Ad Bestias - Die Hinrichtung des Finn Kylian

  • Für eine Hinrichtung war der Tag im Grunde zu schön. Es hatte in der vorherigen Nacht nicht geregnet, und zum angesetzten Termin der Hinrichtung war die Luft kühl und klar, fast zu kalt, um sie angenehm einzuatmen, aber die wärmenden Strahlen der Sonne an freien Plätzen vermochte obdachlose Herumtreiber zu versöhnen. Die Ränge waren noch nicht so weit gefüllt, wie es dem Anlass entsprach - aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis auch der letzte müßige Stadtrömer von der anstehenden Hinrichtung erfahren hatte und sich einfand, nicht zuletzt, weil es einige Tage keine Spiele gegeben hatte und die geifernde Menge allzu bereit war, dem Tod eines Mitmenschen zuzusehen, auch wenn dieses Ende grausam und unmenschlich ablaufen würde.


    Vielleicht waren Hinrichtungen gerade deswegen so beliebt, wer wusste das schon? Das kleine amphitheatrum, welches ich gewählt hatte, war weder bedeutend noch fanden hier die großen Veranstaltungen statt, aber man konnte schließlich für einen einfachen Verbrecher, der noch nicht einmal jemanden getötet hatte, nicht das amphitheatrum Neronis reservieren. Letztendlich war und blieb dieses Ereignis nur eines von vielen, es war nicht die einzige Hinrichtung heute, aber die erste, und nach dem geplanten Tod des Finn Kylian würden noch einige andere folgen - Verbrechen begangen wurden immer, egal, ob der Kaiser nun tot war oder nicht, das Leben ging weiter, musste weiter gehen.


    Nicht, dass es mir gefiel, bei dieser Angelegenheit eine treibende Kraft zu sein. Nicht, dass mir bei der Verurteilung nicht auch Zweifel gekommen wären. Aber es war so in Rom, das Spiel ging weiter, es ging voran, und man selbst trieb entweder mit oder wurde entzweigerissen im sinnlosen Bemühen, etwas ändern zu wollen, das nicht zu ändern war - vor allem nicht, wenn es um einen Mann ging, der einen solchen Ruf mitbrachte wie Finn Kylian, dessen Worte so eindringlich und erschreckend gewesen waren. Er musste verrückt sein, oder zumindest so hasserfüllt, dass er solche Worte hervorquetschen konnte, und beides war nicht gerade die beste Voraussetzung für ein friedliches Weiterleben in Coexistenz. Einige weitere Menschen schoben sich herein und füllten die unteren Ränge, einige hatten ein Fladenbrot dabei und kauten ihr Frühstück, andere schwatzten mit ihrem Nachbarn, Dritte wetteten, wenn man ihre Handbewegungen bedachte - ich blieb auf meiner kleinen Empore stehen und beobachtete die Menge schweigend, wie es einem Amtsträger zukam. Als sich im Rund eine der beiden Holztüren öffnete und zwei Männer der cohortes urbanae den Gefangenen hereinführten - es kam mir eher wie ein hereinschleifen vor - wurden die Anwesenden langsam aufmerksam für das Geschehen im Sandrund und starrten neugierig nach vorn.


    Auch ich blickte auf den Verurteilten, der zumindest ein wenig sauberer war als bei unserer letzten Begegnung, zu gut war es ihm allerdings im carcer nicht ergangen, man hatte sich nur darum gekümmert, dass er erkennbar war und aufrecht stehen konnte, für mehr reichte die zärtliche Fürsorge unserer Aufsichtsbehörten bei Menschen, die eigentlich schon tot waren, nicht. Ich atmete tief ein und ließ dem Mann noch einige Momente der Stille, in denen er vielleicht einen Blick für das Wetter haben würde, oder die Tatsache bedenken, dass er von seinem Tod nicht mehr allzu weit entfernt sein würde - begeistert sahen seine Bewacher nicht aus, und wenn sie ihn in Gefangenschaft schon kennengelernt hatten, war es nicht erstaunlich, dass sie bald froh sein würden, ihn loszuwerden. Da war er also, Finn Kylian, und mit ihm eine ganze Menge an namenlosen Römern, die auf seinen Tod warteten.

