[Atrium] Malleus ist wieder da

  • Kaum in der Casa angekommenrief sie auch schon laut nach Alpina, ihrer guten Freundin und Schwägerin. „ALPINA... schau wer wieder da ist.“
    Zu Malleus gewandt sprach sie. „Ich richte dir gleich dein Zimmer her. Kann ich dir etwas bringen? Essen? Was zu Trinken?“ Ja kaum hatte sich die Tür der Casa hinter ihnen geschlossen war es so, als hätte sie das Böse in der Welt ausgesperrt und Runa war wieder die selbstsichere Frau wie man sie kannte. Hier konnte sie endlich befreit aufatmen. Hier gab es keine Ungerechtigkeiten, hier gab es keinen der andere bestrafte. Hier herrschte Frieden.

  • Zu sehen, welche Veränderung in Silvana vorgegangen war, seit sie die Casa betreten hatten, ließ Malleus’ Herz aufgehen, was beileibe nicht all zu oft vorkam. Ganz offensichtlich fühlte die junge Frau sich in diesen Mauern sicher und geborgen. Das war wohl der tiefere Zweck einer Heimat, eines Zuhauses. Mochte sein, dass auch sein Entschluss, zu bleiben ein Quentchen dazu beitrug. Das nun wieder war der tiefere Zweck seiner Anwesenheit. „Gemach, Kindchen .. gemach.“, lachte er mit besänftigend erhobenen Händen. „Das hat Zeit. Mein Hengst ist versorgt, das ist die Hauptsache.“

    Es war schon erstaunlich, was ein einziger kurzer Tag so alles mit sich bringen konnte. Einen Tag und eine Nacht hatte er für seinen Aufenthalt eingeplant. Unter anderen Umständen hätte er Funkan längst bei Bulbus abgestellt, säße nun zerknirscht in der Silva Nigra, völlig zu recht angegiftet von Luitberga, die er damals ebenso ahnungslos zurückgelassen hatte wie die Familie Curios’. Luitberga. Unwillkürlich musste er schlucken. Das würde noch ein Problem werden. Aber gut, die Umstände waren eben wie sie waren, und wie sie waren, waren sie ihm recht.


    Wenn er länger hier bleiben und anständig auf die Frauen acht geben wollte – und das war ja wohl das Allermindeste, was er tun konnte – musste er allerdings ein paar alte Kontakte aktivieren. „Sag, Silvana ... steht Bolanus noch in Curios’ Diensten?“ Wohl eher nicht. Mit Ablauf des Aedilates hatte sich gewiss auch Bolanus’ Dienstverhältnis als Appritor erledigt. Umso besser.

  • Als die Hebamme ihre Schwägerin rufen hörte, ließ sie ihre Arbeit stehen und lief ins gemeinsame Atrium. Dort sah sie Malleus bei Runa stehen, was ihr sogleich ein strahlendes Lächeln auf die Lippen zauberte.
    "Malleus! Wie schön dich zu sehen! Ich habe deine Nachricht erhalten und es freut mich, dass wir uns doch noch sehen. Wie geht es dir?"

  • Bevor Silvana dazu kam, die Frage nach Bolanus zu beantworten, trat Alpina in’s Atrium. Malleus Lächeln wurde noch breiter als es ohnehin schon war. Trotz allem Bedenklichen, das er heute gesehen und gehört hatte, war dieser Tag am Ende zu einem guten, einem sehr guten Tag geworden. Allein die Götter wussten, wie viele solche Tage einem alternden Knochen wie ihm noch beschieden sein würden. Ein Wermutstropfen freilich war Curio’s Gesundheitszustand und seine daraus resultierende Abwesenheit. Aber auch was das betraf, war Malleus zuversichtlich. Der junge Helvetier war hart im nehmen, das hatte er selbst erlebt.


