Atrium | Domine, quo vadis?

  • Auch das Atrium war unverändert: Noch schien die neue Matrone (obschon sie als neu zu titulieren, durchaus inadäquat erschien) ihren Einfluss zumindest innenarchitektonisch nicht geltend zu machen, ebensowenig war das Geschrei ihrer Brut zu vernehmen. Lediglich der Blick auf das angrenzende Lararium ließ Manius Minor gewahr werden, dass dort noch immer die Iuno der aurelischen Natter stand, welche gleich einem Giftzahn im weichen Fleisch seiner Beute im Innersten des flavischen Hauses prangte und von dort dazu diente, Priscas grässliches Gift zu verströmen.

    Sim-Off:

    Adeste, familiares ;)

  • Die Cena war Gracchus auf den Magen geschlagen - die in Essig eingelegten Sardellen hatten sich nicht mit der in Hypotrimma ertränken Gänsebrust vertragen -, und gleichwohl er dies bereits vorher hatte geahnt, hatte er doch beidem nicht widerstehen können. Indes - weshalb bereitete Attalus, der Coquinus beide Gerichte an einem Abend zu? Der Flavier hatte dafür Sorge getragen, dass dies nicht noch einmal geschah - eine Nacht im Kellerloch würde dem Koch ausreichend Zeit gewähren, über seine Speisefolge zu sinnieren - und vertrat sich nun ein wenig die Beine im Garten als die Nachricht über die Ankunft seines Sohnes und dessen Gemahlin ihn erreichte. Augenblicklich war alles Unbehagen vergessen und er eilte großen Schrittes zurück ins Haus.
    "Minimus! Willkommen zuhause!"
    begrüßte er diesen freudig schon vom Rande des Atriums aus und überwand die letzte Distanz - zumindest physische Distanz - zwischen ihnen.
    "Wie war die Reise?"
    Der jüngere Gracchus sah nicht eben wohlbehalten aus, er schien dem Älteren ein wenig blass um die Nase und Schatten lagen unter seinen Augen. Indes - so er seinem Vater in Hinsicht auf das Reisen und die damit einhergehende Malaise nachkam, war dies nicht weiter verwunderlich.

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  • Noch ehe die Silhouette seines Vaters sich aus dem Schatten des Atrium schälte, vermochte Manius Minor aus dem Hallen der Schritte zu erkennen, dass Manius Maior es war, der als erster ihm entgegentrat. Sogleich fragte er sich, ob er sich imstande sah, Freude über dieses Wiedersehen nach langer Absenz zu empfinden, da doch letztlich seinem Dafürhalten nach sein Vater nicht viel mehr war als eine Marionette Priscas, dem somit beinahe kaum zur Last war zu legen, dass er die Flavia, sein eigen Fleisch und Blut, auf diese Weise verriet. Indessen war er doch ein erwachsener Mann, reich an Tagen (selbst wenn Minor selbst im Halbschatten der Öllampen, die jede Sorgenfalte und Furche des Antlitzes seines Vaters deutlicher denn für gewöhnlich schattierten, nicht erkannte) und Erfahrung und somit durchaus zur Verantwortung zu ziehen für seine Taten.


    Folglich blieb der freudige Ausruf unerwidert und als der ältere Gracchus ihn erreichte, erwiderte der jüngere lakonisch:
    "Sie war grässlich, doch notwendig."
    Er räusperte sich, ein wenig irresolut, was nun er sollte formulieren, da doch es ihn ein wenig reute, die herzliche Freude seines durchaus nicht ungeliebten Vaters nicht erwidern zu wollen. Dennoch vermochte er kein Lächeln zu präsentieren, lediglich ein ernster, wenn auch keineswegs distanzierter Blick aus den matten Augen traf seinen Opponenten.
    "Es ist erforderlich, seiner Pflicht nachzukommen."
    , fügte er an und fügte, weitaus insekurer hinzu:
    "Wie geht es dir?"
    Cornelia Philonica und Patrokolos, die ebenfalls das Atrium hatten betreten, schienen ebenfalls ein gewisses Unwohlsein zu verspüren, doch blieben sie stumm, wie sie es seit jeher gewesen waren. Obschon Philonica seit der Eheschließung bereits einige Zeit in der Villa Flavia Felix hatte gelebt, sie gar während des längeren Exils des Paares in Ostia nicht allein gemeinsam mit ihrem Gatten zu wichtigeren Feriae und Terminen in der Urbs war erschienen, sondern obendrein häufiger als dieser ihre Brüder wie ihren Onkel hatte besucht und daher bisweilen auf Gastmählern auch allein ihren neuen Familiaren war begegnet, so wirkte sie doch in diesen Hallen noch immer keineswegs heimisch. Ihr genantes Schweigen inmitten der flavischen Pracht erweckte beinahe den Eindruck, als schüchtere sie, die doch einer nicht minder noblen und reichen Familie als der Flavia entstammte, die gesamte Szenerie, womöglich aber auch lediglich die komplikationeuse Konstellation innerhalb der Familie ein.

