Camera Ludi | Manius Flavius Gracchus Minor

  • In unmittelbarer Nähe der Schlafstätte des jüngsten Flavius hatte dieser eine Räumlichkeit okkupiert, um diese zur Verwahrung seiner umfangreichen Kollektion durchaus differenter Spielgeräte zu nutzen, aber auch zur Praktik jener Tätigkeit, der Knaben seines Alters für gewöhnlich den größten Anteil der täglichen Zeit zueigneten: Dem Spiel.
    So wurde die rechte Seite des Raumes durch ein gewaltiges Regal dominiert, dessen einzelne Sektionen mit verschiedensten Gegenständen angefüllt war: Im unteren Bereich lagerten diverse Geräte, die sowohl für die inwendige Nutzung, als auch für die unter freiem Himmelszelt adäquat waren. So lagen an ihren zugewiesenen Stellen diverse lederne, gänzlich runde Pilae mit einer Füllung aus dem Federkleid einer Ganz, die Manius Minor bisweilen einem der Sklaven zuzuwerfen pflegte und ihn anschließend ihrerseits geworfen zurückerhielt, aber auch für Mannschaftsagone wie Ephedrismos, das Lakrates ihn gelehrt hatte, Verwendung fanden. Ebenso verfügte der Knabe auch über einen Follis, der dank seiner Permeabilität mehr einem gefüllten Ledersack als einem Sportgerät größter Beliebtheit aus zukünftigen Tagen glich.


    Die folgende Etage war den Holzfiguren vorbehalten, die dort in größter Diversität auf ihren Plätzen standen, saßen oder lagen. Unter ihnen befanden sich Werke wie eine getreuliche Darstellung eines römischen Senators, aber auch Soldaten, Gladiatoren, sowie Wesen, die hellenischen Mythen entsprungen zu sein schienen, aber auch Vertreter der regionalen und imperialen Fauna. Im Zentrum thronte darüber hinaus ein Exemplar, das seit frühester Kindheit zu den favorisierten Gegenständen des jungen Flavius zählte: Es handelte sich um ein Krokodil von der Größe zweier kindlicher Hände, dessen Leib deutlich zu erkennen gab, dass es vielmalige Nutzungen erlitten hatte, was möglicherweise darauf zurückzuführen war, dass sein Maul durch manuelle Betätigung geöffnet wie geschlossen werden konnte.


    Beherbergte eine weitere Etage auch vier linnene Puppen, sowie eine vollständige Centuria bemalter Holzfiguren, stellten das unzweifelhafte Prunkstück dieser Kollektion jene Gebilde dar, die auf einer kreuzförmigen Konstruktion in einer weiteren Ecke des Raumes präsentiert wurden: Darauf hing, gleich dem eines römischen Feldherrn in dessen Praetorium, ein schimmernder Muskelpanzer aus getriebenem Metall, obschon die Bronze im Gegensatz zu seinem Vorbild von minimaler Dicke, sowie deutlich minderer Größe war, sodass sie für einen Knaben im siebten Lebensjahr angenehm zu tragen war. Dieser wurde durch einen Helm ergänzt, ebenfalls von silbrigem Glanze und mit einem prächtigen Rosshaar-Busch besetzt. Um die Feldherrn-Ausrüstung des Knaben jedoch zu vervollständigen, hingen ebenso ein Gladius, das dessen übliche geringe Länge noch unterschritt, um der zierlichen Statur des jungen Flavius gerecht zu werden. Weitaus weniger augenfällig, jedoch ebenso dieser Montur zugehörig, lehnte zuletzt ein hölzerner Speer an der Wand, dessen Spitze jedoch durch eine lederne Hülle verborgen war, was zweifelsohne der Sekurität des Mitspielers dienen sollte.

  • In diesen Tagen stand ganz Rom wie in jedem Jahr im Banne der Ludi Romani, jener traditionsreichen Veranstaltung der Aediles Curules - eines Amtes, dessen Bekleidung durch seinen Vater auch dem jungen Flavius nicht entgangen war. In Anbetracht der Tatsache jedoch, dass jener seit geraumer Zeit der Stadt Rom fernblieb, verzichtete auch seine engste Familia darauf, diesen Spektakeln beizuwohnen, weshalb Manius Minor auch in diesen Tagen jener Tätigkeit nachging, die er gemeinhin jeden Tag auszuüben pflegte: Dem Spiel mit seinen zahllosen Spielgeräten.


    Für jenen bereits vorangeschrittenen Vormittag hatte der Knabe nun die Figur des Senators erwählt, deren fein elaborierte Toga ein Streifen saftigen Rotes zierte. Entsprechend seinen üblichen Gepflogenheiten repräsentierte jenes hölzerne Ebenbild innerhalb seines imaginären Kosmos seine eigene Personalität. Obschon dieses Abbild in einem inadäquaten Verhältnis zu seinem ebenso hölzernen wie auch heiß geliebten Krokodil stand, stellte dieses dennoch einen weiteren Akteur seines Spieles dar, weshalb er das Tier in der freien Hand hielt, während seine Rechte seine eigene Spielfigur fest umklammerte. In jenem arglosen, wie auch lieblichen Ton, dessen er sich im größten Teil sämtlicher Gespräche zu bedienen pflegte, sprach er nun stellvertretend für seinen hölzernen Alter Ego jenes Krokodil, dem er entsprechend seinem infantilen Usus einen Namen verliehen hatte:
    "Gaius, ich komme zu spät in den Senat! Trägst du mich rasch hin?"
    Obschon er üblicherweise den beweglichen Kiefer des Krokodils zu öffnen und zu schließen pflegte, wenn er für dieses Sätze formulierte, verzichtete er bei der Antwort hierauf, als ihm gewahr wurde, dass er für dieses Unterfangen Manius Minimus, den ligneenen Senator, auf den Teppich abzulegen hätte. Stattdessen entschloss er sich, die gesamte Figur im Takt zu den nun folgenden Worte zu bewegen
    "Na gut. Spring auf meinen Rücken!"
    In einem erneut der geringen Größe der Senatoren-Figur inadäquaten Maße hohen Schwung, der einen Sprung jenes Senatoren symbolisierte, stellte Manius Minor diesen nun auf den bereits leicht abgenutzten Rücken der Nil-Bestie und fixierte sie mit Hilfe seines Daumens und Zeigefingers der das Tier haltenden Hand. Dies wiederum ermöglichte es ihm, seine nun freigewordene Hand zur Fortbewegung auf dem wärmenden Teppich, den man in seinem Spielzimmer ausgebreitet hatte, zu verwenden. Nach kurzem Kriechen hatte er jedoch offenbar sein Ziel erreicht, denn erneut ließ er sich auf seinem Gesäß nieder und ließ Gaius seinem Passagier die Ankunft verkünden.
    "Schon da, Consul Minimus!"
    Obschon es dem Knaben durchaus bewusst war, dass die Consuln der Urbs Roma für gewöhnlich ihr Eintreffen im Senat auf dem Rücken eines gewaltigen Wildtieres vermieden und ihre Sicherheit weitaus häufiger durch eine Schar von Liktoren, Sklaven und Klienten sicherstellten, es darüber hinaus eine Impossibilität darstellte, dass die Consuln mit Verspätung eine Senatssitzung betraten, da sie letztere der Tradition entsprechend stets initiierten, hatte er diese Adaptionen vorgenommen um die Dramatik dieses Kasus zu erhöhen. So fuhr er unbeirrt damit fort, seinem Fortbewegungsmittel Anweisungen zu erteilen.
    "Warte hier bis ich fertig bin! Und erschreck die Kinder auf dem Forum nicht!"

