Officium AFP | Neue Zeiten

  • Wie lange hatte er sich schon diesen Titel ausgemalt. Wie lange schon hatte er sich danach gesehnt. Nun war es so weit. Piso hielt das Dokument, welches er von der kaiserlichen Kanzlei erhalten hatte, in seinen Händen, und sah fast so aus, als würde er heulen. Nun ja, er war ein wenig angeduselt. Natürlich hatte er die Ernennung schon erwartet, er hatte sie schon vorausgesehen. Und trotzdem, sie war schön.
    Senator. Endlich.
    Piso hatte schon seinen obligaten Tanz im Atrium aufgeführt, komplett ungeachtet der Tatsache, dass ungläubige Sklavenaugen ihn beobachtet haben könnten. Er scherte sich nicht sonderlich darum, was die Sklaven von ihm hielten – egal, ob sie dachten, er sei ein Spinner oder ein Genie, sie hatten vor ihm zu katzbuckeln.
    Er war, wie schon erwähnt, angeduselt. Angeheitert. Sein Rausch stammte vom dicken, prallen Weinschlauch neben ihm, voll mit unverdünntem Wein – Götter, wie der reinhaute, es war wundervoll! Mit einem leicht dämlichen Grinsen saß er auf seinem etwas ziemlich weibisch wirkenden Korbstuhl vor seinem Arbeitstisch und lachte hie und da unkontrollierte Salven in die Luft, bevor er sich wieder einkriegte.
    Und da kam ihm eine Idee. Eine besoffene Idee, aber sie erschien ihm sehr gut. Äußerst gut sogar. Er rieb sich die Hände und grinste breit. Eine solche Idee hatte es gebraucht!
    Er brachte sich mit der Hilfe seiner Hände, welche er am Tisch aufstützte und benutzte, um sich aus seiner lümmeligen Lage aufzurichten, in eine gerade Sitzposition und blickte zu Antiochos, jenem Schreibersklaven, der tunlichst versuchte, das sonderbare Verhalten seines Herrn zu ignorieren. “An... Antiochhhhosch? Bring maaaa maaaaa... mir mal Bridhe. Ich habbb da sssso ne Idee. Hihihi. Hicks.“ Ein sehr breites Grinsen kam noch hinten drein. Antiochos seufzte, stand auf und verneigte sich leicht. “Zu Diensten, Dominus. Äh, ich meine, Senator.“ Piso lachte auf, deutete mit seinem Zeigefinger auf Antiochos und nickte bedeutungsvoll. Antiochos rang sich zu einem schmalspurigen Lächeln durch und verschwand dann durch die Türe, um die Hibernierin zu holen, während der Flavier im Stuhl sich zurücklehnte und vor Glückseligkeit gluckste. Ein guter Tag war heute. Jawohl!

  • Wohl kaum einem Bewohner der Villa war der Lärm entgangen, der aus dem Atrium stammte. Ebenso Bridhe nicht. Sie war gerade im Begriff gewesen, zur Bäckerei aufzubrechen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Über ihre Absichten, nun stundenweise auch dort mitzuarbeiten, hatte sie Piso noch nicht unterrichtet.
    Als es dann auch noch an ihrer Tür klopfte und sie Antiochos erblickte, der ihr manchmal in Pisos Büro zur Hand ging, ahnte sie bereits, dass aus ihrem Vorhaben heute nichts werden würde. So war es dann auch. Der Sklave teilte ihr mit, sie solle sich sofort in Pisos Büro begeben, wo sie erwartet wurde. Sie nickte, legte ihren Mantel wieder zur Seite und folgte Antriochos.
    Es hatte doch etwas Gutes, nun zu Piso zu müssen, dachte sie sich. Denn dann konnte sie ihm gleich von ihrer neuen alten Bäckerei erzählen.


