[Schiff] Hraluch I


  • Süß klatschten die ruhigen Wogen des Meeres an die äußere Schiffswand. Sanft schaukelte die tylusische Dhow auf den Wellen. Der Himmel war klar und eine laue Brise wehte vom Festland herüber. Die Luft schmeckte nach Salz. Majestätisch streckten sich die Rahen in den Wind. Der kleine Handelssegler setzte seinen Weg entlang der Küste fort. Man hatte gerade die Säulen des Herakles umschifft, der Verkehr an dieser Meerenge zwischen dem europäischen Festland und dem africanischen Kontinent hatte zugenommen, und segelte jetzt weiter ostwärts, Ziel war Alexandria, die blühende Metropole des Ostens. In drei Wochen würden sie ihr Ziel erreichen.


    An Bug des Schiffes saß Ioshua ben David, königlicher Verwalter und einflussreicher Groß-Wesir. Der Wind wehte ihm um die Nase. Die Hraluch I machte gute Fahrt. Aufgrund ihrer Größe und Bauweise, die den Römern unbekannt, war sie schneller und wendiger als die schweren Corbitae, die Mastensegler, die mehrere dutzend Amphorae Ladung transportieren konnten. Auch bei geringen Windverhältnissen schaffte diese Schiffsgattung immernoch eine beachtliche Geschwindigkeit von immerhin 14 Knoten.


    Ioshua genoß die vorrübergehende Stille des mare internum. Das Rauschen der schäumenden, sich an der Schiffswand brechenden Wellen und das Krähen der Möwen, die über dem Schiff kreisten, verschmolzen miteinander und spielten in harmonischer Eintracht die berauschende Sinfonie des Meeres.
    Während der langen Fahrt hatte er viel Zeit gehabt nachzudenken, über sein Leben und über seine Heimat. Wo war seine Heimat ? Hatte er sich jemals diese Frage gestellt ? Konnte er diese Frage je beantworten ? Tylus war nah, und doch so fern. in Rom lebte der Puls, Ostia war das Zentrum. Alexandria, Damaskus und Ephesos waren Stationen seiner immerwährenden Suche. Er hatte oft Halt gemacht. Er besann sich, daß Gott auch ihn eines Tages holen würde und dann wollte er seinen Platz gefunden haben.
    Erstarrt war er in Gedanken versunken mit dem Federkiel in der Hand. Er war dabei einige Briefe zu verschicken, um seine baldige Ankunft und den Empfang vorzubereiten. Lange war er fortgeblieben. Seinem langjährigen und treuen Verwalter Rhabos hatte er alles zu guten Händen übergeben, seinem Sohn übertrug er die Geschäfte in Germanien und Italien. Solange war fern gewesen, in Tylus war viel passiert. Revolution, Verrat, Intrigen. Der König hatte seine Macht eingebüßt. Der Höchste Rat war gespalten. Die Neider in die Enge getrieben. Als Profiteur hatte sich der beleibte Tylusier zwischen alle Fronten gestellt. Es dürstete ihm nach politischer Macht, ohne die Treue des Königs zu verletzen. Er traf sich mit Partisanen, doch stets im Verborgenen. Er gewann Verbündete, und er handelte einen Vertrag aus. Er wollte das Beste für Tylus und stellte eine Falle, die nur ihm selbst zum Verhängnis werden würde. Das Verhältnis zum König war gespannt, seine Reputation leidete. Die Zukunft wüßten nur die Götter. Doch sein Weg war noch nicht zu Ende, seine Geschichte setzt sich fort und nur das Schicksal wird sich ihm gnädig erweisen. (...)

  • Diese Brieftauben waren ein erstaunliches Kommunikationsmittel. Auf ihrem Wege konnte man Nachrichten in alle Richtungen schicken und so die Empfänger der Post rechtzeitig informieren. Die Hraluch besaß einen Taubenschlag unter Deck. Vier Tauben waren dort eingefercht, zu warten auf ihre kommende Mission.
    Ioshua hatte wieder einen Brief geschrieben. Dieser ging nach Rom an seinen Sohn und seinen Bruder. Er hatte sie lange nicht gesehen. Er würde sie bald besuchen. Doch was war bald ? In Anbetracht der zeitlichen Umstände, die eine Reise von Rom nach Alexandria auf sich nahm, machten das mehrere Monate. Nach Alexandria war bereits eine Nachricht unterwegs. Rhabos sollte informiert werden, und der Hausstand, daß man alles für seine Ankunft vorbereitete. Außerdem erwartete er sich ein Bild vor Ort zu machen von den hoffentlich gut gefüllten Kontoren. Aus Tylus hatte ihn Rhabos immer mit regelmäßigen Zahlen, Umsatzeinbußen und Gewinnerwartungen informiert. Sie liefen durchaus gut, trotz des Krieges. Ein anderer Brief war nach Germanien unterwegs. Die Rohstoffwege waren ihm wichtig und germanische Wolle stand hoch im Kurs. Außerdem war auch Germanien ein nicht zu verachtender Absatzmarkt. DIe abertausenden Legionäre mit ihrem festen Sold waren auch Abnehmer zahlreicher Waren, die aus den südlichen und östlichen Gegenden importiert wurden. Anaxis würde ihm hier sicher berichten können.