  • Unabwendbar wurden die Tage allmählich kürzer, ein wenig kälter dazu, was jedoch in den Räumlichkeiten der Villa Flavia zumindest den patrizischen Bewohnern kaum würde auffallen, würde beizeiten doch eine heimelige Wärme durch die Hypocausthen geschaffen werden. In eine einfach, gleichsam nicht minder hochwertige Tunika gewandet, seinen Leibsklaven Sciurus im Schatten hinter sich, durchquerte Gracchus einen halben Trakt des Anwesens, um vor dem Spielzimmer seines Sohnes zu stehen zu kommen. Da das Leben des Jungen einem durch seine Mutter penibel geregelten Tagesablauf folgte, konnte er sich dessen sicher sein, dass Minor gegenwärtig seine Zeit im Spiel verbrachte, obgleich dies nicht unbedingt musste bedeuten, dass er ob dessen in seinem Zimmer sich befand. Ein habituelles Klopfen ging dem Öffnen der Türe voraus, sodann steckte Gracchus bereits seinen Kopf in den Raum hinein, sah seinen Sohn inmitten seiner Spielzeuge auf dem Boden sitzen, was ein feines Lächeln sich auf seine Lippen stehlen ließ.
    "Salve, Minimus!"
    Er schob die Türe weiter auf, trat ein, sorgsam darauf achtend, auf nichts zu treten und über nichts zu stolpern, was über den Fußboden war verteilt.
    "Was machst du?"
    Ein unscheinbarer Blick ließ Sciurus heran treten, seinem Herrn Halt zu bieten, als Gracchus langsam in die Knie ging, sich schlussendlich umständlich auf den Boden absetzte und beiläufig eine der Figuren aufnahm, welche Minor dort hatte platziert, wie ein aus dem Himmel herabfahrendes Ungeheuer damit die Perfektion der kleine Szenerie zerstörte, welche sein Sohn hatte aufgebaut.

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  • Die sich verkürzenden Tage, wie auch die nokturne Finsternis, deren Dauer sich inzwischen weit in den Tag hineinzog, beschwerte das Gemüt des jungen Flavius, den insbesondere die Schemen ängstigten, die jeden Morgen im dunklen Zimmer des Knaben einen Tanz zu vollführen schienen. Diese Verfasstheit schien jedoch zu verfliegen, kaum hatte der Knabe nach dem alltäglichen Ientaculum, dem alltäglichen Lernen, dem alltäglichen Prandium, der alltäglichen zweiten Lerneinheit - kurz: dem unentwegt fortgesetzten, stets gleichförmigen Ablauf des Vormittags sein Spielzimmer betreten und war in jene Welt eingetaucht, die lediglich Bestand in seiner vitalen Phantasie hatte, ihn aber dennoch über die beschwerliche Realität hinwegzuretten vermochte.


    Zu jenem Zeitpunkt nun, als Manius Maior an die Pforte des Raumes klopfte, war Manius Minor gerade in eines seiner typischen Spiele vertieft: Mit größtem Eifer und der Assistenz seines Sklaven Lakrates hatte er seine unzähligen hölzernen Legionäre auf dem durch Hypocausthen erwärmten und einen Teppich erweichten Boden aufgereiht. Wie es seiner Gewohnheit entsprach, hatte er dabei für sich selbst den Centurio mit seinem prächtigen Federbusch erwählt, als Reittier für diesen jedoch nicht etwa ein hölzernes Pferd, sondern seinen geliebten Gaius. Hatte dies anfangs noch Unverständnis bei Lakrates hervorgerufen und war es bis heute auch dem Artaxias ein Ärgernis, so hatte das flavische Beharrungsvermögen doch letztendlich zu dem Erfolg geführt, dass das Krokodil nun ohne jegliche Kritik in jedwedes Spiel des Knaben integriert werden durfte.


    Als nun jedoch sein Vater eintrat, durchfuhr den jungen Flavius ein Schreck, der weniger einer generellen Furcht vor der eintretenden Person als vielmehr dem Umstand geschuldet war, dass jener ihn hier, in seinem Refugium, aufsuchte. So wollte ihm anfänglich kaum eine Erwiderung auf den Gruß und die simple Erkundigung in den Sinn kommen, sodass jene einen sich ins unendliche dehnenden Augenblick auf sich warten ließ, ehe ein kurzes
    "Salve Papa...aufbauen!"
    den Mund des Knaben verließ. Erst im Anschluss gelang es ihm, jene infamiliare, jedoch durchaus familiäre Situation an seinen Erfahrungsbereich zu adaptieren und die Information durch eine erschöpfendere Replik zu komplettieren:
    "Schau, hier stehen meine Soldaten und das da auf Gaius bin ich und Lakrates spielt die Soldaten - also nicht alle."
    Mit größter Geschäftigkeit deutete er auf die diversen Charaktere seines beschaulichen Rollenspiels und machte sie seinem Vater bekannt. Zuletzt schließlich verstummte er unschlüssig dessen, ob es angemessen sei seinen Vater zur Teilnahme an jenem infantilen Spiel einzuladen.