    Als Bridhe das Büro betrat, fand sie den Flavier in ausgelassener Stimmung und in einem Korbsessel sitzend, vor. Seltsame Geräusche kamen aus Piso heraus, über deren Bedeutung sie sich noch nicht ganz im Klaren war. Sie hatte keine Idee, was oder wer den Flavier in eine derartige Stimmung versetzt hatte. Doch sie war nun schon lange genug in Rom, um zu wissen, dass es nur wenig bedurfte, warum ein Römer dem Wein frönte. Sich nichts anmerken lassend, ging sie auf seinen Schreibtisch zu und begrüßte ihn
    "Salve, Herr. Du wolltest mich sehen? Gibt es etwas zu tun?" Sie sah sich um, ob eventuell Akten zu verräumen waren, oder etwas abgeschrieben werden musste. Aber sie fand nichts dergleichen. So wartete sie Pisos Antwort ab.

  • Piso grinste von einem Ohr zum anderen, als er sah, wie Bridhe eintrat. Das war doch einmal ein um vieles vergnüglicherer Anblick als der altersschwache Grieche! Piso hob seine Hand, ließ sie herumschwanken, als wäre sie von einem Windstoß getroffen, und winkte sie her. “Salve, Kleines, komma her, nech?“ Er lachte, und sogar sein Lachen klang lallend. “Nenn mich doch Piso! Bissja... bist ja nich mehr unsere Sklavin. Bissja... bissja die Mudda von meinem Neffchen! Haha! Setz disch dosch! Wein, meine Liebe?“ Ohne, dass sie seine Frage beantworten konnte, schob Piso ihr grinsend einen Becher, den er von unterhalb seines Tisches hervorgezaubert hatte, zu, schreckte aber davor zurück, selber einzuschenken, denn in seinem Zustand würde sicher einiges daneben gehen.
    “Nu! Nu, hassdu schon gehört, warum’s Grund zum Feinern gibt? Isch bin Senator. Gerade geworden. Sieh mal!“ Er schob der Hibernierin die Ernennungsurkunde hin, dessen rechten oberen Rand schon ein Rotweinfleck zierte. “Bin Senator, Senator von Rom! Unnn du... du bisss die Scriba von nem Senator! Überall, wo du hingessss, sachste, isch bin die Scriba des Senator Aulus Flavius Piso! Und alle werden vor dir buckeln. Hehe!“ Er zerrte das Schriftstück wieder in einer fahrigen Bewegung weg.
    “Nu, jetzzzz isses nu so, dass du n’bisschen mehr Arbeit haben wirst. Aber ich habe mir da was ausgedacht, wie du für deine Arbeit mehr Geld kriegen kannst.“ Er nickte bedutungsschwanger. “Ma muss nur... nur’n Staat anzapfen! Ma muss nur wissen, wo!“ Er lachte wieder und führte sich selber einen Becher Wein zu. “Auf... auf den Senat!“, gröhlte er in einer kurzen Pause zwischen seinem Zug und gurgelte dann den Rest herunter. “Leben is schön... Leben is lustich... juhu... hähä... trallala.“
    Dann blickte er sie wieder an. “Na, was sachste? Da staunste wohl.” Er lachte wiederum, sogar noch keckernder als vorhin, bevor er mit schiefer und winselnder Stimm ein Liedchen anstimmte, dass Bridhe wohl alles vergehen musste. “Wir sind die Größten, meine Freunde, und wir werden kämpfen bis zum Ende! Wir sind die Größten, wir sind die Größten, keine Zeit für Verlierer, denn wir sind die Größten... der ganzen Welt! Hahaha!“ Er hatte eindeutig ein bisschen zu viel erwischt. Doch das störte den ansonsten so auf Ästhetik und Harmonie bedachten Flavier überhaupt nicht.