  • Welch eine unglückliche Fügung des Schicksals ... oder war es allfällig der gewollte Wille der Götter , dass ausgerechnet der Ableger ihres Gatten, der unliebsame Stiefsohn, es zurück nach Rom geschafft hatte? Prisca war über die Nachricht der Ankunft des Erstgeborenen nur wenig erfreut, hatte sie doch darauf gehofft, dass irgend ein dummer Zufall das Leben des erstgeborenen Flaviers ebenso in Schall und Rauch auflösen würde, wie einst die herab stürzenden Teile eines Hauses, in der suburbia, das Leben ihres ersten Gatten (Flavius Piso) beendet hatte.


    Naja, man kann eben nicht alles haben ... , sagte sich Prisca in angesichts der Realität vor, während sie widerwillig ihre Schritte in Richtung des atriums lenkte, um dort den Ankömmlingen die gebührende Begrüßung zu Teil werden zu lassen (so wie es sich für die amtierende Matrone des Hauses eben gehörte):


    "Senator Flavius et Cornelia, welch eine Freude euch Beide gesund und munter zurück in den Hallen unsrerer Familien begrüßen zu dürfen! ... Ich hoffe hattet eine gute Reise und befindet euch wohl?!


    Mit diesen salbungsvoll klingenden Worten gesellte sich Prisca an die Seite ihres Gatten und hieß die Ankömmlinge willkommen. Allein der Cornelia wünschte Prisca im selben Atemzug nicht den gleichen qualvollen Tode, wie sie dem - augenscheinlich blässlich wirkendem - Erstgeborenen wünschte. Dessen malades Äußeres war (im übrigen) hoffentlich ein positives Anzeichen dafür, dass Hades bereits im Begriff war ihm die Hände zum Gruße dar zu bieten.


    Sieh dich nur an! Selbst das Elysium ist kein passender Ort für solch einen kränklichen Schlappschwanz wie Dich, der seinem Vater nur Schande bereiten wird ... Möge Hades Dich besser heute als morgen in die dunkelste Ecke seines Reiches verbannen!, letztere gedachte Worte verpackte Prisca gekonnt in ein flüchtiges Funkeln ihrer Augen, gepaart mit eben diesem gedachten Fluch, mit dem sie allein den Stiefsohn bedachte, wohlwissend, dass dieser wohl kaum wärmere Gedanken für seine Stiefmutter übrig haben würde.

  • Noch ehe sein Vater zur Replik ansetzte, vernahm Gracchus Minor erneut Schritte, welche nicht unbekannt ihm erschienen, und schon erschien auch seine Nemesis, die aurelische Natter. Deplorablerweise war er genötigt zu konzedieren, dass die Matrone des Hauses keinesweges ein matronenhaftes Volumen hatte erreicht, sondern vielmehr trotz der Geburt eines Zwillingspaares ihm erschien, als sei sie gleich den Göttern dem Altern wie dem Verfalle enthoben. Für den Hauch eines Augenschlages verspürte der junge Senator glatt ein wenig Neid ob der Makellosigkeit seiner Stiefmutter, während seine eigene Gattin nicht eben einer Venus glich und dies mitnichten durch ihren Charakter zu kompensieren vermochte.