  • Interessiert blickte Gracchus über die Soldaten, betrachtete die kleine Gestalt in seiner Hand - ein typischer römischer Legionär mit Schild und Gladius - und fühlte sich ein wenig an seine eigene Kindheit erinnert. In jenem Alter hatte er noch - beeindruckt durch die Familiengeschichte, den Anblick von Militärparaden und nicht zuletzt die Position seines Vaters - davon geträumt, einst an der Spitze einer Legion zu stehen, wenn schon das Theater ihm würde verwehrt sein. Doch jene Karriere war ihm nicht bestimmt gewesen, hatte sein Vater dies doch bereits für Animus vorgesehen, brauchte seinen Zweitgeborenen im Cultus Deorum, und im Laufe der Zeit hatte dies letzlich als Glücksfall sich herausgestellt - bezüglich seiner eigenen Präferenzen, Vorzüge und Unzulänglichkeiten -, so dass Gracchus Maior auch nach dem unrühmlichen Abschied seines Bruders nicht sein Streben auf ein militärisches Karriereziel hin wollte ändern, was letzenendes zum Zerwürfnis mit seinem Vater immanent hatte beigetragen. Welche Karriere Minimus neben dem Cursus Honorum auch einmal würde anstreben - eine solche im Militär, dem Cultus Deorum oder der Verwaltung, oder auch kaiserlicher Natur, doch solcherlei Gedanken waren allein seiner Mutter vorbehalten -, Gracchus würde ihn stets unterstützen, dessen war er sich gewahr. Von der Miniatur in seiner Hand wanderte sein Blick erneut zum Schlachtfeld hin, zum militärischen Lager eher, fehlte doch ein Gegner, welchen es zu bezwingen galt. Er stellte den Soldaten zurück in die Reihe, korrigierte die gerade Linie dieser und blickte zu Minor.
    "Gegen wen wirst du in die Schlacht ziehen?"
    Parther allfällig, lag der Feldzug gegen jene doch nicht soweit zurück, dass Minor von den Nachwehen dessen nicht ab und an hätte Notiz nehmen können, Karthager womöglich, waren jene, wenn auch längst ihr Reich vergangen war, aus historischen Gründen bei Kindern stets beliebt, oder aber womöglich eine der hellenischen Poleis, welche er aus seinen Gutenachtgeschichten kannte. Ob sein Sohn für jedes gegnerische Heer eine eigene Sammlung an Soldaten besaß?

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  • Nachdem der Legionär seinen Platz innerhalb der Schlachtordnung wieder eingenommen hatte und auf geradezu akribische Weise wieder dem imaginären Feinde entgegen ausgerichtet worden war, was Manius Minor zweifelsohne zu keinem Zeitpunkt in jener Präzision gelungen wäre, wandte der Knabe seine Aufmerksamkeit von den Figuren seinem Vater zu, als dieser eine Frage formulierte, deren Replik in zahlreichen Fällen wohl von nicht geringer Diffizilität gewesen wäre, gereichte es dem jungen Flavius doch häufig schon zu saturierender Freude, jene Miniaturen in geometrischen Formen anzuordnen, was in der Realität möglicherweise einer Parade seiner Streitmacht gleichgekommen wäre. Der mirakulösen Fortuna jedoch war es an diesem Tage zu verdanken, dass der Knabe wahrhaftig gedachte, seine fragilen Truppen einem Feind entgegenzuwerfen, der in der Realität der römischen Armee wohl keinerlei Bedrohung darstellte, denn Manius Minor verkündete freiheraus
    "Gegen die Tiere. Ihr Anführer ist der dicke Elefant!"
    In der Tat erhob er sich in diesem Augenblick und eilte zu dem Regal, in dem die hölzernen Tiere sich offenbar auf eine Schlacht vorzubereiten hatten. Triumphierend ergriff er zuerst den hölzernen Elefanten und hielt ihn hoch, sodass es seinem Vater möglich war, ihn zu identifizieren. Für den Knaben war eine derartige Schlacht durchaus immaginabel, zumal sie seinem Erfahrungshorizont, gespeist aus der bereits lange zurückliegenden Visitation des Amphitheatrum Flavium Erfahrung des tödlichen Ringens zwischen Mensch und Tier.

  • Voller Elan eilte Manius Minor durch sein Zimmer, den furchteinflößenden Gegner seiner Legion aus den fernen Landen seiner Regale hervor zu holen. Eine Armee aus Tieren schien Gracchus vorgängig nicht allzu schrecklich, der Elefant indes wusste dies zu revidieren. Eine Legende war es schon beinah, ein Märchen aus alter Zeit - Hannibal, welcher mit seinen Elefanten die Alpes hatte überquert und bis vor die Tore Roms war gezogen - und doch gehörte es zum tief verwurzelten Gemeinerbe jeden Römers, bei dem Gedanke daran ein leises Zittern in sich zu verspüren, denn ähnlich wie der Sklavenaufstand des Spartacus gemahnte dies Ereignis einen jeden stets daran, dass nichts jemals unmöglich, dass nichts wahrhaftig sicher war, auch nicht in Zeiten der Macht, des Friedens und Wohlstandes. Ob gleichsam indessen der Elefant ohne seinen Reiter eine Bedrohung darstellte, dessen war Gracchus nicht gänzlich sich gewiss, hatte er von solcherlei Tieren doch stets gebührenden Abstand gehalten - sei es in Vorbereitung seiner Spiele oder jedweder Paraden gewesen .
    "So lasse die Tiere aufmar..schieren, ich werde den … dicken Elefanten und seine Armee übernehmen."
    Ein wenig hatte Gracchus wieder zugenommen seit er in Rom war angelangt, der Appetit nicht mehr ihm durch die Ferne zu seiner Familie war verleidet, und obgleich es längstens nicht Anlass zu Gedanken darüber bot, so wäre bei einem dünnen, zumindest jedoch angemessen proportionierten Elefanten ihm weitaus wohler gewesen - obgleich unbezweifelt für Minor jeder Elefant das Adjektiv dick hätte verdient, allein ob seiner Ausmaße wegen.