  • Bridhe hatte sich doch verhört? Kleines? Er hatte sie Kleines genannt! Und auch sonst ließ der austretende Wortschwall nur eine Vermutung zu. Piso hatte nicht nur ein bisschen getrunken. Er hatte schon ordentlich viel Wein in sich hineingeschüttet. Und vermutlich war es noch gar nicht absehbar, bis wann er damit aufhören würde. Aber der Anlass zu diesem Besäufnis war, wie es schien ein freudiger, denn er lachte und grinste bis über beide Ohren hinaus.
    Sie trat näher und nahm Platz. Als er ihr Wein anbot, erschien nur ein flüchtiges Lächeln. In all den Jahren hatte sie sich absolut gar nichts an Wein finden können. Sie trank ihn eigentlich nur, wenn sie dazu gezwungen war. Bevor sie sich jedoch dazu äußern konnte, stellte er ihr bereits einen Becher vor die Nase und versuchte dann auch noch selbst einzuschenken, was natürlich, wen wunderte es, etwas danebenging. Die Weinlache auf der Tischplatte, näherte sich gefährlich schnell der Tischkante und somit ihrer Tunika. Aus eigener Erfahrung wusste sie auch, wie schwer sich Rotweinflecken wieder aus dem Gewebe entfernen ließen. "Soll ich das nicht lieber… erledigen, H... Piso?" Nicht nur, weil sie damit mehr Erfahrung hatte, auch weil sie noch vollkommen nüchtern war. Und überhaupt, sie hatte ihn Piso genannt. Einfach so! Aber auch hier war Piso wieder schneller. Der Becher war bereits voll.
    Ständig die Weinlache beobachtend, in welche Richtung sie sich weiter ausdehnte, wirkte sie estwas unaufmerksam. Dem Gelalle folgte sie eh nicht wirklich, stattdessen überlegte sie, was man gegen die drohende 'rote Gefahr' tun konnte. "Der Wein… sollte man nicht…" Aber Piso löste auch hier wieder das Problem von ganz alleine. Er schob ihr seine Ernennungsurkunde hin und als diese die Rotweinlache erreichte, sog sich das Papyrus voll mit dem roten Rebensaft. Somit war das Schlimmste verhindert worden, was man allerdings von der Ernennungsurkunde nicht behaupten konnte.
    Bridhe warf einen Blick auf das versiffte Schriftstück und las selbst. Da stand es schwarz auf rot. Oh ja, jetzt war sie die Scriba eines Senators, was immer das auch bedeuten würde. Dann plötzlich verschwand die Urkunde wieder und hinterließ einige Rotweinstreifen auf der Tischplatte. Bridhe sah wieder auf. Ein 'Glückwunsch' oder sogar ein lobendes 'gut gemacht' lag ihr auf der Zunge. Und da blieb es auch vorerst einmal. Denn Piso, der sich leidenschaftlich gern selbst reden hörte, fuhr weiter fort. Er sprach von mehr Arbeit für sie als Scriba und tat geheimnisvoll, als es darum ging, wie sie mehr Geld für ihre Arbeit bekommen konnte.
    Dann trank er auf den Senat und auch Bridhe sah sich genötigt, den Becher zu heben, um wenigstens einen kleinen Schluck daran zu nippen. "Ähm, ja.."
    Pfui, der Wein schmeckte schrecklich, auch wenn er zweifellos ein erlesener Tropfen war. Piso trank, als ob der Wein klares reines Quellwasser aus einer der unzähligen hibernischen Quellen wäre und gurgelte sogar damit. Die Hibernierin zeigte keinerlei Regung dabei. Sie hatte ja schon viel, sehr viel gesehen, wie sich die Römer solchen Exzessen hingegeben hatten.
    Dann traf sie wieder Pisos Blick. Tja, was sagte man dazu? "Ja…" Bevor sie noch etwas sagen konnte, begann er auch noch zu ihrem Leidwesen ganz schrecklich schräg zu singen. Nein, besser sie sagte nichts mehr! Sie zwang sich nur noch, zu lächeln und diesen grauenvollen Singsang geduldig über sich ergehen zu lassen.