    Mit schief gelegtem Kopf und gerunzelter Stirn blickte er zu Alpina hinüber. „Alpina! Verflucht, verflucht .. da hab’ ich meinen kostbaren Codex ja völlig umsonst zerfleddert.“
    Dann ging er ihr entgegen und nahm ihre Hände lachend in seine Pranken. „Nun ja. .. freut mich trotzdem, dich zu sehen. Sehr sogar, um ehrlich zu sein. Wie ist es dir ergangen, Frau?“

  • Irgendetwas an Malleus erinnerte sie an Corvinus - ja, sein derber Humor. Wie sehr liebte sie diesen. Sie grinste unwillkürlich.
    "Ja du hast den Codex wohl umsonst zerfleddert. Tut mir leid", antwortete sie ihm.


    Es war schön ihn zu sehen und seine kräftigen Pranken zu fühlen. Seine Frage wie es ihr ergangen sei, seit er gegangen war, ließ sie etwas ratlos stehen.
    "Nun... äh," Alpina wollte ihm erzählen was alles passiert war, wusste aber nicht wo sie anfangen sollte und entschied sich dann, abzubrechen. "Es geht soweit, Malleus. Kaeso fehlt mir. Er ist als Gehilfe jetzt bei dem Chirurgicus des Ludus. Aber sonst geht mir die Arbeit nicht aus, wie du dir denken kannst."


    Sie betrachtete ihn genau. Zählte Narben und suchte nach neuen Verletzungen.
    "Und wie geht es dir, du Unverwüstlicher? Was macht die Lunge?"

  • Runa freute sich zu sehen, das Alpina endlich mal wieder lächelte. Viel zu selten hatte ihre Freundin in letzter Zeit Grund dazu. Nun da auch noch der Prozess gegen dieses Mistkerl anstand. Ging es ihr wohl noch schlechter. Alpina nahm immer an, dass man ihr die Schuld dafür geben würde. Was natürlich aus Runas Sicht totaler Schwachsinn war.
    So zuckte sie bei der Frage wie es Alpina ergangen ist zusammen. Wie sollte Malleus auch ahnen, dass er damit wohl Wunden aufriss. Es war aber mitunter gut, wenn man Dinge auch ansprach und vor allem wenn man über sie redete. Aber aufgrund der ganzen Situationen war es einfach gut, wieder einen Mann im Haus zu wissen.
    „Wollen wir uns nicht setzen?“ Fragte sie also und holten eine Krug mit gutem Bier, ein Leib Brot und etwas von dem einem kühlen Braten, der von gestern noch übrig war. „Ich glaube dass es wohl länger dauert dich vollends ins Bild zu setzen. Aber glaube mir es ist gut, dass du wieder hier bist. Nicht wahr Alpina?“ Sie lächelte ihrer Freundin zu und drückte sanft ihre Hand.
    Ihre Erlebnis auf dem Forum heute konnten warten. Natürlich würde sie Alpina noch von der Tat der Römer berichten von ihren Ängsten, ihren Gefühlen. So wie es die beiden Frauen eigentlich immer taten. Aber das hatte Zeit, der Abend war ja noch jung. Runa setzte sich, streichelte sanft ihren Bauch, den man wenn sie sich setzte deutlich erkennen konnte und wartete, dass die Beiden sich zu ihr gesellten.

  • „Die Lunge tut, was sie soll.“ tat Malleus Alpina’s Nachfrage mit einem beiläufigen Achselzucken, und nicht ganz wahrheitsgemäß ab. Wobei, die Lunge selbst war nicht das Problem. Das Problem saß unter den Rippen. Aber dies war ganz sicher nicht der rechte Augenblick, um über ohnehin nur zweitweise auftretende Unpässlichkeiten zu lamentieren. Alpina hatte es ja selbst gesagt, er war unverwüstlich, und wie immer hatte sie recht. Was einmal sein würde, kümmerte ihn nicht. Ihn kümmerte etwas anderes.
    In all der Freude und Gelöstheit, die sich seiner bemächtigt hatte, nahm er dennoch etwas wahr, das er nicht recht einzuordnen wusste, nur ein Gefühl, oder vielmehr einen dunklen Hauch, schemenhaft und düster wie der Kveld-Úlfr durch die nächtlichen Wälder streicht. Um ein sorgloses Lächeln bemüht blickte er Alpina forschend in die Augen. Sie vermisste also Kaeso. Das war verständlich. Aber war das auch alles? „Tja .. was Kaeso betrifft, der hat eben auch seine Bestimmung. So wie wir alle.“