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  • "Ja!"
    artikulierte der Knabe voller Elan und ergriff sogleich das Ungetüm aus Africa, griff dann einen männlichen Löwen und klemmte ihn sich unter den Arm, nur um weitere Tiere aus dem Regel auf geradezu artifizielle Weise mit seinem linken Arm zu halten. Gerade als er zu dem Entschluss gelangt war, ausreichend Tiere als erste der Fuhren aufgeladen zu haben, verlor er jedoch die Kontrolle über die Vielzahl der Wesen, sodass Löwen, Giraffen, Wölfe, Katzen und Bären in bunter Mischung zu Boden stürzten und sich auf dem Teppich verteilten, der erfreulicherweise durch seine weiche Oberfläche vermied, dass jene filigranen Extremitäten der hölzernen Wesen zerbarsten. Nichtsdestotrotz rief dieses Versagen in dem Knaben jedoch eine gewisse Indigniertheit hervor, der er mit einem lauten
    "Mehercle!"
    Luft machte. Mit jenem kräftigen Fluch, der in seiner Grammatik und Wortwahl wohl kaum der elaborierten Sprechweise eines wahren Flaviers angemessen war, imitierte er einen bereits vor geraumer Zeit wahrgenommenen Ausruf eines der gemeinen Sklaven des Anwesens, der sich ihm jedoch, der Vorliebe von Kindern für die Aufnahme derber Worte und Beschimpfungen, präsent war, als habe ihn soeben einer der Anwesenden ausgesprochen.


    Der Sklave Lakrates ging angesichts dieser Äußerung jedoch seines rosigen Gesichtstones verlustig und blickte entschuldigend und zugleich verängstigt zu seinem Dominus, der zwar seinem Ruf entsprechend kaum seiner Gattin an Anfälligkeit für Wutausbrüchen gegenüber der Dienerschaft gleichkam, dennoch aber wohl kaum eine derartige Ausdrucksweise bei seinem Stammhalter billigte.

  • Eifrig packten die kleinen Hände das halbe Tierreich und beluden die kindlichen Arme in waghalsiger Stapelei, dass der hölzerne Berg sich türmte und alsbald den Gesetzen der Natur musste nachgeben, in sich zusammen und über die Grenzen seines Fundamentes hinaus fallen, klackend und scheppernd auf den Boden des Spielzimmers hinab. Obgleich dies für Gracchus Maior ob des Verhältnisses aus anwachsender Masse an Holz zu möglicher Traglast und Koordination Minors‘ Arme einige Augenblicken zuvor bereits unausweichlich absehbar erschienen war, schien die unabwendbare Folge seinen Sohn selbst doch sehr zu überraschen, was in seiner verbalen Ausdrucksweise sich niederschlug. Ohne der Befürchtung auf der Miene des Sklaven sich gewahr zu werden, überlegte der Vater nur kurzzeitig, von wem sein Sohn solcherlei Wortschatz mochte aufgeschnappt haben - kamen dieser Art Ausdrücke doch unbezweifelt kaum aus dem Munde seiner Mutter -, gelangte indes zu dem Schluss, dass Minor dies allfällig bei einem seiner Onkel hatte sich abgeschaut. Indes schien ihm das bürdende Missgeschick seines Sohnes weitaus gravierender denn jener sprachliche Missgriff.
    "Belade dich ni'ht mit der gesamten Last, Minimus, denn im Ansinnen alles auf einmal zu halten und zu tun, kann letztli'h nur alles deinen Händen entgleiten."
    Es schien Gracchus beinah, als würde er mit sich selbst sprechen, gleichsam wurde er dessen sich gewahr, wie unzulänglich als Vater er war. Wie sollte er seinem Sohne begreiflich machen, was er selbst nicht in der Lage war zu tun, wie konnte Minor seinen Worten Glauben schenken, wenn Maior stets durch seine Taten sie würde ad absurdum führen?
    "Greife dir nur das wi'htigste heraus, und lasse den Rest den Sklaven tragen."
    Als wäre sein Sohn ein intellektueller Gegner, welchen es zu durchschauen galt, legte Gracchus seine Acht darauf, welche Tiere der Junge würde als wichtig erachten - obgleich er kaum sich würde erlauben können diesbezüglich ein Urteil zu fällen, war seine erste Wahl doch stets das Eichhörnchen gewesen - und in Form seines Leibsklaven dies noch immer. Darüberhinaus indes musste er gleichsam seinen Sohn noch einmal in die rechten verbalen und emotionalen Bahnen lenken.
    "Doch selbst wenn alles über, unter dir oder um dich herum in si'h zusammen fällt, so ist es von eminenter Wi'htigkeit, Contenance zu wahren. Hast du bereits die Tugenden gelernt?"

  • Unter den Ermahnungen von Manius Maior machte sich Manius Minor nach der geräuschvollen Äußerung seines Unmutes rasch daran, einen weiteren Anlauf zu nehmen, um möglichst viele der Tiere aufzusammeln, als er inne hielt und seinen Vater anblickte, hatte dieser nun doch angeordnet, sich lediglich die wichtigsten Wesen zu selektieren. Sein Blick bar jeglichen Verständnisses währte jedoch nur für eine kurze Zeitspanne, dann lenkte er ihn erneut auf den Teppich, auf dem die Holzfiguren lagen. Den gewöhnlichen Vorlieben eines infantilen Knaben gehorchend wählte er schließlich den Löwen, sowie den Wolf, da jene beiden Tierarten ihm als die gefährlichsten seiner Sammlung erschienen (obschon er zu Beginn seines Spiels den Elefanten als Anführer erkoren hatte).


