Vortrag zum Examen Quartum

  • Primus betrat den Raum für den Vortrag und machte sich bereit für seinen Auftritt.
    Das Thema war umfangreich und umfassend, die Zuhörer würden eine Menge Informationen bekommen. Vorsorglich stellte er sich einen Krug mit Wasser und einen Becher zurecht und wartete.
    Nach und nach trudelten die Zuhörer ein, darunter auch die Freiwache seiner Turma, geführt von Duplicarius Terentius Lupus, der sich frech genau vor sein Rednerpult setzte.
    Hoffentlich würde er keine Faxen machen,...sonst würde er die ganze Pabula ausmisten müssen!

  • Da stand er nun,...sein Cousain Gaius,...eine verdammte Ehre war es mit diesem Kerl verwandt zu sein. Er war mächtig gespannt was er über die Schlacht zusammengetragen hatte,...es war ja in der letzten Zeit kaum was von ihm in der Freizeit zu sehen.
    Ständig hat er irgendwelche Bücher gebüffelt,...Rolle um Rolle gefüllt.
    Apropos gefüllt,...der Raum füllte sich langsam.

  • Primus wartete bis sich die Männer gesetzt hatten, trank noch einen Schluck Wasser, räusperte sich und meinte,


    "Guten Tag, Kameraden ...ich möchte einen Vortrag zum Thema Atuatuca aus dem Bellum Gallicum des Gaius Iulius Caesar halten.
    Hierzu setzen wir uns einmal mit den Gegebenheiten auseinander, welche zu jener Zeit vorherrschten;


    Die Eburonen kannten die römischen Truppen schon geraume Zeit; mindestens schon 3 Jahre vor den Ereignissen um Atuatuca. Eburonische Kampfverbände hatten 57v.Chr. an der
    F-Aisne mit Truppen Belgischer Stämme zusammen gegen Caesars Legionen gekämpft. In den Folgejahren ergaben sich diverse Gefechte mit Römern, an denen Eburonen beteiligt oder betroffen waren. Diese Eskalation gipfelte in dem für den eburonischen Stamm entscheidenden Gefecht von Atuatuca.

    Die Legaten Cicero, Sabinus und Cotta waren von Anbeginn des Feldzuges bei der Truppe, also erfahrene Militärs.

    Cotta war zudem ein Cousin Caesars.

    Die Eburonen werden für die allgemeine Mobilmachung ihres Stammes etwa die zwei Wochen benötigt haben, welche zwischen der Etablierung des römischen Winterlagers Sabinus und dem ersten Angriff auf dieses lagen. In dieser Zeit werden sie die Verbindungslinien zu den Lagern Labienus/Cicero nachhaltig unterbrochen haben.

    Aus welchem Grund auch immer überraschten die zeitgleichen Angriffe der Eburonen den römischen Heerzug auf seinem Abzug. Hier können fehlende Kundschaftung, fehlende Seitendeckung und unzureichende Gefechtsbereitschaft der Grund sein. Erschwerend für die Römer war die Art des Geländes, die Überraschung, die Desorientation und Desinformation über das Kampfgeschehen und möglicherweise die Unerfahrenheit im Kampf eines Teils der Infanterie. Hinzu kommt noch die Unwägbarkeit eines Gefechtes, also Zufälle, oder etwa chaotische Zustände, welche außerhalb des kalkulierbaren und scheinbar vorbestimmten Geschehens liegen. Letztendlich hat Sabinus mit dem Abzug falsch reagiert und ebenso der verantwortliche oberste römische Feldherr mit der Platzierung der zu weit auseinander liegenden Legionen in ihren Winterlagern in 54/53 v.Chr.

    Das römische Reich bestrafte Widerstand mit der vollständigen Vernichtung des aufständischen Gegners. Dies erreichten sie durch einen immensen Nachschub an Geld, Menschen und Material. So geschehen bei den Eburonen, welche nach dem Gefecht von Atuatuca durch mehrere römische Gefechtskampagnen zumindest politisch und ethnisch aus dem Gefüge des damaligen Nordgallien entfernt (gesäubert?) wurden. Rom verwandte dazu nahezu 50.000 Infanteristen in 53 v. Chr. für die Rache an solch einem kleinen Stamm. Hier liegt der Tatbestand eines Exempels für versuchten Widerstand nahe. Ebenso die versuchte Vernichtung des Stammes der Tenkterer und Usipeter durch den gleichen Herrn geht in diese Richtung.


