Die Arbeitsräume des Exegetes

  • Ein Bote der Stadtwache überreicht dem Grammateos folgenden Brief:



    Chaire Nikolaos,


    Ich danke dir für deine Glückwünsche und beglückwünsche dich gleichermaßen zu deinem neuen Amt! Ich hoffe das wir unsere guten Beziehungen auch in Zukunft weiter beibehalten können! Was die Ausbildung der Männer betrifft werde ich mich so bald wie möglich um weitere Informationen bemühen und diese auch gern an dich weiterleiten sofern dir das beliebt!


    Chaire


    Cleonymus Strategos

  • Wie mir der Präfekt empfohlen hatte machte ich mich auf den Weg den Exegetes über mein Vorhaben zu informieren. Als ich schließlich die Agora erreichte und das entsprechende Büro fand klopfte ich laut an.

  • Chaire Exegetes!


    Mein Name ist Kassandros und ich bin in einer religiösen Angelegenheit hier. Vor kurzem habe ich den Präfekten um die Erlaubnis gefragt einen Kultverein nach römischen Recht zur Verehrung von Serapis und Isis zu gründen. Nun bin ich hier um mir auch dein Einverständnis einzuholen.


    Erst dann merkte ich das ich etwas mit der Tür ins Haus gefallen war. :D

  • Ein Lächeln ging über das Gesicht des Grammateos. Da hatte man ihn schon wieder für seinen Herrn gehalten. Vielleicht sollte er solche Augenblicke in Zukunft einfach ausnutzen... .
    "Entschuldige, dass ich dich unterbreche.", sagte der Grammateos, ohne dem Besucher wirklich ins Wort zu fallen, denn er hatte brav gewartet, bis dieser mit seinen Ausführungen an ein Ende gelangt war. "Ich bin - so sehr ich es bedauere- nicht der Exegetes." Dies sagte der Grammateos mit einer feinen Ironie in der Stimme. "Wenn du den Exegetes wirklich selbst um Erlaubnis fragen möchtest, so bleibt dir, auf ihn zu warten, zu einer anderen Zeit zurückzukommen oder aber ihn in seinem Haus aufzusuchen. Ich kann natürlich dein Anliegen auch notieren, in diesem Fall wirst du schrifltlich Antwort vom Exegetes darauf erhalten."

  • "Der Exegetes ist gerade auf seinem Landgut. Er wird vor morgen früh nicht wieder hier sein. Ich werde dein Gesuch niederschreiben und es ihm unterbreiten.", sagte der Grammateos höflich aber etwas gelangweilt. "Wenn du vor Morgen Mittag eine Antwort erhalten möchtest, solltest du ihn persönlich aufsuchen." Der Grammateos riss einen Fetzen Payprus aus einer größeren Rolle, die unbeschrieben war und offenbar nur als Material für Briefe und Notizen diente und schrieb in übertrieben eleganten Lettern einige Worte. Schließlich reichte er dem Besucher den Papyrus.

    Kassandros möchte einen "Kultverein römischen Rechts gründen", er hat den Eparchos bereits um dessen Erlaubnis gebeten, möchte nun die Einverständnis des Exegetes holen, die Antwort darauf kann schriftlich in der Basilea in der "Regia" des Eparchos oder im Haus des gewissen Kassandros im Brouchereion abgegeben werden.


    "Ist das so genehm?", fragte der Grammteos und hatte dem Gast das Papyrus schon wieder aus der Hand gerissen. "Ich weiß übrigens gar nicht, ob die Einverständnis des Exegetes für die Gründung eines Kultvereins nötig ist. Nun ja, sicher ist sicher und ihn wird dies sicher interessieren. Falls er bis morgen nicht wieder in der Stadt sein sollte: Soll ich ihm dieses Schriftstück schicken lassen?" Der Grammateos hatte wenig Lust, zu Fuß zum Landhaus seines Herrn zu gehen, doch leider gehörte diese Frage zu seinen Pflichten. Die Umschreibung schicken lassen hatte er verwendet, da es ihm etwas peinlich gewesen wäre, zuzugeben, dass er nicht viel mehr war als ein einfacher Laufbursche für den Exegetes, denn dieser vertraute seinem Grammateos wenig an.

  • Auf dem Landgut also...


    Murmelte ich. Da schien ja seine Aufgabe jemand nicht sehr ernst zu nehmen. Das gleiche galt für seinen Bediensteten, das Schriftstück steckte voller Mängel.


    Lasst mich doch noch ein paar Korrekturen machen...


    Sagte ich schnell und nahm das Dokument an mich.


