Nach den Zwillingen: Charilaus und Tiberios

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    Wie verabredet wartete Tiberios vor der Taverna Apicia auf Charilaus, den er zu einer Posca einladen wollte. Danach würde er von Nubius, Viridomarus' custos corporis, nach Hause gebracht werden, so brauchte er den abendlichen Weg nicht zu fürchten.

  • Charilaus hatte Hyazynthos in die Therme begleitet, dem jungen Mann gezeigt wie man sich richtig reinigte und hatte ihn selbstverständlich sicher nach Hause gebracht. Hyazynthos konnte den Heimweg schließlich nicht kennen, er hatte ihn noch nie angetreten. Unterwegs hatten sie ihm eine schöne, neue Tunika gekauft, so dass er im duften Viri optisch direkt einen guten Eindruck machte.


    Alles war gut und glatt verlaufen, so das Chari beschwingt zur Taverna lief. Vor der Tür wartete der Taverna Apicia wartete bereits Tiberios. Chari winkte und gesellte sich zu ihm.


    "Salve Tiberios, schön dass Du schon da bist. Ich hoffe Du hast alles sicher nach Hause bringen können. Wollen wir reingehen?", fragte Chari und deutete auf die Taverna.


    "Bei uns ist auch alles gut verlaufen, Hyaznythos wird morgen seinen Dienst antreten. Also seinen Lehrdienst, er macht einen guten Eindruck und scheint lernen zu wollen. Ich bin gespannt wer ihn ausbilden wird. Nubius wird Dich nachher abholen. Wir begleiten Dich dann heim und kehren dann selbst nach Hause zurück. Dass wollte ich Dir noch gesagt haben, als Rückversicherung", erklärte Charislaus und betrat die Taverna, dabei hielt er Tiberios die Tür auf.

  • Tiberios winkte zurück und freute sich offensichtlich, die schlanke Gestalt des Jünglings zu erblicken.
    „Oh, ich war nicht zwischendurch zuhause.“, sagte er:
    Ich habe hier auf dich gewartet. Aber ich habe diesen ganzen Nachmittag frei, soll jedoch bei Einbruch der Dunkelheit immer in der Casa sein.“
    Er nahm Charilaus die Tür, die er aufhielt, ab, denn nun waren sie nicht mehr Kunde und Angestellter.
    Tiberios schaute sich neugierig um. Das war also die Taberna des berühmten Apicius, und Tiberios fragte sich, ob der Gründer der Taverna mit dem Apicius, der das römische Kochbuch veröffentlicht hatte, identisch war.


    Es gab in der Mitte des Raumes noch einige kleine freie Tische für zwei Personen; die Nischen boten mehreren Gästen Platz und schienen größtenteils besetzt zu sein.


    „Hier oder möchtest du warten, bis jemand aufsteht?“, fragte Tiberios:
    „Ich möchte dich gerne einladen; dein Herr hat mir nur vierzig Sesterzen abverlangt, so habe ich zehn übrig.
    Diese Taverna ist freilich sehr vornehm, ich muss sehen, wie weit ich mit zehn Sesterzen komme.
    Nicht dass wir als Schankburschen unsere Schulden abarbeiten müssen!“


    Ganz am Anfang in Roma war Tiberios so etwas passiert, daher fragte er jetzt immer vorher nach den Preisen.
    Ein kleiner netter Zweiertisch weckte seine Aufmerksamkeit, da kam schon ein Schankmädchen, säuberte ihn mit einem Lappen und machte ihnen Zeichen, dass sie dort sitzen konnten, wenn sie wollten.

  • Charilaus nickte dankbar als Tiberios die Tür aufhielt und betrat mit ihm gemeinsam die Taverna. Die Nischen waren besetzt, aber das machte nichts. Einige andere Tische waren noch frei.


    "Lass uns zuerst an einem freien Tisch Platz nehmen, sobald jemand aus der Nische aufsteht, ziehen wir mit unseren Getränken um. Keine Sorge ich habe auch noch Geld dabei. Es müssten fast fünf Sesterzen sein", flüsterte Chari vertraulich, nicht dass sie nachher von einem Langfinger ausgeraubt wurden.


    Charislaus nahm an einem der Tische Platz und machte es sich gemütlich. Die Taverna machte einen gepflegten und sauberen Eindruck. Tiberios hatte einen guten Treffpunkt gewählt. Er wartete bis auch Tiberios saß.
    "Mein Herr ist stets anständig was den Verkauf angeht. Er sagt, betrügen kann man einen Kunden einmal. Und das ist auch so. So etwas spricht sich herum. Ein glücklicher Kunde kommt wieder und bringt weitere ins Haus. Du hast sicher gemerkt, dass sein Beruf seine Leidenschaft ist. Er würde niemanden einen Duft aufschwatzen, der nicht zu ihm passt. Und Du hast erstmal einen kleinen Flacon bestellt. Von daher hat er Dir auch nur diesen Preis berechnet. Natürlich ist das immer noch sehr viel Geld, aber für die Ware ist der Preis wirklich gerecht Tiberios.


    So was bestellen wir beiden uns denn? Je eine Posca und ein gefülltes Brot für uns beide? Das könnten wir uns doch teilen, was meinst Du?", schlug Chari vor.


    "Oh da fällt mir ein, dann hast Du das Parfüm und Öl ja noch dabei. Sei bitte vorsichtig. Und Du hast noch die Probe dabei die ich Dir geschenkt habe oder?", grinste Charislaus.

  • „Ich habe die Parfümflacons in die Hülle für meine Schreibsachen eingeschlagen und die Probe ist auch sicher verwahrt.“, antwortete Tiberios.
    Er mochte es, wie Charilaus sich um die Dinge sorgte, denn auch er war ordentlich und hatte gerne alle Sachen in tadellosem Zustand an ihrem Platz:
    „Zwei Posca und ein gefülltes Fladenbrot halte ich für eine gute Idee.“
    Aufmerksam hörte er zu, wie Charilaus von den Düften erzählte.
    „Ich weiß, dass es ein guter Preis ist.“, nickte er:
    „Dein dominus ist außergewöhnlich freundlich zu mir gewesen. Nun ja...“


    Kurz erzählte er das Erlebnis mit den Zwillingen auf die Weise, wie er Erlebnisse meistens erzählte: Er strich das Negative und versuchte den Zuhörer mit den komischen Aspekten zu unterhalten.
    „Ich halbnackt in Unterwäsche und in Begriff vor Panik vm Dach zu springen...“, sagte er:
    „Und dann kam Hyazinthus und warf die griechische Mythologie durcheinander. Ich weiß nicht, vor was ich mehr Angst hatte, vor den Zwillingen oder vor seinen Worten.“ Er grinste:
    „Hyazinthus ist ein guter Junge und wetzte zu Dominus Viridomarus, so schnell er konnte.“, sagte er:
    „Als ich dann das schwarze Gesicht eures Nubius erblickte, hätte ich ihn am liebsten abgeküsst.“


    Das Schankmädchen kam nun und nahm die Bestellung auf.
    „Das gefüllte Fladenbrot mit Fleisch, Käse, Oliven oder Fisch, Käse, Oliven?“, fragte es.