    Ioshua atemte auf. Er sah der untergehenden Sonne entlang. Lang zog sie ihre Furchen durch die glitzernde See und verschwand weit hinten am anderen Ende der Welt und das Segel flatterte im Wind. Unser Kurs treibt uns weiter an der Küste Mauretaniens entlang. Portus Magnus liegt vor uns, in einigen Tagen erreichen wir die alte phönizische Hafenstadt Caesarea. Ioshua wollte dort an Land gehen. Caesarea war einer der großen Getreidehäfen. Weizen wurde hier in großen Mengen, das meiste davon nach Rom, in alle Richtungen exportiert. Da so eine Reise auch immer eine Geschäftsreise war, hielt es der Tylusier für opportun auf seinem Weg in den großen Häfen des Mittelmeers anzudocken. Aus diesem Grund würden sie auch noch in Thapsus und Leptis Magna und einigen kleineren Häfen Station machen.
    Ohne Zweifel lag Ioshua dabei nichts daran in den Handel mit Weizen oder Olivenöl einzusteigen. Dieses Geschäft beherrschten Monopolisten, die reichen Großgrundbesitzer mit ihren unzähligen Ländereien, Patrizier und Senatoren, die trotz des Handelsverbotes über bestimmte Reedereien die Kontrolle behielten. Der Einstieg in dieses Geschäft wäre nicht nur teuer, sondern auch risikoreich gewesen. Sein Interesse galt Caesarea direkt, der Stadt und dem Hafen, vielleicht ließ sich auch ein Gespräch mit dem Statthalter arrangieren. Der Kontakt zu den Mächtigen war für Ioshua stets ein wichtiges Faktum.


    Langsam brannte die Sonne darnieder und ihre letzten Strahlen schluckte die dunkle See.

  • Nun waren sie schon fast sechs Monate auf See, abgesehen von einigen Abstechern in entlegenden Hafenstädten, die Hraluch I, stolzes Segelschiff unter tylusischer Flagge, Ioshua ben David, königlicher Verwalter und Eigentümer und eine Besatzung von 20 Mann, die ausschließlich aus tylusisch Abstämmigen bestand. Nur der Rudergänger war halber Grieche, und die waren für ihre Seetauglichkeit ja bekannt. Caesarea lag hinter dem Horizont, die Landspitze von Carthago hatte man umrundet, der Kurs führte in südlicher Richtung weiter. An ihren Ufern lag die Küste der Provinz Africa Proconsularis wie die Römer es nannten. Leptis Magna, Sitz des Statthalters. Hier hatte vor beinahe einem halben Jahrzehnt die Rebellion ihren Anfang genommen, als sich der Usurpator Laeca von den Seinen zum Kaiser ausrufen ließ. Für den Handel war es keine leichte Zeit gewesen. Alle Häfen von Gades bis Alexandria wurden streng kontrolliert. Ladungen wurden inspiziert. Frachten beschlagnahmt. Jeder Schiffer, der einen der Häfen anlief, stand in Verdacht mit dem Feind zu paktieren. Die Umsatzzahlen fielen gewaltig. So etwas wie Laeca hatte es davor in 100 Jahren nicht mehr gegeben, mit Ausnahme anno 69, dem Drei-Kaiser-Jahr, doch dies war kein Vergleich. Römer gegen Römer, Iulianus gegen Laeca, Caesar gegen Pompeius, Marius gegen Sulla. Ioshua erwachte und war erstaunt, wozu ihn dieser karge Küstenstrich, der sich ihnen entgegenbot doch alles inspirierte. Die Geschichte des römischen Volkes war nun nicht das, was ihn so brennend interessierte.


