• Am Rande der fruchtbaren Ebene von Harran und nahe der Bergketten in ihrem Norden, liegt das wohlbefestigte Edessa, die prachtvolle Hauptstadt der Satrapie Osroëne. Die Sage erzählt, dass in der Vorzeit Nimrod selbst, der gewaltige Jäger und mythische König von Assur, diese Stadt gründete.
    Hier kreuzen sich Handelsstraßen, auf denen wertvolle Güter aus dem fernen Osten hin zum Euphrat, und weiter nach Syrien oder zur Mittelmeerküste gelangen, mit Verbindungen, die bis zum Schwarzen Meer oder zum Golf von Persien reichen. Unzählige Waren durchqueren täglich die Stadt, und haben ihren Herren, dem Königsgeschlecht der Abgariden einen beträchtlichen Reichtum beschert.


    Der greise Satrap Narseh Abgar ist es, der hier schon seit Jahrzehnten die Zügel in der Hand hält. Wuchtig thront seine Zitadelle, aus sandfarbenem Stein auf dem steilen Burgberg erbaut, über den geschäftigen Straßen der Stadt. "Nimrods Throhn" wird sie auch genannt, und unvorstellbare Schätze soll sie in sich bergen: in Generationen gescheffeltes Gold, Edelsteine und Kunstschätze, edle Rösser und einen auserlesenen Harem. Vielbesungen wird auch die Schönheit der Enkelin und einzigen überlebenden Nachfahrin des Satrapen, Prinzessin Shirin, deren grausamer Liebreiz schon manch einen Mann in den Wahnsinn getrieben haben soll.


    Den Bewohnern von Edessa sagt man nach sie seien tapfer und unverzagt, dazu zungenfertig und äußerst geschäftstüchtig. Böse Zungen behaupten, dass sie für klingendes Gold ohne mit der Wimper zu zucken ihre eigene Familie verkaufen würden.

  • [Blockierte Grafik: http://img401.imageshack.us/img401/4120/prinzessin2ep2.jpg] | Prinzessin Shirin Abgar, Rose von Edessa


    "Edelste der Edlen, Tochter der Sonne und Schwester des Mondes, der Tag bricht an! Zeit ist es Dich zu erheben, oh Kleinod des Landes, zu schütteln den Schlaf von den Gliedern und frisch das Tagewerk zu beginnen!"
    So sangen die Kammerfrauen, und gähnend erwachte Shirin zwischen den seidenen Laken. Sie räkelte sich und blinzelte schläfrig zu den Fransen des Betthimmels, der sich blau und gold wie das nächtliche Firmament über ihr opulentes Lager wölbte.
    Gerne wäre sie noch ein wenig liegengeblieben, doch als Prinzessin von Osroëne unterlag ihr Tag strengstem Reglement. So erhob sie sich, und wurde sofort umschwärmt von ihren Dienerinnen, die ihr das dünne Schlafgewand von den Schultern streiften, sie badeten, massierten und mit wohlriechenden Ölen salbten.
    Auch die Töchter einiger Vasallen waren anwesend, und je nach Rang und Verdienst wurde ihnen die Ehre zuteil der Prinzessin den Salbentiegel darbieten zu dürfen, den Bimsstein oder gar das Handtuch anzureichen, mit dem die Dienerinnen sodann den geschmeidigen Körper ihrer Herrin trockneten.
    Biegsam wie ein Schilfrohr war die junge Prinzessin, es glänzte ihre Haut in einem feinen Bronzeschimmer. Schwarze Locken umspielten wie Schlangen ihre anmutigen Schultern, und unter lang geschwungenen Wimpern glänzten kohlschwarze Mandelaugen, dessen herrisches Blitzen oft gemildert wurde durch den Ausdruck eines fernen träumerischen Sinnens.
    Die Rose von Edessa wurde die Prinzessin vom Volk geheißen, das sie liebte, und ihre Schönheit weithin rühmte.