    Tiberios lächelte Charilaus an:
    „Entscheide du, mir ist mittlerweile so schlecht vor Hunger, dass ich selbst die Furien willkommen heißen würde, wenn sie mir ein Abendessen servieren.“, sprach er.


    Dann lehnte er sich zurück:
    „Wie alt bist du eigentlich, Charis… darf ich dich so nennen? Charis heißt in meiner Muttersprache eine Göttin, eine der Chariten. Es bedeutet auch Lieblichkeit und Geschenk, Anmut und Gefälligkeit. Lauter schöne Begriffe.“


    Er legte seine Hand sachte auf die des jungen Mannes:
    „Erzähl mir von deinem Leben und über deine Arbeit. Wie wurdest du ausgebildet?“, bat er.


    Und diese Bitte stellte Tiberios nicht nur, weil er es mochte, wie Charilaus redete, sondern weil er sich wie immer für alles interessierte.

  • Charislaus freute sich auf den entspannten Abend. Selten ging er weg, wo sollte er auch hingehen? Im Grunde hatte jeder seinen alltäglichen Trott, der auch ganz angenehm war. Morgens stand als Erster der alte Sthenis auf, weckte ihren Herrn Viridomarus und machte ihn zurecht, ehe dann das gesamte Haus auf die Beine kam. Auch sein Herr hielt es den Römern gleich und rief am Morgen zuerst die Götter an. Für einen sicheren Tag, gute Geschäfte und Kunden mit prallen Geldsäcken.


    Der Herr durchlief den üblichen Morgen wie sie alle, jeder hatte seine Aufgabe und nachdem Sthenis das Haus geöffnet hatte und Viridomarus die Sänfte bestiegen, ging es auch schon nach einem üpprigen Frühstück los in den duftenden Viri. So verlief der Morgen, der Mittag und gegen Abend wurde der Laden geschlossen.


    Das war die Zeit der fleißigen Sklaven. Jeder hatte eine Stunde für sich, die er frei verbringen konnte. Vorab hatte man sich allerdings in den Thermen gründlich zu waschen und zu salben. Wer Sauberkeit und Düfte verkaufte musste mit gutem Beispiel voran gehen.


    Chari wusste noch, wie es dem jungen Menalcidas ergangen war, der die Ränder unter seinen Fingernägeln vergessen hatte. Noch heute hallten die Schreie des Unglücklichen in seinen Gedanken wieder, als dieser für seine Verfehlung von Nubius ausgepeitscht wurde. Er war die Peitsche von dem Herrn nicht wert. Wo Menalcidas wohl nun war? Er hatte ihn nach diesem Abend nie wieder gesehen.


    Ihr Herr war manchmal sehr streng, aber auf anderer Seite auch großzügig.


    Nun heute hatte er nach den Thermen den neuen Kollegen Hyazynthos nach Hause gebracht und war sofort wieder aufgebrochen, um keine Zeit zu verschwenden. Immerhin war er mit Tiberios verabredet. Und nichts war schlimmer, als wenn jemand wartete und nicht wusste ob der andere doch noch kommen würde. Tiberios musste genauso pünktlich daheim sein wie er. Er sollte nicht durch seine Schuld die Peitsche schmecken. Nur dass nicht.


    Chari schüttelte den Gedanken ab und widmete sich ganz Tiberios.


    "Eine gute Idee das Parfüm sorgfältig einzuschlagen. So kann nichts zu Bruch gehen. Manchmal ist eine kleine Großzügigkeit eine gute Investition oder so ähnlich, sagt unser Herr stets. Nun die Zwillinge waren etwas frech, sie sollten Kunden werben und nicht in den Laden prügeln.


    Ich glaube die beiden haben da was völlig falsch verstanden. Du halb nackt auf der Flucht vor den Zwillingen, also allein dafür gebührt ihnen doch schon unser Dank oder nicht? Das muss wahrhaft ein Anblick gewesen sein.


    Warum haben sie überhaupt Deine Kleider geraubt? Damit Du bei uns neue kaufen musst? Das wäre ja eine Geschäftstaktik", überlegte Charislaus, kam aber zu keinem Ergebnis ob die Zwillinge wirklich so weit gehen würden.


    "Hyazinthos der Retter in der Not, auch wenn er nichts für die Götter und Mythologie übrig hat. Die Worte von Hyazinthos waren es vielleicht, die Deine und seinen Beinen Flügel verliehen, so dass er schnell genug zu Deiner Rettung eilte", lachte Chari gut gelaunt auf Tiberios Geschichte hin.


    "Sei froh dass unser Hauswächter angerauscht kam, wer weiß was die Zwillinge getan hätten, wäre Nubius nicht gewesen? Den Mann bringt scheinbar nichts aus der Fassung, man kann ihn nur bewundern. Keine Ahnung was Nubius nach dem Kuss getan hätte, vermutlich wie alles im Leben er hätte ihn mit stoischer Miene ertragen. Aber teste das besser nicht aus", schmunzelte Chari und freute sich über die Aufforderung, dass er ihr Essen aussuchen durfte.


    "Dann nehme ich das Fladenbrot bitte mit doppeltem Käse und Oliven. Dazu bitte einen Krug Posca für uns beide", bestellte Chari und grinste Tib freundlich an. "Ich hoffe Du bist genauso ein Käsefreund wie ich".


    "Charis? Ja gerne darfst Du mich so nennen. Das sind wirklich Begriffe mit denen mich sonst keiner bedenkt und göttlich ist an mir soweit nichts, auch wenn viele behaupten ich könnte so massieren", gab Chari zurück, verschränkte seine Finger glücklich mit denen von Tiberios und streichelte diese sanft.