    Ehe er Lakrates befehlen konnte, die übrigen Tiere aufzunehmen, hatte dieser jedoch bereits den impliziten Anordnungen seines Herrn gehorcht und war herbeigeeilt, um die Wahl seines jüngsten Herrn zu erwarten und die übrigen Transporte zu vollführen. So schenkte er dieser Obliegenheit keinerlei weitere Beachtung, sondern unterbrach seinen Lauf, um auf die Frage seines mahnenden Vaters zu reagieren, die ihn erneut in eine gewisse Konfusion warf. Was war wohl die Intention dieser Frage?
    "Ähm...ja, Artaxias sagt das immer. Also Mut gehört dazu, und ruhig sein."
    begann er zu erwidern, wobei eine deutliche Insekurität in seinen Worten mitschwang.

  • Der dicke Elefant blieb vorerst am Boden liegen, was Gracchus ein wenig irritierte, denn wie sollte die Armee ohne ihren Anführer in die Schlacht ziehen? Augenscheinlich indes hatte Minor andere Maßstäbe, allfällig bereits andere Pläne, und brachte den Löwen und den Bären heran, während der Sklave sich anschickte, den Rest zu tragen. Die Derangierung auf dem Antlitz seines Sohnes, sowie dessen verhaltene Antwort brachten den Vater ohnehin zurück zu weitaus gewichtigeren Überlegungen, wiewohl er durch die Art der Antwort ein Defizit hinsichtlich des Unterrichts seins Sohnes zu erkennen glaubte, welches mit Antonia zu bereden würde sein.
    "Ganz re'ht, dieses ruhig sein ist ein Teil dessen, wiewohl es als Element mehreren Tugenden beizuordnen ist, nicht nur als Bestandteil des überlegten Handelns, sondern glei'hsam als Element der eigenen geistigen Stärke und persönlichen Ehre, wiewohl Ernsthaftigkeit und Autorität. Du bist ein Flavius, mein Sohn, und nicht nur dies, sondern ebenso Spross einer Claudia, somit in doppelter Hinsi'ht Nachfahre römischer Kaiser. Was du auch tust, tue es stets mit Bedacht, mit deiner gänzli'hen Aufmerksamkeit und vollen Hingabe, doch niemals geleitet von unbeherrschtem Affekt."
    Eines Tages würde auch Minor von der Last seines Erbes erfahren müssen, von jenem Fluch des flavischen Wahns, dessen Spur durch alle Zweige der Gens sich zog, doch dies war unbezweifelt nicht der rechte Augenblick, galt es doch eine Schlacht zu schlagen.

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  • Langsam ließ sich der Knabe auf dem teppichbedeckten Boden nieder und postierte die beiden animalischen Figuren zu Füßen seines Vaters. Indessen lauschte er zugleich dessen Worten, deren Komplexität und Elaboriertheit jedoch seinem kindlichen Gemüt kaum entsprachen. So erreichten ihn nur ein Teil der Botschaft, der sich auf seine noble Derivation und die Mahnung zu Ernsthaftigkeit beschränkte.


    Schweigend, weil darüber nachsinnend, nahm er von Lakrates schlussendlich den Elefanten, wie auch die übrigen Tiere entgegen und gruppierte sie um den Löwen und den Bären. Plötzlich wurde er sich gewahr, dass ja der Elefant, nicht jedoch der Löwe, der erklärte Kommandeur jener animalischen Streitmacht war, sodass er ihn an die Spitze seiner Truppen stellte. Anschließend führte er auch seine Hände zu Boden, um in kriechender Weise zu seinen Legionen hinzuzutreten, da nun beide Armeen aufgestellt waren.
    "War dein Papa ein Kaiser?"
    fragte er dann plötzlich und unerwartet. Diese Nachfrage war unvermittelt in ihm aufgetreten, da seine Abstammung ihm wohl besonders stark im Gedächtnis haften geblieben war. Zweifelsohne hatte er bereits die Geschichten seiner Mutter über Männer wie Flavius Vespasianus, Claudius Nero und andere vernommen, doch aufgrund seines mangelhaften Gefühls für Zeiträume vermochte er diese Geschichten kaum in Relation zum hier und jetzt stellen.

  • Gemeinsam mit seinem Sohn postierte Gracchus die animalische Armee, änderte die Positionen einiger Figuren, um die strategischen Defizite und Vorzüge der ihnen real entsprechenden Tiere im Kampf optimal ausgleichen und nutzen zu können, bis dass die Schlachtreihe in perfekter Konfiguration war aufgestellt - soweit eine phantastische Armee dieser Art überhaupt dies konnte sein. Die jählings gestellte Frage seines Sohnes indes ließ derangiert ihn aufblicken, zuerst nicht gänzlich dessen Gedankengängen folgen könnend und darob die Stirne in Falten gelegt. Als der Trugschluss seines Sohnes ihm wurde gewahr, konnte er sich jedoch eines amüsierten Lachens nicht erwehren.
    "Nein, Minimus, nein, mein Vater - dein Großvater - war kein Kaiser. Er war in seinem letzten Amt Praefectus Urbi, somit also der Stellver..treter des Imperators in Rom in dessen Abwesenheit und dur'haus ein wichtiger Mann."
    Liebevoll strich er Minor über den Kopf. Sein Sohn war unbezweifelt ein kluger Junge, der die Welt nicht als gegeben hinnahm, sondern beständig geistig zu durchdringen suchte.
    "Deine Annahme indes ist natürlich ni'ht unbegründet, dein Großvater trug den gleichen Namen wie zwei Kaiser der flavischen Dynastie."
    Die genauen familiären Bindungen zu den kaiserlichen Flaviern war ungleich komplizierter und etwas, was Minor später einmal noch würde durchdringen müssen, in seinem jetzigen Alter reichte es stets aus, sich dessen gewahr zu sein, dass kaiserliches Blut in seinen Adern floss - zumindest in Anteilen. Den Elefant, welchen sein Sohn hatte an die Spitze der Armee gestellt, zog Gracchus noch zurück zur Seite - würde jener sein Heer doch befehligen, nicht jedoch in die Schlacht führen, sodann blickte er zu Legatus Minimus auf seinem Schlachtkrokodil und schlussendlich zu Minor hin.
    "So lasse die Schlacht beginnen!"
    Eine gewisse Insekurität bestand bei dem Vater, welchen Regeln dieses Spiel würde folgen, gleichsam vermutete er eine Variation gängiger Brettspiele ohne Spielbrett, so dass die Kontrahenten in abwechselnden Runden ihre Soldaten würden gegeneinander ziehen.