  • Sim-Off:

    Hmm, eigentlich hat Piso den Wein gar nicht eingefüllt. Die Situation ist aber viel zu witzig, um das nicht aufzugreifen. :D


    Gerade in jenem Augenblick, als Piso schon die Hände vom Weinschlauch zurückziehen wollte, erinnerte er sich seiner Manieren. Einer Dame schenkte man das Getränk ein! Natürlich war sie keine Dame im eigentlichen Sinn, da sie eine freigelassene Sklavin war. Aber man war ja liberal, zumindest bildete sich Piso ein, dass er fortschrittlich zu sein hatte, zumindest bis zu einem gewissen Ausmaß. Und zudem kam ihm Bridhe in seinem Zustand eh schon vor wie ein ätherisches Wesen. Für den Betrunkenen war sogar das hässlichste Weibbild mit einem Buckel hübsch, und analog dazu musste eine schöne Frau wie Bridhe Piso vorkommen wie eine Göttin. Selbstverständlich schenkte man da den Wein ein.
    Nun, Piso mochte mit seinen kavaliersmäßigen Gedanken durchaus nichts vordergründig Böses im Sinn haben, aber so manch betrunkene Idee hatte sich schon als ganz besonders dumm herausgestellt. “Neeee, neeeee, Süße, das paaaaaasst“, machte er mit jenem unbeschreiblichen dümmlichen besoffenen Gesichtsausdruck, während er sie anglotzte und dabei auf seinem Tisch eine Pfütze produzierte. Ah, sie hatte ihn Piso genannt, wie nett! Was war mit dem Wein? Erst, als er seine Ernennungsurkunde ihr gab, wurde das Problem evident. Piso hörte mit dem Weineinschenken auf, und ließ den bereits übervollen und überquellenden Becher der Hibernierin sein, bevor auf auf seine weingetränkte Urkunde starrte.
    Dann brach er in Gelächter aus. “Hahahaha! Hihihi! Wer me...eine Urkunde sieht, weißßßßß, dass ich zu fe... he...esten weiß. Muahaha.“ Er klopfte mit seiner rechten Hand ein paar Mal auf seinen Tisch und kicherte in sich rein.
    Und noch viel amüsierter war er, als er ihren baffen Gesichtsausdruck nach seinem kleinen Liedchen sah. “Ja, ich bin doch ein grooooooßer Sänger, nischwa?“ Er meinte die Frage sogar ernst. Und rhetorisch. Dann lachte er noch einmal, und fuhr sich mit seiner vor Wein triefenden rechten Hand durch die Haare, sodass er eine richtig feine Frisur bekam.
    “Ich... hmm... ich will dich zu was ernennnnnnen. Ich will dich... hicks... neben deiner Dings... Sache als Scriba... zu meiner... er... Calatrix machen. Klingt doch toll, nischwa? Du weißßßßt doch, was ein Calator so macht. Oda?“ Er grinste sie erwartungsvoll an. “Isss ganz einfach, was so n‘ Calator so macht. Sind halt n‘ paar kul...ultische.... Dings. Verwaltungsdings halt. Vielleicht... hie und da bei nem Opfer daneben... stehen... aber nix, was jetzt ne... ne große Dings isss. Wenn du verstehsssssst, was ich mein.“ Er lachte abermals, und klopfte wieder mit der flachen Hand auf den Tisch, als ob das eine besonders lustige Geste wäre.