    Tag und Nacht hatte der beleibte Tylusier phönikischer Abstammung an Deck gesessen. Er liebte das Meer. Hätte es ihn als jungen Mann nicht gen Osten gezogen, er hätte sich wohl zur römischen Flotte gemeldet, mit der Aussicht irgendwann einmal das römische Bürgerrecht zu erhalten. Wie anders wäre sein Weg gelaufen, - als Römer ? Als Angehöriger jenen Volkes, das er nur zu gerne über den Tisch zog. Vielleicht wäre er sogar Senator geworden. Senator Ioshua ben David, ein Iude, der in Rom Politik macht. Man würde ihm Achtung und Respekt entgegenbringen, beim Kaiser ging er ein und aus. Für wahr, das wäre ein Leben. Eine Villa auf dem Palatin nannte er sein eigen, und eine Landvilla in Misenum.
    Ioshua sinnierte lange, so daß er gar nicht merkte wie die Dämmerung einsetzte und die Sterne am Firmament sich offenbarten. Es war eine glasklare Nacht. Die See lag ruhig, glatt wie eine Spiegelfläche, nur der laue Nord-West-Wind trieb die Dhow vorsichtig vor sich her.
    Vielleicht wäre er aber auch Tribun geworden, ein Offizier der Flotte, möglicherweise sogar Praefect. Die Vorstellung war abstrus, den fetten, unbeweglichen Juden, den bei der kleinsten Bewegung sofort Hitzewallungen plagten, als schneidigen, muskulösen Offizier zu sehen, der Brustpanzer glänzte und der Helm saß aufrecht auf seinem Haupt. Er stand an Deck einer Triereme und brüllte mit einer hebräisch akzent-belasteten Stimme auf Latein Befehle an die Wachmannschaften. Dazu die rythmisch hämmernden Schläge des Trommlers.


    Noch lange blieb er an Deck. Es war eine von den sommerlichen Temperaturen sich erholende angenehme Nacht, die vor ihnen lag. Ein Diener entzündete zwei kleine Öllämpchen. Sie leuchteten weit über das Meer hinaus. Ioshua griff zu einer Papyrusrolle. Sie beinhaltete Notizen seiner Reise, eine Tagebuchaufzeichnung über die Geschehnisse der letzten Monate und die Beobachtungen, die er gemacht hatte. In dieser Nacht, die zum Schlafen viel zu schön war, wollte er weiter daran arbeiten.

  • Alexandria. Schmelztiegel des Ostens. Drehscheibe des Handels. Nach einer beinahe unendlichen Reise hatten sie ihr Ziel erreicht. Die zweimastige Dhow lief an jenem frühen Morgen in den Hafen der Hauptstadt der römischen Provinz Aegyptus ein. Von der Ferne erkannte man schon den alles überragenden Leuchtturm der Insel Pharos, eines der sieben Weltwunder. Ioshua ließ die tylusische Flagge, das Wappen des Königs, hießen, und darunter sein eigenes Emblem, welches Symbol eines stolzen und mächtigen Handelsimperium war, daß sich bis über das gesamte mare internum bis rauf nach Germanien erstreckte. Ihre Ankunft blieb so nicht geheim, der Termin stimmte, man hatte eine gute Fahrt hinter sich gebracht. Das Einlaufen in den großen Hafen wurde von einigen kleineren Beibooten begleitet. Fischerboote, die von ihrem Fang in der Nacht kamen, der Schiffsverkehr nahm zu und der Kapitän veranlasste das Großsegel zu reffen.
    Aufeinmal war hektische Betriebsamkeit an Deck, dort, wo Ioshua noch vor einigen Tagen über die Stille der Einsamkeit sinierte. Die 20köpfige Bordmannschaft kroch aus ihren Löchern, sie zogen und zerrten an langen Seilen und Tauen und rollte die Segel der Takelage stück für stück ein. Die Fahrtgeschwindigkeit verringerte sich. Für den Steuermann bedeutete das Manöver höchste Aufmerksamkeit, daß man nicht aus versehen eines der kleineren Boote rammte. Der Kapitän einer dieser Boote winkte nun eifrig zu der Hraluch I herüber. Seinem Aussehen nach mochte jener tylusischer Abstammung sein und als er das Wappen seines Königs erkannte, gab es für ihn kein Halten mehr, die eigenen Landsleute in der Fremde zu begrüßen.


    Die Anlegestelle war bereits ausgeguckt, dort am hervorragenden Pier oberhalb der Agora, wo das Timoneion an exponierter Stelle stand würde ein Ankerplatz auf sie warten. Man konnte bereits ein paar Hafenbedienstete erspähen, die darauf warteten, an Bord zu kommen und die Formalitäten der Ladung abzuklären.