    "Ich zähle 19 Sommer und ich wurde in Rom geboren Tiberios. Zuerst lebte ich mit meiner Mutter bei einem anderen Herren, dem Herrn Boiorix, selbst ein ehemaliger Sklave. Wir arbeiteten gut und schnell, so hat es mich meine Mutter gelehrt. Eines Tages als ich eine Besorgung für meine Domina beim duftenden Viri abholen durfte, fragte Viridomarus mich nach meinen Herrn. Ich weiß gar nicht ob man auch zu einer Peregrina Domina sagt, aber wir hatten es aus Respekt so gehalten. Dass ist nun fünf Sommer her.


    Gelernt habe ich damals bei Crixus, dem alten ehemaligen Masseur von meinem Herrn Tiberios. Er hatte im Grunde meinen Beruf und ich war sein Hyazynthos. Damals war er schon sehr alt, aber ein netter Kerl. Ich denke gerne an ihn zurück, die Lehrzeit bei ihm hat mir Freude gemacht. Was ich alles gelernt habe, von den Ölen bis zu den Düften. Wie man wo massiert und vor allem wo niemals. Es gibt so viele Dinge, die man beachten muss. Es kommt anderen vielleicht wie eine einfache Tätigkeit vor, aber man muss sehr viel über Gesundheit wissen um niemanden zu schaden Tiberios.


    Was ist mit Dir? Erzähle mir von Dir", bat Chari und hoffte noch etwas über die Heimat von Tiberios zu erfahren. Er selbst hatte da nicht viel zu berichten, denn Rom war Rom. Jedenfalls für sie beide.

  • Tiberios musste nochmal lachen:
    Nein, die Zwillinge haben mich meiner Kleidung nicht beraubt. Aber als der eine rief: Schneide ihm die Kehle durch, da musste ich abwägen, was mir wichtiger ist, meine Tunika oder mein Leben. Ich entledigte mich meiner Sachen und rannte so schnell ich konnte. Ob ich halbnackt oder gar nackt ein netter Anblick bin, das müssen freilich andere entscheiden.“
    Er zwinkerte Charis zu.


    Aufmerksam lauschte er dann Charis Worte über seinen bisherigen Lebensweg und erwiderte:


    „Meine Mutter Caenis war eine Ornatrix, und ich habe sie immer bewundert, wie viele Schönheitsgeheimnisse sie im Kopf hatte.
    Sie konnte auch ein wenig massieren – die Damen haben ja oft durch die schweren Perücken und den Haaraufbau Kopf- und Nackenschmerzen. Ich habe oft zugesehen – ich habe der kyria – das heißt auf Griechisch Herrin, zur Unterhaltung Gedichte vorgetragen oder vorgelesen, und Caenis hat massiert, aber an deine Kunst kam sie sicherlich nicht heran.“


    Als Charilaus seine Finger mit denen Tiberios verschränkte, fühlte dieser seit erstem Mal seit langer Zeit wie Wärme und Freude in ihm aufstiegen:


    „Ich bin freilich nicht in Roma geboren wie du, sondern in Alexandria in der Provinz Aegyptus.
    Wir sprechen meistens Koiné, griechische Umgangsprache, dort, ich habe eine griechische Bildung, die paideia und meine Mutter ist Griechin, also denke ich, ich bin auch einer.
    Von der Ausbildung her bin ich jedoch ein Scriba, ich war einige Jahre tagsüber in einem paedagogium, einem Internat für Sklavenkinder, die dort für ihre Tätigkeiten ausgebildet werden; dort habe ich Latein gelernt, Kurzschrift, Schönschrift und alles, was ein Schreiber wissen muss.
    Jetzt bin ich froh über meine gute Ausbildung, aber als Knabe sah ich das Stillstehen nicht immer ein.


    Vor zwei Jahren bin ich dann in Roma gelandet.


    Ich liebe übrigens Käse. Uns beiden gefällt es wohl, nützlich sein und gut gemachte Arbeit erfüllt uns mit Zufriedenheit. Und wir sind fast gleich alt; könnte es sein, dass wir noch mehr Gemeinsamkeiten haben?“


    Tiberios drückte sanft Charilaus‘ Hand und suchte seinen Blick.


    Wie auf ein Stichwort hin kam das Schankmädchen mit einem Tablett, worauf das gefüllte Fladenbrot und die zwei Becher Posca standen. Umsichtig hatte sie das Fladenbrot schon in zwei Hälften geschnitten und nickte den beiden jungen Männern zu. Sie war selbst eine Sklavin und hatte Verständnis dafür, wenn man nicht so viel Geld hatte.






  • Chari freute sich darüber, dass die Bedienung mitgedacht und das Brot direkt durchgeschnitten hatte. Einen Augenblick später starrte er Tiberios mit großen Augen an. Also dass die Zwillinge ihn nicht berauben, sondern aufschlitzen wollten, damit hatte er nicht gerechnet.


    "Nun also Tunika oder Leben, da wäre mir die Wahl auch nicht schwer gefallen. Sollen sie den Lappen doch behalten. Aber so hätte ich die beiden Zwillinge echt nicht eingeschätzt. Das Du Deine Sachen wiederbekommen hast, weiß ich. Aber was da wirklich losgewesen ist, dass habe ich nicht gewusst. Sei froh dass Du so flink zu Fuß bist, immerhin waren das zwei Verfolger", antwortete Chari verstört.


    Er fragte sich, warum die Zwillinge ihren ersten Kunden meucheln wollten. Immerhin war Tiberios doch ihr erster Kunde gewesen.


    Danach erzählte Tiberios von seiner Mutter, wo Chari aufmerksam zuhörte. Sie schien eine ganz ähnliche Ausbildung gehabt zu haben wie er selbst. Das gefiel Chari.


    "Deine Mutter hat eine ganz ähnliche Ausbildung wie ich. Du hast Recht, manche Frisuren können schon ein gewaltiges Gewicht erreichen. Eine entspannende Massage ist danach wirklich Gold wert. Solche Frisuren zu schaffen ist eine Kunst für sich. Deine Mutter muss eine Künstlerin sein. Meine Massage ist etwas anders ausgerichtet, ich denke Deine Mutter steht meinen Künsten in nichts nach. Vermisst Du Deine Mutter manchmal Tiberios?", fragte Chari leise und schaute Tiberios dabei direkt in die Augen.


    Ihm selbst ging es oft so. Chari war selbstverständlich schon ein erwachsener Mann, aber trotzdem vermisste er manchmal die warme, weiche Stimme seiner Mutter mit der er über alles reden konnte. So weit entfernt wohnte sie gar nicht und dennoch schien sie nun Welten zu trennen.