  • Es war schon seltsam, aus dem düsteren Carcer mit dem trüben Licht der Öllampen in die grelle Sonne der Arena gestoßen zu werden. Die Sonne, in dieser Stadt war sie so verdammt hell. Und das mitten im Winter!
    Sie lachte auf ihn hinab als würde sie ihn verhöhnen, unglaublicherweise störte ihn das mehr als das Gejohle der Menge, und das immer wieder in Finns Luftraum eindringende faule Gemüse. Soso, die Sonne war gekommen um seinen Tod auch gut genug auszuleuchten, welch Ehre.


    Mit der Öffnung der Türe und dem grellen Sonnenschein war auch der Wahnsinn in eine Ecke in Finns Geist geflohen, an dem die Sonne ihn niemals erreichen würde. Eben jene Ecke, die Finn zu dem gemacht hatte was er war: ein Mörder.
    Es hatte ihn schon im Stolz verletzt, dass die Römer sich wegen eines versuchten Mordes so aufspielten, aber die begangenen im Norden nicht einmal zur Kenntnis nahmen. Der Tod seiner Opfer würde bald ebenso vergessen sein wie der ihres Mörders, und das störte ihn nicht einmal. Die Göttin lief immernoch in Menschengestalt gefangen durch diese Welt, und würde erst zu ihrer Göttlichkeit gelangen wenn der Tod sie aus ihrem verwelktem Körper riss.


    Dann würde er sie wiedersehen, und sie würde ihm dafür danken.


    Sein Sinn kehrte in die Wirklichkeit zurück, und während der Wahnsinn aus seiner düsteren Ecke sich immernoch nicht ins Licht traute, machte ein seltsam klar denkender Finn ein paar Schritte in die Arena hinaus. Er sah sich um, immernoch verblüfft von der ungetrübten Schärfe seiner Sinne, die ihm früher so ein fulminantes Wirken ermöglicht hatten. Gerade jetzt...
    Er erblickte den Typen, der ihn mit dem kleinen Lustknaben und dem ranzigen Wächter in seiner Zelle besucht hatte, und winkte ihm grinsend zu. So sah man sich wieder.
    Die Kerle die ihn in diese Arena stießen machten sich sofort wieder aus dem Staub, und auch jene die ihn zu diesem Zirkus verurteilt hatten ließen noch auf sich warten. Na großartig.


    Er wartete darauf dass etwas geschah. Doch nichts geschah. Noch.
    Da seine Stimme sich in der Verkündigung verständlicher Botschaften in der nahen Vergangenheit als unfähig bewiesen hatte, schwieg Finn und machte seinen Überdruss dadurch bemerkbar indem er laut gähnte und sich zur Erheiterung des Publikums erst einmal genüsslich am Hintern kratzte.

  • Warum sagt man zu manchen Menschen "Du mieses Insekt"? Weil Insekten wie diese Menschen kein Rückgrat haben, sondern einen Außenpanzer - beim Menschen meist eines aus Dummheit und Selbstgefälligkeit.


    Ein, zwei Schritte hinter dem IIIvir capitalis steht, in offizieller Trauerkleidung herausgeputzt, geschwaschen, pomadisiert, geölt und parfümert ein solches Insekt. Wiederlich dürr wie eine Gottesanbeterin, stinkend wie ein Scarabäus, Scheiße umfliegend wie eine gemeine Stallfliege.


    Meine Damen und Herren! Patres conscripti, so Ihr Euch um Anwesenheit bequemt. Orbis terrarum, schaut her auf Cnaeus Flavius Lucanus, scriba personalis, Speichellecker und Hure des Schlächters von Rom, des tresvir capitalis, Caius Flavius Aquilus, Henker der Bermherzigkeit, Folterer der humanitas Romana!


    Mir ist speiübel und ich frage mich, seit ich aus dem Haus gegangen bin, was ich überhaupt mache. Und seit ich dieses Schlachthaus betreten habe, ob ich mich nicht von der Brüstung stürzen soll wie vom Tarpeischen Felsen, wie Cato sich einst ehrenvoll das Leben nahm, um es nicht an den Iulischen Tyrannen zu verkaufen.