    Als die Hraluch I schließlich angelegt hatte und der loyale Hafenbeamte mit ein paar Bediensteten über die ausgefahrene Planke das Schiff betrat, gab Ioshua ben David seinem Diener bescheid auf dem schnellsten Weg zur Villa Tylusica zu eilen und ein entsprechendes Gefährt, eine Sänfte, für seine Ankunft herbeizuholen. Dem Tylusier war beileibe nicht danach, sich mit seinem bulligen Körper durch das Gedränge am Hafen und in den dahinterfolgenden Straßen zu drängen. Er war mit zunehmenden Alter etwas träge geworden, um nicht zu sagen dekadent. Er liebte die Annehmlichkeiten des Lebens und während er früher nicht scheute, zu Fuss die Ausmaße eines Forum Romanum zu erkundigen und seine Bediensteten vor sich her zu scheuchen, pflegte er nun den Luxus eines tylusischen Ethnarchen. Außerdem war so eine Sänftentour auch sehr viel sicherer. Er wußte ja nicht, was für einen Hinterhalt sich seine Feinde überlegt hatten oder ob sie schon informiert waren über seine Ankunft.


    "Chaire, ehrenwerter Herr ! Darf ich darum bitten, sämtliche Einfuhrwahren zu declarieren, die Ihr geladen habt ?" gab der Hafen- und Zollbeamte Alexandrias im unterwürfig kriecherischen Tonfall von sich. Der Kapitän zückte darauf eine Liste, die den Warenbestand an Bord des Schiffes anzeigte. Auf ihr waren neben viele kleineren Stückzahlen an Waren - u.a. eine Statue der Venus, die Ioshua bei einem Bildhauer in Damman in Auftrag gegeben hatte - mehrere Amphoren Wein, Datteln, ein dutzend Ballen Seide und einige Töpfe Balsam verzeichnet. Nachdem der Beamte geflissentlich die daraus zu entrichtenden Zollabgaben berechnet hatte, wechselte auf wundersame Weise ein kleines Säckel gefüllt mit römischen Sesterzen den Besitzer und verschwand völlig ungerührt in den langen Gewändern des Hafenangestellten. Darauf unterzeichnete der Beamte das Papyrus mit seinem Signum und verließ wieder das Schiff.


    Bald darauf kam dann auch die Sänfte und zur Überraschung Ioshuas war sein alter Freund und Geschäftspartner Rhabos mit im Gefolge. Er hatte natürlich brieflich von der Ankunft Ioshuas erfahren und wollte es sich nicht nehmen lassen, jenen persönlich am Hafen abzuholen. Die Sänfte wurde gestemmt von sechs stämmigen Sklaven, was bei dem Gewicht des Inhabers auch bitter nötig war.


    "Rhabos, welch' Freude, Dich wieder zu sehen !" Ioshua schüttelte die Hand seines langjährigen Partners, worauf dieser entgegnete "Chaire Ioshua ben David, es ist auch mir gänzlich eine Freude. Wie ist Dir die Reise ergangen ?" - "Bei Gott, es war eine lange Zeit, und Alexandria hat sich kein Stück verändert. Doch halten wir uns nicht der Sentimentalitäten auf. Ich muß noch ins Hafenwärterhäuschen, einen alten Freund begrüßen. Bitte begleite mich doch !" Rhabos nickte mit dem Kopf und er setzte eine fröhliche Mine auf. Das gelang ihm dabei gar nicht so leicht, denn die Nachricht, die er Ioshua zu überbringen hatte, war alles andere als von froher Kunde. So folgte er seinem Partner und ehe sie sich versahen, waren sie auch schon um die nächste Ecke gebogen...