    Indessen übertraf Cornelia die Aurelia doch zweifelsohne hinsichtlich ihrer, wenn auch bescheidenen Persönlichkeit, wie sogleich die Salutation eröffnete, welche distanzierter kaum hätte ausfallen können.
    "Welch förmliche Anrede, Aurelia!"
    , erwiderte er daher mit wenig glaubhaft gemimter Freundlichkeit, obschon auch er selbst sich des wenig vertrauten, doch im weiblichen Kontexte keineswegs unüblichen Gentilnomen bediente, den auch er gegenüber seiner Gattin anschlug.
    "Wie ich soeben bereits sagte, war die Reise nicht sonderlich erquicklich, doch gebietet die Pflicht, mich wieder stärker meinen Pflichten gegenüber der Res Publica wie meiner Familie zu widmen."
    Nahezu unmerklich prononcierte er das Possessivpronomen in jenem Satze, selbst wenn dies eher seinem Unterbewusstsein mochte geschuldet sein, das damit geneigt war der aurelischen Natter ihren Status als seinem Dafürhalten nach Fremde klarifizierten, als einer klaren Intention zur Herabsetzung seiner Stiefmutter.
    "Ich komme nicht umhin dir zur Geburt gleicher zweier gesunder Sprösslinge zu gratulieren. Wie man hört, ist eine derartige Geburt nicht wenig strapaziös!"
    Jene Fertilität musste das Resultat der flavischen Manneskraft sein, was die Statistik zu belegen schien, da doch die Flavii nicht wenige Zwillinge hervorbrachten, während von den Aurelii derartige Konstellationen ihm unbekannt waren.

  • Aus Minors recht distanziertem Gebaren schloss der Vater, dass sein Zustand noch desolater war als die Reise rechtfertigte. Zugegeben, ihre Beziehung war von Tiefen, weniger tiefen Tiefen und nur wenigen flachen Höhen geprägt, doch gleichwohl sein Sohn nach der Eheschließung sich weniger und weniger hatte in Rom blicken lassen, so mochte dem älteren Flavier nicht in den Sinn gelangen, welchen Anteil er an einer neuerlichen Tiefe hätte getragen. Vielmehr hätte Gracchus selbst Grund, dem Erstgeborenen gram zu sein, welcher seine Pflicht - kaum in den Senat erhoben - hatte so lange vernachlässigt. Doch der Vater war an diesem Abend jovial gesinnt, dass er sich mehr mit Sorge trug über seines Sohnes Wohlbefinden. In diesem Augenblicke trat auch Prisca heran, welche Gracchus mit einem liebevollen Blicke bedachte, ehedem er sich wieder Minor zuwandte - welcher seine Nachfrage zweifelsohne nur aus Höflichkeit stellte, indes kaum wohl an den Einzelheiten einer Geburt interessiert war.
    "Die Kinder sind bereits auf ihrem Zimmer und es ist vorzuziehen, sie nicht noch einmal in Aufruhr zu ver..setzen"
    , griff er jedoch das Thema seiner beiden jüngsten Nachkommen auf.
    "Indes werden sie morgen früh zweifelsohne verzückt sein, endlich ihren großen Bruder wieder zuhause zu wissen."
    Da der Vater nicht die geringste Vorstellung davon hatte, was in seinen Kindern vorging, und diese sich auch noch nicht in einer Weise artikulierten, welche ihm verständig war, war dies selbstredend nur Spekulation, doch schloss er jene Freude aus seiner eigenen Verehrung, welche er als Knabe seinem älteren Bruder hatte entgegen gebracht.
    "Und die Pfli'ht sollte ebenfalls bis morgen warten"
    , nachdem sie ohnehin bereits so lange hatte gewartet.
    "Ihr solltet euch erst einmal wieder zur Gänze akkommodieren."

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  • "Auch meine Glückwünsche, Aurelia! Ich hoffe, es dir bald gleich zu tun."
    , erwiderte Cornelia Philonica freundlich, was dem jüngeren Flavius neuerlich einen Stich versetzte, da doch eben die Zeugung eines Sohnes bisweilen bereits an der Bereitschaft mangelte, die Ehe auch nur zu vollziehen.
    Dessenungeachtet fuhr seine Gattin fort:
    "Ebenso natürlich auch dir, Gracchus. Ein wenig Ruhe wird uns sicherlich gut tun."
    Manius Minor vermochte nicht recht zu sagen, ob er gewillt war, die beiden Sprösslinge der Aurelia zu sehen, sodass es ihm ebenfalls zupass kam, dass Manius Maior diese Situation vorerst prokrastinierte.
    "Sind unsere Räume bereits präpariert?"
    , fragte er daher auf die Offerte seines Vaters.


    Ehe sein Vater Cornelia und ihn jedoch auf ihre Zimmer entließ, verspürte er doch das Begehren, ein wenig mehr sich über das Befinden seiner Familia zu erkundigen, nachdem beinahe ein Jahr er nichts mehr hatte vernommen.
    "Doch ehe wir uns zurückziehen, würde ich doch gerne noch erfahren: Was gibt es Neues in unserem Hause? Und was in der Urbs? Ich bin doch gespannt, welche Pflichten morgen mich erwarten."