    Ich fange an, die Menschen zu zählen, jedesmal, wenn ich mich verzähle, fange ich wieder von vorne an. Ich bin eigentlich nicht hier, ich liege in meinem heißen Bad in der villa Flavia - oder bin ich gar in Flaviobriga, alles hier ist nur ein Fiebertraum, ein Trugbild, das mir böse Kräfte senden? Oh Ihr Götter, wie kann ich mich reinigen, wie ich meine Unschuld wiedergewinnen, ich der ich zum Handlanger des Ekels wurde! Meine castitas, habe ich sie heute morgen verloren - nun unwiederbringlich gegen den Wahnsinn der Welt?

  • Nichts, absolut garnichts tat sich. Die Leute johlten, warteten, johlten wieder, und warteten noch länger. Vereinzelt waren Pfiffe zu hören..


    Finn fragte sich mittlerweile selbst, ob es so angedacht war dass er sich in der Arena selbst töten sollte. Seltsames Volk, diese Römer.


    Nachdem er sich nun zum fünfzehnten Mal genüsslich am Arsch und zum neunten Mal am Sack gekratzt hatte, entschloss sich Finn zu etwas mehr Unterhaltung für das Volk, schließlich war er dafür hier.


    So begann er mit langsamen Schritten einen recht seltsamen Tanz aufzuführen... sehr, sehr seltsamen Tanz.

  • 'Finn Kylian hält sich immernoch für witzig', denke ich unweigerlich nicht amüsiert. Aber vielleicht bekommt er auch nicht wirklich etwas mit, was durchaus für ihn zum Vorteil gereichen würde. "Zum Vorteil gereichen würde" - wo habe ich das denn aufgeschnappt? Ich stelle seit einiger Zeit einen besorgniserregenden Anstieg an Schwulst in meiner Sprache fest.


    Man hatte die Löwen auf eine Joghurt- und Salatdiät gesetzt und ich hatte gegen eine kleine Gefälligkeit für die Wärter durchgesetzt, daß den Weibchen die Jungen weggenommen werden, was diese zusätzlich zu der verordneten Schlankheitskur aggressiver macht. Hoffe ich. Außerdem sollte ein Bogenschütze den Verurteilten umgehend töten, falls es häßlich werden sollte, also die Tiere mit Teilen von Finn Kylian zu spielen beginnen sollten.


    Wenn man darüber schon nachdenkt - da sind sie schon, die Hauptdarsteller: hic sunt leones.

  • Gerade als Finn sich entschlossen hatte der Menge seinen blanken Arsch hinzuhalten, wurden die großen Tore geöffnet, und eine Meute von Vierbeinern kam herein die Finn noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
    Sahen fast so aus wie große Katzen, oder extrem behaarte Luchse.


    Wenige Sekunden blieb Finn einfach stehen und sah zu wie die Tiere sich langsam in die Arena begaben, und die Gegend schnuppernd und lauernd nach etwaigen Gefahren absuchten.
    Diese Tiere wussten ja nicht dass es heute mal gegen jemanden ging, der eigentlich leichtes Spiel sein sollte. Finn kraute seinen mittlerweile monströsen Bart, und überlegte was zu tun.


    Wollte er das hier überleben? Auf garkeinen Fall.


    Er hatte dem Wahnsinn in seinem Schädel schon lange den Krieg erklärt, und wusste dass er ihm nur entkommen könnte sobald er sich selbst nach Hel schickte, denn dorthin folgten einem bekanntermaßen nur die irdischen Geister, und das Tier was immernoch von der Sonne verschreckt in Finn schlummerte war definitiv NICHT irdisch.
    Er seufzte, alles hätte so gut gehen können. Ging es aber nicht.


    Finn sah sich um, die Menge verstummte und starrte gespannt zwischen ihm und den Tieren hin und her, und nicht wenige erwarteten wohl dass Finn sich die Blöße gab wegzulaufen.


    In einem letzten Moment der Klarheit in seinem Geist lockte Finn den Wahnsinn aus seiner Ecke hervor, nahm ihn bei der Hand und lächelte die hässliche Fratze an.


    Zeit zu gehen.


