!


    [Blockierte Grafik: http://img541.imageshack.us/img541/723/nigrina2.png]



    [Blockierte Grafik: http://img824.imageshack.us/img824/9339/paps.png]


    Aetius las den Brief, und je weiter er kam, desto deutlicher wurde das Stirnrunzeln auf seinem Gesicht. Es waren keine guten Nachrichten, die er da lesen musste, weder die eine noch die andere. Aber selbst wenn seine Tochter – die einzige, die ihm noch blieb – nicht auf eine Art in Rätseln sprechen würde, die seine Neugier anfachten, was denn nun vorgefallen war... Veras Tod ließ ihm keine Wahl. „PACKT MEINE SACHEN, ABER ZACKIG!“ brüllte er durch das Haus. „WIR BRECHEN NACH ROM AUF!“

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    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Gelangweilt hörte Aetius der kleinen Lyraspielerin zu. Es gab Dinge, die sie wesentlich besser konnte. Davon hatte er sich selbst erst letzte Nacht überzeugt. Die Kleine hatte sich als wahre Akrobatin erwiesen, was einem in die Jahre gekommenen Frauenhelden sehr zupass kam. Aetius liebte eben das Leben und da er es sich leisten konnte, wollte er jeden Atemzug davon genießen. Doch mit diesem sentimentalen Mist, den die Kleine nun auf ihrer Lyra fabrizierte, konnte er nichts im Geringsten anfangen. Entspannt lag er auf einer Kline, auf der er es sich schon vor einer ganzen Weile bequem gemacht hatte und gähnte. Sein Betthäschen aber jetzt einfach wegzuschicken, wäre aber zumindest zu dieser vorgerückten Stunde unklug gewesen. Also sah er ihr andächtig zu und lächelte angetan, wenn sie ihre Augen zu ihm aufschlug.


    Aetius Erlösung kam in Form eines nicht mehr ganz so frischen Sklaven. Den Namen des Mannes hatte er selbstverständlich vergessen. Man kann sich ja nicht um alles kümmern. Der Sklave, der aufgrund leichten Übergewichts daher gewatschelt kam, wirkte recht gehetzt, als er sich der Exedra näherte. Ein Grund mehr für Aetius, sein Augenmerk auf ihn zu richten.
    „Dominus, Dominus!“, rief er ganz außer Atem. „Ein Bote mit einer Nachricht aus Rom!“ Die Lyra verstummte prompt ob der fehlenden Aufmerksamkeit ihres Zuhörers. „Ein Bote aus Rom? Von meiner Tochter, nehme ich an.“ Es war lange her, seit er von ihr gehört hatte. Ihre Beziehung zueinander war leider nicht die Beste. Daran war natürlich nur ihre Mutter schuld, die sie nach Aetius Meinung, immer noch gegen ihn aufhetzte. Er bereute es immer noch, dass er sie damals nicht einfach hatte beseitigen lassen, so wie die meisten seiner überdrüssig gewordenen Frauen. Aber ihre Familie war zu diesem Zeitpunkt ziemlich mächtig gewesen, was nur zu unschönen Keilereien geführt hätte.
    „Nein, nicht von deiner Tochter, Dominus. Von einem gewissen Flavius Scato, “ antwortete der Sklave, der mit diesem Namen nichts verbinden konnte.
    „Flavius Scato? Kenne ich nicht!“, brummte Aetius nachdenklich. Scato… Scato. Wer konnte das den sein? Einer von Gracchus´ Blagen? Ach nein, die hießen ja anders. „Aber gut, der Bote soll seine Nachricht überbringen!“ Schließlich obsiegte Aetius´ Neugier und so ersparte er sich einige weitere Stunden quälender Lyramusik. Genau die wollte in dem Moment wieder einsetzen, als der Sklave sich umdrehte, um den Boten hereinzubitten.
    „Schätzchen, sei mir nicht böse. Verschwinde mal eben. Ich komme dann später wieder auf dich zurück. Ganz bestimmt!“ Mit seinem Haifischgrinsen komplimentierte er die Kleine hinaus, um sich nun voll und ganz der Nachricht von diesem, ihm unbekannten Flavier zu kümmern.