    "Sag, gibt es Neuigkeiten, meine gute Mawia?", fragte Shirin, inzwischen in ein zartes Schleiergewand gekleidet, ihre vertrauteste Dienerin, die ihr soeben die Lider mit Khol färbte. Eine andere überzog ihre Fingernägel mit einer Schicht feinen Blattgoldes, wieder andere legten ihr Goldarmbänder an, in denen rote indische Rubine blitzten, ordneten ihre Flechten und krönten sie mit einem schweren Diadem.
    "Man spricht wieder von Eifersüchteleien im Harem, oh Gebieterin.", erwiderte die Angesprochene, und begann wie jeden Morgen der Prinzessin den neuesten Palasttratsch aufzutischen."Angeblich wurde entdeckt, dass bei dem Todesfall vor zwei Tagen ein vergiftetes Törtchen im Spiel war! Einer der Eunuchen hat gestanden. Der gefallene Stern soll dahinterstecken. Euer Großvater, der ehrwürdige Satrap - möge Ahura-Mazda ihm nimmer endendes Heil schenken - ist sehr ungehalten."
    "Ach." Shirin konnte diese Haremsgeschichten schon gar nicht mehr hören. "Und Surenas?"
    "Nichts, oh Gebieterin.", sprach Mawia bedauernd. "Ich selbst sah eben vorhin nach den Tauben. Es ist noch keine Antwort von ihm eingetroffen. Aber vielleicht, wenn ich anmerken darf oh Herrin, ist er noch auf Reisen."
    Für einen Moment schob sich die volle Unterlippe der Prinzessin schmollend vor. Sie, die Rose von Edessa, die so viele Herzen gebrochen hatte, musste nun warten und bangen, bis der Mann, dem sie das ihre geschenkt hatte, sich endlich bequemte, ihr auch einmal zu schreiben!


    Alarmiert hielten die Dienerinnen inne. Doch die Prinzessin hatte sich gleich wieder unter Kontrolle, und tat das Thema mit einem stolzen Schulterzucken ab.
    "Und diese grässlichen Römer?"
    "Ich weiß nichts neues zu berichten, oh Gebieterin. Doch erwartet der edle Kashtarith die baldige Rückkehr der Späher, und hofft mit neuen Erkenntnissen endlich Euren Großvater - möge Ahura-Mazda ihm immerwährendes Heil schenken - von der Notwendigkeit entschlossenen Handelns zu überzeugen."
    "Hm... es wäre wirklich an der Zeit. Doch sag, Mawia - woher kennst Du eigentlich die Pläne des ersten unserer Kataphraktoi?"
    "Ich habe meine Ohren überall, Edelste unter den Edlen, um stets eine Antwort auf die Fragen meine geliebten Herrin zu wissen.", schmeichelte die kluge Dienerin.


    Die Prinzessin lächelte und ließ es gut sein. Nach dem obligatorischen Empfang ihrer Leibärzte - die ihr rieten, sich am heutigen Tage des Genusses roter Früchte zu enthalten - und der Sterndeuter - die sie vor dem Stachel verborgener Skorpione warnten - ließ sie sich ihre Termine für den heutigen Tag vergegenwärtigen. An der Spitze ihrer Ehrendamen verließ sie sodann ihre Gemächer, und nahm ihr langes und anstrengendes Tagewerk in Angriff.

  • [Blockierte Grafik: http://img524.imageshack.us/img524/3310/krieger3lc5.jpg] | Kashtarith, Erster der Kataphraktoi