    Nun ergriff wieder Silvana die Initiative, und was noch vom formlosen Trugbild des Kveld-Úlfrs übrig war, wurde von ihrem sonnigen Gemüt vertrieben. Bereitwillig folgte er ihrer Aufforderung und setzte sich mit Alpina an den Tisch. „Nun?“, fragte er wohlig brummend, als Silvana Speisen und Getränke abgestellt hatte. „Was hab ich verpasst?“ Sein Blick fiel auf den sanft schwellenden Bauch der Hausherrin. Ein verschmitztes Grinsen stieg ihm in's Gesicht. „Wie mir scheint, eine ganze Menge.“

  • Sie streichelte sich lächelnd die Bauch. „Ja, das hast du wohl.“ Doch dann wurde ihre Mine traurig und ein besorgter Blick traf Alpina. „Leider nicht nur Gutes.“ Sagte sie mit nachdenklicher Stimme. Ja es war vieles passiert, doch sie wollte es Alpina überlassen, ob sie darüber sprechen wollte. Sie würde jetzt also nicht vor ihr anfangen alte Wunden aufzureißen, dass würde der Prozess ohnehin noch tun. So beantwortete Runa einfach die Frage die Malleus vor Alpinas Eintreffen gestellt hatte. „Nein Bolanus steht nicht mehr im Dienst meines Mannes. Eigentlich wollte er sich um das Amt des Priesters bewerben. Aber ich denke die Last wurde zu groß. Er wurde schwermütig und ...“ Sie brach ab. Zu sehr tat es ihr weh, wenn sie an den Zustand ihres Mannes dachte. „... wie dem auch sei. Er ist aufs Landgut gefahren um dort neue Kraft zu tanken.“
    Sie schob jedem einen gut gefüllten Becher mit Bier hin. Ja sie trank heute auch ein Bier. Sie brauchte das einfach. Nach den Erlebnissen des Tages. Dass der nun doch noch ein so gutes Ende fand, zeigte ihr nur, dass die Götter immer noch schützend ihre Hände über sie und ihre Familie hielten.
    „Aber du musst uns auch berichten was du so getrieben hast.“ Sagte sie und versuchte damit die Schwermut die im Raum hing zu vertreiben.

  • Mit Zufriedenheit hörte Alpina, dass Malleus Lunge ihren Dienst tat. Natürlich war er nicht der Alte und die erfahrene Kräuterfrau wusste, dass der alte Recke ihr verschwieg mit welchen Problemen er zu kämpfen hatte. Die Frage danach ob er was verpasst hatte, brachte Alpina in Erklärungsnot. Zum Glück kam Runa ihr zuvor. Sie berichtete von Curios Rückzug. Alpina hatte wohl mitbekommen, dass ihr Schwager sich mehr und mehr aus dem öffentlichen Leben zurückzog und allem Anschein nach auch in seiner Familie nicht die nötige Ruhe zur Regeneration fand. Also hatte er sich auf sein Landgut zurückgezogen.


    Die beiden Frauen mit ihren Kindern und dem geschrumpften Hauspersonal waren zurückgeblieben. Standhalft hielten sie die Stellung.
    Als Runa die Gegenfrage an Malleus stellte, ws er so zu berichten habe, lehnte sie sich entspannt zurück. So würde sie Zeit gewinnen und musste Malleus nicht von der Vergewaltigung und dem bevorstehenden Prozess erzählen, was sie beides sehr belastete.