    Bei meiner Ankunft hatte man mich erst ein wenig kritisch beäugt. Erst dann war man so freundlich gewesen, mir Eintritt zu verschaffen. Der hiesige Ianitor stand dem römischen in nichts nach. Er war mindestens genauso griesgrämig. Entweder lag das am Beruf oder an der Familie.
    Statt mir erst etwas zu Essen anzubieten, ließ mich der Sklave, der mich dann in Empfang nahm, sozusagen hinter der Haustür stehen. Dort wartete ich erst eine Weile, bis er dann schließlich wieder zurückkam und mich zu seinem Herrn führte. Ich folgte ihm und sah mir im Vorbeigehen die Inneneinrichtung an. Gar nicht schlecht, vielleicht ein wenig zu protzig, war mein Urteil, das aber niemanden interessierte.
    Der Empfänger von Scatos Brief erwies sich als gepflegter älterer Mann, der seine besten Jahre schon hinter sich hatte. Er hatte so gar nichts mit Scato gemein, fand ich. Aber noch hatte ich nicht mit ihm gesprochen. Also begann ich, meinen Text herunterzuleiern.
    „Salve Dominus. Mein Dominus Flavius Scato schickt mich und sendet dir seine besten Grüße. Er hat eine wichtige Botschaft für dich.“ Ich hielt dem Flavier den Brief entgegen, den ich auf meiner Reise hierher wie einen Augapfel gehütet hatte.
    Aetius nahm den Brief, brach das Siegel und begann zu lesen.


    Ad Cnaeus Flavius Aetius
    Villa Flavia
    Ravenna


    Salve werter Aetius,


    sicherlich hast du bislang wenig bis nichts von mir gehört, mein Name ist Caius Flavius Scato, Sohn des Titus Milo, und Enkel des großen Felix.
    Seit der Ankunft deiner Tochter in Roma habe ich mich um sie gekümmert und sie in die feine Gesellschaft der Hauptstadt eingeführt um sie zu einer wahren flavischen Dame gedeihen zu lassen.


    Wie es die Gepflogenheiten verlangen, sollte deine Tochter in ihrem Alter nunmehr einem passenden Gemahl zugeführt werden, und ich habe einen äußerst aufregenden und mehr als passenden Kandidaten ausfindig gemacht, und auch er ist höchstinteressiert an dieser Verbindung.
    Er entstammt dem Haus der Tiberier, sicher, eine Familie welche nicht annähernd die edle Herkunft der Flavia teilt, jedoch, und ich denke da wirst du mir zustimmen, käme niemand in Frage, schon gar nicht unter den aufstrebenden jungen Männern Roms.
    Der Mann der Wahl heißt Lucius Tiberius Lepidus, und er bekleidet derzeit das Amt des Quästors, vielleicht hast du ja bereits von ihm gehört, wenn nicht, wird dies sicherlich bald der Fall sein.


    Kein anderer Kandidat ist aussichtsreicher und wäre besser geeignet für deine geliebte Tochter. Solltest du dir Sorgen um ihr Befinden machen, so sei dir versichert, dass der Tiberier ein äußerst aufrichtiger und ehrhafter Mann ist, von welchem ich nur gutes zu berichten weiß.


    Nun kommen wir zum eigentlich Grund meines Schreibens und einer eindringlichen Warnung: Manius Flavius Gracchus ist dieser Beziehung nicht wohlgesonnen!


    Mehr noch, er drohte deiner Tochter gar mit der Verbannung aus der Villa Flavia!


    Es ist offensichtlich dass Gracchus nur einen Groll gegen dich hebt Aetius, weshalb ich dir auch schreibe, um dir zu versichern dass du einen Verbündeten in Rom hast, und dich von Manius Gracchus nicht bevormunden lassen solltest, denn ein Vater weiß noch selbst was für seine Tochter das beste ist.


