Ludus Illustris Victoris | Gladiatorenschule nahe des Kolosseums


  • Am Ende einer schmalen Seitenstraße, ganz in der Nähe des Amphitheatrum Flavium, liegt diese kleine aber feine private Gladiatorenschule. Eine hohe Mauer, oben mit eisernen Spitzen versehen, schirmt sie von der Außenwelt ab. Auf dieser Mauer prangt in großen Lettern stolz die Inschrift mit dem Namen der Schule, außerdem ist sie mit einer Vielzahl von Graffiti beschmiert, die Fans der Gladiatoren dort hinterlassen haben, begeisterte Huldigungen ebenso wie unmoralische Angebote und obszöne Kritzeleien.
    Gegenüber liegt ein kleiner Laden wo die passenden Souvenirs verkauft werden, z. B. Öllampen, Messer oder kleine Taschenspiegel mit den Konterfeis der Helden der Arena. Auch Statuetten, Portrait-Täfelchen mit Autogramm oder Geschirr, bemalt mit Szenen aus berühmten Kämpfen, kann man dort erwerben.
    Die schwere Gittertüre, die ins Innere der Gladiatorenschule führt, wird meist von Antaeus bewacht, einem narbigen Koloss von einem Gladiator, der ein gutes Geschäft damit macht, eingefleischte Anhänger der Kämpfer gegen eine kleine Gebühr beim Training ihrer Helden zusehen zu lassen.


    Hinter der Mauer schließt sich der große Innenhof der Schule an, in dem sich eine ovale Arena befindet. Sie ist mit feinem weißen Sand bestreut und von hohen Stufen umgeben. Hier wird trainiert, und hier finden hin und wieder auch kleinere Gladiatorenspiele in privatem Rahmen statt.
    Langgestreckte Gebäude, schmucklos und weiß verputzt, umgeben zu drei Seiten den Innenhof. Im oberen Stockwerk befinden sich die Zellen der Gladiatoren, karge, fensterlose Räume mit je zwei Pritschen. Unzuverlässige Insassen verbringen ihre Nächte dort angekettet. Die Räume der Aufseher, Fechtlehrer und sonstigen Angestellten sind da ein wenig großzügiger gestaltet.
    Im Erdgeschoss liegen die Küche, Speise-, Kraft - und Massageräume. Außerdem die Wohnung des Lanista, eine kleine Waffenschmiede, die Stube des Gladiatorenarztes und Käfige für die Tiere. Die Rüst - und die Waffenkammer - die immer gut abgeschlossen ist - findet man im Keller, und ebenso die Leichenkammer.
    An der Schmalseite der Arena ragt eine hohe Säule empor, gekrönt von einer ausdrucksstarken Bronzestatue der Victoria. Sie fällt dem Eintretenden zuerst ins Auge und scheint ihm, mit ausgebreiteten Flügeln und wehendem Gewande, über die Arena hinweg förmlich entgegenzustürmen.


    Der Lanista verehrt diese Göttin sehr. Unter dem Namen Victor hat dieser Mann, ein großgewachsener Libyer, seinerzeit in der Arena als Retiarius eine beachtliche Anzahl von Siegen errungen. Anders als viele seiner Kollegen ist ihm später dann rechtzeitig der Absprung gelungen. Mit den Preisgeldern hat er seine eigene Gladiatorenschule gegründet, und diese auf die Ausbildung weniger, hochklassiger Gladiatoren spezialisiert. In den letzten Jahren hatte er ein glückliches Händchen dafür. Mehrere "Stars" sind aus seiner Schule hervorgegangen, beispielsweise der Retiarius Polyneikes, Fortis der Traex, oder die exotische Amazone Achilleia. Außerdem verleiht er seine Gladiatoren immer mal wieder an gutzahlende Kunden, die eine schlagkräftige Eskorte benötigen. Dazu kommen noch die Privatveranstaltungen und, nicht zu vergessen, der Verkauf der Souvernirs. Alles in allem macht Victor einen gewaltigen Reibach, den er auch sehr gerne zur Schau stellt. Seine Schule führt er streng und mit all der gnadenlosen Härte, die in diesem Geschäft erwartet wird.