    Von der Höhe des Turmes aus ließ Kashtarith den Blick sorgenvoll über die Stadt zu seine Füßen schweifen. Der Wind wehte stark, er kam von Westen und brachte mit sich den Geruch des trockenen Hügellandes, das sich in Richtung des Euphrates erstreckte.
    Mit zusammengekniffenen Augen stützte der Kommandant der Panzerreiter die Hände auf die Zinnen und spähte dorthin, als hoffe er mit seinem Blick die weite Entfernung zu durchdringen und dem Feind ins Auge zu blicken, dessen stählerner Heerwurm so gierig auf die Grenzen des Großkönigreiches zukroch.
    Die Handelsstraße nach Westen, sonst rege belebt, lag dieser Tage wie ausgestorben, und auf der weiten Ebene vor der Stadt kampierten im Schatten der Ölbäume dichtgedrängt die Karawanen, die man auf seine Anordnung hin in ihrem Weiterziehen gehindert hatte. Und auch die runden Zelte der Reiter, die sich ob der Bedrohung aus dem Abendland eingefunden hatten, um ihre Heimat zu verteidigen, erstreckten sich weit in der Ebene. In großen Herden weideten ihre Pferde, während sich die Krieger die Zeit mit Wettkämpfen untereinander vertrieben, oder die Stadt unsicher machten.


    Doch obgleich Kashtarith wusste, welche Vielzahl von Reitertrupps bereits im Hügelland und entlang der Grenzen unterwegs war - er hatte sie ja selbst ausgesandt - plagte ihn die Sorge. Es waren nicht genug. Der greise Satrap, zu sehr gefangen in seiner Verachtung der tumben Römer, sah nicht die Gefahr, hielt den Aufmarsch der Legionen für eine plumpe Drohkulisse. Frustriert dachte Kashtarith an die vielen Male, wo er versucht hatte, den Herrscher dazu zu bewegen, die harten aber notwendigen Schritte einzuleiten, doch dieser hatte es ihm verwehrt, fehlgeleitet von falscher Milde gegenüber seinem Volk.
    Kashtarith fragte sich, wann der Geist des alten Mannes so stumpf geworden war.


    Eine einzelne Gestalt auf der Handelsstraße ließ ihn aufmerken. In raschem Galopp näherte sich der Reiter, und schlug nicht den Weg in die Stadt, sondern zum Burghügel ein. Kashtarith sah hinab, strich sich den geölten Bart, verließ dann seinen Aussichtspunkt. Ein metallisches Klingen ging ihm voraus, als er die Treppen hinabstieg, und die prachtvoll ornamentierten Platten seiner Rüstung übereinander rieben.
    Die Wachen grüßten respektvoll als er vorbeiging, er nickte ihnen zu und trat in den Hof der Zitadelle, dann auf das große Haupttor zu. Bald darauf wurde der Reiter eingelassen, ein Kurier, dessen schweißnasses Ross zitternd und schäumend, sich kaum noch auf den Beinen zu halten vermochte. Der Mann selbst schien ebenfalls am Ende seiner Kräfte zu sein, als er sich aus dem Sattel schwang, und Kashtarith eine versiegelte Depesche entgegenstreckte.
    "Hoher Kommandant - Nachricht von der Grenze. Dies sendet Euch Sarduris."
    Stirnrunzelnd brach Kashtarith das Siegel. Besagter Sarduris hätte selbst vor ihm erscheinen sollen, und sowieso hegte er eine Abneigung gegen diesen Mann, der, obgleich unnachahmbar fähig im Beschaffen von Informationen, jedem anständigen Ahura-Mazda-Gläubigen nur zuwider sein konnte.
    Er überflog die auf Pahlahvi hektisch gekritzelten Zeilen, las sie noch einmal - der Inhalt war brisant. Höchstbrisant. Doch keine Regung zeigte sich auf seinen wettergegerbten Zügen.
    "Dein Pferd hat sich Ruhe verdient, und du ebenso.", sprach er ruhig zu dem Kurier, und gab seinen Leuten einen Wink sich beider anzunehmen. Dann wandte er sich um, und eilte festen Schrittes, die Depesche in den Händen, zu den Räumen des Herrschers. Nicht länger durfte der Abgaride die Augen verschließen!