    In Hochachtung verneige ich mich vor einem welcher den Flaviern in Rom solch eine schöne Blume schenkte. Ich bin mir sicher dass auch du weißt was zutun ist, und erwarte alsbald eine Anweisung wie ich zu verfahren habe.


    Mögen die Götter stets über dich und die deinen Wachen,


    [Blockierte Grafik: http://www.niome.de/netstuff/IR/SiegelCaduceus100.png] Gezeichnet, Caius Flavius Scato

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Während der Flavier las, war es mucksmäuschenstill. Nicht einmal der Hauch eines Geräusches war zu hören. Mir schien, als hielte sogar der Sklave neben mir den Atem an, was angesichts der Länge des Briefes übel ausgehen konnte. Wie erstarrt war sein Blick auf seinen Dominus fixiert. Derweil kam ich mir in meiner Haut etwas fehl am Platz vor. Aber natürlich konnte ich mich nicht einfach davonstehlen. Also wartete ich ab, was noch weiter geschah.


    Langsam schien sich das Antlitz des Flaviers, welches bislang einen recht desinteressierten Eindruck gemacht hatte, zu verfinstern. Aber dabei blieb es nicht! „Das ist ja ungeheuerlich!“, schnaubte er plötzlich wütend, so dass der Sklave und meine Wenigkeit überrascht zusammenzuckten. „Dieser miese kleine… Wie kann er es wagen?!“ Langsam machte ich mir echt Sorgen. Verdammt Sacto, was hast du nur geschrieben? Ich hatte es von Anfang an geahnt, Scato würde irgendwann mein Untergang sein. Warum musste ich immer Recht behalten, wenn es um solche Dinge ging?


    Als der Flavier zu Ende gelesen hatte, sah er zu mir auf. Nein, er visierte mich an, mit seinem verfinsterten Gesicht und hielt diesen Blick einen scheinbar nicht enden wollenden Moment. Ich war geliefert, und zwar so was von geliefert! Scato hatte mich direkt in eine Schlangenhöhle geschickt! Aber dann, ganz unerwartet veränderte sich sein Gesichtsausdruck in ein überschwängliches Grinsen, was im Abgang ein recht zweifelhaftes Gefühl in mir hinterließ. Nun verstand ich gar nichts mehr. Versteh einer die Römer!


    „Dein Dominus scheint mir ein ganz cleveres Kerlchen zu sein,“ meinte er nur, als wäre nichts gewesen und legte den Brief beiseite. Da ich mir nicht sicher war, wie ich auf diese plötzliche Veränderung reagieren sollte, ließ ich mich nur zu einem leichten Verziehen der Gesichtsmuskulatur hinreisen. Damit war ich garantiert auf der sicheren Seite.
    „Philon!“ Der Sklave neben mir schreckte auf. „Ein Brief! Schnell!“ Sofort setzte sich das Schwergewicht in Bewegung und verschwand, während ich weiter ganz perplex an meinem Platz verblieb. Kurze Zeit Später kam Philon mit einigen Schreibutensilien zurück und nahm an einem Tisch Platz. Daraufhin begann der Flavier zu diktieren:


    Ad Caius Flavius Scato
    Villa Flavia Felix
    Roma


    Salve Caius Scato,


    ich muss sagen dass ich schon ein wenig überrascht war dass du deinen Schoßhund mit deiner fein-säuberlich geschriebenen Nachricht zu mir gesandt hast. Ihr Flavii in Rom, unter Gracchus Fuchtel, seid doch alle gleich.


    Ich bin sicher, dem heuchlerischen Stil in welchem du mir schriebst zufolge, liegt dem Ganzen Theater eine Intrige zugrunde. Dem sei dir deshalb gleich versichert: Verkaufst du meine Tochter an den nächstbesten, so wirst du es auch alsbald bereuen mein junger Verwandter.


    Dennoch, auch wenn ich deine Intentionen hinterfrage, so klingt der Bursche doch ganz brauchbar.


    Wenn Gracchus, ich finde gerade keine schmeichelnden Worte, der Hochzeit bezüglich noch einmal nachfragt, so sage ihm, dass ich mit der Vermählung einverstanden bin.