  • Die Spiele waren nie mein Fall gewesen, sie würden es wohl nie werden. Auch wenn es hier gute Kämpfer gab, die sich gegenseitig einen harten Kampf lieferten, gefiel mir doch der Gedanke nicht daran, dass die meisten von ihnen diesen Weg nicht freiwillig gewählt hatten. Ein Soldat, der sich verpflichtete und länger verpflichtete, wenn die erste Dienstzeit abgelaufen war, konnte sich selbst aussuchen, was er tat, wohin er ging, dass er überhaupt dieses Leben führte. Aber ein Gladiator war doch zumeist ein Sklave, dem man eine Waffe in die Hand gedrückt hatte, damit er immer und immer wieder sein Leben zur Belustigung der Menge verteidigen musste. Irgendwann vielleicht würde er dadurch freikommen, aber sicher war dieser Weg keineswegs. Und mit der ehrlichen, offenen Feldschlacht, die Mars bevorzugte, hatte das nicht das Geringste zu tun. Für die kämpferische Ausbildung allerdings, die mein Sklave dringend nötig hatte, allein, um sich einmal den ganzen Ärger über sein Dasein abzutrainieren, kam mir die Möglichkeit, ihn in einer Gladiatorenschule kämpfen zu lassen, gerade recht.


    Und so hatte ich mir in meiner Mittagspause die Zeit genommen, die Fortschritte Severus' selbst zu beobachten, zwei Wochen waren nun seit seinem ersten Kampftag ins Land gegangen und ich war gespannt darauf, ob ihm dies bisher schon das ein oder andere gebracht hatte. Der lanista dieser Schule war ein altgedienter Gladiator und ein kluger Mann, ich hatte ein konstruktives Gespräch mit ihm geführt, als ich ihm mein Problem geschildert hatte - und die Summe Sesterzen, die für die Ausbildung meines Sklaven den Besitzer gewechselt hatte, mochte ihr Übriges dazu getan haben, ihm ein gutes Training angedeihen zu lassen. Mühevoll hatte ich vor der Arena den Laufburschen des geschäftstüchtigen Souvenirladens loswerden müssen, der darauf bestanden hatte, mir irgendwelchen Kram anzudrehen, der sich mit den Kämpfen beschäftigte - als ich ihm klargemacht hatte, dass ich weder das Gesicht irgendeines Kämpfers über mein Bett hängen noch Bilder von Kampfszenen als "Entspannungsvorlagen" benutzen wollte, konnte ich endlich die Gladiatorenschule betreten.


    Antaeus, der als eine Art Wachhund und Weibchenabschrecker fungierte, führte mich bereitwillig in das Innere des Gebäudes - Sesterzen öffneten eben immer Tür und Tor - bis ich auf der Empore stand, die für private Spielebesucher gedacht war. Von dort hatte man einen ausgezeichneten Blick auf das Sandoval der Arena und ich blickte eine Weile konzentriert hinab, ob ich die Gestalt meines Sklaven unter den dort trainierenden Kämpfern ausmachen konnte.

  • Seit zwei Wochen trainierte der Germane jetzt mit den Gladiatoren. Es tat ihm gut! Zwar war er abends todmüde, zerschlagen und erschöpft, zwar fand er, dass die Römer es mit dem Drill eindeutig übertrieben, doch trotzdem war er heilfroh über die Entscheidung seines Herren ihn in diese Schule zu schicken. Endlich kam er mal raus aus der Villa, endlich konnte er das tun, wozu er bestimmt war und worin er gut war - kämpfen!
    Und endlich kam er mal unter normale Leute. Die Sklaven in der Villa Flavia hatten doch allesamt einen Knacks. Oder jedenfalls die meisten. Hier dagegen gab es zwar genauso Streitigkeiten und Rangordnungskämpfe, aber die wurden meist - ganz vernünftig eben - mit den Fäusten ausgetragen. Und als "Externer" stand er sowieso ein wenig außerhalb der Rivalitäten. Unglaublich angenehm war das, mal wieder unter Männern zu sein, die ähnlich dachten wie er, nicht verdreht und um drei Ecken herum. Unter Kriegern eben.
    Dass diese Leute hier kämpferisch was draufhatten, und nichts mit den verweichlichten Stadtrömern gemein hatten, das hatte er zu Anfang schnell und schmerzhaft gelernt. Was sie ihm beibringen konnten, das würde er lernen, hatte er daraufhin beschlossen. Er trainierte eifrig und biss die Zähne zusammen wenn die Ausbilder mal wieder, oft bei nichtigen Anlässen, vom Stock Gebrauch machten.