  • Kaum hatte Silvana ihren zweiten Satz vollendet, war der Abendwolf wieder da, schlich auf leisen Pfoten über Malleus’ Gemüt und ließ sich am Rand seiner Wahrnehmung nieder. Natürlich war der lebenserfahrene Veteran nicht davon ausgegangen, dass es nach einem knappen Jahr ausschließlich Positives zu berichten gab, gehofft indes hatte er es trotzdem. Was er nun über Curios’s Zustand hören musste, betrübte ihn sehr. Was für ein verdammter Jammer. So ein junger Kerl. Der Helvetier hatte die besten Jahre seines Lebens allesamt noch vor sich, war gesegnet mit einer prächtigen jungen Frau und einem gesunden Sohn. Er hatte alles, was ein Mann brauchte, um im Leben voran zu kommen. Energie. Intelligenz. Durchhaltevermögen. Ehrgeiz. Vielleicht war ja letzteres zum Problem geworden? Möglich, dass er sich zu viel abverlangt und zu hohe Erwartungen an sich selbst gestellt hatte. Wenn dem tatsächlich so war, hatte er mit seinem Landaufenthalt jedenfalls die richtige Entscheidung getroffen. Das Priesteramt lief ihm nicht davon, und wenn er es wirklich wollte, würde Curio jederzeit wieder auf die Beine kommen.
    „Das wird wieder, Silvana.“, brummte Malleus voll Überzeugung, kam sich angesichts dieser abgegriffenen Phrase aber dennoch etwas schäbig vor. Und das war beileibe noch nicht alles, was seine Stimmung zu überschatten drohte. Zum einen war der Kveld-Úlfr noch immer nicht verschwunden, was darauf schließen ließ, dass noch weitere schlechte Nachrichten im Raum standen, zum anderen brachte ihn Silvana’s Frage in eine Zwickmühle.


    „Was ich getrieben habe?“ wiederholte er scheinbar zerstreut, griff nach dem Becher, nahm ihn hoch, setzte ihn ohne zu trinken wieder ab und blickte die Frauen abwechselnd nachdenklich an. Sie vertrauten ihm. Alle beide. Das wusste er, und seltsamerweise beruhigte ihn diese Gewissheit. Er vertraute ihnen auch. Das wiederum beruhigte ihn ganz und gar nicht. Er war es schlichtweg nicht gewohnt, jemand anderem zu vertrauen als sich selbst.


    „Was ich getrieben habe .. nun ja.“ wiederholte er zaghaft. „Was wollt ihr denn hören? Das, was ich jedem anderen auftischen würde? Die offizielle Version? Nun, die ist schnell erzählt.“ Wieder griff er zum Becher. Wieder trank er nicht.
    „Also .. nachdem ich die ganze Zeit tatenlos auf dem Krankenlager verbringen musste, ist es einfach mit mir durchgegangen. Ich wollte hier weg. Raus. Was Neues sehen. Unterwegs sein. Also hab ich – treulos wie ich nunmal bin – einfach meine Sachen gepackt und mich still und heimlich davon gemacht. Zuerst über Confleuntes zur Castra Bonnensia, wo ich vor vielen Jahren kurzzeitig stationiert war und noch ein paar Freunde habe, dann weiter den Rhenus entlang nach Norden, CCAA, Novaesium, Castra Vetera, Castellum Carvium, von da ab nach Osten tief hinein in’s Barbaricum – wie die Romani das Land der Stämme so despektierlich zu bezeichnen pflegen – vorbei an winzigen Handelsstützpunkten, deren Namen ich noch nie zuvor gehört hatte, und schließlich nach Norden bis zum Meer. Das .... “ Malleus räusperte sich betreten und nahm endlich einen Schluck Bier. „Das muss man nicht gesehen haben. Wahrlich nicht.


    Tja .. irgendwo dort oben hab ich überwintert, bin im Frühjahr wieder nach Süden aufgebrochen und jetzt sitz ich hier. Nach fast einem Jahr. Handelszüge habe ich eskortiert, Pferde zugeritten, randalierende Gäste aus Garnisonstabernae geworfen, größere und kleinere Reparaturen durchgeführt, Kühe gemolken, bei der Aussaat geholfen und weiß Hel, was sonst noch.“ Mit einem langsamen Nicken wischte er sich den Schaum aus dem Bart. „Das ist es in etwa, was ich üblicherweise antworte, wenn irgendwelche Leute mich fragen, was ich in den letzten Monaten getrieben habe.“

  • Während Malleus von seiner Tour durch die Grenzregion und dann darüber hinaus ins Barbaricum erzählte beobachtete Alpina wie Runa sich über den Bauch streichelte. Über den Bauch... da war tatsächlich ein Babybauch zu sehen! Warum hatte Runa ihr nichts gesagt? Warum hatte Alpina als erfahrene Hebamme das nicht bemerkt? Lag es daran, dass Runa so lange Zeit mit Curio auf dem Land verbracht hatte oder war Alpina zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen? Sie beschloss nicht vor Malleus das Thema anzureißen, wenn sie es nicht selbst tat, aber die Freundin gleich nach diesem Gespräch darauf anzusprechen.