    Ich verbleibe mit wärmsten Grüßen aus Ravenna Caius Flavius Scato, du solltest es einmal besuchen, es könnte dir tatsächlich gefallen.



    Gezeichnet Cnaeus Flavius Aetius


    Philon hatte eifrig mitgeschrieben. Nur das Kratzen der Feder hörte man aus seiner Richtung. Sogar ich fand Erwähnung in Aetius´ Antwortschreiben. Zu meiner Schande muss ich gestehen, errötete ich, als er mich als Scato´s Schoßhündchen titulierte. Aber langsam kapierte ich, worum es bei dieser ganzen Aktion ging. Die Gerüchte, die in der römischen Villa die Runde gemacht hatten, stimmten also tatsächlich. Scato hatte sich als Heiratsvermittler versucht, um irgendwelche Vorteile für sich daraus zu ziehen und bevor der Schuss nach hinten losging, rückversicherte er sich beim Vater der Braut in spe. Wirklich clever!
    Inzwischen war die Anspannung weitgehend von mir abgefallen, da ich ja wohl nichts mehr zu befürchten hatte. Eigentlich hatte ich nur noch Hunger und eine Mütze Schlaf hätte mir ganz sicher auch nicht geschadet.


    Als der Flavier seinen Brief beendet hatte, wandte er sich wieder an mich. „Den Brief bringst du deinem Dominus. Aber bevor du wieder zurückreist, sollst du wenigstens noch ein oder zwei Tage die flavische Gastfreundschaft genießen dürfen.“ Ich versuchte freundlich zu lächeln, obwohl mir das ziemlich schwer fiel, weil ich mir nicht sicher war, ob das eine Drohung sein sollte.
    „Philon versorge unseren Gast mit einer nahrhaften Mahlzeit und weise ihm einen Schlafplatz zu. Damit er wieder zu Kräften kommt.“ Wieder setzte der Flavier dieses fiese Grinsen auf und ich ahnte bereits, was mich erwarten sollte. Doch ehe ich ich etwas dagegen einwenden konnte, packte mich Philon auch schon an meinem Arm und zog mich mit sich fort.

  • Etwa zwei Tage nach Angus traf ein weiterer Bote aus Rom ein - ein bezahlter Dienstleister, welcher schlichtweg seine Nachricht übergab.


    Ad Cnaeus Flavius Aetius, Villa Flavia, Ravenna



    Werter Onkel Aetius,


    auf ein Heftigstes muss ich protestieren gegen eine Ehe zwischen Domitilla und Lucius Tiberius Lepidus. Es mag sein, dass unser Neffe Lucius Scato diese Verbindung für opportun hält, und zweifellos wäre Tiberius an sich als aufstrebender junger Patrizier, Pontifex und baldiger Senator eine akzeptable Wahl, hätte er nicht just seine eigene Schwester mit dem germanischen Homo Novus Senator Duccius Vala vermählt. Es ist somit schlichtweg unmöglich, Aetius, dass unsere Familien ein Bündnis miteinander eingehen, denn ich werde nicht tolerieren, dass der Name unserer Gens mit dem des insolenten Duccius in Verbindung kommt. Ich muss daher insistieren, dass diese Ehe nicht zustande kommt, und du den Namen der Flavia damit nicht in Verruf bringst!


    Mögen die Götter dich und deine Familie stets schützen!