    Unkalkulierbar ist die Stärke der Legion Sabinus/Cotta. Es ist nur bekannt, das es eine Legion und 5 Cohorten waren. Die Nominalstärke einer Legion war ca. 5000 Infanteristen. Demnach also für die 15 Cohorten ca. 7500 Infanteristen. Caesars Entsatzheer für das belagerte Lager des Cicero zwei Wochen nach dem Gefecht von Atuatuca betrug für 2 Legionen 7000 Infanteristen. Angenommen, dies war die Stärke einer Legion Caesars zu diesem Zeitpunkt, betrug die Stärke der Legion Sabinus/Cotta zwischen 5000 und 7500 Infanteristen. Letztendlich egal und für den Ausgang des Gefechtes nicht unbedingt relevant, aber wegen der Länge des Zuges wichtig.

    Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die Mannschaften der Eburonen in der Nacht vor dem Gefecht so relativ präzise ihre Treffen plazierten. Woher konnten sie wissen, wohin Sabinus ziehen würde? Dies lässt den Umkehrschluss zu, dass die Römer bei ihrem Abzug einen bestimmten Weg benutzen würden.

    Eine plausible Erklärung für die operative Sicherheit der Eburonen wäre, das die Legionen Cicero und Sabinus bei ihrem Vormarsch von Westen aus zusammen vorrückten, Cicero bei den Nerviern blieb und Sabinus weiter nach Osten zu seinem Standort bei den Eburonen zog. Somit würde Sabinus bei einem Rückzug in Richtung Lager Cicero mit einiger Sicherheit die gleiche Strecke, nur umgekehrt, benutzten. Die Taktik der Eburonen beruhte auf einem nicht erzwungenen Abmarsch der römischen Lagerbesatzung, ohne das diese Einheiten Feindberührung erwarteten und einem daraus resultierenden Angriff der Eburonen auf die Römer durch einen Hinterhalt in einer für die Eburonen sehr günstigen, für die Römer sehr ungünstigen Position ausserhalb der "sicheren" römischen Befestigung, um die Römer dann vernichtend zu schlagen. Was den Eburonen gelang. Das war genial. Und Caesar musste es aufschreiben und anerkennen.

    Warum die Römer durch ein so ungünstiges Gelände zogen, bleibt ein Rätsel der Geschichte. Oder der Weg war so günstig für den Abmarsch, das er alle Bedenken aufhob. Fakt scheint zu sein, das zumindest an der Stelle des Hauptangriffs ein Engpass bestand, welcher den Angriff auf die römische Truppe begünstigte.

    Welches waren die Beweggründe des Angriffs der Eburonen?. Galt es dem Tross als Beute oder war das Ziel die Vernichtung der Legion Sabinus/Cotta? Der Ausgang des Gefechtes war letztendlich die Vernichtung der Legion, doch konnten das die Eburonen planen? Alle Faktoren summiert ergibt eine hohe Wahrscheinlichkeit für die geplante Vernichtung der Legion Sabinus und der Aneignung der daraus resultierenden Beute.

    Die Marschordnung römischen Militärs im Glied war zwischen 2 und 4 Infanteristen in einer Reihe, je nach Gelände. Je kompakter, um so besser im Fall einer Feindberührung. Rechnet man 1 m Abstand in der Reihe von 4 Infanteristen, so ergeben die 5 Cohorten des Cotta (bei etwa 360 Infanteristen pro Cohorte / gerechnet wird hier mit einer Legionstärke von 3500 Infanteristen, welche Möglicherweise die Nominalstärke der Legionen Caesars zu dieser Zeit war) etwa eine Länge von 500 m. Die 10 Cohorten des Sabinus demnach etwa 1 km. Den Tross von 1 km mitgerechnet plus die Reiterei, Offiziere und Abstände zwischen den Einheiten sind dies grob geschätzt 3 km Länge Zug. Bei drei Infanteristen im Glied erhöht sich dies auf etwa 4 km Länge Zug. Etwa zwischen 3 und 4 Kilometer Zuglänge wäre zu erwarten.