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  • Stumm nickte der Knabe, während er zu ergründen versuchte, welche Bedeutung der Person eines Stellvertreters des Imperators zukam, zumal er das Wissen entbehrte, wie häufig jener Präfekt seiner Aufgabe nachzukommen hatte. Letzten Endes beschloss er jedoch sich auf die abschließende Betonung der Bedeutung jenes Amtes zu verlassen und wollte sich soeben erneut seinem Spiele zuwenden, als Manius Maior eine weitere Information hinzufügte, die Manius Minor erneut über Kaisertum und seine eigene Provenienz reflektieren ließ und ihn schließlich zu der kindlich-unschuldigen Nachfrage verleitete:
    "Waren das auch Vater und Sohn? Weil sie gleich heißen, meine ich..."
    Doch die Gedanken des Knaben führten weiter, denn, so sich seine Hypothese bestätigte, ergab sich wiederum die Frage, ob einer von beiden ebenfalls mit dem Adjektiv 'Minor' tituliert wurde um ihn von seinem Vater abzugrenzen, wie es auch heute im Hause Flavia der Fall war.


    Indessen wandte sich der Vater jedoch erneut dem Spiele zu, sodass der Sohn dem Exempel folgte und sich auf seine Knie hinabließ um dem Kampfesgeschehen näher zu sein, das sich jedoch wider die Annahme seines adulten Spielgefährten auf keinerlei Regeln belief, sondern allein durch die schöpferische Geisteskraft der Beteiligten bestimmt wurde. Diesem Grundsatze entsprechend begann der Knabe das Krokodil, das als Reittier Verwendung fand, vorzurücken und mit festem Stoß gegen die forderste Einheit der Tierarmee, ein Pferd, rammte, sodass das unfortunable Wesen hinweggeschleudert wurde. Diesen ersten Waffengang untermalte Manius Minor jedoch auch, indem er einen unbestimmten, jedoch durchaus auditiblen Plosivlaut formt, der in ein dumpfes Grollen überging, womit er vermutlich wenig mit dem Schlachtenlärm realer Kriegshandlungen äqualisierbar war.

  • Geduldig nickte Gracchus.
    "Exakt, Minimus, diese beiden waren auch Vater und Sohn. Obglei'h nicht alle Männer, welche den gleichen Namen tragen, zwangs..läufig in einer solch verwandtschaftli'hen Beziehung müssen stehen."
    Völlig überrumpelt durch den Angriff des Krokodils und den ersten Verlust in seinen eigenen Reihen, sowie die animalische Lautmalerei seines Sohnes, und gänzlich überfordert mit der Erwartung, welche nun an ihn wurde gestellt - denn schlussendlich hatte er nicht den geringsten Schimmer einer Ahnung, was dies sollte sein -, bemächtigte Gracchus schlussendlich sich ein wenig zögerlich eines seiner stärksten Streiter, des Löwen, und ließ diesen mit einem - weitaus tieferen als dem seines Sohnes - Grollen das Krokodil umrunden und sich der ersten Mannes zu dessen Seite bemächtigen. Da die Figur selbst überaus statisch und darob nicht zu mimischem Ausdruck geeignet war, gleichsam die wilde, rohe Seite des Episiten Gracchus' regelrecht übermannte in seinem Versuch, den Angriff so authentisch wie nur möglich zu gestalten, bleckte er kurzerhand selbst die Zähne und schüttelte den Kopf, als hätte er in seinem Löwenmaul den Leib des Soldaten und risse dort ein Stück Fleisch heraus - ganz wie es des Öfteren während der Löwungen der Verbrecher im Amphitheater geschah, nur dass Gracchus in seiner Phantasie das Blut des Opfers gänzlich ignorierte - und schüttelte gleichsam den Löwen samt der soldatischen Figur in seiner Hand. Mit einem Mal jedoch, von einem Herzschlag auf den anderen, wich jegliches Spiel aus seiner Miene, legte sich ein ernsthafter, nachdenklicher Schimmer in seinen Blick.
    "Woran entscheidest du, ob ein Legionär ... tot ist?"
    Als erkenne er erst nun, was er getan hatte, betrachtete Gracchus die Holzfigur des Soldaten. Ein Römer.

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  • Kaum war es dem Knaben möglich, die Erklärungen seines Vaters in seinen Sinn zu lassen, der nun zum größten Teil von jenem Spiel eingenommen wurde, dessen Regeln nur ihm selbst bekannt waren. Dem folgend zeigte sich Erstaunen auf dem Angesicht des Manius Minor, als Manius Maior das Spiel mit mindestens ebenbürtiger, vielmehr sogar überschreitender Intensität erwiderte, wie es der junge Flavius niemals bei seinem Vater gesehen hatte. Geradezu plastisch machte er die Szenerie des Kampfes erfahrbar und auch der Knabe fühlte sich erinnert an die Tierhatzen, deren Zeuge er im Amphitheatrum Flavium geworden war.