    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Aetius saß in einem Becken mit heißem Wasser, das im hinteren Teil des großzügigen Gartens in den Boden eingelassen war - natürlich nicht allein, sondern in Begleitung von drei wohlproportionierten Sklavinnen - seinen Badenixen, wie er selbst zu sagen pflegte.
    “Was, was, was?!“ empörte er sich theatralisch als Philon den Brief heranbrachte. “Keine Amtsgeschäfte habe ich gesagt!“
    „Es ist eine Nachricht aus Rom, Herr“, entschuldigte sich der Sklave unterwürfig. „Von deinem Neffen Manius Gracchus“.
    Der Flavier verzog angewidert das Gesicht. “Bah! Dieser Nichtsnutz kann einem aber auch jede Freude verderben! Lies vor!“
    Philon tat wie geheißen. „Werter Onkel Aetius …“
    “Bah! Heuchler!“
    „… auf ein Heftigstes muss ich protestieren gegen eine Ehe zwischen Domitilla und Lucius Tiberius Lepidus.“
    “Ja, ja, protestier du nur! Dir passt doch nur nicht, dass dir jemand das Zepter aus der Hand genommen hat, haha! “ Aetius legte die Hand auf das Hinterteil einer seiner Nixen, die sich an ihn schmiegte, und massierte genüsslich ihre Pobacken.
    „ Es mag sein, dass unser Neffe Lucius Scato diese Verbindung für opportun hält, …“
    “Haha, wer ist da der größere Heuchler!?“ Genüsslich räkelte sich der Flavier im Wasser und streckte einen Fuß zu einer der Sklavinnen, dass sie ihn massierte.
    „ … und zweifellos wäre Tiberius an sich als aufstrebender junger Patrizier, Pontifex und baldiger Senator eine akzeptable Wahl, hätte er nicht just seine eigene Schwester mit dem germanischen Homo Novus Senator Duccius Vala vermählt.“
    “Sieh einer an, diese Information hat der junge Scato glatt unterschlagen. Aber was schert mich der Duccius, Hauptsache der Tiberius taugt! Kein Wunder dass Gracchus niemanden unter die Haube bringt!“ Er grinste weiter vor sich hin.
    „Es ist somit schlichtweg unmöglich, Aetius, dass unsere Familien ein Bündnis miteinander eingehen, denn ich werde nicht tolerieren, dass der Name unserer Gens mit dem des insolenten Duccius in Verbindung kommt.“
    “Pah! Dieser elende kleine Heuchler! Der Name UNSERER Gens! Das sagt genau der Richtige!“ Abscheu breitete sich nun über Aetius‘ Antlitz aus, sein Griff wurde etwas fester.
    “Ich muss daher insistieren, dass diese Ehe nicht zustande kommt, und du den Namen der Flavia damit nicht in Verruf bringst!“
    “WAS?! Dieser … ARRR! Was bildet der sich ein!? Meinen Name in Verruf bringen, meinen Namen, dieser elende Lüstling! Wenn hier jemals jemand diesen Namen in Verruf gebracht hat dann doch er!“
    Aetius‘ Finger krallten sich nun in das Fleisch der Sklavin, die ein wenig unruhig wurde.
    “Äh … Cnaei, du tust mir weh“, meldete sie sich mit leiser, larmoyanter Piepsstimme.
    Aetius wütende Fratze blickte auf das schöne Gesicht, dann schüttelte er den Kopf. “Du hast Recht, meine Perle, er ist nicht einmal die Aufregung wert. Los, Philon! Nimm dir eine Tafel und schreib meine Antwort auf!“ dirigierte er den Sklaven und tauchte erst einmal unter die Wasseroberfläche, um seine Gedanken kurz zu sortieren.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

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  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Einige Zeilen später legte Aetius seiner Badenixe grinsend den Arm um die Schulter.
    "Gib das Scatos Schoßhund mit. Spart mir die Kosten für einen eigenen Boten."
    Ohne weiter auf Philon zu achten, wandte er sich der Sklavin zu und das Grinsen auf seinem Antlitz nahm lüsterne Züge an.
    "So, und du kümmerst dich jetzt erstmal um mein Wohl."



    Philon machte sich mit dem Brief auf, um Angus zu finden, der am nächsten Tag wieder gen Rom aufbrechen wollte.


    Ad Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia Felix
    Roma


    Salve Manius Gracchus,


    du magst protestieren soviel du willst, die Ehe zwischen Domitilla und Tiberius Lepidus ist beschlossene Sache.


    Ich erwarte von dir, dass du dich um die Formalitäten mit dem Tiberier kümmerst. Falls du wie für die Suche nach einem passenden Ehemann für meine Tochter dafür keine Zeit findest, kann ich auch Caius Scato damit beauftragen. Dessen Urteilsvermögen vertraue ich übrigens voll und ganz, er scheint viel von Felix geerbt zu haben.