    Den Zuschauern bot sich in den folgenden Momenten ein seltsames Schauspiel. Mit halbwahnsinnigem Blick und schrillem Schrei rannte Finn auf die Tiere zu, und warf sich auf den erstbesten Löwen, der verdutzt vom unvorhergesehen Angriff erst einmal garnicht wusste was los war.
    Es entbrandte eine wilde Keilerei zwischen Mensch und Tier, in der Finn immer wieder versuchte in Beine und Hals des Löwen zu beißen, während dieser genau dasselbe bei Finn versuchte. Alles in allem ein für die Zuschauer sehr verwirrender Anblick, auch wenn die ersten Beifall klatschten und zu johlen begonnen.

  • Sim-Off:

    Sfz .. ich melde mich nicht deswegen übers Wochenende offiziell ab, dass ihr hier vorprescht und die Formalia mal eben wegfallen...aber gut, machen wir eben weiter *brummel* ;)


    Ich hatte bis zum letzten Moment ja irgendwie gehofft, der für diesen Fall zuständige praetor - Tiberius Durus - würde sich blicken lassen, immerhin hatte er das Urteil auch verbrochen, aber im Grunde war mir klar gewesen, dass er nicht auftauchen würde. Wenn man Mist baute, neigte man ab einem bestimmten Rang in der Politik eben dazu, andere den Dreck wegräumen zu lassen und in diesem Fall bestand das Dreck wegräumen leider daraus, dass ein Mann sein Leben wegen eines höchst zweifelhaften Urteils verlieren würde. Aber gut, so musste es eben ohne den Tiberier weitergehen, und ich suchte unter meinen Akten das Urteilspapier hervor, dessen Vollstreckung ich noch zu verkünden hatte. Allerdings waren da die Wärter deutlich schneller gewesen als ich - das nächste Mal würde ich eindeutig weniger Akten mitbringen, soviel hatte mich dieser Tag gelehrt - und hatten die Löwen in die Arena geführt beziehungsweise entlassen, und die ausgehungerten Tiere stürzten sich prompt auf das erste, nahrungsähnliche Objekt, das sie ausmachen konnten. Wenn also an einem Tag alles schief laufen konnte, dann lief es erfahrungsgemäß auch alles auf einmal schief, sodass ich jetzt gegen den Lärm aus dem Sandrund anbrüllen musste und mich schätzungsweise kein Zuschauer noch verstand.


    Nach einem leisen Räuspern verkündete ich also den Text des Urteils den nicht zuhörenden Menschen und kam mir dabei nicht nur unsäglich dämlich, sondern auch unsäglich unpassend vor.
    "MIT WIRKUNG VOM ANTE DIEM VIII ID FEB DCCCLVIII A.U.C.IM STRAFVERFAHREN DES IMPERIUM ROMANUM GEGEN FINN KYLIAN HAT DAS IUDICIUM IMPERIALIS DEN ANGEKLAGTEN FÜR SCHULDIG BEFUNDEN UND IHM NACH § 73, 47 I, 48 I, § 79, § 80 UND § 81 CODEX IURIS ZUM TODE AD BESTIAS VERURTEILT!" Eine kurze Pause einlegend, während meine Stimme schon allein wegen der Lautstärke ein leises Krächzen von sich gab, glitt mein Blick wieder hinunter in die Arena, wo sich der Verurteilte mit allen Mitteln gegen die Löwen zur Wehr setzte. Selbst die Bisse und Tritte, die er dem Tier zu versetzten versuchte, wirkten nicht verzweifelt, sondern eher willensstark, ein möglichst gutes Ende zu finden, wenn es denn nun so enden musste. War dieser Mann wirklich schuldig? Ich konnte es nicht sagen, aber dem Befehl von höherer Stelle musste gehorcht werden. "SO GEHE IN DEN TOD DURCH DEN WILLEN DES RÖMISCHEN VOLKES, VERTRETEN DURCH DEINE RICHTER!" Im Grunde eine bittere Verabschiedung, aber doch ein letztes Wort.