  • Der Bote, der auf den Namen Vírámak hörte, war im tiefsten Schlummer gewesen, als er von der Wache aufgeweckt wurde und hörte, dass der Satrap selber seine Dienste brauchte. Schlaftrunken mühte er sich also ins Zelt des Satrapen ab und hörte sich den Auftrag an. Vírámak unterließ es, irgendetwas zu sagen, war er noch zu müde und befürchtete, dass wenn er einmal seinen Mund offen hatte, er ihn nicht wieder schließen könne vor lauter Gähnen. Nach der Auftragserteilung beim Satrapen holte er sich nur Wasser, etwas Proviant für die nächsten Tage und sein Pferd und schon ritt er los. Es wäre zuviel gesagt, wenn Vírámak Tag und Nacht geritten wäre, natürlich nicht, das hätte das Pferd gar nicht ausgehalten, aber er ließ sich auch nicht übermäßig viel Zeit, schließlich konnte er sich noch an einen Kollegen erinnern, der es mit der Schnelligkeit nicht allzu genau nahm. Ahura-Mazda möge sich der Seele des Kollegen annehmen.


    Drei Tage später erreichte Vírámak Edessa. Er hielt sich nicht lange auf mit der Begutachtung der Stadt, immerhin war er in einer groß geworden, kennt man eine, kennt man sie alle. Er fragte sich nur zum Palast des Satrapen durch und überbrachte dort einem der Sklaven die Nachricht, dass er ein Bote des Surenas sei. Der Sklave dort war davon aber wenig beeindruckt und brachte ihn erst zum Obersklaven für die Eingangstüre, wo der Bote sich erneut vorstellte. Auch der war nicht aus dem Häuschen und schickte den Boten weiter zum Obersklaven für den Eingangsbereich und der wiederum zum Obersklaven des Hauses, der allerdings wirklich für die Audienzen beim Satrap zuständig war. Dem Boten kam es vor, als würde der Weg zum Satrap länger dauern als der Weg vom Lager nach Edessa!


    Der Obersklave des Hauses, also der, der für die Audienzen zuständig war, gab dem Boten endlich einmal etwas zu trinken und vertröstete ihn dann auf die Abendstunden. Es tue ihm leid, log der Obersklave, aber der Satrap wäre gerade nicht im Palast, sondern auf der Jagd. Er wäre erst gegen Abend wieder zurück und Vírámak solle in der Zwischenzeit sich einmal stärken, es könne ohnehin nicht mehr so lange dauern und dann würde der Satrap ihn sicher sogleich empfangen bei dieser wichtigen Nachricht vom geschätzten und verehrten Surenas, den Ahura Mazda auf all seinen Wegen beschützen solle. Vírámak, der Bote, zuckte mit den Schultern, er war ein sehr einfacher Mann und hatte mit den Gepflogenheiten zu Hofe nicht viel am Hut, und ließ sich dann Wein und Essen geben. Bei solch einer Verpflegung gab es schlimmeres als auf den Empfänger der Botschaft zu warten.


    In der Tat, in den Abendstunden war tatsächlich der Satrap Nasreh Abgar im Palast zugegen. Und er war auch vorher jagen, oder besser gesagt, er war reiten und hatte zugesehen wie die anderen jagten, was aber auch eine durchaus amüsante Beschäftigung sein kann. Allerdings war er etwas betrübt, nur einer seiner Sklaven kam heute ums Leben, und erjagt hatten sie auch nichts. Daher wollte er den Boten erst gar nicht empfangen, aber auf Anraten seiner Berater tat er dies dennoch. Vírámak, der Bote, überbrachte dem Satrap unter Aufbietung aller Ehrerbietungen die Botschaft von Surenas. Wirklich beeindruckt war der Satrap Nasreh nicht. Er flüsterte einem seiner Sklaven etwas ins Ohr.