    Dennoch trat mit einem Male das weitaus höhere Alter wieder hervor, das wohl ein gänzliches Eintauchen in jene Welt der Phantasie zu einem Zustand machte, dessen man ebensowenig labhaft werden konnte wie Tantalus den köstlichen Früchten rund um sein Haupt. Da dies jedoch in keinster Weise der Vorstellungskraft eines Knaben angemessen war, rief es bei diesem größte Konfusion hervor, die jedoch rasch einem gewissen Amusement wich, da die Regeln jener phantastischen Welt dem jungen Flavius so klar waren wie jene der Realität.
    "Wenn der Löwe ihn totbeißt. Oder der Elefant."
    Dass jenem Spiel ein regelhaftes System zugrundeliegen könnte, kam ihm nicht einmal in seinen infantilen Sinn.
    "Du musst den Legionär aber hinlegen wieder."
    ergänzte er dann, da sein Vater nicht augenblicklich reagierte. Indessen griff er jedoch bereits nach der Figur in der Hand seines Gegenüber und platzierte sie an jenem Ort, an dem sie gefallen sein musste.


    Da ihm jedwede Insekurität bezüglich der Regularität als zwingend ausgeräumt erschienen, setzte er schließlich sein Spiel fort, indem er den hölzernen Centurio auf dem Rücken des Krokodils zu seiner Einheit wendete und mit lauter Stimme die Befehle ausgab um jener animalischen Gefahr in den eigenen Reihen Herr zu werden.
    "Los, greift den Löwen an! Loos!"
    Sogleich kamen die Legionäre den Befehlen ihres Feldherrn nach, indem Manius Minor einen von ihnen ergriff und an die angreifende Bestie heranführte, wobei er indessen seine Konzentration von der anderen Hand abzuziehen hatte, weshalb diese, den Centurio haltend, vom Rücken des Krokodils herabrutschte und zugleich ein weiteres Pferd aus der Schlachtreihe des Manius Maior zu Boden stieß.
    Als Manius Minor sich dessen gewahr wurde, unterbrach er seine Attacke um seinen Centurio - das Symbol seiner gesamten Armee, das zugleich ihn selbst in diesem Waffengang repräsentierte, zurück auf den Rücken seines unkonventionellen Reittiers beförderte und sogar das Malheur mit dem Pferd bereinigte. Erst danach mussten weitere Legionäre auf den Löwen eindringen, dessen Chancen diese Schlacht zu überleben vermutlich, hätte es sich nicht um Holzfiguren, sondern wahrhaftige Wesen aus Fleisch und Blut gehandelt, mit fortschreitender Zeit dem Nichts entgegen geeilt wären.

  • Der Kampf um ihn herum setzte bereits wieder an, als Gracchus endlich der Apathie der Starre sich entwand und nach dem am Boden liegenden Legionär griff.
    "Er ist nicht tot"
    , bestimmte er und versuchte die Figur auf ihrer Seite liegen zu lassen.
    "Nur verletzt. Ein Medicus wird ihn nach der Schla'ht behandeln können."
    Noch immer ein wenig derangiert über die Ereignisse nahm er den Löwen wieder in seine Hand, sich dem Angriff der Römer zu erwehren, legte das Tier jedoch alsbald auf den Grund, da mit jedem leisen Knurren aus seiner Kehle die Schuldgefühle in seinem Inneren emporwuchsen.
    "Ich kann das nicht, Minimus"
    , warf er wiederum überaus ernsthaft ein.
    "Ich kann unmögli'h eine Armee gegen römische Legionäre führen, in der Absicht, diese zu verni'hten. Alles daran widerstrebt gänzlich meinen Überzeugungen."
    Allfällig war dies der Grund, ob dessen üblicherweise ein Sklave diesen Part übernahm.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Der Knabe entbehrte jeglichen Verständnisses für die Reaktion des Manius Maior, der offenbar nicht dazu imstande war, die Funktionsweise jenes Spieles zu erfassen. Voller Konfusion folgte er den väterlichen Ausführungen, zuerst noch bemüht zu erfassen, um welche Änderung der Regularien es sich handeln möchte, dann jedoch mengte sich erneut jene vertraute Insekurität darunter, die sich allzu häufig des junge Flavius bemächtigte. Welchen Fehltritt hatte er nun getan, dass sein Vater sich weigerte, das Spiel zu prolongieren?


    Langsam nahm Manius Minor die Hand von seiner Kommandeurseinheit und richtete sich ein wenig auf, bereit, die Replik auf seine nun aufgeworfene Frage aufzunehmen:
    "Warum denn?"
    Im Geiste des Knaben stellten Legionäre die einzelne Spezies der Gattung Soldat dar, zu der seine Imaginationskraft fähig war. Noch fehlte ihm jenes Gefühl von Patriotismus, mit dessen Hilfe er oder die Legionen sich hätte abgrenzen können von anderen Völkern, was schlicht dem Umstand geschuldet war, dass ihm in seinem bisherigen Leben nahezu ausschließlich Angehörige des römischen Adels, sowie deren Sklaven begegnet waren, wobei er letzteren jedoch niemals einen Konnex zu militärischen Obliegenheiten hätte zukommen lassen.

