Eröffnungssitzung der neuen Pyrtanie

  • Nikolaos hatte das Koinon kurze Zeit nach der Wahl zusammengerufen. Es gab, vor allem von seiner Seite, einiges zu besprechen. Zuerst jedoch würde er eine süßliche, verlogene Rede halten.
    "Verehrte Pyrtanen! Das Volk Alexandrias uns Vertrauen entgegengebracht, nicht geschenkt, und uns zu seinen Dienern ernannt. Dieses Vertrauen wollen wir nicht enttäuschen. Ich hoffe, und bin mir darin sehr sicher, auf eine Pyrtanie, in der statt Zwietracht gute Zusammenarbeit zum Wohl der Polis Alexandria die Arbeit der Archonten bestimmt. Heute kommt das Koinon zum ersten Mal in dieser Pyrtanie zusammen, und ich möchte euch alle, verehrte Pyrtanen, dazu begrüßen. Bevor wir uns neuen, wichtigen Aufgaben widmen und Anträgen, und von diesen werde ich im Anschluss einige durchaus dringende einbringen, müssen wir uns um einige Dinge bezüglich Ordnung innerhalb der Pyrtanenschaft kümmern. Das Erste ist die Wahl des neuen Archipyrtanen. Seit Anbeginn der Dauer der Polis ist es Sitte, dass dieses Amt der Exegetes ausfüllt. Hat jemand von euch etwas dagegen vorzubringen?"

  • Das Koinon hatte sich versammelt und als frisch gewählter Agoranomos war natürlich auch Mithridates anwesend. Das recht forsche Auftreten des ehemaligen Strategos und neuen Exegetes, der offensichtlich seine Kompetenzen einigermaßen offensiv in Anspruch zu nehmen gedachte, störte ihn nicht. Ob nun Nikolaos oder einer der anderen höheren Beamten die Position des Archiprytanen besetzte, war ihm momentan gleichgültig.
    "Keinen Einwand von meiner Seite!" meldete er sich demzufolge nur knapp zu Wort.

  • "Gut.", sagte Nikolaos. "Möchte noch jemand etwas dazu sagen? Oder können wir diesen Punkt abschließen? Das nächste Thema wären die Spiele zu Ehren des Apollons. Der Eparchos der Rhomäer hat sich dazu bereit erklärt, tausend Drachmen an den Kosten zu übernehmen. Etwa tausend weitere Drachmen wären nötig. Ich möchte euch nun bitten, zu bewilligen, dass dieser Betrag aus der Stadtkasse gedeckt wird. Gibt es dagegen irgendwelche Einwände?" Nikolaos hatte es eilig, voranzukommen mit der Tagesordnung. Schließlich stand auch noch ein Antrittsbesuch beim Eparchos an. Daher wollte er nicht die ganzen Morgenstunden damit verbringen, auf Einwände seiner Kollegen zu warten. "Aus diesem Betrag werden sowohl Speisen für die Besucher bezahlt als auch Teile der Opfergaben.", fügte er hinzu. Fragend sah er in die Runde.

  • M.C. schüttelte nur leicht den Kopf, um seine Zustimmung zu dem Vorschlag des Nikolaos zu signalisieren. Wenn sich schon der Eparchos als so großzügig erwies, musste die Polis natürlich einen ebenso angemessenen Beitrag leisten. Diese spöttische Bemerkung verkniff er sich aber. Immerhin schien der Exegetes recht gut mit der römischen Verwaltung in Alexandria auszukommen, was Mithridates selbst erfahrungsgemäß schwer fiel.

  • Das Kopfschütteln des neugewählten Agoranomos hatte Nikolaos nicht bemerkt, beinahe absichtlich, denn Nikolaos hatte für halblauten oder lautlosen Protest kein Gehör. Wer dagegen war, sollte es sagen. Die anderen Pyrtanen schwiegen beharrlich, beinahe kam es Nikolaos wie eine verdeckte Ablehnung seines Vorschlags vor. Doch da auch nach einiger Zeit niemand sich dagegen aussprach, beschloss Nikolaos, dass die Sache erledigt war.
    "Also gut. Dann werde ich entsprechende Waren mit dem Geld einkaufen lassen." Im Gegensatz zum letzten Pyraneion, in dem er oft lange Diskussionen auch und vor allem mit seinen Bündnispartnern erlebt hatte, war dieses ein eher lahmer Haufen. Einerseits war das für seine Zwecke vorteilhaft, andererseits verunsicherte ihn das dauernde Schweigen etwas. "Ich werde außerdem einen Aushang machen, der die Beschlüsse beeinhaltet. Möchte noch jemand etwas einbringen in diese Sitzung?"

  • Der Exegetes hatte das Kopfschütteln, mit dem Mithridates auf die Frage nach weiteren Einwänden antworten wollte, anscheinend richtig verstanden. Zumindest nahm der kleingewachsene Mann das an, da Nikolaos ungebremst mit seinem Vortrag fortfuhr. Als jener zum Ende kam, meldete er sich nochmals zu Wort:
    "Natürlich sind wir – ich denke, ich spreche hierbei für alle Anwesenden – davon überzeugt, dass er sich bei seinen Einkäufen an das festgesetzte Budget halten und eine korrekte Auflistung der Ausgaben dem Koinon vorlegen wird. Wir müssten es ja alle bedauern, wenn ein geschätztes Mitglied dieser Versammlung dem Verdacht der Unterschlagung öffentlicher Gelder ausgesetzt werden würde", so der Agoranomos, während er an Nikolaos vorbeiblickte, scheinbar mit einer imaginären Person sprechend.
    Wofür Nikolaos das bewilligte Geld im Speziellen verwenden wollte, interessierte Mithridates nicht wirklich. Solange nur niemand von ihm erwartete, einen persönlichen Beitrag für die Finanzierung der Veranstaltung zu leisten, sollten die Politen ruhig mit Festen und Spielen bei Laune gehalten werden.