    "Wann wird der Satrap ankommen, Bote?" fragte der Sklave, dem der Satrap gerade zugeflüstert hatte.
    Der Bote antwortete, dass der Satrap Surenas wohl in drei oder vier Tagen mitsamt der Armee des Sháh in Sháhs ankommen werde. Der Satrap Nasreh schien zu überlegen, dann flüsterte er seinem Sklaven wieder etwas ins Ohr.
    "Der ehrwürdige Satrap Nasreh Abgar, Gebieter über Edessa und Osroene, wird dem Satrap Surenas alle Unterstützung angedeihen lassen, die für den Satrapen Surenas und der glorreichen Armee des Sháh in Sháhs Osroes recht und billig wären." Vírámak nickte und dachte sich seinen Teil, denn so lange hatte der Satrap nicht geflüstert, wie der Sklave gesprochen hatte. Aber er wurde ohnehin bald entlassen, das war gut, denn er hatte wieder Hunger.

  • [Blockierte Grafik: http://img516.imageshack.us/img516/5176/satrap1iw7.jpg] | Narseh Abgar, Satrap von Osroëne


    "Eine List ist das, eine heimtückische Finte von diesem schlauen Hund Osroes!", grollte der alte König.
    Er lag in den Armen seiner Lieblingsfrau, einer üppigen Mederin, die ihm zärtlich das graue Haar zauste und, wenn er etwas sagte, stets verständnisvoll nickte. Genaugenommen war sie erst seit einigen Tagen die Erste im Harem, seitdem sich nämlich die beiden Anwärterinnen auf diesen Posten vor ihr gegenseitig aus dem Rennen geschlagen hatten - die eine war tot - vergiftet wie man sagte - die andere harrte ihrer Bestrafung.
    "Er giert nach meinem Reich, unsere Privilegien sind ihm ein Dorn im Auge. Schon lange will er die fruchtbaren Felder von Harran in seine großköniglichen Klauen bekommen, meine Jagdgründe am Balich, unsere Straßen und Bergwerke."
    Der Satrap ballte die Fäuste, in seine trüben Augen trat ein wildes Blitzen. Erschrocken hielt seine Favoritin inne.
    "Es soll ihm nicht gelingen!", wetterte der alte Mann.
    Doch er konnte der Armee des Großkönigs die Unterstützung nicht verwehren, ohne sich in den Ruch des Verrates zu bringen - zudem hatte er, nach den neuen Spionageberichten, den Ernst der Lage und die Notwendigkeit der Hilfe durchaus erkannt. Narseh Abgar schwor sich: sobald der Feldherr Surenas einen Fuß über die Grenzen seines Landes setzen würde, würde er jede seiner Aktivitäten aufs genaueste bespitzeln lassen!


    Zornig erhob er sich von den weichen Kissen. Er brauchte etwas Abkühlung.
    "Man bringe Mandaru vor mich! Und einen Kelch Schiráz."
    Die Eunuchen, die reglos wie Statuen neben dem reichgeschmückten Liebeslager gewartet hatten, beeilten sich, seinem Befehl Folge zu leisten.
    Hochaufgerichtet stand der knochige Greis auf dem spiegelnden Porphyrboden, noch immer nackt, lehnte sich an den Rand eines plätschernden Springbrunnens und nippte mit täuschender Gelassenheit an dem exquisiten Tropfen in seinem gläsernen Kelch, als die Verlangte vor ihn gebracht wurde.
    "Warum hast Du sie vergiftet?"
    Mandaru, einst der leuchtende Stern des Harems, ein betörendes Geschöpf aus den Bergen der Kurdoye, warf sich den Satrapen zu Füßen.
    "Ich tat es aus Liebe zu dir, mein Gebieter!", schluchzte sie, und umklammerte flehentlich seine Knie. "Hab Erbarmen! Gnade! Gedenke gemeinsam verbrachter goldener Nächte und verschone mich!"
    Den Kopf auf die Hand gestützt, verfolgte die Mederin neugierig die Ereignisse, und auch am Rande des offenen Raumes erschienen, hinter Säulen, kostbaren Statuen und Blumengewinden halbverborgen, einige andere Bewohnerinnen des Harems - alles auserlesene Schönheiten mit einem Hang zur Fülle - um leise miteinander tuschelnd das Schicksal des gefallenen Sternes mitanzusehen.
    Langsam streckte der Satrap die Hand aus, strich kosend durch das feine rötlichbraune Haar seines einstigen Lieblings. Hoffnungsvoll hob das Mädchen das tränennasse Gesicht zu ihm empor.
    "Mandaru, Mandaru... Ich schenkte Dir meine Gunst, kleidete dich in Seide und Juwelen und adelte Dich durch meine Huld. Doch Du hast mich enttäuscht. Ich bin sehr bekümmert."
    Der Satrap trank einen Schluck Wein. In der atemlosen Stille war sein Schlucken laut zu hören.
    "Überlasst sie dem Meister der tausend Qualen.", entschied Narseh Abgar mit sanfter Stimme. "Auf das er ihr die Schönheit vom Leibe schneide. Wenn dann noch Leben in ihr ist - jagt sie davon."
    Er ließ den Kelch fallen so dass er zerschellte, und wandte sich ab, des Wehklagens der Verurteilten nicht achtend.
    Nun hatte er den Kopf wieder frei. Er ging, und veranlasste die nötigen Vorbereitungen, um die Armee des Sháh in Sháhs gebührend zu empfangen.