  • Beinahe schon hatte Gracchus die junge Cornelia ob ihrer Unscheinbarkeit vergessen als sie selbst das Wort ergriff. Sie war keine Schönheit, doch aus noblen Hause und in ihren Adern floss nobles Blut, welches der ältere Flavier mit dem seinen mochte konfundiert wissen - was zu seinem Bedauern noch nicht geschehen war. Indes hatten Antonia und er zu Beginn ihrer Ehe ebenso ihre Schwierigkeiten mit der Nachkommenschaft gehabt, bis endlich der lang ersehnte Erbe Minimus das Licht der Welt hatte erblickt.
    "Selbstredend"
    , beantwortete er die Frage seines Sohnes nach den Räumlichkeiten, welche sogleich nach der Ankündigung ihrer Rückkehr nach Rom waren hergerichtet worden. Die Frage nach Neuigkeiten indes verlangte Gracchus ein wenig mehr Bedenkzeit, ehedem er ansetzte:
    "Meine Base Domitilla ist in den Schoß der Familie zurückgekehrt, sie hat ihre Scheidung von Tiberius ver..kündet und lebt vorerst wieder hier im Hause."
    Dies waren im Grunde bereits alle Neuigkeiten der Familie, da es einen Großteil der Flavier weiter auf dem Lande hielt, während Prisca beständig ihre Rolle als Matrone des Hauses ausfüllte und Gracchus jede Erwartung weiteren Aufstieges hatte ad acta gelegt und sich mit der Routine des Senates und des Collegium Pontificum begnügte.
    "Und in der Urbs? Nun, Rom gedeiht, was auch im Senat ruhige Zeiten bedeutet. Morgen werden wir..."
    Fragend blickte er zu Ikarus, welcher zwar nicht ganz so geschickt darin war, Gracchus' Schatten zu sein wie es Sciurus' Eigenheit gewesen war, indes stets ebenso unauffällig in seiner Nähe blieb. "Die Lageberichte der Provinzen Aquitania und Gallia Narbonensis werden diskutiert", beantwortete der Leibsklave und Sekretär die unausgesprochene Frage.
    "Ah, da hörst du es. Dies wird kaum erquicklicher als die Einkünfte unserer Ländereien zu bespre'hen."
    Nur mit viel Glück waren die Berichte mit einer narrativen Note versehen, was insbesondere bei Tiburtius Pudens, dem Legatus Augusti pro Praetore
    der Provinz Aquitania überaus unwahrscheinlich war.
    "Sonstig bereitet die Stadt sich auf das Equus October in wenigen Tagen vor. Es wäre angemessen, wenn du mich dorthin begleitest."
    Gleichwohl dies nach einer Option klang, so war es doch unmissverständlich eine Weisung des Vaters an seien Sohn, denn Gracchus würde nicht tolerieren, dass Minor sich im Hause verkroch.

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  • "Oh, Domitilla!"
    , bemerkte Manius Minor mit einigem Wohlwollen, da er seine Tante doch sehr schätzte und ihre Gesellschaft stets genossen hatte, ehe sie in den Hafen der Ehe war eingefahren. Ihre Scheidung von Tiberius Lepidus erschien auf den ersten Blick durchaus deplorabel, da die Tiberia doch stets eine respektable Familie gewesen war, indessen mochte die Scheidung ihre Gründe haben. Wie er sich zu erinnern glaubte, war Lepidus bereits längere Zeit nicht mehr in Roma gewesen und in Ostia hatten Gerüchte die Runde gemacht, der Tiberius stecke womöglich in finanziellen Schwierigkeiten, was als Grund für eine Scheidung durchaus plausibel erschien. Bedauern für seine Tante erschien ihm hingegen angesichts der wenig emotionalen Bindung, die den Ehen der römischen Aristokratie innewohnten, kaum erforderlich, sofern diese Trennung letztlich der Rettung flavischen Vermögens vor den Zudringlichkeiten verarmter Ehegatten gedient hatte.