    Bezüglich des Namens der Flavia muss ich dich sicherlich nicht darauf hinweisen, dass der einzige, der jemals eine meiner Töchter in Verruf gebracht hat, kein geringerer als du selbst bist. Was hätte aus meiner geliebten Leontia nicht alles werden können!


    Solltest du vorhaben, nun auch noch das Wohl Domitillas und ihr Ansehen in Rom zu gefährden, garantiere ich dir, dass es das letzte Leben ist, das du ruinieren wirst.



    Gezeichnet Cnaeus Flavius Aetius

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    Kurze Zeit später, näherten sich eilige Schritte auf dem Kiesweg zum hinteren Teil des Gartens, dorthin, wo Flavius Aetius mit seinen drei Badenixen zugange war. Von Weitem war bereits vergnügtes Lachen und Kreischen zu hören, welches eindeutig den drei Sklavinnen zugeordnet werden konnte. Philon ahnte schon, was ihn dort erwartete. Dem beleibten Sklaven standen Schweißperlen auf Stirn und Nase, was nur sekundär den Anstrengungen geschuldet war. Vielmehr bereitete es dem Sklaven Sorgen, seinen Herrn bei seinen Vergnügungen erneut stören zu müssen. Der Flavius konnte durchaus ungehalten sein, wenn man ihn bereit zum zweiten Mal an diesem Tag bei einer seiner Lieblingsbeschäftigungen störte.
    Es war ja schon sehr seltsam. Dies war bereits die dritte Nachricht aus der flavischen Villa in Rom, die innerhalb von wenigen Tagen die Villa in Ravenna erreicht hatte. Diesmal war es eine Tabula, die mit einem flavischen Sigel versehen war mit der Philon sich dem Warmwasserbecken näherte. Der Absender hatte zweifellos Erstaunen bei dem Sklaven verursacht. Die Nachricht stammte von Domitilla, der jüngsten Tochter des Aetius, die seit ihrer wunderbaren Rückkehr aus dem Totenreich vor gut einem Jahr nun in Rom dei ihren Verwandten residierte. Seitdem hattenBriefe oder sonstige Nachrichten aus ihrer Hand einen gewissen Seltenheitswert.


    Diskret trat der Sklave an den Beckenrand und fand vorerst nur wenig Beachtung bei der Ménage à quatre, die miteinander und ineinander verwachsen schien. „Oh Cnaei, du bist einfach…“, stöhnte eine der Badenixen lustvoll während die anderen beiden den Flavier umschwärmten und liebkosten. „Was bin ich? Sprich dich nur aus, Liebes!“ knurrte Aetius. Bevor er jedoch eine Antwort erhielt, hüstelte Philon taktvoll, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Flavier fuhr verärgert herum und ließ von seinen Gespielinnen ab. „Was ist denn jetzt schon wieder?“ Konnte man denn nicht einmal seine Ruhe haben! Gab es etwa ein Problem mit dem Brief an seinen Neffen? Oder mit Scatos Schoßhündchen?