  • Eine einzelne bronzene Öllampe spendete ihr Licht, sie stellte einen Adler dar, der in seinem Schnabel den Sonnenball hielt, und war so fein und lebensecht gearbeitet, das man hätte meinen können, er müsse jeden Moment die Schwingen ausbreiten und sich in die Lüfte erheben.
    In diesen Lichtkreis führte Mawia, die kluge Vertraute der Prinzessin, den Boten des Surenas, nachdem dieser von seiner Audienz beim Satrapen zurückgekehrt war. Unschlüssig sah Vírámak,der einfache, der Palastbräuche unkundige Mann, sich in dem prunkvollen Raum um. Da trat mit leise raschelndem Gewande die schlanke Gestalt der Prinzessin aus dem Schatten, die lieblichen Züge unter einem golddurchwirkten Schleier verborgen.
    "Prinzessin Shirin von Osroëne, Edelste der Edlen, Tochter der Sonne und Schwester des Mondes", sprach Mawia gemessen, und ließ dem Boten Zeit für die gebührenden Ehrenbezeugungen. Sodann neigte sie sich zu ihrer Herrin, um deren leisem Wispern ihr Ohr und ihre Stimme zu leihen.
    "Meine Herrin wünscht zu erfahren, mit welcher Kunde der ehrwürdige Satrap Surenas - möge Ahura-Mazda ihm tausend Jahre schenken - dich hierher gesandt."
    "Der Satrap", erwiderte der Bote mit einer tiefen Verneigung, "entbietet deiner hohen Herrin seine Glückwünsche zu ihrer baldigen Hochzeit mit dem Neffen des Sháh in Sháhs."


    Unwillig hörte Shirin diese Botschaft, in der sie eine Mahnung sah, das Geheimnis ihrer Liebschaft auf das Strengste zu hüten, und sie war froh, dass der Schleier ihr Gesicht verbarg.
    "Ist das alles?", fragte die Dienerin streng nach.
    "Er kommt hierher.", antwortete Vírámak, ein wenig hilflos angesichts der beiden Frauen, die eine so energisch, die andere eine Prinzessin. "Mit einer Armee. In wenigen Tagen schon."
    Da ging es wie ein Beben durch die verhüllte Gestalt, und mit zierlicher Hand winkte sie ihre Dienerin erneut zu sich.
    "Überbringe Deinem Herren folgende Antwort:", trug diese daraufhin dem Boten auf. "Prinzessin Shirin dankt gütigst für die liebenswürdigen Glückwünsche. Doch in Zeiten des Krieges muss das persönliche Glück zurücktreten, und so fürchtet sie, dass bis zu ihrer glücklichen Verbindung mit dem Hause des Großkönigs noch allzuviel Zeit ins Land ziehen wird. Wenn es soweit ist, hofft sie den edlen Prinzen Surenas unter den ganz besonderen Ehrengästen begrüßen zu dürfen."