    Laut dem Bellum Gallicum war der römische Zug vollständig aus dem Lager, sonst hätte der Gegner diesen nicht an seinem Ende angreifen können. Wenn die Schätzung von ca. 4 km Zuglänge stimmt, und der römische Heerzug wäre +- 5 km aus dem Lager heraus gewesen, marschierte die Legion Sabinus/Cotta ca. 5 km pro Stunde. Bei einer Tagesmarschleistung unter Druck von ca. 8 Stunden (0700 h - 1600 h), entspricht dies einer voraussichtlichen Strecke von ca. 40 km am Tag (vorausgesetzt, das Tempo wird konstant gehalten). Somit wäre eine Strecke von 75 km (die genannte Entfernung zum Lager Cicero) in zwei Tagen machbar. Im Umkehrschluß bedeutet dies, das die zeitgleichen Angriffe der Eburonen auf den Heerzug der Römer etwa eine Stunde nach Abrücken der Römer stattfanden = ca. 0800 h.

    Die Taktik der Eburonen war wohl, zeitgleich an drei Schwerpunkten Gefechtstätigkeiten zu beginnen, wobei nur an einer Stelle (und das konnten die Römer bei der Länge des Zuges nicht so schnell einschätzen) die Hauptstreitmacht ansetzte. Somit waren die Angriffe an Kopf und Ende des römischen Zuges Störfaktoren, welche römische Infanterie an diese Stellen band, wenn auch nur relativ kurzfristig. Im Vorfeld der Verhandlungen zum Abmarsch der Römer kündigten die Eburonen zusätzliche germanische Hilfstruppen an. Möglicherweise war Sabinus auch durch die von ihm unterschätzte Anzahl der Angreifer überrascht.


    Das Hauptgefecht dürfte sich eher um die Mitte des Zuges abgespielt haben, je nach Gelände, jedoch nicht am Ende, am Kopf oder im Bereich des Trosses. Hauptangriffsziel der Eburonen war der römische Heerzug an einem für die Eburonen günstigen, für die Römer ungünstigen Ort. Zeitpunkt und Beginn der Gefechte sollte etwa 1 Stunde nach Abmarsch (beginnendes Tageslicht) sein und alles in allem währte es bis zur 8 Stunde. Demnach von ca. 0800 h bis 1500 h = 7 Stunden.

    Die Quelle des b.g. berichtet von einem Hinterhalt in etwa zwei Meilen Enfernung vom Lager, wobei sich zwei Gruppen Angreifer von den Talflanken des Tals auf den Zug der Römer zubewegten. Zu lange darf eine solche Angriffswelle nicht laufen, sonst verpufft die Angriffsenergie und der Überraschungseffekt ist beim Gegner wertlos. Diese Stelle sollte also schon einen überschaubaren, relativ engen Raum beinhalten, etwa 500 m. Eine Interpretation lässt den Schluss zu, das sich die Römer durch ein enges schmales Tal bewegten, welches einen solchen Hinterhalt und Angriff zuliess. Die andere Version wäre, das sich die Römer durch eine Talsenke bewegten, welche sich an einer bestimmten Stelle (zwei Meilen vom Lager entfernt) zu einem Engpass formte. Anzuführen ist hier, das Caesar dies auch behauptet (das ungünstige Operationsfeld). Hier ist anzumerken, das Pferde und Maulesel ungern durch Wasser gehen oder hineinsteigen. Dies erlaubt den Schluß, das, wenn der Zug durch ein Tal zog, dieser nicht mehrfach einen Bach kreuzen würde, sondern vermutlich seitlich am Talrand entlang zog, um dies zu vermeiden. "


    Primus räusperte sich ein wenig und betrachtete sein Publikum, war es gelangweilt? Zumindest seine Equites und Lupus starrten ihn mit teilweise hochroten Köpfen konzentriert an.