    Die lange Haft hatte ihn natürlich geschwächt, und wenn er sich sehr anstrengte schmerzte oft noch das Atmen, da unter der Gladiusnarbe in der Flanke, wo der Neiding Flavius Aristides ihn beinahe abgestochen hatte. Aber es war zu verkraften, seine Stärke kehrte Stück für Stück zurück, und seine Glieder gewannen wieder die geschmeidige Wendigkeit, die einem chattischen Krieger anstand. Dazu verfügte er über die Zähigkeit und den Instinkt, die in dem erwachsen, der von klein auf zu kämpfen und sich in rauher Umgebung seiner Haut zu erwehren lernt. Kämpfe und Scharmützel gegen Hermunduren und Römer hatte er in seiner Heimat schon so einige bestanden, und so fiel es ihm nicht schwer, unter den Gladiatoren akzeptiert zu werden. Jeder hier trug einen martialischen Namen. Ihn nannten sie, halb spöttisch, halb anerkennend, die "Blonde Bestie".
    Der Name gefiel ihm. Tatsächlich war seine Weise zu kämpfen urtümlich und bestialisch, erinnerte im Vergleich zu dem hier praktizierten, auf Publikumswirkung bedachten, eleganten Fechten, eher an ein wildes Raubtier. Hauptsache töten hatte der Germane eben gelernt. Aber sein Ausbilder hier war da anderer Meinung. Stundenlang ließ er ihn klare, saubere Schlagfolgen üben. So auch an dem Tag, als Flavius Aquilius sich entschloss, dem Ludus einen Besuch abzustatten.


    Das Oval der Arena war erfüllt vom Aufeinandertreffen der hölzernen Übungswaffen, vom Stampfen nackter Füße auf dem feinen Sand, vom schweren Atmen der Gladiatoren, die in verschiedenen Gruppen trainierten. An einem Ende wurde der Faustkampf geübt, an einer anderen Stelle umschlichen sich ein Retiarius und ein Secutor. Unter der Victoria-Säule waren eine Reihe dicker Pfähle in den Boden gerammt. Vor so einem Übungspfahl stand der Germane, mit Schwert und Schild und drosch, ebenso wie einige andere Männer, schon seit einer halben Ewigkeit auf das massive, vielfach gekerbte Holz ein - zu den Kommandos und unter den wachsamen Augen seines Ausbilders, Fortis, der sich in der Arena als Thraker einen Namen gemacht hatte, seit zwei Jahren aber nur noch für die Schule arbeitete.


    [Blockierte Grafik: http://img514.imageshack.us/img514/5088/fortisku9.jpg%20] | Fortis


    In tiefem Bass rief der Ausbilder die Schläge und Schlagfolgen, und laut hallten der Aufprall der Hölzer über den Innenhof, als sie Männer sie ausführten.
    Natürlich hätte der Germane lieber richtig gekämpft, als gegen diesen Pfahl. Außerdem war es schon Mittag, er hatte Hunger und seine Arme waren müde vom Sandsäcke stemmen, von den Liegestützen und den Übungskämpfen des Vormittages. Doch er stellte sich einfach vor, der Pfahl sei Sciurus, und schon schlug er mit neuem Elan auf ihn ein, immer leichtfüßig in Bewegung, immer nach den Kommandos des Ausbilders, in klaren, genau bemessenen Bewegungen wie das hier verlangt wurden, und mit einer aggressiven Wucht, dass der Pfahl noch viel tiefere Kerben bekam und die Holzsplitter nur so flogen.
    Zum Glück war es nicht mehr so heiß in diesen Tagen; der Himmel war bedeckt, trotzdem schwitzte der Germane inzwischen ganz schön. Ein glänzender Schweißfilm überzog seinen bloßen, gestählten Oberkörper, die breiten Schultern, die Narben die von be- oder überstandenen Kämpfen kündeten.
    Ohne Hemd zu kämpfen war er von zu Hause gewöhnt. Aber hier wurde noch dazu barfuß trainiert - angeblich war das gut für einen festen Stand auf dem Sand - und nur im Lendenschurz. Ein breiter Ledergürtel hielt den Fetzen um seine Hüften zusammen. Schon sich an die kurzen Tuniken hier in Rom zu gewöhnen war ihm schwergefallen, und in diesem Aufzug hier kam er sich nun wirklich arg entblößt vor. Aber wenigsten liefen die anderen hier auch so rum.