    "Alexandria aus der Provinz Aegyptus. Viridomarus hat eine Katze aus dem Land erworben Tiberios. Wie klingt Koine´ denn? Sag einmal bitte etwas auf Koine´. Meine Mutter ist eine Nubierin, wer mein Vater gewesen ist, weiß ich nicht. Du hast eine teure und fundierte Ausbildung hinter Dir. Dein Herr muss Dich extrem geschätzt haben. Als Kind hat man anderes im Sinn, heute wissen wir, wie wichtig manches gewesen ist. Hinterher weiß man immer mehr", lachte Charislaus freundlich.


    "Dann haben wir schon zwei Gemeinsamkeiten, wenn Du Käse liebst und gerne nützlich bist. Fleiß ist eine Tugend und was wir können, können wir beweisen Tiberios. Mein Traum ist es später einmal selbst einen kleinen Laden zu führen. Vielleicht eine Zweigstelle vom duften Viri die mir der Meister anvertraut? Stell Dir das doch mal vor.


    Ich denke auch, dass wir noch die eine und andere Gemeinsamkeit entdecken. Dazu benötigen wir nur ein bisschen Zeit die wir miteinander verbringen", gab Chari zurück und streichelte sanft die Hand von Tiberios.


    Er nahm sich ein Stück Brot biss ab und seufzte zufrieden.
    "Auf den Abend", prostete Chari Tiberios mit dem Brotstück zu.

  • Nun war es Tiberios, der in so gelöster Stimmung war, dass er die ganze Geschichte abschwächte:
    „Ach, vielleicht haben mir die Zwillinge auch nur Angst einjagen wollen, weil sie sich geärgert haben. Mittlerweilen bereuen sie es bestimmt und warten darauf, dass dominus Viridomarus sie wieder in seine Dienste nimmt.“, sagte er.


    Tiberios freute sich, als Charilaus so nett über seine Mutter sprach, obwohl da ein Schmerz war wie ein Messer so scharf, wenn er genau darüber nachdachte.


    „Ich weiß nicht, ob ich Caenis vermisse.“, sagte er leise:„ Ich vermeide an sie zu denken, wie es nur geht. Ich weiß auch gar nicht, wo sie ist. Weißt du denn, wo deine Mutter ist und vermisst du sie denn?“


    Tiberios sah Charis in dessen kluge, mitfühlende braune Augen. Er wollte nicht über sich reden, er hatte darüber mit noch gar niemandem geredet. Daher sprach er schnell weiter:
    „Wenn deine Mutter aus dem Norden Nubiens kommt, so dürfte sie den Aegyptern ähnlich sein.
    Sieht sie dir ähnlich, ist sie so schön wie du?"

    Wieder spielte er mit Charis Fingern:
    "Ich singe dir ein Lied auf Koiné vor, wenn du die Sprache hören willst:
    Hoson zes, phainou
    meden holos sy
    lypou; pros oligon
    esti to zen.
    to telos ho chronos apaitei.
    *


    das heißt :


    Solange du lebst, tritt auch in Erscheinung.
    Traure über nichts zu viel.
    Eine kurze Frist bleibt zum Leben.
    Das Ende bringt die Zeit von selbst.


    Daher ist es doch gut, unsere Zeit zu nutzen und sie, so oft es geht, in Gesellschaft von geliebten Menschen zu verbringen.“,
    Tiberios nahm nun seine andere Hand und legte sie über die des Charis:
    "Ich komme hier gar nicht zum Essen!", sagte er fröhlich: " Ich hatte so einen Hunger, jetzt ist er wie weggeblasen. Und meine Hände wüssten eine andere Beschäftigung..."

    Dennoch griff er kurz darauf nach dem gefüllten Brot, so etwas leckeres sollte man nicht umkommen lassen. Auch er prostete Charis nun mit dem Brot zu:
    "Auf den Abend!
    Ein eigener Laden, ja, das wäre etwas Gutes! Ich kann die Buchhaltung machen, für das Handelshaus Furii mache ich sie ja auch.
    Hast du je gedacht, dass du eines Tages ein Libertus sein könntest? Die Römer lassen ihre Sklaven oft in ihrem dreißigsten Jahr frei, vielleicht folgt dominus Viridomarus diesem Beispiel.
    Und dann muss man von etwas leben können, nicht? Der ehemalige Dominus wird dein Patron und steht dir bei, aber tüchtig sein muss man schon alleine.
    Könntest du dir das vorstellen, Charis, für Viridomarus einen Laden zu führen? Vielleicht gar in einer anderen Provinz…Aegyptus? Syria? Britannien? Germanien?“


    Tiberios lächelte nun, der Gedanke ließ sein Herz schneller schlagen. Er träumte gerade ein wenig. Aber wie wäre das in der Tat?



    * Text gesungen auf Koiné

  • Charislaus hörte Tiberios aufmerksam zu, als dieser von seiner Mutter erzählte. Er hatte keine alten Wunden aufreißen wollen. Chari rutschte etwas näher auf und schaute Tiberios in die Augen. Er sollte sehen und spüren, dass ihm diese Worte wichtig waren.
    "Dann vermisst Du sie Tiberios, ich wollte Dir mir meiner Frage nicht wehtun. Ja ich weiß wo meine Mutter Semiramis lebt. Sie lebt immer noch bei unserem alten Herrn Boiorix und ich vermisse oft ihren Rat. Manchmal auch einfach das Gefühl, dass ich jemanden Vertrautes habe.


    Bei uns herrscht Ordnung, keiner geht den anderen an. Das duldet unser Herr nicht. Allerdings hält sich jeder dadurch auch zurück. Jeder hält zum anderen einen Sicherheitsabstand ein. Es ist sehr leise bei uns Tiberios. Manchmal ist es abends zu still für meinen Geschmack. Nicht nur, weil viele Sklaven in unserem Haus gar nicht sprechen können. Wir anderen haben uns oft einfach nichts zu sagen. Man spricht über das Dienstliche, über das Tagewerk, man spricht über so einiges. Aber über sich selbst nicht.


    Natürlich hat das im Haus unseres Herrn auch keine Bedeutung. Nicht für Viridomarus und nicht für sein Geschäft. Für mich selbst schon. Vielleicht liebe ich deshalb so meine Arbeit, weil ich da mit Kunden reden und auf sie eingehen kann. Ich fühle mich angenommen, gewollt und auch gebraucht.