    Der Löwe, dem die Bisse des Mannes zwar schmerzten, aber noch nicht ernsthaft zu schaden begonnen hatten, reagierte instinktiv auf die unwillige Beute mit maximaler Kraft und maximaler Wucht. Er war hungrig und wollte endlich zu seiner Mahlzeit kommen. Bedachte man, dass Löwenmännchen im Allgemeinen nicht jagten, sondern die Arbeit den Weibchen überließen, während sie selbst für den Schutz des Rudels sorgten, so war dieses Löwenexemplar mit der buschigen Mähne richtig schlecht gelaunt - kein Essen, kein Weibchen zum Begatten und kein genügender Auslauf, all diese Frustration musste nun der Verurteilte ertragen, dem das Tier einen heftigen Prankenhieb versetzte, um ihn endlich zu Boden zu bringen. Heftiges Gebrüll röhrte durch die Arena und ließ die Menge aufjubeln, die in ihrer Sensationsgeilheit ein möglichst blutiges Ende Finns wohl noch zu begrüßen schien - dass er sich wehrte, war eher förderlich für den allgemeinen Wahn denn hinderlich.

  • Fiebrig schimmerten die blaugrünen Augen, die inmitten eines rundlich kindlichen Gesicht lagen und gebannt in die Arena starrten. Dido hatte ihre Hände um die Metallstreben der Brüstung vor sich geschlungen und hielt sich daran fest. Das irre Kreischen des Verurteilten fuhr ihr wohlig bis ins Mark und Bein, sie merkte gar nicht, dass sie selber leise vor sich hin lachte und ihre kleinen Kinderzähne zeigte als sich ihr Mund bei dem Lachen teilte und ihre Mundwinkel fast bis zum Ohr hinauf zogen. Schon der Tanz hatte Dido zum Lachen gebracht, der Gefangene war ganz nach ihrem Geschmack. Aber dennoch fieberte sie dem Augenblick entgegen, wo die Löwen über ihn her fielen und er sein Leben aushauchen musste. Oh, wie liebte Dido doch die blutigen Spiele, Hinrichtungen mochte sie besonders gerne, egal welcher Form sie von statten gingen. Mechanisch griff sie in die Schüssel, die einer der anderen flavischen Sklaven in der Hand hielt und steckte sich eine getrocknete Apfelscheibe in den Mund. Ohne die Augen von der schon blutbespritzten Arena zu nehmen.


    „Drei Sesterzen, dass der Kerl dem Löwen noch ein Ohr abbeißt? Wer hält dagegen?“, grunzte einer der flavischen Knechte. Es wurde dagegen gehalten. Eine der Mägde, die an den wuchtigen Arm des großen und dümmlich vor sich hin schauenden Kronos hängte, sah fragend nach unten. „Warum wurde er verurteilt?“, piepste sie und sah nicht minder begeistert wie der Rest der Sklaven um Dido nach unten. „Hast es doch gehört!“, erwiderte einer der älteren Sklaven. „Paraaagrafus 73, 47, 192, 22, 77, 43 und so weiter.“ - „Und was heißt das?“ Der ältere Sklave, einer der Gärtnergehilfen, zuckte mit der Schulter. „Woher soll' ich dat wissen, Mädel? Muss aber wat schlimmes sein!“ - „Vielleicht ist er ein entlaufener Sklave!“ - „Quatsch, die werden doch gekreuzigt!“ - „Es sei denn bei dem Herrn Aquilius!“ Kollektives und gehässiges Gelächter brandetet bei den Sklaven auf, sofort, während der Kampf noch andauerte, gingen die Spekulationen weiter. „Ein Möder vielleicht?“ - „Ich glaube, der hat einen Römer aufgefressen!“ - „Was ist mit der Vestalin? Vielleicht hat er...?“ Einige Köpfe nickten und die Sklaven sahen sich an. Ja, das klang sogar in Didos Ohren plausibel. Bei soooo vielen Paradingsbumsen, die dieser Mann wegen verurteilt wurde. Wahrscheinlich war das der gemeinste Verbrecher von allen. Die Sklaven unterbrachen ihre Spekulationen, warum der Mann dort unten sterben musste, und brüllten laut und feuerten enthusiastisch den Löwen an. Begeistert, weil schließlich der Schuldige ein Anderer war als sie selber.