    Kassandros von Alexandria möchte einen "Kultverein römischen Rechts" zu Ehren von Isis und Serapis gründen", er hat den Eparchos bereits um dessen Erlaubnis gebeten, möchte nun die Einverständnis des Exegetes holen, die Antwort darauf kann schriftlich in der Basilea in der "Regia" des Eparchos oder im Haus des gewissen Kassandros im Brouchereion abgegeben werden.


    Nötig mag sein Einverständnis nicht sein, aber es ist immer gut, wenn alle Stellen informiert sind.


    Danach überreichte ich dem Bediensteten das Schriftstück wieder.

  • Der Grammateos war etwas entrüstet über die eigenmächtige Verbesserung der Notizen. Er mochte es nicht, wenn man sich in seine, sehr spärlichen, Kompetenzen auch noch einmischte und sie ihm streitig machte. Er hatte immerhin ein wenig Macht, im Vorzimmer des Beamten zu sitzen. Doch er beschränkte sich darauf, das Schriftstück dem Besucher sehr ruckartig aus der Hand zu reißen und das Gesicht säuerlich zu verziehen.
    "Wie soll ich nun damit verfahren? Soll ich es dem Exegetes schicken lassen oder soll ich es hier ablegen, auf dass er es lese, wenn er vorbeikäme?", fragte der Grammateos, etwas ungeduldig.

  • Scheinbar war die inkompetente Schreibkraft auch nich greizt. Der arme Exegetes tat mir wirklich leid, würde ich solche Arbeit im Palast abliefern würde man mich sofort entlassen.


    Schick es!


    Sagte ich etwas entnervt.

  • "Das werde ich sogleich tun.", zischte der Grammteos. "Würde es dir etwas ausmachen, nun wieder hinauszugehen, ich muss den Laden hier verriegeln. Oder soll ich dich gleich hier einsperren? Dann kannst du warten, bis der Exegetes kommt. Dieser sucht ohnehin einen neuen Grammateos, da kannst du sogleich bei ihm vorstellig werden." Der Grammateos hatte gemerkt, dass er die Grenze zur Unverschämtheit überschritten hatte. Wenn sich nun dieser Besucher an den Exegetes selbst wandte und ihn von diesen Umstand unterrichtete? "Ich bitte um Verzeihung, mir sind diese unflätigen Worte herausgerutscht, ich hatte einen sehr unangenehmen Tag, meine Frau liegt seit gestern in den Wehen und der Exegetes überhäuft mich mit Arbeit, bitte vergiss diese Beleidigung, es hat nichts mit deiner Person zu tun...", lenkte der Grammateos in einem ekelhaft süßen Ton ein.

  • Mit stoischer Ruhe winkte ich ab.


    Ja gut, ich gehe schon, mach dir mal keine Gedanken. Ich wünsche deiner Frau und dir viel Glück mit dem Nachwuchs.


    Und so verschwand ich.

  • "Vielen Dank", brummte der Grammtateos, während er eine etwas abgerissene Chlamys von seinem Stuhl nahm und das Schriftstück in seinen Gürtel schob. Kaum war der Besucher fort, sperrte er die schwere Tür ab. Dem Sklaven, der vor der Arché Wache schob, unterrichtete er von seinem Vorhaben und ermahnte ihn, nicht einzuschlafen. Seit der Strategos Exegetes und nicht mehr Strategos war, traute er offenbar der Stadtwache nicht, und ließ seine Räume daher von einem eigenen Wächter bewachen.

  • Nach meinem Gang zum Agoranomos machte ich mich noch auf zu jenen Arbeitsräumen, in denen der Exegetes zu arbeiten pflegte. Dort liess ich meinen sklavischen Begleiter anklopfen.

  • Der Grammateos des Exegetes war gerade auf einem der zahlreichen Botengänge, auf die sein Herr ihn oft schickte. Auch die drei Epheben des Nikolaos waren nicht anwesend. So gab seine eigene Stimme ein kurzes "Herein!" als Antwort aus dem Hinteren der Arbeitsräume. Die Tür war nicht verriegelt, denn da Nikolaos gerade damit beschäftigt war, einige Ausgaben, die durch seine Amtstätigkeit ihm entstanden waren, durchzurechnen, eine Aufgabe, die er nur zu gerne einem anderen übertragen hätte, war er über die Störung eher erfreut. So konnte er nun ruhigen Gewissens die Papyri wieder aufrollen und und in die Truhe legen. Dann setzte er sich wieder und wartete auf das Eintreten des Besuchers.