    Und wer wünscht sich dieses Gefühl nicht?
    Meine Mutter Semiramis ist so dunkel wie die schwärzeste Nacht Tiberios. Ihre Augen sind ebenso dunkel, aber nicht kalt sondern warm. Die Augen einer Mama Du verstehst? Mit so einem Blick kann Dich nur Deine Mutter beschenken. Meine Mutter ist etwas kleiner als ich und von normaler Statur. Aber ihre Haare sind voller Locken. Sie hat noch mehr Locken als Du", antwortete Chari. Er hätte Tiberios gerne durch die Locken gewuschelt, aber da er nur eine Hand frei hatte und darin etwas zu essen ging dies nicht. Er wollte Tiberios nicht mit Käse beschmieren.


    Als Tib für ihn sang, musste Chari schlucken. Das jemand für ihn sang war genauso schön und traurig wie der Text. Vielleicht fühlte er nur so, da der Text wahr war.


    "Dankeschön", sagte er schlicht. Jedes weitere Wort wäre dem Geschenk nicht gerecht geworden.


    Chari räusperte sich, nahm einen großen Schluck von seinem Getränk und biss herzhaft in das gefüllte Brot. Erst dann antwortete er Tiberios.


    "Du hast Recht, jeder Augenblick ist kostbar in solcher Gesellschaft. Nun ich halte Dich vom Essen ab und esse selbst. Ganz schön frech was?", grinste Charilaus.


    "Nein keinen eigenen Laden auf meine Kappe. Du darfst gerne die Buchführung machen Tib. Stell Dir vor, ich wäre frei, begehe einen Fehler und muss dann dafür gerade stehen. Was weiß ich, ich hätte die Steuern falsch bezahlt. Ich dachte mir dass so, dass ich den Laden in Namen von Viridomarus führe als sein eingesetzter Sklave. Und läuft was falsch, können sich die Behörden an Viridomarus halten. Das erscheint mir sicherer", lachte Chari.


    "Also mal im Ernst, Libertus zu sein und in ein anderes Land zu gehen, kann ich mir sehr gut vorstellen. Es müsste ein Land sein, in dem es noch viel zu entdecken gibt. Ich würde neue Waren entdecken und die Kunden würden bei mir was außergewöhnliche Waren finden. Ich würde mich aber auch schon über einen kleinen Laden hier in Rom oder etwas außerhalb freuen. Wovon träumst Du Tib?", fragte Charislaus neugierig und führte Tiberios Hand mit dem Brot zu seinem Mund.


    "Und bevor Du antwortest, iss einige Bissen ehe das gute Brot kalt wird", bat Chari.

  • Tiberios wusste genau, was Charis meinte. Stille, weil man keinen Vertrauten hatte. Stille, weil man niemals, in keinem Augenblick die Selbstbeherrschung verlieren durfte. Sklaven, die zufrieden waren mit ihrem Los, gewiss; die Arbeit war körperlich nicht so schwer und es wurde für einen gesorgt.
    Tiberios hatte kein Problem damit, zu dienen. Doch so oft wusste er nicht, wohin mit seinen Gefühlen, seinen Gedanken, seiner raschen quecksilbrigen Art. In der Casa Furia hatte er bisher keinen Kameraden gefunden, dem er völlig vertraute, obwohl alle hilfsbereit und gut miteinander umgingen – wie dominus Viridomarus liebte auch domina Stella Harmonie und Frieden in ihrem Haus.


    In Alexandria war das anders gewesen; nun erinnerte er sich wieder an die drei anderen Sklavenkinder: Anippe,Timothea und Daphne .Sie hatten sich alle vertraut, eine verschworene Bande waren sie gewesen; oft nur um Haaresbreite kamen sie mit ihren Untaten davon und auch nur, weil sie ihren Herren meistens zum Lachen brachten. Aber damals waren sie alle fürchterlich jung gewesen.


    „Semiramis heißt deine Mutter? Auch das ein Königinnenname. Ich merke schon, ihr Nubier oder Halbnubier seid anmutige Menschen von königlichem Geblüt.“,
    machte Tiberios ein Kompliment und schluckte, als Charilaus so liebevoll von seiner Mutter sprach:
    „Caenis hat graue Augen, silbergrau wie das Meer, wenn es im Sommer so heiß ist, dass es wie ein Spiegel vor den Toren Alexandrias liegt. Auch sie hatte einen bestimmten Blick allein für mich reserviert und einen besonderen Klang in ihrer Stimme.“, erinnerte er sich.


    Er ließ sich von Charis füttern, in dem er brav den Kopf vorneigte:
    "Diese Käsebrote sind wirklich gut, wir sollten öfter herkommen...
    Ich war eine zeitlang vilicus im Handelshaus meines Herren, und habe sehr eigenverantwortlich gearbeitet , aber ich hatte immer schreckliche Angst, einen groben Fehler zu machen und an ein Bergwerk verkauft zu werden.
    Was würde dein Dominus mit dir machen, wenn er wegen dir Geld verlieren würde?“,


    Tiberios setzte eine etwas besorgte Miene auf. Er wollte einfach, dass es Charis, der so lieb und freundlich war, gut erging in seinem Leben.


    Dann antwortete er:
    „Von was ich träume? Es gibt sehr viel: Fremde Länder entdecken wie Pytheas, der behauptet, hoch im Norden würde das Meer gerinnen wie Milch.
    Oder mir Dinge ausdenken und erforschen, so viel Interessantes gibt es auf der Welt.
    Aber auch Gedichte und Lesen und Deklamieren und Bibliotheken machen mir Freude.
    Ich bin auch gerne ein Scriba und gehe mit Tinte und Papyrus um.
    Meine Arbeit gerade jetzt mag ich auch, es gefällt mir, wenn alles ordentlich und gut ineinander greift wie Zahnräder einer Wasseruhr von Ktesibos.
    Doch ich bin ja noch jung, Tyche, die Schicksalsgöttin hat mich bisher so gut geleitet und-“

    Tiberios sah ernst in Charis Augen:
    ...mich heute an diesen Platz mit dir geführt. Und heute träume ich einzig davon, dich besser kennen zu lernen.", jetzt lächelte er und streichelte wieder Charis Hand.

  • "Den Blick, den nur Mütter für ihre Kinder haben. Niemand kann Dich so anschauen. Genauso kann Dich nur Deine Liebe mit einem gewissen Blick anschauen, wenn zwei Herzen in einem Takt schlagen. Oder wenn zwei Seelen nach mehr hungern, als nach gefülltem Käsebrot", flüsterte Charislaus.


