[Palatinus Mons] Larentalia

  • Bereits in aller Frühe versammelten sich am Fuße des Palatins, am Velabrum, einige Pontifices unter Führung des Flamen Quirinalis. Sie alle trugen trotz der herrschenden Saturnalien die Toga Praetexta, die sie kennzeichnete. Unter ihnen befand sich Durus, der vom gestrigen Abend in gemütlicher Runde leichte Kopfschmerzen hatte. Glücklicherweise war die Hauptaktivität dem Flamen überlassen, der sich vor dem foculus aufbaute, um das Opfer zu beginnen. Diesmal vor kleinem Publikum, denn nicht wenige feierten den letzten freien Tag vor der alltäglichen Arbeit mit einem Rausch vom Vorabend.

  • Der Flamen Quirinalis, ein älterer, aber immer noch agiler Mann, betrachtete schweigend den foculus, der das Voropfer aufnehmen würde. Nach einer ganzen Weile blickte er nach rechts und ließ sich Weihrauch reichen. Langsam ließ er ihn auf die glühenden Kohlen fallen, sodass er unter einem zischenden Geräusch in die Lüfte ging. Es folgte ein kurzes Gebet, dann kam der Wein an die Reihe. Vorsichtig nahm der Flamen die patera entgegen, dann goss er den sicherlich sehr teuren Wein (wenn ihn kein minister gegen etwas minderwertigeren ausgetauscht und den guten für seine Saturnalien-Feier verwendet hatte) in die Glut.


    "Acca Larentia, durch diesen Wein mögest Du geehrt werden!"


    Nun folgte die precatio, mit der das Hauptopfer eingeleitet wurde. Mit geöffneten Handflächen begann er laut zu beten.


    "Acca Larentia, weil es recht ist, an Deiner ewigen Heimstätte für dieses Fest zu opfern, mögest Du geehrt werden durch dieses Festopfer!"


    Endlich zerrte ein minister eine Ziege herbei. Als traditionelles Opfer für die Toten hatten die Urväter auch hier auf den bewährten Vierbeiner zurückgegriffen. So gingen die rituellen Vorbereitungen vor sich:
    Zuerst stand die Entkleidung an, die der Flamen selbst vollführte, ebenso wie er das Opfer einmal umging und mit Wein und mola salsa besprengte. Die Ziege ließ dies nicht ganz freiwillig über sich ergehen, sodass der minister die Leine festhalten musste.


    Doch es gab kein Entrinnen. Kaum hatte der minister mit einem "Agone?" um eine Vollstreckung gebeten, da antwortete der Flamen nur


    "Age!"


    und die Kehle des Tieres wurde geöffnet. Blut schoss hervor und nur ein zweiter Opferdiener konnte dafür sorgen, dass nicht alles auf den Boden, sondern in eine Schüssel ging, sodass es später für Acca Larenta verbrannt werden konnte. Während die Ziege nun verblutete, zuckte sie mehrmals. Doch unerbittlich beendete der Flamen das Opfer mit den Worten


    "Acca Larentia, mögest du durch dieses Festopfer geehrt werden, mögest du geehrt werden durch den vorherigen Wein."


    Dann wandte er sich nach rechts und beendete das Gebet und das Opfer auch mit dem ganzen Körper.




  • Durus verfolgte schweigend die Opferhandlung. Ihm kam die ehrenvolle Aufgabe zu, diesem Opfer nur als Zeuge beizuwohnen. Währenddessen schwirrten seine Gedanken um Selbstmitleid ob seines schweren Kopfes und Selbsthass ob seines zügellosen Weingenusses.


    Doch endlich kam die Sache zu einem Ende und Durus' Bett in greifbare Reichweite...

  • Ebenso wie die Pontifices hatte der Haruspex die Opferung schweigend verfolgt und auf seinen Einsatz gewartet. Da er aber ein sehr maßvoller Mensch war, hatte er die Saturnalien eher gesittet begonnen und höchstens ein paar kleinere Würfelspiele gespielt.


    Kaum war die Ziege ausgeblutet, kamen Opfermetzger herbei und begannen, das Tier aufzuschneiden. Zuerst entnahmen sie die Leber, dann die übrigen inneren Organe und legten sie in eine Schale mit Wasser - so wurden die Innereien ein wenig gesäubert und der Haruspex hatte leichteres Spiel.