  • Hört, hört,...der Terentier hatte das Bellum Gallicum wohl inhaliert.
    Corvus sah sich um und entdeckte bei den Zuhörern teils reges Interesse teils waren sie schlicht überfordert.
    Er verschränkte die Arme und lehnte sich zurück,...von ihm aus konnte es weitergehen.

  • Primus kramte noch ein wenig in seinen Unterlagen und legte jene Beiseite die er schon abgearbeitet hatte.


    Was haben die Eburonen als Hauptziel angegriffen? Doch wohl den Teil des Zuges, welcher sich just dort befand, wo sich der Großteil der Mannschaften der Eburonen in einem Hinterhalt befanden. Wie konnten die Eburonen die zeitgleichen Angriffe koordinieren? Uhren gab es nicht. Möglich ist, aus einem Sachzwang heraus, der Aufstieg des römischen Heerzuges aus dem Tal zuerst angriffen wurde. Die taktische günstige Position von oben und der dadurch bedingte Stop des Zuges verlangten wohl diese Lage. Zudem erwartete Ambiorix wohl, das sich die vorderen Cohorten nach einem Angriff dann zum Hauptangriffstreffen zurückbewegten, wenn die Lage übersichtlicher wurde. Denkbar ist, das durch die Hektik der Meldereiter dann der Hauptangriff erfolgte und durch die erfolgende Geräuschkulisse die verbleibenden Eburonen vom Lager die Nachhut angriffen.

    Aus Angaben des Autors des b.g. können Standards geschaffen werden: eine ganze Legion, eine halbe Legion, der Tross und das Lager. Drei Kilometer vom Lager entfernt der Hauptangriff und möglicherweise das Hauptgefechtsfeld. Die römischen Mannschaften werden nach Einheiten marschiert sein. Werden diese benannt: 1 = die halbe Legion, 2 = die ganze Legion, 3 = der Tross, ergeben diese Komponenten sechs mögliche Marschvariationen (immer vom Kopf aus):

    A) 1 2 3
    B) 1 3 2
    C) 2 3 1
    D) 2 1 3
    E) 3 2 1
    F) 3 1 2

    Die Versionen E und F sind auszuschließen, der Tross wurde nicht vornweg geführt. Bleiben A, B, C und D. Aus einer gewissen Logik sind Punkt A und D ebenfalls auszuschließen, weil der Tross möglichst gesichert wurde, was bei A = 1 2 3 und D = 2 1 3 nicht der Fall ist. Bleiben B und C. Hier kann man von den Berichten der römischen Kriegsführung des gallischen Krieges ausgehen, das erfahrene Truppen vorn wegliefen, weil diese einem möglichen Angriff als erste ausgesetzt waren, unerfahrene Truppen sicherten den Zug nach hinten. Die vollständige Legion 2 war relativ frisch ausgehoben, vielleicht unerfahren, die fünf Cohorten 1 müssen schon Felderfahrung gehabt haben, wären demnach als "Alte Hasen" der Legion Sabinus in das Feindland zur Unterstützung mitgegeben worden. Also Version B mit der Marschformation 1 3 2 oder alternativ C mit der Marschformation 2 3 1. Da 3 so lang wie 2 sein kann (sehr langer Tross) und 1 halb so groß wie 2 sein müsste, ergeben sich relative Größen. Die Zuglänge kann geviertelt werden:

    Bei Version B ergäbe dies 1/4=1, 1/4=3, 2/4=2. Sollte der Zug eine Länge über alles von etwa 4 km gehabt haben (was durchaus realistisch sein kann bei den belegten Zahlen von ca. 3500 Infanteristen Legionsstärke zu diesem Zeitpunkt), hieße dies 1=1 km, 3=1 km und 2=2 km. Hätte sich dieser Zug in seiner ganzen Länge 1 km aus dem Lager befunden und der Hauptangriff hätte bei der Formation B zwischen dem Segment 3 und 2 stattgefunden, ergibt dies einen Gefechtsort etwa 2 römische Meilen (3km) vom Lager entfernt.

    Bei Version C hieße dies 2=2km, 3=1km und 1=1km. Hätte sich dieser Zug in seiner ganzen Länge 1 km aus dem Lager befunden und der Hauptangriff hätte bei der Formation C zwischen dem Segment 2 und 3 stattgefunden, ergibt dies einen Gefechtsort ebenfalls etwa 2 römische Meilen (3km) vom Lager entfernt.