  • Seit sie in Rom war, hatte Bridhe schon eine Menge ausgestanden. Man konnte sagen, sie war darin zu einer Expertin geworden. Immer alles erdulden und wenig oder gar nicht zu klagen. Von den Jahren der Sklaverei angefangen, in denen sie gelernt hatte, was es hieß, der Besitz eines Anderen zu sein und in der Fremde zu leben, bis hin zu den Tagen der wiedererlangten Freiheit, in denen sie für sich und ihren Sohn sorgen musste. Verglichen dazu war die jetzige Situation ein unbedeutender Klax, der keinerlei Nachwirkungen auf ihr weiteres Leben hatte, glaubte sie. Sie ließ das Johlen und Röhren, das dämliche Gekichere und das lautstarke Gelächter einfach über sich ergehen. Und dies mit einem ungerührtem Gesichtsausdruck, als müsse es so sein, ja als sei es das normalste auf der Welt.
    "Oh ja!", pflichtete sie ihm bei, als er sich für einen großen Sänger hielt. Ihre ganz eigene Meinung behielt sie tunlichst für sich, wollte sie ihre Anstellung und das Recht, hier zu wohnen nicht gefähren. Piso wäre es sicher nicht recht gewesen, hätte sie ihn als einen der größten Dilettanten nach Nero bezeichnet.
    Selbst als der Flavier sich mit seiner in Wein getränkten Hand durchs Haar fuhr, verzog sie nicht angewidert ihr Gesicht, obwohl ihr eigentlich danach war. Aber Piso liebte nun mal den Wein, so wie fast alle Römer. Ob Aquilius sich auch so gehen gelassen hätte, wäre er zum Senator ernannt worden? Wahrscheinlich nicht. Er hatte sich stets nur betrunken, wenn er seinen Kummer ersäufen wollte.
    Warum Bridhe gerade jetzt an den Vater ihres Sohnes dachte, war ihr auch unbegreiflich. Piso und er waren doch grundverschieden in ihrem Wesen. Sie teilten nur den Gensnamen und nicht mehr.
    Inzwischen hatte Piso begonnen, weiter zu sprechen. Oder sollte man besser sagen: lallen? Anfangs verstand sie nicht, was er damit meinte. Sie zu etwas ernennen? Zur senatorischen Oberscriba etwa? Begann er sich nun tatsächlich auch über sie lustig zu machen? Sie war sich unschlüssig, ob sie ihn ernst nehmen oder sich besser still und heimlich ärgern sollte. Calatrix, so etwas hatte sie noch nie gehört. Verlegen schüttelte sie ihren Kopf. Doch die Erklärung dazu folgte sofort. Sie begann zu verstehen. Eine Art Assistentin bei kultischen Angelegenheiten, also. Dabei stellte sich ihr die Frage, ob man auch Calatrix sein konnte, wenn man gar nicht an die Götter Roms glaubte.
    "Ja, ich glaube, das..." Erschrocken verstummte sie, als Pisos flache Hand mehrmals die Tischplatte, begleitet von einem lauten Knall, berührte und wieder zu Krakeelen begann. Dabei waren die Erschütterungen so heftig, dass Bridhes fast noch voller Weinbecher überschwappte. Dummerweise war diesmal keine Ernennungsurkunde zu Hand, die den Wein hätte aufsaugen können. Aber Bridhes Tunika...