    "Eine Bemerkung gäbe es noch." Sein Blick blieb nun auf Nikolaos haften. "Ich möchte nur sichergehen, dass wir uns darin einig sind, bei Geprächen einzelner Prytanen mit Mitgliedern der römischen Verwaltung zwischen privaten und dienstlichen Anliegen zu unterscheiden."
    Da Mithridates von dem guten Verhältnis zwischen Exergetes und Eparch wusste, wollte er Geheimabsprachen hinter dem Rücken des Koinon unbedingt verhindern.

  • "Sobald das Geld ausgegeben ist, werde ich eine solche Auflistung dem Koinon vorlegen.", antwortete Nikolaos rasch. Mithridates Castor schien ihm den Vorwurf machen zu wollen, Nikolaos hätte gerade die Unterschlagung im Sinn mit dem Geld. Dieser Agoranomos wurde Nikolaos zunehmend unangenehm. Ich hätte gegen ihn stimmen sollen, dachte er. Die Krateiden und Nearchäer hielten wenigstens den Mund (wenn auch zugekniffen, was Verachtung und Missgunst deutlich ausdrückte) und beschränkten sich darauf, sich gegenseitig zu zerfleischen. Dieser andros neos* jedoch wagte es, dem verdienten ehemaligen Stadtstrategen und jetzigen Leiter der Versammlungen der Pyrtanen derart despektierlich zu behandeln. Nikolaos beschloss, diesem Mann irgendwie eine Falle zu stellen. Er musste ihn loswerden, so schnell wie möglich. Auf die Schlussbemerkung des Agoranomos hin hätte Nikolaos beinahe etwas von sich gegeben, das ungefähr die Mischung aus einem verächtlichen Schnauben und einem echten Lachen gewesen wäre, hätte er sich nicht zurückgehalten. Nikolaos fragte sich, wie solche Gerüchte, die möglicherweise Auslöser für diese Bemerkung gewesen sein könnten, zustandegekommen seien. Worauf wollte der kleine, etwas unförmige, beinahe koboldhafte Mann mit dem parthischen Namen hinaus? Gab es ein Gerücht, Nikolaos würde mit der Frau des Eparchos schlafen? Oder mit dem Eparchos selbst? Oder mit dem arroganten Ioridikolos? Beinahe war Nikolaos erheitert von dieser Vorstellung , doch auf der anderen Seite ärgerte er sich über die Unverschämtheit, mit der der Agoranomos ihn behandelte. "Ich denke, dies dürfte so selbstverständlich sein, dass sich jede Bemerkung darüber erübrigt.", entgegnete er kühl.


    *ungefähre Übersetzung von homo novus

  • "Ausgezeichnet!" antwortete er mit einem Lächeln, das man freundlich hätte nennen können, wenn es nur nicht so falsch gewesen wäre. "Dann sind wir also fertig für heute? Oder hat der ehrenwerte, hochgeschätzte, fehlerfreie und allseits beliebte Exegetes weitere Dinge zu besprechen?"
    Nicht dass es Mithridates Spaß machte, Nikolaos Kerykes unnötig zu provozieren, aber da die übrigen Prytanen sich gegenseitig zu neutralisieren versuchten oder teilweise nicht einmal ihre eigene Anwesenheit im Koinon für notwendig erachteten, schien es ihm geboten, ein wenig gegen den neuen Archipyrtanen zu opponieren.

  • Die sehr schwerfällige und dumpfe Bemerkung des Agoranomos, die offenbar sarkastisch sein sollte, quittierte Nikolaos mit einem süßlichen Lächeln. Hephaistos, dachte Nikolaos und musste leise lachen.
    Sein Lächeln wurde eisiger. "Dann möchte ich diese Sitzung für beendet erklären, sollte es keine Punkte mehr geben, die zu besprechen wären."

  • Cleonymus war der Sitzung bisher still gefolgt und hatte erst richtig zuzuhören begonnen als einer seiner Bündnispartner, in diesem Falle Nikolaos, Ziel eines plumpen Versuchs der Anschwärzung wurde. Mit einem Blick schätzte Cleonymus den neuen Agoranomos ein und befand ihn für etwas zu waghalsig für seine kurze Zeit im Amt, doch vielleicht verfügte dieser ja selbst über einigen Rückhalt bei den anderen Anwesenden. Der nächste Blick galt Nikolaos, Cleonymus versuchte dessen Blick einzufangen und ihm so einen Wink oder gar eine Deutung zu entlocken, welcher er folge leisten könnte und selbstverständlich auch würde solange sie nur dem einen Ziel diente. Den schließlich heiligte das Ziel grundsätzlich alle Mittel in der Welt des Cleonymus ...

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