    Angenommen, und diese Version wäre schlüssig bei den zwei möglichen Varianten, der Hauptangriff der Eburonen wurde entweder an der Nahtstelle zwischen dem rückwärtigen Trossende und den rückwärtig marschierenden Infanterieeinheiten (Sabinus) getätigt, so erfolgte in jedem Fall ein Stopp des Zuges mit darauf folgender Stauung der Einheiten vor dem Kampfort in Marschrichtung. Eine Unterstützung der Kampftätigkeit von der Spitze aus war kurzfristig nicht möglich, weil der lange Tross zwischen beiden Einheiten lag und die Spitze zunächst wegen der Gefechtstätigkeiten in Anspruch genommen wurde. Erst als klar wurde, wo der Hauptangriff stattfand, hätten die Einheiten bei Version B vom Kopf des Zuges (Cotta) durch oder seitlich des Trosses zum Haupttreffen zurück gemusst.

    Bei Version C wäre diese Bewegung vom Ende des Zuges in Marschrichtung durch den Tross geschehen. Dies nahm wohl eine Zeit in Anspruch (mit den bekannten Konsequenzen). In beiden Versionen wären es die Einheiten Cottas gewesen, welche durch den Tross zum Hauptgefechtsort aufrückten (eine Plünderung des Trosses seitens der Cotta-Infanteristen wäre nachvollziehbar, da diese seit 4 Jahren in Gallien stationiert waren und eventuellen Privatbesitz aus diesem Zeitraum im Tross mitführten; die Sabinus Legion war neu rekrutiert). Wahrscheinlicher und taktisch besser (für Sabinus) wäre wohl die Version B gewesen.

    Wenn nun die Eburonen den Tross als Hauptziel angegriffen hätten? Konnten sie das überhaupt kalkulieren? Hier kommt möglicherweise das Glück, der Zufall und das "Schicksal" für die Eburonen zum Zuge. Alle Cohorten wären gezwungen gewesen, dorthin vorzurücken. Man stelle sich das vor, ein enges Tal, ein sich auflösender Tross und mitten drin 15 Cohorten, welche angegriffen werden, sich formieren müssen und Chaos sich ausbreitet, Desertation und Plünderungen des Trosses seitens der Legionäre. In diesem Sinne wäre das berühmte "Kriegsglück" den Eburonen hold gewesen. Viele Umstände, zufällige oder auch nicht, kamen dem Sieg der Eburonen zugunsten. Auf jeden Fall wird Ambiorix vor dem Angriff der "Arsch auf Grundeis" gegangen sein ob all der Unwägheiten.

    Am Haupttreffen entfalteten sich größere Gefechtsaktivitäten, wobei die rückwärtigen Einheiten in Marschrichtung vorstießen und sich am Gefechtsort fächerförmig in Linie aufteilen mussten. Während die vorderen Einheiten rückwärtig aufschlossen, entstand zwangsläufig ein Kreis, bzw. eine größere Gefechtsfläche. Und an diesem Punkt musste das Gelände ein Rolle gespielt haben, denn es bot sich möglicherweise kein Ausweich oder die Möglichkeit einer Aufstellung der Cohorten nach bewährtem Schema, sodass der Treffpunkt und die Kreisbildung ein Muss für die Römer wurden. Es ergibt Sinn, wenn Sabinus den Tross aufgabt und sich allein auf die Kampftätigkeit der Infanterie konzentrierte.

    Hätte er den Tross noch in den Kreis aufnehmen müssen, wäre viel wertvolle Zeit mit der Organisation des sich auflösenden Trosses verloren gegangen.

    Die Römer bildeten unter Aufgabe ihres Gepäcks einen Kreis, eine Technik der römischen Kriegsführung genannt "orbis", welche zum Rückzug und bei hohem Feinddruck eingesetzt wurde. Aus dem Kreis brachen einzelne Cohorten aus und fügten den Eburonen Verluste zu. Dieser Punkt ist wichtig. Der Hauptangriff erfolgte etwa 3 km (2 römische Meilen) ausserhalb des Lagers und taktisch gesehen nicht auf den Tross. Somit kann mit einiger Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die römischen Streitkräfte den Kreis nicht innerhalb des sich auflösenden Trosses bildeten, sondern in einer relativen Entfernung vom Tross entfernt und in einer Rückzugbewegung zum Lager, also nicht über die 3 km vom Lager entfernt, sondern eher in einer kürzeren Distanz zum Lager.