    Als hingegen Ikarus das Wort ergriff, nahm der Flavius erstmalig Notiz von dem Sklaven, der seinem Vater einem Schatten gleich gefolgt war und deshalb keinerlei Appetenz würdig gewesen war. Nun jedoch, da er augenscheinlich die Aufgaben des Sciurus übernahm, erinnerte Minor sich an die Berichte aus der Urbs, Sciurus sei verstorben.
    "Selbstredend werde ich das."
    , handelte er daher erstlich das feriale Sujet kurz ab, da er immerhin nach Rom war zurückgekehrt, seinem Schicksal sich zu ergeben, was nicht allein familiäre, sondern ebenso öffentliche Verpflichtungen implizierte, um sodann doch den neuen Diener seines Vaters zu kommentieren:
    "Und du hast einen neuen Leibsklaven? Oder ist dies dein neuer Nomenclator?"
    Der jüngere Flavius kniff ein wenig die Augen zusammen, um ihnen ein wenig mehr Schärfe abzuringen, damit es ihm gelang, mehr als ein schemenhaftes Bild des dunkelhaarigen Jünglings zu gewinnen, der in der Dämmerung des Abends indessen kaum von der Gestalt seines Vaters war zu unterscheiden.

  • Gracchus blickte sich noch einmal kurz nach dem Sklaven um, ehedem er erwiderte:
    "Dies ist Ikarus, mein neuer Leibsklave. Er stammt aus Agrippinas Zucht."
    Stets einen Nomenclator in seiner Entourage mit sich zu führen erachtete der Flavier als verzichtbar - außer zu den Salutationes am Morgen oder größeren gesellschaftlichen Anlässen -, hielt er diese doch gerne gering. Er brauchte sich nicht mit vielen Bediensteten oder Klienten zu umgeben, um seinen Status kenntlich zu machen, wusste er doch bestens um seinen Status und wer in Rom sich auskannte, der sollte dies ebenfalls wissen, spätestens mit seinem Namen. So gesehen übernahm Ikarus wiederum doch ein wenig auch die Rolle eines Nomenclators. Weitere Aufgaben indes über diejenigen eines Leibsklaven oder Sekretärs hinaus hatte Gracchus ihm bisherig nicht anvertraut, auch nicht ihm einen Platz in seinem Bett eingeräumt. Nach Sciurus' Verrat war der Flavier nicht mehr geneigt, dieses Privileg einem Sklaven zu gewähren, gleichwohl genügten die langen Abende in der Villa Eutopia ihm, welche zwar nicht regelmäßig, doch häufig genug stattfanden. Da Gracchus die Causa des gefallenen Sklaven - welcher offiziell zwar gestürzt und gefallen, jedoch nicht in seiner Gunst gefallen war - in keinem Falle weiter mochte thematisieren, suchte er das Gespräch in eine andere Richtung zu bringen, respektive wechselte den Adressaten und wandte sich schlussendlich doch Cornelia Philonica zu.
    "Philonica, und wie geht es dir? Du wirst zweifelsohne erfreut sein, nicht auch den Winter noch auf dem Lande ver..weilen zu müssen."
    Obgleich es nicht vorsätzlich geschah, so war dies doch ein unbewusst gegen Minor gesetzter Stich, diesen an seine Pflichtvergessenheit zu gemahnen. Dass die Cornelia die Stadt dem Lande gegenüber präferierte, hatte sie bei ihren Besuchen im flavischen Haus zwar nie offen ausgesprochen - und fügte sich somit perfekt in ihre Rolle als Gemahlin ein -, doch Gracchus wusste von ihrem Onkel Scapula, dass sie innerlich mit jener Situation hatte gehadert. Nicht umsonst hatte sie jede Gelegenheit zu einem Besuche - selbst ohne ihren Gatten - genutzt.

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  • Ikarus war in der Tat ein amüsanter Name für einen Sklaven, der just der Sonne des Haushaltes, um welchen alles Gesinde, alle Familiaren und Bediensteten kreisten, diente.
    "Der gute Sciurus hatte einen Unfall, nicht wahr?"
    , kommentierte Manius Minor beiläufig, da er sich doch zu entsinnen vermeinte, Manius Maior habe ebendies bei einem seiner Besuche erwähnt. Oder war es in einem Brief gewesen?
    In jedem Falle vermochte der jüngere Flavius nicht eben zu bedauern, dass der bleibe Villicus und Leibsklave seines Vaters nicht mehr unter ihnen weilte, da er doch stets eine gewisse Furcht vor ihm hatte empfunden, während der neue Ikarus bereits äußerlich ihm weniger irritierend erschien.