    Wieder zu Malleus gewandt antwortete Alpina.
    "Nun, ich würde dir die offizielle Version sofort abkaufen, wenn ich nicht ahnte, dass etwas mehr dahintersteckt. Möchtest du uns die inoffizielle Version auch noch erzählen?"

  • Obgleich Malleus eigentlich nicht danach war, brachte ihn Alpina’s Nachfrage zum schmunzeln. Dass sie sich nicht mit Halbheiten abspeisen lassen würde, hätte ihm klar sein müssen. Ein Anrecht auf die Wahrheit hatte sie allemal, und Silvana ebenso. Die Frauen sollten wissen, woran sie mit ihm waren.


    „Nun ja, die inoffizielle Version ist weitgehend deckungsgleich mit der offiziellen. Bis auf einen wesentlichen Punkt. Dass ich mich damals einfach davon geschlichen habe, hatte nichts mit Undank oder Treulosigkeit zu tun. Ganz im Gegenteil. In’s Vertrauen ziehen konnte ich euch nicht, denn egal, wem ich von meinen Plänen erzählt hätte, ob nun Curio, dir oder Silvana, jeder von euch hätte versucht, mich daran zu hindern. Vielleicht sogar zurecht, wenn man das Recht in diesem Fall wörtlich nehmen will.“


    Ein fahles Lächeln umschmeichelte seinen grauen Bart. Oh ja, das hätten sie versucht. Und angesichts des Temperamentes der beiden Frauen, hatte er auch nicht den leisesten Zweifel daran, dass es ihnen auf die eine oder andere Weise gelungen wäre. Das Lächeln hielt sich nur ein paar Augenblicke, dann erstarb es wieder.


    „Fakt ist: Ich habe die beiden Männer getötet, die für den Anschlag auf den Aedilen verantwortlich waren. Den belgischen Drahtzieher und den Bataver, der Curio angegriffen hat. Das in’s Werk zu setzen, hat eine Weile gedauert. Der Kelte hat es mir noch relativ leicht gemacht, der Germane dagegen war mir immer einen Monat voraus. Ihm – nicht meiner Abenteuerlust – bin ich bis nach Treoua im Barbaricum gefolgt.“


    Näher darauf einzugehen, wie mühsam es gewesen war, die wenigen Informationen, die er aus Gowin hatte herausprügeln können, nach und nach und Stadt für Stadt zu einem konkreten Bild zu formen, ersparte er sich und den Frauen. Am Ende zählte allein das Ergebnis. Jedenfalls für ihn. Ob, und wenn ja, wie weit Alpina und Silvana sein Vorgehen nachvollziehen konnten, wagte er nicht einzuschätzen. Gut heißen konnten sie es nicht, das war ihm klar. Zumal sie seine Motive noch immer nicht kannten.


    „Bevor ich fortgegangen bin, habe ich Curio an’s Herz gelegt, zu vergessen, was geschehen ist. Und genau das kann er jetzt. Endgültig. Die Schweine sind tot. Alle drei. Curio’s körperliche Wunden sind verheilt. Meine auch. Kein Grund also, auch nur einen weiteren Gedanken an diesen Anschlag zu verschwenden. Er hat nie stattgefunden. Deshalb hab ich es getan. Um ungeschehen zu machen, was ich zuvor nicht hatte verhindern können.“


    Nun hing ihm die Zunge in faserigen Fusseln aus dem Maul. Zumindest fühle es sich so an.