  • Es taugte dem Flavier aus den Tiefen seines beschwipsten Herzes heraus, dass sie seinen Gesang für gut befand. Nun ja, eigentlich war es ja eine Selbstverständlichkeit. Er lächelte weinselig und stürzte abermals einen Becher in sich herab. Wein mochte Piso zur Zelebrierung von Erfolgen. Wenn er versagte oder sich Kummer machte, dann zog er sich in sein Zimmer zurück und klampfte an seiner Lyra herum. Und ja, er besoff sich auch dann. Doch nun war nicht die Zeit, daran zu denken! Nun war die Zeit, um lustig zu sein! Trallala!
    Als er ihr umständlich erklärte, was so eine Calatrix machte, sah er keine Reaktion in Bridhes Gesicht. Natürlich nicht. Seine Vison war sehr eingeschränkt durch den vielen Wein, den er vertilgt hatte. Erst, als er auf den Tisch klopfte, und damit Vibrationen von unvorhergesehenen Ausmaßen auslöste – was ihn doch nur zum Gedanken veranlasste, dass er der Größte und Beste war, obwohl die Sachlage sich natürlich so darstellte, dass Piso kein besonderer Kraftlackel war – regte sich bei Bridhe etwas. Obgenannter Becher. Piso blinzelte und glotzte ziemlich intelligenzlos drein, als er sah, wie der Wein einen Flecken auf bridhes Tunika hinterließ.
    “Oh...“, lallte er und erhob sich unter gewaltigem Schwanken, als sei er ein Matrose auf hoher See, von seinem Stuhl. “Das... das tut... tut mir jetzt Leid... Leid... tut...“ Er stolperte, die Gesetze der Gravität durch seine seltsame Gangart ins Gesicht spucken wollend, auf Bridhe zu. Doch noch bevor er sie erreichen konnte, schlug Isaac Newton, obwohl noch lange nicht geboren, mit erbitterer Gnadenlosigkeit zurück. Piso ruderte mit den händen, doch das konnte ihn nicht daran hindern, dass er nach vorne fiel und sehr, sehr ungraziös am Boden aufkam. Passierte ihm in letzter Zeit das nicht häufiger? Er baute ab, dachte er... und nicht nur in der Hinsicht. Denn er spürte, wie ihm im Rachen plötzlich die Galle hochkam. Ah, das war der Rote... eine grässliche Brühe... wenn es nur irgendwo... irgendwie... ah!
    Er verkrallte seine Hände beim nächstbesten Gegenstand, den er finden konnte. Es handelte sich hierbei um eine Zimmerpflanze unbestimmter Spezies, die er irgendwann einmal im Zimmer abstellen ließ und bis nun vergessen hatte. Jetzt aber diente sie ihm gut. Er wuchtete sein Haupt hoch, legte das Kinn auf den Rand des Topfes und rief dann den Genius der Topfpflanze an. In anderen Worten, er kotzte seine Seele heraus.
    “Bröööööööööööhhhhhh!“, brach es (ganz sprichwörtlich) aus ihm heraus, als er eine Welle unschönen Breies auf den Humus vomitierte. Er atmete tief durch, als er seinen Kopf zurückdrehte zu Bridhe und sie mit seinem kotzeverschmierten Mund angrinste. “Keine Sorge, Kleines, Käpt’n Piso hat das Schiff unter Kontroooooooouuuuuuäääääähhh!“ Dieses Mal auf den Boden.

  • Rotweinflecken zu entfernen, war ein aussichtsloses Unterfangen, genauso wie Piso vom trinken abhalten zu wollen. Zuerst hatten sich Bridhes Augen geweitet, doch gleich darauf resignierte sie, weil sei sowieso nichts ändern konnte. Es war auch keine gute Idee, beim eigenen Chef auf Schadensersatz für ihre ruinierte Tunika zu pochen. Zumal ihre Tunika die besten Tage schon längst hinter sich hatte.


    Piso indessen, war aufgestanden und wankte nun auf sie zu. Er war schon so angetrunken, dass er kam noch gerade gehen konnte. Noch ehe sie sich versah, wurde er ein Opfer der Schwerkraft und stürzte vor ihr nieder zu Boden. Bridhe, vor Schreck vielleicht sogar aus Sorge, spritzte von ihrem Stuhl auf. Die vor Entsetzen aufgerissenen Augen sahen nur noch den hilflosen Piso, dessen Arme wild umher ruderten und schließlich den Kübel einer Zimmerpflanze zu fassen bekamen.
    Die Natur aber meinte es heute nicht besonders gut, weder mit dem Flavier noch mit der unschuldigen Zimmerpflanze, die absolut gar nichts dafür konnte, dass sie zufällig an Ort und Stelle stand. Was vorher ganz unbedenklich eingeflößt worden war, trat nun schwallartig, begleitet von einem widerlich Geruch und einem noch abstoßender klingendem Geräusch, wieder hervor.
    Bridhe ekelte sich, als er sie ansah, vollkommen verschmiert. Aber sie überwand ihren Ekel und beugte sich zu ihm hinunter, um ihm zu helfen.
    "Hast du dir weh getan? Bist du verletzt?" Der dumme Rotweinfleck war längst vergessen und auch ihr Ansinnen, Piso von ihrer Bäckerei erzählen zu wollen.