  • Morgen würde er kämpfen. Heute galt es zu feiern. Rutger Thidriksohn, auch genannt die Blonde Bestie, vergnügte sich auf der Cena Libera, dem Bankett der Gladiatoren am Vorabend der Spiele. Die Räume des Ludus Illustris waren von grossen Feuerbecken hell erleuchtet, schrille Musik lag in der Luft, Bratenduft mischte sich mit Schweiß und Parfum. Eine Vielzahl von Römern und Römerinnen waren zu diesem Fest gekommen, scharrten sich um die Männer, die sich morgen in der Arena auf Leben und Tod gegenüber stehen würden.
    Manche der Gäste kamen, um die Muskeln der Kämpfer zu begutachten, und zu sehen, auf wen sie morgen ihre Sesterzen setzten sollten, andere wollten ihre Idole einmal hautnah erleben, wieder andere genossen den morbiden Charme, der darin lag, zusammen mit Todgeweihten ein ausschweifendes Fest zu feiern.


    Und dann waren da natürlich die Frauen, die von den gestählten Arenahelden nur das eine wollten! Alles Schlampen, in den Augen des Chatten, rausgeputzte römische Schlampen, die man bei ihm zu Hause gleich im Moor versenkt hätte, lose Weiber, so verdorben und falsch wie alle die verweichlichten Südländer, die diese Stadt hier bevölkerten, in der das Laster bis zum Himmel stank.... - aber Rutger nahm was er kriegen konnte. Das waren in diesem Fall zwei hinreissende Schlampen, die sich schamlos bei ihm auf der Kline räkelten und mit Hingabe seine Muskeln streichelten, während er Wein trank und mit grossen Bissen das Fleisch von einer Lammkeule riss. Kauend scherzte er mit den anderen Gladiatoren, versuchte ihre Prahlereien noch zu übertrumpfen, und brüstete sich mit all den Männern, die er in seinem Leben schon erschlagen hatte.
    Rutger hielt viel von sich, war er doch ein Krieger aus dem Geschlecht der Hallvardungen, die ihre Abstammung auf Tiwaz selbst zurückführten, den ältesten und tapfersten der Asen, den der den Fenriswolf in Bande schlug. Er war ein grosser Krieger, und hatte hier im Ludus Illustris, wo man ihn zum Hoplomachus ausgebildet hatte, noch so manches dazugelernt.
    Von dem Römer, der sich seinen Herrn nannte, hatte der Chatte lange nichts mehr gehört, so trainierte er seit über einem Jahr Tag für Tag unter der Fuchtel des Lanista, verdingte sich manchmal bei privaten Zweikämpfen, und bisweilen, wenn die Bezahlung stimmte, erledigte er 'nasse Sachen' für irgendwelche schattenhaften Auftraggeber. Römer zu töten, das war immer eine gute Sache, ausserdem sparte Rutger für seine Flucht. Die letzte war spektakulär mißglückt, die nächste würde er gut vorbereitet angehen... Wenn er den Kampf am morgigen Tag überlebte...


    Die schwarzhaarige Schlampe kicherte grell auf, als der Germane sie auf seinen Schoß zog und die Hand in ihrem Ausschnitt versenkte. Grob küsste er ihre rotgeschminkten Lippen, schmeckte ihren warmen, feuchten, weinbenetzten Mund. Rutger liebte das Leben, trotz aller Fährnisse, trotzdem er von den verhassten Flaviern in schmachvolle Knechtschaft gezwungen worden war, und er träumte davon, heimzukehren, und sein Volk gegen die Besatzer zu führen, träumte von dem Blut-Tag, an dem die Städte des Nordens von den Stämmen überrannt würden, träumte vom Morden, Plündern und Brandschatzen am Tag der Rache, an dem der Rhein rot sein würde vom Blut der Römer und die Raben fett von ihrem Aas.
    Er brannte darauf zu kämpfen, es war seine Bestimmung, und allein der Gedanke daran liess das Blut schneller durch seine Adern strömen. Doch morgen würde es das erste Mal sein, dass er in der grossen Arena stand, und er hatte gehört, dass sein Gegner ein sehr erfahrener, vielfach erprobter Gladiator war... so war die Siegesgewissheit, die Rutger zur Schau stellte, mehr Fassade, darunter erfüllte ihn eine fiebrige Aufregung. Es würde ein harter, ein sehr harter Kampf werden. Beim Wein hielt er sich jedenfalls zurück, um morgen einen klaren Kopf zu haben. Aber was gab es besseres gegen den Zweifel, als ein Weib, oder mehrere? Die Buhlen hier konnten wohl kaum mit den Wunschmädchen mithalten, die an Wallvaters Tafel auf die gefallenen Krieger warteten - aber sie gaben einen Vorgeschmack.
    Rutger erhob sich, umschlang die Taille der Schwarzhaarigen, packte die andere Metze am Arm und zog die beiden kichernden, und sich nur pro forma etwas wehrenden, Frauen mit sich, in eine der Schlafkammern, um den Abend, der vielleicht sein letzter war, in vollen Zügen zu genießen.