  • Runa stockte der Atmen, als der Mann erzählte was er wirklich getrieben hat. Da sie heute wohl eh nah am Wasser gebaut war liefen ihr die Tränen über die Wangen. Er hatte wirklich...? Mit tränen behafteten Blick sah sie den Mann an. Ihr Blick lag lange auf ihm und man konnte ihr nicht ansehen was sie dachte. Sie erhob sich langsam und ging auf ihn zu. Sie nahm seine Hände. Und sprach leise. „Die Götter mögen meine Zeugen sein. Malleus ich danke dir von Herzen. Ich... wir stehen tief in deiner Schuld. Du nimmst uns eine Last von unseren Schultern.“ Ja das tat er wirklich. Sie wusste nie wer ihren Mann angegriffen hatte und so war dieses ungute Gefühl immer geblieben. Dieses Misstrauen, diese Angst, dass so etwas jederzeit wieder passieren konnte. Und keiner ihrer Familie hatte sich darum gekümmert. Nein dieser alte Soldat hier war es gewesen. Und da sagte man immer Blut ist dicker als Wasser. Nein dem war wohl ganz und gar nicht so. In eine Familie wurde man geboren, die hatte man, aber Freunde, wahre Freunde die konnte man sich aussuchen. Und Runa war froh, dass Malleus ein Freund war. „Tief in deiner Schuld. Die Stärke Donars und die Weisheit Wodans sei mit Dir, wo immer Du gehst.“ Dann gab sie ihre Distanz auf und umarmte den alten Haudegen.

  • Auch Alpina staunte nicht schlecht, dass Mallus die Verbrecher, die Curio überfallen hatten, zur Strecke gebracht hatte. Umso mehr freute sie sich für Runa, die entsprechend erleichtert war und deren Emotionen, ob schwangerschaftbedingt oder weil es sie als Strohwittwe näher am Wasser gebaut hatte, überflossen.


    Lächelnd beobachtete die Hebamme, wie ihre Freundin dem alten Haudegen dankte und konnte sich ihrer Einschätzung nur anschließen, dass sie tief in seiner Schuld standen. Denn so mussten die Menschen in Mogontiacum eine Angst weniger haben. Mit dem gefangen genommenen Gurox und den getöteten Attentätern, die Curio angegriffen hatten, wurde es vielleicht ein wenig sicherer auf den Straßen der Stadt.
    "Danke, Malleus! Du bist ein wahrhaftiger Held. Still und ohne großes Aufhebens darum, hast du die Bürger der Stadt von einer großen Gefahr befreit."

  • Malleus wusste gar nicht, wie ihm geschah. Mit dieser Reaktion hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Völlig aus dem Konzept geraten erwiderte er Silvana’s Umarmung. Dass sie dankbar war, ging ihm ja noch ein, aber – bei allen Göttern – sie stand doch nicht in seiner Schuld. Sie nicht, Curio nicht und auch nicht Alpina. Das Gegenteil war der Fall: Er stand in in ihrer Schuld. Man hatte ihm in der Casa ein Krankenlager bereitet, ihn gepflegt und Fürbitten für ihn gesprochen. Ein alter Granitschädel wie er vergaß so etwas nicht, ebensowenig wie er diejenigen vergaß, die den paar anständigen Menschen, die er kannte, Schaden zugefügt hatten. Er konnte ausgesprochen nachtragend sein, im Guten wie im Bösen „Sachte, sachte, junge Mutter ..“ scherzte er mit belegter Stimme, „ .. wir wollen doch nicht, dass du eine Flunder zur Welt bringst, oder?“


    Während er Silvana sanft an sich drückte, kehrte seine Fassung allmählich zurück. Allerdings nur, um von Alpina erneut erschüttert zu werden.
    “Ein Held?“ wiederholte er ihre Worte ungläubig. „Grundgütiger. Alpina ..“ Ein Held. Das war er vielleicht einmal gewesen. Früher. Als man ihn für die Erledigung seines blutigen Handwerkes mit Phalerae behängt hatte. Damals waren sie alle Helden gewesen. Aber als Held konnte nur gelten, wer für Rom tötet. Wer es aus Rache tat, aus Treue oder aus eigenem Rechtsempfinden heraus, galt vor den Gesetzen der Romani lediglich als hundsordinärer Mörder, mögen seine Motive auch noch so ehrenvoll gewesen sein.