  • Die Verkündigung des Urteils bekam Finn garnicht mehr mit, zu laut war das wütende Gebrüll des Löwen. Die anderen Tiere schienen immernoch etwas konsterniert darüber zu sein, dass das Opfer zum Angriff übergegangen war, denn bis auf den Löwen, der gerade hartnäckig nach Finns Arm schnappte, hatte sich noch keines der Tiere in Bewegung gesetzt.


    Schließlich gelang es dem Löwen doch noch Finn mit den Zähnen zu erwischen, und seine Zähne bohrten sich in Finn wie glühende Nägel, doch noch nahm Finn das nicht wahr, noch hatte er genug Adrenalin im Blut um sich zu wehren. Was er auch wütend tat.
    Während Finns linker Arm langsam aber sicher von den kräftigen Kiefern des Untiers zermalmt wurde, griff er in einer letzten Anstrengung ins Gesicht des Löwen und drückte ihm schließlich ein paar mit Sand und Blut verklebte Finger in die Augen.


    Was dazu führte dass das Monster von ihm abließ, und sich im Sand wälzte, und verzweifelt mit den Pfoten über die verletzten Lider strich, um den nichtmehr vorhandenen Eindringlich wegzufegen.


    Finns Triumph zählte nur Sekunden, die anderen Tiere sahen ihre Chance gekommen und warfen sich von allen Seiten auf den blutenden und keuchenden Kelten, und binnen weniger Augenblicke ward das Werk getan, was der Leitlöwe nicht zu vollbringen vermochte. Daran sich weiter zu wehren war nicht zu denken, Finns durch Folter und Carcerhaft strapazierte Kräfte verließen mit jedem Tropfen Blut seinen Körper, und bevor es Finn entgültig dahinraffte, bäumte er sich ein letztes Mal auf um einem seiner Angreifer mit den letzten Kraftreserven noch kräftig eins auf die Nase zu geben.


    Finns letzte Worte waren von den Rängen natürlich nicht zu hören, hätten die Löwen sie verstanden, hätten sie sich wahrscheinlich gefragt welche Göttin der Mann meinte, dessen Glieder sie gerade zerrissen.


    Seine letzten Gedanken waren jedoch freier als sie es Leben jemals gewesen waren. Der Wahnsinn verließ ihn, endgültig, um sich in der Welt der Lebenden ein neues Opfer zu suchen, und der Mensch namens Finn Kylian ging hin, unbefangen und in Erwartung einer Welt in der es vielleicht sogar einen Platz für ihn gab.

  • Sim-Off:

    Verzeihung. Die Miete für die location hier ist einfach zu hoch, da mußten wir an Drehtagen sparen.


    Lieber ein Ende mit Schrecken, als einen Schrecken ohne Ende. Den Bogenschützen brauchen wir jedenfalls nicht mehr. Ich schließe die Augen, als Jäger und Beute zum erstenmal aufeinandertreffen. Bitte, macht es schnell und stümpert nicht.

  • Je länger das widerwärtige Schauspiel dauerte, desto unruhiger wurde ich innerlich. Sollte ich nicht doch lieber dem Bogenschützen Bescheid geben, der sich um eine schnelle Lösung des Problems Finn Kylian bemühen würde? Aber Mann und Löwe waren so sehr ineinander verkeilt, dass es unmöglich war, in Ruhe zu zielen und man hatte mir sehr deutlich gemacht, dass der Löwe später noch gebraucht wurde und er möglichst unbeschädigt aus der Sache hervorgehen sollte - und der Verurteilte wehrte sich nach Kräften, um es dem Löwen nicht zu leicht zu machen. Ich hasste die Arena, das Gebrüll der Massen, dieses blutgeifernde Wesen des römischen Volkes, welches mir meine Mitmenschen viel mehr als Tiere erscheinen ließ denn die Wesen, die unten im Sand mit dem zum Tode verurteilten Mann kämpften, denn ihre Blutgier war künstlich angestachelt worden, die Blutgier des Menschen allerdings lag in dessen Seele. Als der Löwe jaulend zurückwich und die anderen Tiere die Gelegenheit kommen sahen, sich über den geschwächten Mann herzumachen, zuckte ich unwillkürlich zusammen, denn nicht nur mir, sondern auch der johlenden Menge war klar, dass es hier nun auf das Ende zuging.