    „Bitte entschuldige vielmals die Störung, Herr. Aber es ist noch ein weiterer Brief aus Rom eingetroffen. Diesmal von deiner Tochter Domitilla.“ Philon wies auf die noch versiegelte Wachstafel und wartete nur darauf, bis er sie öffnen sollte. Diese Tabula rief Stirnrunzeln bei Aetius hervor. Damit war wohl der nette Nachmittag im Pool endgültig gegessen.
    „Domitilla? Was will die denn? Braucht sie mehr Geld? Nun mach schon auf und ließ vor!“ Das ließ sich Philon nicht zweimal sagen. Er brach das Siegel und öffnete die Tabula. Ein Blick genügte und der Sklave wusste, dass die Sorgenfalten seines Herrn durchaus berechtigt waren.
    „Vater!“, begann Philon und wurde gleich wieder von Aetuis unterbrochen. „Vater? Steht da einfach nur Vater? Kein Salve, Lieber oder Mein? Gar nichts?“ Der Sklave, der gleich noch mehr zu schwitzen begann, zuckte nur mit den Schultern. „Bedauere Herr, hier steht nur Vater.“
    „Das ist typisch Lepida! Sie hätte dem Gör besser mal ordentliche Manieren beibringen sollen! Aber gut, lies weiter!“ Der Sklave fuhr fort:
    „Ich muss dir mitteilen, dass mein Glück von einem äußerst unpässlichen Umstand getrübt wird.“
    „Bah! Von wegen Glück! Hier geht es nicht um Glück, sondern einzig ums Geschäft!“ Zornesröte beherrschte das Antlitz des Flaviers. Diese verwöhnte Göre brachte ihn noch immer auf die Palme.
    „Der Ehemann, den du für mich wähltest, weckt in mir allzu große Zweifel, ob diese deine Entscheidung die Richtige sein kann.“
    „Papperlapapp! Du heiratest wann ich will und wen ich will, basta!“ Selbst wenn man der Göre einen Mann buk, dann war sie noch immer nicht zufrieden mit ihm. Aetius war davon überzeugt, dies waren nur Lepidas Flausen, die seiner Tochter noch immer im Kopf herumschwirrten!
    „Diese starken Zweifel sind dadurch bedingt, dass die familiären Bindungen dieses Mannes zur Germanischen Stammesherkunft, und der damit einhergehenden Barbarei und Identität als Homines Novi, keine sind, die ich mir und unserer Gens guten Gewissens zumuten könnte.“
    „Ich frage mich, was alle gegen diesen Duccier haben!“ Das musste ja ein übler Bursche sein, wenn nun auch seine Tochter gegen ihn wetterte. Allerdings wetterte Domitilla gegen alles, was aus Germania kam und kein Sklave war. Das hatte sie nur von ihrer Mutter!
    „Eine solche Verbindung entspräche nicht meiner Vorstellung eines schicklichen Eherverhältnisses. Ich möchte also erneut betonen, dass ich dich dringendst ersuche, meine Sache anzuhören und deine Entscheidung bezüglich meines künftigen Ehepartners zu überdenken.“
    „Ja, ja, ja, einen feuchten Kehricht werde ich tun! Du tust, was man dir sagt!“ schrie Aetius.
    „Mögen die Götter dir auch in Zukunft gewogen sein, Domitilla“
    „Bah, geschenkt!“, winkte er ab. Nun war er richtig in Rage! Genau richtig, um dem lieben Töchterchen zu zeigen, wo der Hammer hing. „Schreib, Philon!“, befahl er. Der Sklave zückte einen Stilus.


    Salve Schätzchen!


    Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich über deinen Brief gefreut habe. Danke, mir geht es auch prächtig!
    Liebes, du solltest dir wirklich keine Sorgen machen. Dein Neffe hat mir versichert, der Tiberius sei ein aufrichtiger und ehrhafter Mann, der einer Flavia absolut würdig ist. Daher ist mein Entschluss unabänderlich. Du wirst diesen Mann heiraten! Ganz gleich welche Grillen dir dein Vetter Gracchus in den Kopf gesetzt hat.
    Mögen die Unsterblichen über dich wachen!


    Dein Vater


    Philon hatte alles notiert. Auch diese Wachstafel würde ihren Weg durch Scatos Schoßhündchen nach Rom finden.

  • Scatos Schoßhündchen hatte die Schnauze gestrichen voll! Von wegen, flavische Gastfreundschaft! Pah, dass ich nicht lache! Nachdem ich Aetius den Brief übergeben hatte und mich dieser fette Grieche anschließend in die Untiefen der Villa verschleppt hatte, dachte ich noch einen Moment lang, die nächsten Tage könnten doch ganz passabel werden. Die ravennische Villa stand der in Rom in nichts nach. Sie war ebenso mit einem solchen Prunk ausgestattet und mit vielem nützlichen und noch mehr unnützem Zeug vollgestellt. Und auch das Servitriciium war mindestens genauso miserabel ausgestattet, wie das in Rom. Lediglich der Koch, der für die Verpflegung der Sklaven zuständig war, toppte seinen römischen Kollegen bei weitem. Unter nahrhafter Mahlzeit verstand man hier Hiersepampe mit einem Hauch verkochter Gemüseabfälle. Aber was isst man nicht alles, wenn man Kohldampf schiebt?!