    "Caenis ist ebenfalls ein sehr schöner Name. Augen so grau wie das Meer oder wie Sturm? Bei Sturm ist der Himmel manchmal auch grau und die Wolken treiben rastlos davon. Sie ist Deine Mutter Tiberios, ihre Stimme war das Erste was Du im Leben gehört hast. Das erzählt man sich so. Du vermisst sie auch, Du hast es nur nicht gewusst. Auf unsere Mütter", sagte Chari und ließ Tib erneut vom Brot abbeißen, ehe er selbst einen Bissen nahm.


    "Wir können jederzeit in meiner freien Stunde herkommen Tiberios, aber wir sollten ruhig auch mal andere Läden austesten. Einfach so zum Spaß und aus Neugier. So eigenverantwortlich arbeiten zu dürfen ist ein großes Kompliment. Ich hatte am Anfang immer etwas Angst, den Leuten beim Massieren weh zu tun, oder es zu lasch zu machen dass sie gar nicht entspannen können.


    Ich kann Deine Angst verstehen, Verantwortung bringt Angst vor dem Versagen mit sich. Würde ich Geld verlieren, käme es drauf an, was ich getan habe. Einfach nur verloren? Dann gäbe es Ärger und vielleicht einige Hiebe mit der Peitsche. Es käme darauf an. Hätte ich schlecht gearbeitet, so dass mein Herr Geld verliert, dann würde ich weit härter bestraft. Da gäbe es ganz sicher etwas mit der Peitsche und nicht zu knapp. Käme das öfter vor, oder das sich ein Kunde beschwert, dann würde ich meinen Beruf nicht mehr ausüben dürfen. Dann würde ich einer der stummen Diener werden.


    Aber ich arbeite immer gewissenhaft. Und falls jemand mal nicht zufrieden sein sollte, kann ich meine Arbeit anpassen. Deshalb frage ich ja auch nach den Wünschen der Kunden und erfülle sie.


    Und was würde mit Dir geschehen, wenn Du schlecht arbeitest?", fragte Chari Retour und nahm einen Schluck, da es kein leichtes Thema war. Wer dachte schon gerne über mögliches Versagen nach? Er dachte lieber daran, wie er so gut wie möglich arbeiten konnte. Nicht nur um der Strafe zu entgehen, sondern weil er seinen Beruf liebte.


    Damit würde man ihm weit mehr nehmen, nicht nur die Zunge sondern auch den Grund zum Sprechen. Es wäre noch stiller als sonst in seinem Leben, wenn er den Beruf nicht mehr hatte. Chari vertrieb die trüben Gedanken und lauschte lieber den Träumen von Tiberios.


    Wovon Tiberios träumte, ließ auch Chari schwärmen.
    "Du sprichst so wunderbar von Deinen Träumen, dass ich gleich mitgerissen bin. Ein Meer das aussieht wie aus Milch. Das würde ich auch gerne mal sehen. Wie Du liebe ich auch meinen Beruf und würde dort gerne mal etwas völlig neues entdecken.


    Und heute entdecken wir beide vielleicht was neues. So wie Du es vorhergesagt hast Tiberios. Ich möchte Dich auch sehr gerne kennenlernen, so richtig", grinste Chari verlegen.

  • Irgendetwas hatte Charis an sich; Tiberios dachte plötzlich daran, wie es wäre ….nein, nicht einmal mit Charis das Lager zu teilen, sondern neben diesem Jüngling aufzuwachen, ihn morgens in den Armen zu halten und sein Gesicht zu sehen.


    „Ich bin das Ebenbild meiner Mutter, und habe Augen wie sie.“, sagte er: „Das haben alle immer gesagt. Ich sehe aus wie Caenis. In mir war oft Zorn, wenn ich in den Spiegel gesehen habe, aber gerade bin ich nicht mehr wütend. Also: Auf unsere Mütter!“ Er lächelte:
    „Ich probiere gerne alles mit dir aus; nur zu weit weg dürfen wir nicht gehen, um nicht zu spät zu kommen.“


    Als Charilaus sagte, was ihm passieren könnte, wenn er schlecht arbeitete, wurde es Tiberios fast übel vor Mitgefühl:
    „Das darf nie geschehen und wird es auch nicht!“, sagte er entschieden:
    „Dominus Viridomarus hat dich bestimmt gern, und du bist eine Zierde für seine familia und eine Bereicherung für seine Geschäfte. Außerdem ist es auch bei unseresgleichen so, dass wir besonders gut tun, was wir gerne tun – und dass du deinen Beruf liebst, das sieht und spürt man.“


    Über die Möglichkeit seines eigenen Versagens zuckte er die Achseln:


    „Meine Domina ist gütig und geduldig. Wenn ich in gutem Glauben fehl gehe, würde sie wohl mit zunächst mir sprechen. Doch wenn ich mit Absicht...o, ich möchte gar nicht daran denken, in der Casa Furia hält man nichts von Sklaven, die nur unter Drohung mit der Peitsche arbeiten. Solche Sklaven werden gleich wieder weiter verkauft.“


    Es gab wesentlich schlechtere Umstände, in die man geraten konnte, als in einem vornehmen römischen oder peregrinen Haushalt zu dienen, Dienste, in denen die Überlebenszeit nur wenige Monate betrug. Charis wusste das bestimmt auch.


    Tiberios kämpfte mit sich, ob er folgendes noch erzählen wollte, dann tat er es. Ein bißchen war er auch auf der Hut vor Charis. Der hatte eine Art, so liebevoll und forschend nachzufragen, dass der furische Sklave sich in allem durchschaut fühlte, und das war nicht direkt unangenehm, aber sehr ungewohnt:


    „Es gab ein Mädchen, von dem ich dachte, wir hätten uns gern. Aber sie war Dienerin in einem anderen Haushalt. Fortuna hat es gefügt, dass sie an einen der Furier verkauft wurde.
    Was hättest du getan, Charis, an ihrer Stelle?
    Dich gefreut?
    Es so gesehen, dass die Götter unsere Verbindung segnen?
    Dich angestrengt, damit die neuen Herren dich mögen und dir das contubernium mit deinem Geliebten erlauben?
    Diese junge Frau jedoch, die schwor, dass sie mich liebt, tat das Gegenteil:
    Sie beleidigte die Furier, lief weg und ließ sich zu allem Überfluss noch in ein Verbrechen verwickeln.“
    *
    Tiberios hielt sich die Hände vors Gesicht, noch immer schämte er sich wegen des Verhaltens seiner Freundin:
    „Ich hörte, das Mädchen wurde nicht einmal verkauft sondern an einen Peregrinus aus der Subura verschenkt. Den Göttern sei Dank war die domina klug genug, zu erkennen, dass ich mit ihrem Benehmen nichts zu tun hatte.“


    Es war das erste Mal, dass Tiberios jemandem die Geschichte von Eireann und ihm erzählte. War er zu hart, weil er jedes Gefühl für sie vergessen und nichts mehr von ihr wissen wollte? Was würde der gutherzige Charis dazu sagen?