    Indessen wandte Gracchus senior sich seiner Gattin zu, welche artig reagierte:
    "Durchaus, Gracchus!"
    Sie blickte etwas insekur zu ihrem Ehemann und fügte ein wenig vorsichtiger an:
    "Natürlich ist auch unser neuer Landsitz in Ostia sehr schön, aber es ist auch gut, wieder in der Urbs zu sein!"

  • Selbstredend war es dem Flavier bewusst, dass sein Sohn nicht absichtlich in seinen Wunden stocherte, gegenteilig allfällig sogar eher Anteil an Gracchus' Verlust nahm, doch dass Minor sich weiter nach Sciurus erkundigte trübte ein wenig die Freude und Sorge mit einigen Spritzern Missfallen.
    "In der Tat, ein überaus deplorables Ereignis. Während eines Aufenthaltes in unserer Villa Rustica nahe Tibur nutzte ich die Gelegenheit zu einer Jagdpartie in den Bergen. Dabei ... Sciurus stürzte eine Klippe hinab in einen der Flüsse und sein ... sein Lei'hnam wurde von den Fluten ... hinfortgerissen."
    Die Erinnerung an das Geschehen trieb Gracchus noch immer einen Schauer über den Rücken - nicht etwa ob des Todes seines Leibsklaven, sondern ob des Wahns in dessen Handeln, ob der Gefahr, welcher Faustus war ausgesetzt gewesen, und ob des Verrates des Sklaven, der jahrelang ein Teil von ihm gewesen war.

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  • Obschon der Manius Minor die Mimik Manius Maiors nicht zu identifizieren vermochte, identifizierte er doch das Missbehagen im Timbre seiner Stimme und er beschloss, nicht weiter sich jenem für seinen Vater deplorablen Ereignis zu widmen, sondern sich jenem Sujet zuzuwenden, welches seine Gattin hatte aufgeworfen. Durchaus war ihm bekannt, dass Cornelia Philonica jede Gelegenheit hatte genutzt, um von ihrem ostiensischen Exil sich in die Urbs zu ihren Anverwandten zu flüchten, was indessen keinesfalls sein Missfallen hatte evoziert, da doch auch er sich glücklicher fühlte, wenn nicht beständig jenes unansehnliche Antlitz als stumme Anklage seines ehelichen Ungenügens wie auch seiner Neigung zum Rausche um ihn war gewesen.

    "Ich bin in jedem Falle gespannt, welche Obliegenheiten mich im Senat und in der Gesellschaft hier erwarten und welche Dienste ich unserer Res Publica erweisen kann."

    Er blickte zu seinem Vater, welcher diesbezüglich bereits einen Hinweis hatte gegeben:

    "Meine Partizipation am Equus October gehört zweifelsohne dazu."

    Einen Augenschlag verharrte er noch schweigend, um seinem Vater, der aurelischen Natter wie seiner eigenen Gattin Gelegenheit zu geben, weitere Fragen zu thematisieren, doch noch ehe dies geschah, blickte er hinauf zum Impluvium, wo die Dämmerung bereits den Himmel hatte ergriffen, und erklärte:

    "Ich denke, dann ziehen wir uns für heute zurück. Ich würde mich freuen, beizeiten ein wenig mehr zu erfahren im Kreise der Familie, insonderheit selbstredend auch mit Tante Domitilla!"

  • Zu Gracchus' Erleichterung ließ Minor ab von weiteren Fragen nach Sciurus' Ende und wandte sich seinen bevorstehenden Pflichten zu, eine geradezu unschuldige Neugierde auf den Senat verspürend. Wie lange mochte es dauern, ehedem seine Illusionen zerstört und er der Gleichförmigkeit dieser ruhigen Tage würde überdrüssig werden seinem Vater gleich? Nicht, dass Gracchus des städtischen Friedens überdrüssig war, doch ab und an eine hitzige Debatte in den heiligen Hallen der Curia lulia - dies misste er durchaus.

    "Ich wünsche euch eine angenehme Na'htruhe. Für weitere Neuigkeiten ist in den kommenden Tagen wahrlich noch genügend Gelegenheit."

    Der ältere Gracchus würde den Abend mit Prisca über einem Text aus der Bibliothek ausklingen lassen - die Tage zuvor hatte der schöne Sklave Paris bereits die ersten Teile des Philoktetes dargeboten - und sich noch ein wenig dem Gewürzwein widmen, um sein Magengrimmen zu lindern.

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