    Das Gefechtsfeld kann so eng nicht gewesen sein. Wie groß ist ein Kreis von 15 Cohorten? Cohorten brachen einzeln vollständig aus dem Kreis aus und kehrten wieder zurück in den Kreis. Angenommen, ein solcher Kreis hat etwa einen Durchmesser von ca. 200m (4 Cohorten in 5 Reihen, 70 Mann in der Reihe, 1m Abstand, das in einem Quadrat - Kreis). Dann noch einmal ca. 30m bis 50m für die Ausfälle plus das Gefechtsfeld der Eburonen = etwa 100m, ergibt ca. 300m im Durchmesser für das Gefechtsfeld. Kein enges Tal oder ähnliches, sondern eine möglichst plane oder geneigte Fläche in einer Senke oder Hang mit Baumbewuchs und/oder sumpfigem Gelände. (/Der damalige typische Baumbestand der Voreifel/Ardennen war Eichen/Buchenmischwald, wobei Buchen überwogen. Somit ergäbe sich für das Gefechtsfeld ein offener Eichen/Buchenwald mit altem Baumbestand und wenig Bodenbewuchs.)/

    Der Abstand großer alter Bäume zueinander beträgt in der Regel etwa 10 m. Dies erlaubt auf einer größeren Fläche keine weiten Wurftätigkeiten seitens der Gegner, sondern bedeutet Nahkampf mit dem Ziel, den Gegner dort zu töten, wo es möglich ist.

    Bei einer Wurftätigkeit von Steingeschossen per Hand erreicht man bei faustgroßen Steinen eine maximale Distanz von 10 bis 30 m. Diese Enfernung von der Linie der Römer entfernt sollte ein eburonischer Werfer schon gehabt haben, um eine gewisse Treffsicherheit zu erzielen. Je näher, je mutiger. Wenn noch Baumbestand einbezogen wird, ergibt sich eine mittlere Wurfdistanz von 20 m. Auf der gegnerischen Seite wäre eine Gegenwehr mit Speeren, Schwertern und Schildern bei dieser Kampfweise eher defensiv. Denkbar wäre, das auch jugendliche Eburonen (Frauen?) diese Angriffstätigkeit in dem Gefecht ausübten. Die Wurftätigkeiten konnten auch über die Köpfe der vorderen Angreifer hinweggeworfen werden. Hieraus ergäbe sich bei diesem Szenario ein Feld von Steinen, welches in der vordersten Kampflinie des römischen Verteidigungsrings dichter ist als in den Aussenbereichen, bzw. nach innen weniger werden sollte. Nur kleinere Steine gelangten mittels Schleuderwaffen in den inneren Kreis (100m?), wenn diese nicht durch Baumbestand aufgehalten wurden.

    Sollte der Hauptangriff Eburonen von einer Höhe hangabwärts geführt worden sein (bei einem angenommenem Zug der Römer an einem flachen Hang entlang), so war der Kampfdruck und die Verteidigung der Römer ebenfalls hangabwärts, auf keinen Fall hangaufwärts. Und angenommen, am Hangende gefand sich eine sumpfige Niederung, so wurden die Römer gezwungen, sich in diesem Zwischenraum zu stellen oder in Zugrichtung rückwarts oder vorwärts auszuweichen.

    /(Dies würde der Gefechtssituation in der Varusschlacht nahe kommen.)
    /
    Die Wahl der Waffen wird bei den Römern etwas einseitig gewesen sein. Die Infanterie hatte möglicherweise alle Speere geworfen und konnten nur noch das Schwert und den Schild benutzen, eventuell die Steine zurückschmeißen, welche die Eburonen schmissen (und dabei die Deckung verlieren), doch ansonsten hatten sie keinen Rückzug in den Kreis und waren auf Nahkampf angewiesen (dem die Eburonen auswichen).