    Es schien mir fast, als könnte ich die Knochen knacken hören, als einer der Löwen auf das rechte Bein des Finn Kylian biss, und ab da musste man davon ausgehen, dass er tot war, denn er schrie nicht, und sein Körper verschwand alsbald unter den sehnigen Leibern der Raubkatzen, während nur einige Schlieren dunkles Blut im Sand davon kündeten, dass hier ein Körper herumgeschleift wurde. Wie die brüllende und pfeifende Menge durch ihre schiere Lärmgewalt nutzten die Löwen in der Arena durch ihre physische Kraft jede gebotene Nische, um sich aus den Fesseln ihrer Existenz wenigstens für einige Augenblicke zu befreien - ein Arm des leblosen Körpers, der heute morgen noch ein Mensch gewesen war, ragte für einige Momente lang aus dem Löwenknäul hervor, dann kamen die Wärter endlich mit Spießen, um die Tiere voran zu treiben, deren blutige Schnauzen entsetzlich trieften. Was von Finn Kylian übrig geblieben war, wurde mit einer Decke bedeckt und zur Seite geschleppt, um später verbrannt zu werden, wie es üblich war - die Asche dieses Mannes würde niemand einfordern, er ging alleine ohne die Hilfe seiner Ahnen in die Unterwelt.


    Dann endlich konnte ich beiseite treten und Platz für einen meiner Amtskollegen machen, der weitere Urteile verlesen und weiteren Menschen den Tod bringen würde. Langsam wandte ich mich um, das Gesicht zur Maske erstarrt, um zum ersten Mal bewusst die Anwesenheit meines Neffen wahrzunehmen, der bleich wie eine Statue hinter mir gestanden hatte. "Komm, Lucanus, gehen wir nach Hause und trinken was," sagte ich mit brüchiger Stimme, mich mühsam zusammen nehmend. Mir war nach einem veritablen Vollrausch, nach einem Eimer, in den ich meinen ganzen Abscheu vor der blutgierigen Masse auskotzen konnte, nach einfach einem anderen Leben.

  • "Du meinst, wir können gehen?" Oh! Nicht, daß ich auch nur ein Satzzeichen dagegensetzen würde, geschweige denn, ein Wörtchen. Onkel Aquilius schaut nicht gut aus. Geschieht ihm recht. Kommt davon, wenn man meint, Dienst nach Vorschrift sei eine Tugend ... ich möchte dem Chronisten, also dem Typ, der die ganze Zeit neben mir herschlurft und mit gekrümmtem Rücken Papyrus um Papyrus mitschreibt, was ich denke, sage, esse, trinke, fühle - doch verraten, daß mein Verhältnis zu meinem Onkel eine leichte, völlig wetterunabhängige Abkühlung erfahren hat. Tolle! Scribe! Verkünde der Nachwelt, wie's um mein Verhältnis zu meinem Oheim momentan steht! (Ein wenig Klatsch hilft immer über die langweiligen Sekunden meines Lebens hinweg ...)

  • "Ja, wir haben hier alles getan, was zu tun war. Überlassen wir die gierige Menge ihrem Blutrausch, zuhause gibt es wenigstens einen Falerner, der die Kopfschmerzen am nächsten Morgen rechtfertigt," gab ich ihm zurück und wandte mich ab, mit einer Hand die Falten der toga glatt ziehend, die gar nicht in Unordnung gewesen waren. Dennoch, das vage Bedürfnis, mich irgendwo festzuhalten, blieb, und ich konnte es auch bei dem Rückweg durch das Innere der dem amphitheatrum angeschlossenen Gebäude nicht abschütteln ... ein kurzer Blick meinerseits ging zu Lucanus, mich vergewissernd, dass er wirklich mitkam. Auch mein Neffe wirkte mitgenommen und auf eine neuartige Weise etwas distanziert, aber ich schrieb dies dem Geschehen zu und nichts sonst, während wir den Ort des Massakers verließen und der villa Flavia zustrebten, zudem einem guten Becher Wein.

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