  • Wir hörten eine Stimme, die uns hereinbat, aus den Tiefen des Arbeitsbereiches. Mein Begleiter öffnete die Tür und wir traten ein. Er folgte mir mit einem Schritt Abstand als ich den vorderen Arbeitsbereich durchquerte und auf die Quelle der Stimme zuhielt. Dort trafen wir auf einen Mann, der scheinbar jener war, nach dem ich suchte.
    Chaire, ich hoffe, du bist der Exegetes Nikolaos Kerykes?
    fragte ich.

  • "Chaire", sagte Nikolaos höflich. Unauffällig musterte er die Frau. Sie schien nicht mehr die Jüngste zu sein. Wobei es bei den Rhomäern üblich war, dass Frauen bis zum vierzigsten Lebensjahr als iuvenis bezeichnet wurden. Dass diese Frau möglicherweise Rhomäerin war, schloss Nikolaos daraus, dass es für hellenische Einwohnerinne der Stadt eher unüblich war, ohne männlichen Vorsprecher Beamten aufzusuchen. Doch vielleicht täuschte er sich auch. Schließlich waren die alten Sitten im Begriff, langsam zu zerfallen, was dem Exegetes weder ein Übel war noch eine Freude. Zwar war ihm der Fortbestand der überlieferten Ordnung wichtig, schließlich nütze sie ihm, und er war im Grunde auch etwas, das man als guten Hellenen bezeichnen konnte, jedoch scherte er sich um Kleinigkeiten wie diese in seinen Augen recht wenig.
    "Dieser bin ich.", fügte er hinzu. "Ist es mir erlaubt zu fragen, mit wem ich die Ehre habe und aus welchem Anlass?" Die Worte perlten nur so über seine Zunge, sodass sie funkelten. Nikolaos war auf sein vornehmes Attisch sehr stolz, beinahe lag eine gewisse Hochmut darin, mit welchem Gefühl (oder mit welcher Einbildung) der Überlegenheit er es gebrauchte. Natürlich ließ er davon seinem Gegenüber nichts merken.

  • So unauffällig der Exegetes seine Musterung auch durchführte, so sehr fiel sie mir auf, schliesslich war ich eine Frau vom Fach und das nicht erst seit gestern. Ich lächelte leicht, denn natürlich freute auch ich mich immer wieder, wenn mich Männer trotz meines Alters noch etwas intensiver als möglich ansahen.
    Urgulania aus der Familie der Iunier, Tochter des Iunius Cotta und Enkelin des Iunius Ursus.
    stellte ich mich vor und hielt mich dabei ebenso an den Attischen Dialekt, den ich vor so vielen Jahren gelernt hatte.
    Es geht darum, dass ich mich vor einiger Zeit hier in Alexandria niedergelassen habe und nun wollte ich bezüglich der Proxenie anfragen, da ich nicht vor habe die Polis wieder zu verlassen.

  • Nikolaos staunte ob der Bildung, die diese Frau bewies, indem sie ihm auf Attisch antwortete. Als sie ihren Namen nannte, bestätigte dies seine Vermutung bezüglich ihrer Herkunft. Das Lächeln der Frau erklärte sich ihm nicht so recht, was es zu bedeuten hatte, konnte er nicht einmal vermuten. Die Art des Lächelns war jedoch alles andere als großmütterlich. Dem Exegetes bereitete es ein gewisses Unbehagen, dass er feststellen musste, dass er nicht in der Lage war, diesen Gast zu durchschauen, was ihm für gewöhnlich leicht fiel.
    Er sah der Alten in die Augen und versuchte in ihnen etwas zu lesen, von dem, was hinter diesen Augen liegen mochte.
    "Ich nehme an, dass du Bürgerin der Polis Rom bist?", fragte Nikolaos. "In diesem Fall genießt du ohnehin den Gesetzen Alexandrias nach die gleichen Rechte wie ein alexandrinischer Bürger. Dann kann dir ohne weiteres auch die Proxenie verliehen werden. Wenn du es wünschst, werde ich den Eponminatographos bitten, dich als Ehrenbürgerin eintragen zu lassen in die Verzeichnisse der Polis. Ich setze hierbei natürlich voraus, dass du mündig bist." Er sah die Rhomäerin fragend an. Nebenbei holte er ein Stück Papyrus hervor und begann etwas zu schreiben. Er hoffte, sein Grammateos würde bald wiederkehren, da er wenig Lust verspürte, selbst zum Eponminatographos zu laufen. Er konnte den Priester des Basileus-Kultes nicht ausstehen.

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