    Der Gegner (Eburonen) konnten dagegen in offene Flächen ausweichen und hatten genügend Nachschub an Material.

    Bei den Ausfällen der einzelnen Cohorten (die einzige Chance, die Angriffe der Eburonen zu kontern), müssen bei deren Rückzug in den Kreis hohe Verluste bei der Infanterie entstanden sein. Die Lage muss für die Stabsoffiziere und Sabinus aussichtslos geworden sein, sonst hätten sie keine Gespräche mit den Eburonen erfragt. Dies gipfelte wohl in dem gelungenen Einbruch der Eburonen in den Kreis der Römer und ein Aufbrechen desselben, nachdem sie die römischen Parlamentäre (hohe Stabsoffiziere und Sabinus selbst) umgebracht hatten.

    Hier mag Panik bei den Römern einsetzt haben und eine allgemeine Fluchtbewegung von verschiedenen Infanterieeinheiten in Richtung des nahen Lagers wäre denkbar.

    Dem Hauptgefechtsfeld und dem römischen Winterlager widerfuhren in der Folgezeit sehr gründliche Plünderungen. Was übers Jahr liegen blieb, waren Knochen, Kleinteile aus Eisen, Metallstücke, in den Boden gekommene Schleudersteine jeder Form. Waffen und Rüstungsteile darf man nicht mehr vermuten. Es muss in der Folgezeit über dem Ort des Treffens ein starker Geruch gelegen haben, denn die Gallier werden die römischen Toten nicht beerdigt haben. Das fallende Laub des beginnenden Herbstes deckte die Leichen zu. Der kommende Winter verzögerte durch die Kälte die Verwesung. Als römische Truppen ein Jahr später an den Ort der Gefechtshandlungen kamen, werden sie den aufgefundenen sterblichen Überresten ihrer Kameraden eine ehrenvolle Behandlung gestattet haben. Das war deren Feldherr den Toten und seinen Leuten schuldig. Ein offen liegender Leichnam ist nach einem Jahr nicht vollständig verwest. Teilweise sind die Glieder mit Fleisch und Sehnen noch im Verband. Die beste Methode, welche auch zu damaliger Zeit gebräuchlich war, war die Verbrennung der Leichen. Am Gefechtsort gab es Wald und somit genügend Holz für mögliche Scheiterhaufen.

    Als eine Hypothese (altgriechisch (hypóthesis) - die Unterstellung, Voraussetzung, Grundlage) bezeichnet man eine Aussage, deren Gültigkeit bloß vermutet wird, die aber im Gegensatz zu einer Spekulation nicht nur widerspruchsfrei und in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Wissen steht, sondern auch begründet werden kann. Für Hypothesen ist es üblich, dass die Bedingungen angegeben werden, unter denen sie gültig sein sollen.

    Eine gewagte Hypothese des Atuatuca-Gefechtes wäre diese: Unter der Voraussetzung, das der Eburone Ambiorix taktisch klug und vorausschauend war, die Kampftechnik der Römer kannte, die Psyche der Römer recht gut einschätzen konnte und ein gewiefter Stammesführer war, der seine Leute im Griff hatte, entwickelte dieser einen Plan: Er ließ die Römer unter Mitwirkung der Eburonen, d. h. Lieferung von Getreide etc. deren Winterlager in seinem Stammesgebiet errichten. Die Römer errichten ein Winterlager auf einem Hügel in der der unmittelbaren Nähe einer kleinen gallischen Höhenfestung. Diese letztere Örtlichkeit, Atuatuca genannt, hat nur als Ortangabe Geltung und ist für die weiteren Ereignisse nicht weiter relevant. Innerhalb von zwei Wochen nach Installation des römischen Lagers erreicht der Stamm der Eburonen die komplette Mobilmachung aller erreichbaren wehrfähigen Männer und unterbrechen gleichzeitig die Nachrichtenverbindungen zu den beiden am nächsten gelegenen römischen Winterlager zum Lager Sabinus und umgekehrt. Nach der Vereinigung der Eburonen im weiteren Umfeld des Winterlagers greift ein kleines Kontingent der Eburonen das Winterlager an, bewußt mit dem Wissen, das dieser Angriff nichts gegen die gut befestigten 15 Cohorten des Sabinus ausreichen kann. Dieser Angriff wird von den Römern erfolgreich abgewehrt, in der Meinung, dies sei alles, was die Eburonen aufbringen können.