  • Piso kniff seine Augen zusammen, als es abermals aus ihm herausgabberte. Es war sehr unappetitlich, der Leserschaft sei aber nicht das Detail erspart, dass es dieses Mal wieder obig erwähnte unschuldige Zimmerpflanze traf. Tjatja. So war das Leben, einmal für Pflanzen, die meistens die Eigenschaft hatten, wehrlos zu sein. In diesem Sinne hatte Piso wohl Glück gehabt, nicht an eine fleischfressende Pflanze geraten zu sein.
    Wie durch einen dicht wabernden Nebel drangen die Worte seiner Schreiberin an seine Ohren. Der Schall war äquivalent zu dickflüssigem Honig. Ebenso wie die Luft, durch die er seinen rechten Arm zu bewegen versuchte, um irgendetwas zu erpacken, wo aber nichts war. “Nie wieder Alkohol“, murmelte er einen Vorsatz, von dem ein jeder wusste, dass Piso unfähig sein würde, ihn auch nur einen Tag lang einzuhalten.
    Weh getan, diese Worte materialisierten sich in seinem dicken und für ihn auf gigantische Ausmaße angewachsenen Kopf. Verletzt? Er hob seinen Kopf und schüttelte seinen Kopf.
    “Äh. Nein... nein, nein, geht schon... danke“, stotterte er heraus und hustete kurz. “Öhm. Ich glaube... ich glaube, ich... sollte ins Bett gehen...“ Er wischte sich, nachdem er sich kurz von Bridhe weggedreht hatte—vor einer Dame machte man das einfach nicht!—seinen verkleckerten Mund ab, und unterdrückte einen Schluckauf.
    “Ja... jawohl. Ich gehe jetzt ins Bett. Morgen.... morgen... mache ich dir zur Calatrix... und dann schauen wir weiter. Dann schauen wir, wie’s weiter geht. Joa. Also dann... hmm... gute Nacht. Schlaf schön und süße Träume.“
    Er stolperte an Bridhe vorbei, rumste gegen die Türe, hebelte sie auf und tappste ungelenk hinaus, mit der Absicht, in sein Zimmer zu torkeln.

  • Betrunkene fielen bekanntlich weich. Auch in diesem Fall traf dies zu. Piso hatte sich nicht ernsthaft verletzt. Vielleicht hatte höchstens sein Stolz gelitten, sofern er sich in den nächsten Tagen noch an diesen Abend zurückerinnern konnte. Es war kein schöner Anblick, ihn dort am Boden zu sehen. Noch weniger gefiel es ihm, Bridhes Hilfe in Anspruch zu nehmen.
    Irritiert richtete sie sich wieder auf und beobachtete den sich aufrappelnden Flavier. Ihr hatte noch so einiges auf dem Herzen gelegen, was wichtig gewesen wäre, aber was nun einfach bis morgen warten musste. Angesichts ihrer neuen Tätigkeit als Calatrix war ihr nicht ganz wohl. Und noch mehr beschäftigte sie die Bäckerei. Wie sie das unter einen Hut bekommen sollte.
    Aber das behielt sie vorerst für sich. "Äh.. ja...Gute Nacht, dann!" wünschte sie ihm verunsichert und sah ihm noch nach, wie er an ihr vorbei, aus dem Zimmer stolperte.
    Ob sie ihn nicht besser zu seinem cubiculum begleitet hätte? Sie machte sich zu viele Sorgen. Schließlich war sie ja nicht seine Sklavin, sondern nur seine Scriba, mehr nicht.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!