  • "Warum?"
    , echote Gracchus perplex, denn ebenso wie seinem Sohn es unbegreiflich war, wie der Vater nicht in die phantastische Szenerie des Spieles konnte einfinden, so war für diesen nicht nachvollziehbar, dass Minor seinen Bedenken nicht konnte folgen. Einige kurze Augenblicke des Schweigens vergingen, ehedem Gracchus in seiner indulgenten - bisweilen ein wenig ausgedehnt umfassenden, darob dem ein oder anderen zweifelsohne langatmig erscheinenden - Art zu einer Erklärung ansetzte.
    "Nun, ein Angriff gegen römische Soldaten, dies ist ein Angriff auf das römische Imperium, denn kaum etwas re..präsentiert unser Reich - insbesondere nach außen hin und gegenüber unseren Feinden - derart eindeutig wie unsere Legionen, und kaum etwas ist derart essentiell für die Stabi..lität des Friedens in unserem Reich. Mögen wir auch in friedlichen Zeiten, im Herzen des Imperium Romanum ohnehin gänzli'h unbehelligt durch kriegerische Absichten leben, so sind es doch die Legionen an den Grenzen nach außen, welche diesen dauerhaften Zustand si'hern."
    Kurz versicherte Gracchus sich der vollen Aufmerksamkeit Minors, hielt er doch die nachfolgenden Worte für überaus gravierend in der charakterlichen Entwicklung, wiewohl der persönlichen Reifung seines Sohnes.
    "Deine Herkunft, dein Stand und dein Menschsein gebieten drei Intentionen, nach welchen dein persönli'hes Streben stets auszurichten ist: das Wohl der Familie, das Wohl des Imperium Romanum, sowie die Wahrheit - in eben dieser Reihenfolge."
    Er selbst hatte einst gelernt, das Wohl des Imperium Romanum noch über jenes der Familie zu stellen, hatte jedoch im Laufe seines Lebens erkannt, dass dies zu ändern war, wiewohl er annahm, hätte er nicht dies von seinem alten Lehrer, sondern seinem Vater gelernt, jener das Wohl der Familie ebenfalls an erste Stelle hätte platziert.
    "Bezügli'h unserer Familie bedeutet dies weniger, dass du zu ihrem materiellen Vorteile sollst handeln, sondern vielmehr ihre Traditionen ehren, ihr Ansehen erhalten und mehren, ihre Ehre und Ruhm zu verteidigen und zu mehren, wiewohl selbst..redend auch, keine Schande über sie zu bringen, wobei dies nicht nur sich auf das Wohl deiner selbst, sowie deiner Mutter und meinereiner bezieht, sondern auf das unseres gesamten Fa..milienzweiges. Dieses Wohl soll stets als deine oberste Maxime gelten."
    Nichts verriet dem Vater die Gedanken hinter der Stirne seines Sohnes, so dass er fortfuhr.
    "Ist dein Handeln dem Wohle unsere Familie verpfli'htet, so suche gleichsam dem Wohl des Imperium Romanum zu dienen, dabei nicht einem einzelnen Mann, wie etwa dem Kaiser, oder einer einzelnen Grup..pierung, sondern der Idee hinter diesem Konstrukt, geformt aus den römischen Idealen, Traditionen und Werten. Es ist dies ein überaus komplexes Gebilde, viel zu umfassend, um in wenigen Worten es zu fassen, wiewohl ich für'hte, dass du noch ein wenig zu jung bist, dies in seiner Gänze zu durchdringen, doch die Legionen des Imperium Romanum sind Teil dieser Idee, sind personelles Abbild ihrer - und ein Angriff auf sie darob glei'hsam ein Angriff auf das Wohl des Imperium Romanum."
    Womit nach Gracchus' Auffassung die Unmöglichkeit des von seinem Sohne geforderten Handelns nun ausreichend belegt war, was indes nicht bedeutete, dass diese Lektion bereits ihr Ende fand, stand doch das dritte Strebensprinzip noch aus.
    "Wendet dein Handeln sich nicht gegen deine Herkunft, wiewohl das Imperium, so su'he darüber hinaus stets zu Wahrheit dich zu verpflichten. Die Idee der Wahrheit ist eines der reinsten, der schönsten und harmonischsten Konstrukte, welches der menschli'he Geist je hat erdacht, und ihr zu folgen bringt darob epiphane Schönheit und Harmonie hervor in allen Bereichen, wiewohl die Lüge affröse, gar abominable Hässlichkeit schafft. Man'hes mal ist es leider vonnöten, einer Lüge sich zu bedienen zum Wohle der Familie oder des Imperium Romanum, doch achte stets darauf, dass dies in deinem Leben nicht Überhand nehmen wird, denn die Abscheulichkeit der Lüge wird ebenso wie das Ebenmaß der Wahrheit auch deinen Geiste dur'hdringen, darob zu innerer Niedertra'ht oder aber Harmonie dich führen."
    Obgleich Gracchus sich dessen war gewahr, dass Minor allfällig nicht all seine Worte in ihrem Sinne würde durchdringen können, so hoffte er doch, ihm zumindest den rechten Weg weisen zu können.
    "Was auch immer du daher tust, Minimus, tue es aus innerer Überzeugung heraus, und ri'hte dein Handeln stets nach diesen Prinzipien aus."

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  • Noch immer bewegt von Konfusion ob des emotionalen Ausbruchs seines Vaters lauschte der Knabe dessen Worten. Sein infantiler Geist war nicht in der Lage, all jenen Pathos aufzunehmen, geschweige denn zu erfassen, welch grundlegende Definition von Virtus Manius Maior ihm hier zu vermitteln versuchte. Lediglich wenige Dinge vermochte er aus dieser Belehrung zu entnehmen: Niemals durfte er römische Soldaten attackieren, weder im wahren Leben noch im Spiele. Er hatte stets der Familie zu dienen. Selbstredend konnte er dabei nicht an Dinge wie die Begünstigung Verwandter als politischer Amtsträger oder die demonstrative Präsentation von Tugend im öffentlichen Leben denken, sondern lediglich die Maxime, seine Verwandten nicht mit beleidigenden Worten zu kränken, und zwar weder in ihrer Anwesenheit, noch coram publico. Als zweites hatte er dem Staate zu dienen, was ihm als die diffizielste Obliegenheit erschien, da es ihm nicht möglich war zu imaginieren, welche er Possibilitäten sich hierfür in seinem jugendlichen Alter hervortaten, weshalb er beschloss, erst zu einem späteren Zeitpunkt weitere Gedanken an sie zu verschwenden. Viel leichter erschien ihm jedoch die dritte Maxime, die Wahrheit: Sie ließ sich in seinen Augen zu einem einfachen Verbot der Lüge zusammenfassen, wenn sie nicht der Familie oder dem Staate schadete (was wohl bedeutete, dass etwa jedwedes Produkt eines Verwandten in keinem Fall negative Kritik durch ihn erfahren durfte).


    Noch eine Weile hielt er sich mit derartigen Gedanken auf, dann kehrte der Geist des jungen Flavius zurück in die Welt des Spielzimmers und er fragte knapp:
    "Und gegen wen kämpfen die Tiere dann?"
    Ihm erschien es undenkbar, eine Schlacht ohne Todesopfer zu schlagen (obschon er wohl kaum ermessen konnte, welche Bedeutung dem Tod zukam).

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