    Ambiorix tritt nun auf und erzählt den Römern, das ein genereller Aufstand in Nordgallien herrscht und alle Winterlager zeitgleich angegriffen werden. Er bietet freien Abzug zum nächsten Winterlager. Die Römer ziehen ab, in Richtung des nächsten römischen Lagers. Dazu müssen sie von dem Hügel runter in ein großes Tal ziehen, welches sich zu einem engen Schlauch verengt, bevor der Anstieg aus dem Tal erfolgt. Der Zug ist ca. 3 km lang. Etwa 3 km außerhalb des Lagers kesseln die Eburonen den römischen Heerzug in dem engen Tal ein. Dies ist die eigentliche Katastrophe in dem Drama, bzw. der tatsächliche Entschluß der Römer, abzuziehen. Ohne Wissen um die tatsächliche Stärke der Eburonen ziehen die Römer ab und werden in unmittelbarer Nähe des gerade verlassenen Lagers von den Eburonen in einem Hinterhalt erfolgreich angegriffen und vernichtend geschlagen. Ambiorix hatte hoch gepokert und gewonnen .

    Eine Sache ist bis heute, neben der noch nicht lokalisierten Stelle des Atuatuca, ein großes Rätsel um die Ereignisse des Bellum Gallicum V 24 - 37: Warum brachten sich die überlebenden Legionäre des Gefechts selbst um? So wie ich glaube, das Atuatuca existiert, so wenig glaube ich an einen Massensuizid.

    Wenn die Quellenkritiken an Caesars Bellum Gallicum stimmen, hat der Autor noch einige Leichen im Keller....


    Primus legte seine Unterlagen zusammen und sah sein Publikum an.


    "Wenn ihr Fragen habt,...bitte sehr,..."
    Seine Hand ruhte dabei auf der Rolle mit der Kopie des Originaltextes.

  • Reatinus zeigte sich heute sehr schweigsam, als er den Raum betrat und sich ruhigen Gemütes einen Platz in der Mitte der vielen Stühle und Tische suchte. Als er einen fand, der ihn ansprach, nahm er Platz und wartete zurückgelehnt und geduldig darauf, dass der Terentier mit seinem Vortrag startete.
    Darauf musste der Praefectus nicht lange warten, denn der Vortrag des Decurios begann und sollte noch eine Weile dauern. Nach der geschätzten Mitte des Vortrages stellte auch Reatinus fest, dass dies sehr viel Input war, den beim ersten Mal nicht vollständig aufnehmen konnte. Da musste selbst er sich Mühe geben.


    Fragen hatte Reatinus jedoch die ganze Zeit über keine...

  • Corvus rauchte der Kopf,...er versuchte sich den Ablauf der Schlacht vor Augen zu führen. Er sagte es ja immer,...offenes Gelände und Formation...alles andere ist für die Legion schwierig und raubt sie eines gewichtigen Vorteils. Das hat nicht nur Sabinus sondern auch Varus schmerzlich erfahren müssen.

  • Lupus saß da und versuchte sich vor Augen zu halten, daß selbst die mächte römische Legion ihre Schwachpunkte hatte. Primus´Vortrag ließ zumindest darauf schließen, daß er dies erkannt hatte. Wurde Zeit daß man das auch mal bei den Legionsführeren so einschätzte. Spezielle hier im bewaldeten Germania waren solche Gefechte immer zum Nachteil der Legion, weshalb wir wahrscheinlich auch auf unserer Seite des Rhenus blieben.

  • Primus rollte langsam seine Unterlagen zusammen und sah weiter in den Raum,...offenbar war den Anwesenden alles klar,...oder?
    Lupus sah sich um,...irgendwie wollte er jatzt langsam aufstehen und mit Primus und Lucius in den alten Optio,...dort gab es heute diese Hähnchenbrust in Zwiebel-Rahmsauce,...ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

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