    Der Gedanke an diese Enttäuschung schmerzte noch immer, und sofort schob Tiberios sie weg. Er wollte von schönen Dingen reden:
    „Ich möchte dich auch gerne richtig kennen lernen – so richtig. Sag, gibt es jemanden, dem dein Herz gehört?“


    Tiberios beugte sich vor und tat so, als würde er Charis eine Strähne hinters Ohr stecken und den Kragen seiner Tunika richten, nur um das Vergnügen zu haben, ihn berühren zu dürfen. Charis‘ Haut hatte die Farbe von Honig oder Karamell. Wären sie alleine gewesen, hätte er den Jüngling gerne geküsst, aber das waren sie nicht; nun konnte er den Blick nicht von seinen Lippen losreißen, und in seinen Augen stand eine scheue Frage, aber er wusste nicht, ob Charilaus sie verstand.



    Sim-Off:

    *Tiberios bezieht sich in diesem Gespräch auf die Sklavin Eireann

  • Charislaus


    "Sieh es als Kompliment, dass Du Deiner Mutter so ähnlich bist. Du sprichst so gut von ihr, ihren Fähigkeiten und von ihrer Schönheit. Was gibt es da, dass Dich ärgern könnte? Du bist wie sie, ein klüger und hübscher Kopf. Stört Dich das etwa? Mich nicht", schmunzelte Chari und trank einen Schluck, da es in diesem Laden sehr warm war. Vorher war ihm das gar nicht aufgefallen


    "Wir beide haben mit unseren Herren Glück gehabt. Wir geben unser Bestes Tiberios, mehr können wir nicht tun. Wir geben es gerne, wir arbeiten gerne. Wir haben erkannt, dass man etwas leisten muss, um jemanden zu werden. Was später aus uns wird, wissen wir nicht. Aber wir können alles daran setzen, dass unser Traum wahr wird", sagte Chari beruhigend, denn er sah Sorge in Tiberios Gesicht.


    Sanft nahm er dessen Hand und streichelte sie.


    "Du weißt was dieses Mädchen war. Meine Meinung dazu? Hätten die Götter mich derart geküsst, dann hätte ich alles daran gesetzt, dass unsere Herren uns nie wieder trennen. Es hätte nie einen Grund zur Beschwerde gegeben. So und generell nicht. Mein Verhalten soll verdeutlichen, wie sehr ich den Umstand unserer Gemeinsamkeit schätze. Natürlich wäre ich dankbar.


    Und nicht nur dass, ich wäre froh und glücklich jemanden vertrautes an meiner Seite zu wissen. Jemand der mir nahe ist und für den ich etwas fühle.


    Dein Mädchen Tiberios hat Dich nicht geliebt. So wie sie klingt nach Deiner Beschreibung ist sie nicht mal in der Lage, sich selbst zu lieben. Sie hatte für nichts und niemanden Achtung oder Gefühl übrig. Eine verbitterte alte Frau, dem Geiste nach. Solche Personen reissen andere gerne mit in den Abgrund.


    Sie empfindet nichts für Dich. Du warst da und bequem. Du solltest ihr Leben lebens- und liebenswert machen. Dazu braucht es aber eine Person die liebenswert ist. Kurzum es wirklich wert ist, geliebt zu werden.


    War diese gehässige Frau es wert? Nein. Sie ist gar nichts wert Tiberios, selbst verschenkt war sie noch zu teuer.


    Sie hat mit ihrem Verhalten auf Dich und Eure mögliche Zukunft gespuckt. Du warst praktisch mehr nicht. Eine Sklavin die sich scheinbar auflehnt, um Dich mit ihrer "Liebe" zu versklaven. Hart gesagt suchte sie nur einen Dummkopf, den sie ausnutzen und herumschubsen kann, um ihre Minderwertigkeitskompkexe zu überspielen.


    Du bist aber kein Dummkopf Tiberios. Der war sie. Lass sie alleine ihr Leben wegwerfen. Wie heißt es so schön? Viele passen ineinander und nicht zueinander.
    Vergiss diese Frau, sie ist Deine Gedanken nicht wert. Schaue nach vorne und gräme Dich nicht", tröstete Chari Tiberios und füttert ihn erneut.


    Etwas im Magen half immer bei trüben Gedanken.


    "Fest war ich nie vergeben, aber so Freude habe ich dennoch genossen.
    Noch gehört mein Herz keinem, aber ich glaube wir beide sind im Begriff den Besitzstatus zu ändern", lachte Chari leise und wuschelte Tiberios nun doch durch seine Locken.

  • Wie Charilaus die Geschehnisse zurechtrückte, tat Tiberios wohl und war wie eine Befreiung. So recht hatte er mit noch niemandem über die Angelegenheit sprechen können. Dominus Lurco hatte natürlich seine wohlbegründete Meinung gehabt*, aber der Purgitier war ein Römer, ein freier Mann und ein miles obendrein.
    Das so ein Herr keinerlei Sympathie für eine aufsässige Sklavin hatte, war nur natürlich. Ähnlich gelagert war es mit domina Stella.
    Aber Charilaus war vom gleichen Stand wie Tiberios, und nicht einmal er zeigte Verständnis für das Verhalten der Keltin.


    So nickte Tiberios und sagte:
    „Danke, Charis. Du hast in allem recht, und ich will daran nicht mehr denken. Weißt du, so froh wie gerade war ich schon lange nicht mehr.“
    Nun lachte er:
    „Viele passen ineinander und nicht zueinander. Diesen Spruch kannte ich noch gar nicht. Er ist sehr gut und treffend.
    Da sollte man doch beides ausprobieren, und es fragt sich nur in welcher Reihenfolge.“


    Er schloss die Augen wie eine Katze, die man streichelt, als er Charis‘Hand in seinem Haar fühlte, dann konnte er auch nicht widerstehen und fuhr sanft über die Wangenlinie des Jünglings:
    „Ich erwarte schon die ganze Zeit, die Herculesgestalt des Nubius zu sehen. Und dennoch möchte ich ihn umarmen zum Dank für die gemeinsame Zeit, die er uns gerade schenkt.
    Ich möchte auch dominus Viridomarus danken. Er erlaubt, dass Nubius und du heute später nach Hause kommen, nur damit wir zwei uns freuen können. Er ist ein guter Herr.