  • Die Hraluch I lag am Pier LXIX, weit weg von den Werften und dem Anlegeplatz der Fortuna, dem Schiff des Senators Decimus Meridius. Das hatte auch seine Vorteile, denn hier war bedeutend weniger los und man kannte in aller Ruhe das Schiff für den bevorstehenden Aufbruch vorbereiten. Der Bote nach Tyros und Damaskus war schon zwei Tage unterwegs, daß hieß, ihre Abreise stand kurz bevor. Dem Kapitän hatte er gesagt, sie reisten nach Tyros, er selbst werde dabei sein, Bedienstete waren damit beschäftigt, Ioshuas persönliche Habe an Bord zu bringen, und ein Dutzend Hafenarbeiter rollten dazu Fässer, schleppten Säcke und verstauten Kisten im Bauch der Dhow. Diese Reise war vorallem eine Handelsreise, trotzdem Ioshua an Bord war. Und mit ihm war einer seiner engsten Gefolgs- und Geschäftsleute, der Tylusier Rhabos, ein hochgewachsener, braunhaariger Mann - er mochte so Ende 30 sein - mit kurzen Haaren und einer viel zu weißen Hautfarbe. Er wirkte manchmal etwas blaß, aber sein Körperbau war kräftig und überragender Gestalt. Er besaß eine Schreinerei in Damman und führte die Handelsniederlassung eines Onkels. Er handelte mit allem, was tylusische Produkteure herzustellen vermochten und bei römischen Konsumenten gefragt war. Für ben David arbeitete er nun schon über zehn Jahre. Er absolvierte dessen Geschäfte, agierte als sein Stellvertreter mit umfassenden Vollmachten gegenüber Geschäftskunden, verwaltete und betraute Niederlassungen und Kontore, die der Iude aufgrund von Verpflichtungen nicht nachkommen konnte.
    Rhabos würde auf dieser Mission keine Rolle spielen. Nein, er befand sich schlicht aus diesem Grunde mit auf dem Schiff, weil die Hraluch I nach ihrer Ankunft in Tyros sich weiter auf den Weg nach Ostia machen würde und Rhabos sich - als Ioshuas Verwalter - um die Inspektion der dortigen Betriebe kümmern sollte. Rhabos stand also an Deck, in seiner Hand hielt er eine Wachstafel und einen Griffel, mit dem er die Stückzahlen der verladenen Warensortimente abhakte. Das meiste war nämlich nicht für die angesprochene Mission gedacht, sondern als Import nach Rom und Ostia. Darunter waren Fässer besten Weines und sorgsam verpackte seltene Südfrüchte. Vor Verderb mußten sie besonders geschützt werden auf der langen Reise. In Tyros würden sie nochmal aufstocken, nachdem der für die Mission nötige Vorraum geleert sein würde.

  • Die Frühjahrssonne brannte hernieder. Das Meer war ruhig. Ein leichter Wind trieb die Hraluch I, das stolze Flagschiff in der Flotte des reichen Oligarchen, Ioshua ben David Hraluch" voran. Der Eigentümer, einst phönikischer Bürger mit jüdischen Wurzeln und seit 30 Jahren Bürger des Königreichs Tylus, jenem Oasenstaat am persischen Golf, von dem weit reisende Händler und Seeleute berichteten, es sei das Land, wo Milch und Honig flossen. Die Legenden, die sich um myteriöse Land um die Halbinsel Dilmun rankten, standen denen des sagenumwobenen Atlantis in nichts nach.


    Auf ihrer langen Seereise hatten sich auch stürmische Zeiten erlebt. Die Leichtbauweise dieser schnellen und wendigen Schiffe wie sie im Orient verbreitet waren, war für die Hochsee nicht geschaffen, also waren sie immer der Küste entlang gefolgt, hatten das Rote Meer durchschifft und bei Phelbs über den vor wenigen Jahren neu angelegten Amnis Trajanus den Weg durch das östliche Nildelta richtung Babylon und von dort den Nil entlang nach Alexandria ins mare internum oder mare nostrum - wie es die Römer nannten - gefunden.


    Der Amnis Trajanus, schon zu Zeiten der Pharaonen als "Bubastis"-Kanal ein bedeutender Handelsweg war mit einer Breite von 35 Metern eine beeindruckende Anlage, so dass zwei Trieremen aneinander vorbeifahren konnten. Es herrschte emsiges Treiben. Nicht nur Militärkonvois nutzten die 50km lange Seestraße, regelmäßig begegnete man Bautrupps, die mit der Instandhaltung des Kanals beschäftigt waren. Denn Schlick und Sand der umgebenden Wüste bedrohten den Kanal unablässlich.


    In Alexandria wurde die Ladung gelöscht: Seide aus dem Osten, die in den örtlichen Manufakturen zu kostbaren Gewändern für die reiche, patrizische Oberschicht westlicher Gesellschaften verarbeitet wurde. Die kostbare Waren wurden eingeladen und durch den fetten Tylusier auf ihre Makellosigkeit kontrolliert. Die Qualitätskontrolle führte der Chef selbst durch.


    Das Löschen der Ladung und Aufnehmen neuer Waren für die feine römische Gesellschaft ging schnell, denn Zeit war und ist auch noch heute bares Geld.


    So legte man fünf Tage nach den Ploiaphesia - dem Navigium Isidis (dem Aufbruch der Isis und offiziellen Beginn für die Schifffahrt im Frühjahr) - aus Alexandria ab mit dem Ziel Ostia, dem Hafen der Urbs, ROMA. Noch trunken von den Feierlichkeiten, verblasste die Erinnerung allmählich, denn der Wind führte die tylusische Dhow nach vorne, entlang der africanischen Küste richtung Leptis Magna und Carthago, um von dort die Überfahrt nach Sizilien und das thyrennische Meer den italischen Stiefel entlang nach Rom zu segeln.

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