  • Es hätte immer so weitergehen können. Es war gut, zu kämpfen. Auf jeden Fall besser als zu arbeiten. Das harte Training auf dem Sandplatz, manchmal Kämpfe vor Publikum, manchmal eine Bluttat zum Nebenerwerb... klingende Münze und Sicae im Dunkeln, Wein, viel Wein, leichte Mädchen und skandalöse Damen, und rollende Würfel, geschnitzt aus hellem Gebein.
    Kämpfen, saufen, ficken. Ein Nebel lag über den Jahren, in denen der chattische Hoplomachus für das Ludus Illustris kämpfte, reicher an Narben und stumpfer von Gemüt wurde. Als die Blonde Bestie pries man ihn an. Selten noch dachte er an die Heimat. Oder an die kleine Römerin, die jung gestorben war. Oder an die, die mal sein Schwanenmädchen gewesen war. Zuletzt hatte er sie in einer Kneipe Krüge schleppen sehen. Die schöne Metze mit ihrem kleinen Bastard. Da war er einfach gegangen, fluchtartig, ohne ein Wort zu sagen.
    Und selbst die Rache, die blutige Rache, die er dem flavischen Neiding einst geschworen hatte... sie war ihm schal geworden. Ein Krüppel war der Neiding mittlerweile, geschlagen mit dem Verlust seiner Tochter. Arrecina – der Name hatte Rutger mal viel bedeutet. Verblasst war dieser Name jetzt, vom Schmerz blieb nur ein schwaches Echo. Verblasst war auch die Rache... ebenso die an Flavius Aquilius. Der hatte anscheinend den Verstand verloren, wollte lieber ein lumpiger Fischer als ein Edeling sein. Ebenso die an dem flavischen Goden, den hatten die Unterirdischen mit einem Fluch geschlagen, der ihm Sprache und Mut raubte. So berichtete jedenfalls das dralle Küchenmädchen aus der flavischen Villa, das immer noch ziemlich anhänglich war, je grober der Germane desto mehr, wie so oft bei den Weibern. Der Hohn der Nornen hatte seine Feinde schon gebrochen. Rutger war müde. Ein Tag war wie der andere.


    Bis zu dem kühlen Morgen, an dem sich ein Zug von Kranichen über der Stadt zeigte, gerade als die Gladiatoren auf dem Sandplatz trainierten. Zuerst vernahm der Chatte von ferne ihre Laute – wie Menschenstimmen aus der Höhe drang es an sein Ohr. Er ließ die Hasta sinken und hob den Blick, über die anderen Kämpfer, die Gebäude des Ludus, die Mauern, die Hügel der stinkenden Stadt...
    Hoch oben im blassen Blau des Himmels zeichnete sich wie ein feingestochenes V der Zug der Vögel ab.
    Aus dem Norden kamen sie. Näherten sich rasch. Graugefiederte Schwingen schlugen auf und nieder... Und zogen vorüber. Der Germane sah ihnen nach bis sie am Horizont verschwunden waren. Es war wie ein Erwachen. Rutger beschloß zu gehen.


    Schwer war es nicht. Noch am selben Abend bestach er den Torwächter Antaeus, damit der ihn in die Stadt ließ, wie schon so oft, wenn er in die Schenke oder ins Bordell wollte. Nur dass er diesmal nicht wiederkommen würde. Der Germane verspürte kein Bedauern, der Lanista war ein Schinder, und die anderen Gladiatoren keine Freunde. Mit einem hatte er sich ganz gut verstanden, Lanius, und ein paar krumme Dinger zusammen gedreht, früher, aber dann war der Ubier nach seinem fünften Kampf an einer brandigen Wunde krepiert.
    Die frisch geschliffene Sica unter dem Mantel verborgen, die Hände mit dornengespickten Lederriemen umwunden, schlug sich die Blonde Bestie in die nächtlichen Gassen. Er ließ das Ludus Illustris hinter sich ohne zurückzublicken.


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