    Ich möchte gerne mit dir allein sein, Charis, wenn ich auch nicht weiß, wo und wann. Ich würde...dich gerne erfreuen. Aber es ist mehr als das: Ich wäre auch gerne ein wirklicher Freund für dich“



  • Charislaus


    Charislaus genoss den Genuss den Tiberios bei seiner Streicheleinheit empfand. Er wirkte glücklich, gelöst und entspannt und er selbst fühlte sich ganz genauso.


    "Das geht mir genauso. Sei einer halben Ewigkeit habe ich mich nicht mehr so wohl gefühlt. Der Spruch ist alt Tiberios, aber es ist viel Wahres dran. Was Du zuerst ausprobieren möchtest ist bei jedem unterschiedlich. Da gibt es kein generelles Erfolgsrezept. Aber irgendwann muss man sich eines von beidem trauen.


    Viridomarus und Nubius gilt unser beider Dank. Ich wäre auch sehr gerne allein mit Dir ohne auf die Zeit achten zu müssen. Die einzige Zeit die ich neben meiner Stunde frei habe ist die Mittagspause von meinem Herrn. Wie sieht es bei Dir aus? Wann hast Du etwas Freizeit?", fragte Chari und fing den frechen Finger ein, der über seine Wangenlinie fuhr. Chari grinste Tiberios an und drückte einen Kuss auf dessen Finger.


    "Du würdest mich gerne erfreuen? Das würde ich gerne und ich würde es ebenso zurückgeben Tiberios. Wir könnten beides haben. Es muss nicht entweder oder sein, weißt Du? Ich stelle Dich vor keine Wahl. Spaß oder Freunde muss es nicht lauten. Spaß und Freunde. Lass uns doch einfach sehen wohin uns das Schicksal führt, anstatt alles zu planen. Wir sollten es auf uns zukommen lassen und die Zeit genießen. Vielleicht wird es sogar weitaus mehr", antwortete Charislaus und trank einen Schluck Posca. Dabei beobachtete er Tiberios über den Rand seines Krugs hinweg.


    Tiberios war ein klein wenig zu verkrampft fand Chari. Er musste lernen loszulassen um etwas ganz zu bekommen. Aber das würde er noch lernen, er würde Tiberios zeigen, dass man manchmal das Leben einfach genießen musste. Gleich wie es wahr, es gab kleine Inseln des Glücks und sie hatten ihre gerade gefunden.

  • „Ich darf jederzeit weggehen, um etwas für die Casa zu besorgen oder wenn ich die Domina frage, bekomme ich auch frei.“, sagte Tiberios:
    Nur nach Dunkelwerden sollen alle Sklaven im Haus sein. Da habe ich ja richtig Glück, dass Sommer ist – es wird so spät dunkel.“


    Er lachte, dann spürte er Charis‘ Kuss auf seinen Fingern, und vor Freude schloss er die Augen:
    „Ich wollte dir nur sagen, dass ich noch mehr mit dir teilen würde als die Verehrung der Venus.“, sagte er:
    „Aber du hast Recht, ich denke wie ein alter Mann und plane ständig im voraus. Ich habe gelernt, Tyche, die Göttin des zufälligen Geschicks, zu fürchten. Anderseits kommt mir gute Planung bei der Arbeit zugute.“


    Tiberios erhob sich und streckte sich.
    „Ich glaube, nun ist Nubius nicht mehr weit.“, sagte er:
    „Begleitest du uns noch bis zur Casa Furia, oder musst du in das Haus deines Herren zurückkehren?“


    In dem Moment kam das Schankmädchen, zwinkerte beiden Jünglingen zu und meinte:
    „Wir vermieten hier auch Zimmer.“
    „Danke für die Auskunft.“, sagte Tiberios und wurde tatsächlich rot.
    In sich hineinlachend machte das Mädchen den Tisch sauber.
    Tiberios lächelte nun zu Charis hinüber:
    „Ein sauberes Zimmer hätte viele Vorteile, aber auch das ist eine Frage der Planung.“, meinte er.

  • Charislaus


    "Da hast Du es wirklich gut getroffen. Kommen und gehen wie Du magst, Deine Herrin ist sehr großzügig. Das alle nach Einbruch der Dunkelheit daheim sein sollen, ist auch sicherer. Sonst müsste man die Tür ungesichert lassen. Oder ein Sklave aus dem Haus müsste ständig rennen und die Nachzügler hereinlassen. Genau es ist Sommer, nicht zur Jahreszeit", lachte Chari gut gelaunt.


    "Das Du mehr teilen möchtest, hast Du schon bewiesen Tiberios, gefülltes Brot und Posca. Du bist ein großzügiger Mann. Falls es nicht reicht, ich habe auch noch Geld dabei. Venus schenkt uns ihr Lächeln Tiberios. Da wird Tyche sich zurückhalten. Beim nächsten Treffen haben wir hoffentlich mehr Zeit, um auch Venus zu erfreuen.


    Wenn man von Nubius spricht, da ist er", sagte Charislaus und deutete mit Bedauern im Blick auf den Nubier. Er wäre gerne noch etwas geblieben, aber die Zeit war um. Die Bedienung erklärte, dass sie auch Zimmer im Angebot hatten.


    Leider hatten sie dafür weder Zeit noch Geld.
    "Ich begleite Dich gemeinsam mit Nubius nach Hause und dann gehe ich mit ihm heim", warf Charislaus ein.


    "Danke für den schönen Abend Tiberios und mach Dir nicht immer zu viele Gedanken", schmunzelte Charislaus und drückte noch einmal zärtlich Tiberios Hand, ehe Nubius am Tisch stand und sie aus dunklen Augen wissend zu mustern schien.


    Mit einem Wink gab er den beiden zu verstehen, dass sie aufbrechen sollten.

  • Charislaus und Nubius


    Nubius eskortierte gemeinsam mit Charislaus Tiberios wie versprochen nach Hause, so dass ihm nichts geschehen konnte. Danach machten sich die beiden selbst auf den Weg, um zu ihrem Herrn Viridomarus zurückzukehren.

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