    Mit einem dumpfen bitteren Lachen schüttelte Malleus seinen ergrauten Schädel. „.. ich bin kein Held, Alpina. Ich bin nur ein sturer alter Sack, das ist alles. Das Wohl der Bürger hat mich bei alldem nicht im geringsten gekratzt. Für die Municipes habe ich es bestimmt nicht getan, sondern für Curio, für euch und nicht zuletzt auch für mich selbst.“ Ein Held – er konnte noch immer nicht recht glauben, dass sie das wirklich gesagt hatte. „Wenn sich hier jemand um das Wohlergehen der Bürger verdient gemacht hat, dann du. So – und damit genug von den Geständnissen eines morsch gewordenen Barbaren. Sagt mir, dass es auch noch Erfreulicheres zu berichten gibt.“ Der immer noch im Dunklen lauernde Kveld-Úlfr sprach zwar dagegen, aber möglicherweise narrten Malleus auch einfach nur die Sinne.

  • Runa ließ sich von Malleus drücken. Es tat einfach so gut. So sicher wie jetzt gerade hatte sie sich seit Monaten nicht mehr gefühlt. Vor ein paar Stunden noch hatte sie gar über Flucht aus der Stadt nachgedacht, doch jetzt war sie hier und fühlte sich unglaublich sicher.
    Sie konnte sogar herzlich über den derben Scherz des Mannes lachen. „Nein keine Flunder.“ Sagte Runa grinsend.
    Ja er sah sich natürlich als Held. Aber auch für Runa war er genau das. Er war ihr Held, der scheinbar im richtigen Moment aufgetaucht war.
    Als er nun aber fragte was es erfreuliches zu berichten gab schaute Runa auf die Tischplatte. Es gab nicht viel. Eigentlich gab es kaum etwas Gutes zu berichten. Das offensichliche hatte er bereits gesehen. Sie bekam ein weiteres Kind. Aber sonst?
    „Nun...“ Sie brach unsicher ab. Ein kurzer Blick zu Alpina. Sie löste sich auch Malleus Umarmung und setzte sich neben ihre Freundin um deren Hand zu halten. „Nun.. eigentlich gibt es nichts Gutes zu berichten. Von Corvinus haben wir immer noch nichts gehört.“ Das Runa sich dazu ihre eigenen Gedanken machte, die auch schon zu einem handfesten Streit zwischen ihr und ihrem Mann gesorgt haben sagte sie nicht. „Alpina...“ Sie blickte ihre Freundin an. „...sie wurde überfallen und …. der Kerl hat ihr Schlimmes angetan. Bald ist sein Prozess. Kaeso hat das Haus verlassen.“ Da Runa wusste, dass Alpina nicht gern über des Geschehen redete wandte sie sich nun an ihre Freundin um einfach von dem Thema abzulenken.
    „Alpina... stell dir vor... die Soldaten haben Gefangene mitgebracht.“ Sie musste kurz ein Pause machen. „Heute auf dem Forum... da haben sie... also sie haben...“ Runa stockte der Atmen und die Tränen stiegen nun doch wieder in ihr hoch. „Sie habe eine Seherin ausgepeitscht und gebrandmarkt. Der Mann war so brutal. Dabei war sie es, die ihm das Leben gerettet hat. Es war so... so grausam. Er kannte keine Gnade. Auch wenn er es genau so genannt hat. Er sagte sie wird in der Gnade Roms unterrichtet.“ Runa atmete tief durch. „Ich sah ihre Augen. Ich sah den Schmerz und das Leid. Aber auch den Willen, den starken Willen sich nicht zu beugen und das alte Wissen.“ Das Alpina die Seherin versorgt hatte konnte Runa ja nicht wissen. Sie war ja noch lange durch die Straßen gelaufen, bevor sie mit Malleus zusammengeprallt war. „Es war nicht richtig wirklich nicht richtig.“ murmelte sie vor sich hin.