    Da der Abend ja schon voran geschritten war, freute ich mich nach diesem „fürstlichen Mahl“ nur noch auf eine bequeme, mit Stroh gefüllte Matratze, auf die ich meinen Alabasterkörper betten konnte. Allerdings machte mir Philon auch hierbei einen Strich durch die Rechnung. Als er mir mit seinem süffisanten Blick mitteilte, im Haupthaus sei kein Platz mehr für mich frei und ich müsse draußen, im Sklavenquartier der Feldsklaven übernachten, hätte ich den Griechen eigentlich erwürgen können, doch weil ich so ein netter Kerl war, ich fügte mich eben.
    Irgendwie hatte es etwas, mit knapp zwanzig anderen Männern und deren Ausdünstungen die Nacht zu verbringen. Die Nacht allerdings hatte recht früh ein jähes Ende gefunden. Noch vor Sonnenaufgang wurde es unruhig unter meinen Mitbewohnern. Kurze Zeit später wurden die Sklaven hinaus aufs Feld getrieben, wo sie bei Sonnenaufgang zu arbeiten beginnen sollten. Irgendein Schwachkopf hatte vergessen, dem Aufseher zu verraten, dass meine Wenigkeit lediglich zu Gast auf diesem Latifundium war. Deshalb hatte es ihm eine besondere Freude bereitet, mich mit Stockschlägen aus meinem Bett zu treiben. Auf diese Weise konnte ich hautnah erleben, was es hieß, als Feldsklave sein Dasein fristen zu müssen.
    Nach einem Tag harter Arbeit und miserabler Verpflegung auf der Obstplantage, spürte ich am Abend meine Glieder nicht mehr. Ich wollte einfach nur noch schlafen und am nächsten Tag so schnell wie möglich wieder zurück nach Rom. Aber auch das blieb nur Wunschdenken.


    Ganze drei Tage hatte man mich hier festgehalten und mich als Feldsklave missbraucht. Erst am Abend des dritten Tages informierte man mich, dass ich am nächsten Morgen in aller Frühe aufbrechen sollte. Wenn das mal keine freudige Nachricht war! Mit einem Gefühl der Erleichterung legte ich mich schlafen. Mein ganzes Mitgefühl aber galt all jenen, die hier für den Rest ihres kurzen Lebens verbringen mussten. Das hier war kein Leben! Diese Sklaven behandelte man schlimmer als Vieh!
    Am Tag meiner Abreise war ich besonders gut gelaunt. Ich konnte es kaum erwarten, endlich von hier weg zu kommen. Zum Glück hatte man wenigstens ordentlich für mein Pferd gesorgt. Bevor es aber losgehen konnte, musste ich noch einmal den fetten Griechen treffen. Er musste mir noch das Antwortschreiben seines Herrn aushändigen. Vielleicht konnte ich mir auch noch etwas Reiseproviant erbeten.
    Philon hatte mich bereits schon im Tablinum erwartet. Zu meiner Überraschung hatte er nicht nur einen Brief, sondern gleich drei. „Tja, du warst nicht der einzige Bote, der uns in den letzten Tagen aus Rom erreicht hat,“ meinte er trocken. „Diesen Brief gibst du bei deinem Herrn ab, dieser hier ist für Flavius Gracchus und dieser hier ist für die Tochter meines Herrn, für Flavia Domitilla.“
    Naja, das konnte ich mir gerade noch merken. Ich packte die Briefe in meine Tasche, stattete der Küche noch einen Besuch ab und schaffte es tatsächlich, dem Küchenmädchen zwei Lukanische Würste und ein Laib Brot abzuluchsen. Danach hielt mich hier nichts mehr und ich brach auf.

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