    Kaum hatte dieser dann die Schüssel erhalten, begann er sorgsam, die Organe zu drehen und zu wenden. Besonders der Leber maß er dabei große Bedeutung zu, obwohl auch das Herz hohe Beachtung fand.


    Was würden die Götter von diesem Opfer halten?




  • Da die Larentalia am letzten Tage der Saturnalienfeiertage stattfanden, war das dumpfe Pochen in Gracchus' Kopf, welches sich am zweiten und dritten Tage der Saturnalien dort hatte eingenistet - es hatte in ihm den Anschein erweckt, als hätten sich die beiden Sodalitäten der Salii in seinem Schädel versammelt, ihre Stampftänze darin zu proben - langsam wieder verklungen und einer leichten Ungeduld gewichen, mit welcher er das Ende der Feiertage herbeisehnte, auf dass endlich das Leben wieder konnte seinen gewohnten Bahnen folgen. Die Aufgaben der Pontifices indes taten eben dies bereits - ihren gewohnten Bahnen, im Genauen den Daten des Kalenders folgen. Auch Gracchus war einigermaßen erleichtert, dass für die Pontifices an diesem Tag die Anwesenheit und die Partizipation am Opfer einzige Pflicht war, den Ritus selbst der Flamen Quirinalis durchführte, dennoch betrachtete er die Regungen auf dem Gesicht des Haruspex nach der Schlachtung äußerst akribisch, immerhin war dies das letzte Opfer des Jahreskreislaufes.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Auch der Flamen Quirinalis wartete ungeduldig darauf, dass sich beim Haruspex etwas tat. Vermutlich war es diesmal ein besonders akribischer Eingeweideschauer, denn die Zeit, bis er den Kopf hob, verging furchtbar langsam. Dann jedoch ging alles ziemlich schnell.


    Der Blick, den der Haruspex dem Flamen zuwarf, war kaum angekommen, schon verkündete der Priester des Quirinus


    "Litatio!"


    In der Zwischenzeit hatten die Opferdiener die Ziege schon fast vollständig zerlegt, sodass die Pontifices entspannt zusammenkommen konnten. Unterdessen nahm der Flamen seine Toga vom Kopf.


    In Kürze würde dann das Opfermahl stattfinden. Zwar hätte ein Schweinebraten sicher besser geschmeckt, aber den Ahnen schmeckte Ziege wohl besser. Daher war nicht nur Acca Larentia, sondern auch die Priester mit dem Ergebnis des Tages zufrieden.




  • Um die Larentalia kümmerte sich der Consul nur im Vorfeld, indem er eine Rücksprache mit einem der Pontifices hielt. Der versicherte ihm, dass - wie jedes Jahr - der Larenta ein Opfer durch die Pontifices und unter der Führung des Flamen Quirinalis dargebracht wurde. Um den Festakt zu Ehren der Acca Larentia musste sich Menecrates also in keiner Weise kümmern, was ihn entlastete. Sein Vorhaben, sich um alle Opferungen und Festakte zu kümmern, erforderte doch mehr Zeit als er im Vorfeld dachte.
    Und noch etwas brachte die ungewöhnlich häufige Teilnahme an Opferungen mit sich: Er begann, sich darüber Gedanken zu machen, warum Göttern lebende Opfergaben wünschten und nicht mit leblosen Gaben zufrieden zu stellen waren. Er fragte sich, woher die Menschen überhaupt wussten, was Götter wünschten. Traditionen bedeuteten Menecrates viel, doch diese blutigen Opferungen begannen, ihm weniger gut zu gefallen. Zu oft hatte er in der letzten Zeit in brechende Augen geschaut, zu oft hilfloses Röcheln gehört und zu häufig hoffnungslose Abwehrversuche gesehen. Gleichmut bei den Opfertieren erlebte er nur dann, wenn diese völlig unter Drogen standen. Sobald ein Funke Bewusstsein glomm, drückten diese Tiere nichts anderes als Menschen aus, die am Abgrund standen: Sie wollten auch nichts anderes als leben.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!