  • So sehr sich Malleus auch gegen den Titel "Held" wehrte, so sehr empfanden es die beiden Frauen so. Natürlich wollte er nun auch noch mehr erfahren und Runa tat ihm den Gefallen. Aus dem Mund der Freundin, in ihren Worten ausgesprochen und in der Kürze auf den Punkt gebracht, hörte sich alles halb so schlimm an. Alpina schien ihr Schicksal wie aus der Ferne betrachten zu können. Ihre Gedanken drifteten ab zu Corvinus und dem Prozess. Dann aber holte die Schwägerin sie wieder in die Realität zurück mit ihrer Beschreibung der Auspeitschung der Seherin Idun.


    Alpina nickte zu Runas Beschreibung der Geschehnisse. Eine strenge Falte bildete sich zwischen ihren Augenbraunen. Noch immer war die Raeterin wütden über das Vorgehen der römischen Soldaten. Die arme Frau war aufs Schlimmste gedemütigt worden. Alpina war gespannt wie Malleus die Tat beurteilte. Sie wusste, dass er als Soldat gedient hatte und erwartete deshalb Verständnis für das Vorgehen der Legionäre.

  • Grau, verwittert und leblos wie ein alter Wächterstein saß Malleus da, den Oberkörper vorgebeugt, die Faust um den Becher geschlossen, den unerwiderten Blick starr auf Alpina gerichtet. Schlimmes angetan ..., echoten Silvana’s Worte durch seinen schwirrenden Kopf, ... der Kerl hat ihr Schlimmes angetan. Es brauchte weder Phantasie noch sonderlich viel Geist, um sich auszumalen, was der tapferen Kräuterfrau widerfahren war. Wo hatte er sich herumgetrieben, als sie das erleiden musste? Am Visurgis? Am Albis? Oder auf dem Weg zum Ende der Welt? Letztlich spielte es keine Rolle. Wo auch immer er sich an jenem Tag aufgehalten hatte – er war nicht da gewesen, um es zu verhindern. Dass ausgerechnet sie ihn als Helden bezeichnete, kam ihm jetzt hoch wie pure Galle.


    Er wollte etwas sagen, wusste aber nicht, was. Hätte er sie trösten können? Wohl kaum. Hätte er ihr sagen sollen, wie sehr er bedauerte, was mit ihr geschehen war? Das wusste sie. Wenn sie ihn auch nur ein klein wenig kannte, wusste sie das. Sich rechtfertigen? Sie um Verzeihung bitten? Sie bedauern? Nicht Alpina. Jedenfalls nicht die Alpina, die er kannte. Sie hatte es ertragen und sie würde es weiterhin ertragen, und wenn es jemanden gab, der ihr etwas Trost spenden konnte, dann war das ihre Freundin Silvana. Nicht er. Er würde noch darauf zurückkommen, das war so sicher wie dem Blitz der Donner folgte, aber nicht jetzt, Nicht bevor Alpina es nicht selbst ansprach.


    So sagte er also nichts, presste die Lippen aufeinander und starrte. Zuerst auf Alpina, dann auf Silvana, die noch immer merklich erschüttert von den Geschehnissen auf dem Forum berichtete. Auch dazu sagte Malleus zunächst nichts. Silvana gab die Ereignisse völlig korrekt wieder, wenn auch verständlicherweise weit emotionaler als er es getan hätte. Nichtsdestotrotz hatte sie recht. Es war nicht richtig. Nichts daran war richtig. Gar nichts.


    „Es ist wie Silvana sagt ..“ krächzte er schließlich mit brüchiger Stimme. „.. was die Romani da veranstaltet haben, ist ein Schande. Eine Schande für Rom und eine Schande für die Stämme. Schwer zu sagen, ob sie es aus Berechnung getan haben oder aus schierer Dummheit, eines dürfte jedenfalls klar sein: Mit dieser Aktion ist Mogontiacum nicht sicherer geworden. Ganz im Gegenteil.“ Endlich aus seiner Erstarrung gelöst hob Malleus den Becher und stürzte sich dessen Inhalt in einem einzigen kräftigen Zug in den Schlund.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!