    Penibel ließ Mawia den Boten diese Nachricht mehrmals wiederholen, bis sie sicher war, dass er sie sich eingeprägt hatte. Dann drückte sie ihm einen Beutel mit königlichem Botenlohn in die Hand und führte ihn hinaus.
    "Er kommt.", sprach leise die Prinzessin zu sich, als sie alleine war und schlug den Schleier zurück. "Surenas..."
    Und langsam hob sie die Hand über die Flamme des bronzenen Adlers, betrachtete träumerisch deren Schatten an den Wänden des Gemaches.
    "Dies ist die Rettung! Rettung für Osroëne."

  • [Blockierte Grafik: http://img524.imageshack.us/img524/3310/krieger3lc5.jpg%20| Kashtarith


    Wie der Sturmwind brausten Kashtariths Reiter durch das Land. Nun, da der Satrap endlich eingelenkt hatte, war der Erste der Kataphraktoi Tag und Nacht unterwegs, um so viele wehrbare Männer wie möglich zu versammeln. Die dem Ruf nicht freiwillig folgten, wurden wie Vieh zusammengetrieben, und nach Edessa verfrachtet. Um als Fußvolk in den ersten Reihen zu sterben, waren auch solche gut genug.
    Gnadenlos entrissen die Panzerreiter den Müttern die Söhne, den Frauen den Gatten, den Kindern den Vater. Viele Hände würden fehlen beim Einbringen der Ernte, viele Familien würden, ihres Ernährers beraubt, darben und Hunger leiden, doch Kashtarith zweifelte keinen Moment an der Richtigkeit seines Tuns. Die Verteidigung des Landes ging vor. Obgleich man eine Armee des Großkönigs erwartete - wer wußte schon, ob man sich auf diese verlassen konnte. Und vor allem: ob sie am Ende auch freiwillig wieder gehen würde.


    Massen von Männern aus dem unfreien Landvolk wurden auf der Ebene vor Edessa versammelt, in Einheiten zusammengefasst, mit groben Leinenpanzern und Speeren ausstaffiert. Die würden gerade dazu taugen, die Römer ein wenig zu beschäftigen, den Aufprall der Legionen abzufedern, sann Kashtarith, während er auf dem Rücken seines Schlachtrosses das entstehende Heerlager inspizierte. Doch da waren auch hartgesottene Jäger aus den nördlichen Bergen, den Bogen an der Seite und die zottige Wolfsschur über der Schultern, zähe Hirten aus dem Grenzland, leichtfüßige Späher aus den schilfigen Augen des Balich, und vor allen: die Reiter! Stärke und Stolz einer jeden parthischen Armee.


    Tag für Tag trafen mehr von ihnen ein, aus dem Grasland und von den Höfen der Vasallen Narsehs strömten sie zusammen und schlossen sich dem Heer Osroënes an, brachten ihrerseits noch Fußvolk mit. Die Ebene war erfüllt von ihren Zelten, von Wiehern und Stampfen ihrer Pferde, vom Blitzen ihrer stählernen Panzer.
    Noch waren nicht alle Truppen, die die Satrapie aufzubieten hatte, versammelt - das brauchte mehr Zeit. Doch als Kashtarith das Lager durchquerte, hier koordinierte, dort delegierte, dort eine neue Abgesandtschaft begrüßte, blickte er mit Stolz auf diese tapferen Männer und ihre streitbaren Rösser. Und er war sich gewiss: wie schon so oft in der Vergangenheit würden sie auch dieses Mal vom Pferderücken aus die schwerfälligen Kriegstreiber aus dem Westen mit Leichtigkeit das Fürchten lehren.

  • [Blockierte Grafik: http://img516.imageshack.us/img516/5176/satrap1iw7.jpg] | Narseh Abgar, Satrap von Osroëne


    Im höchsten Masse unzufrieden - nach außen hin jedoch ein Bild majestatischer Gelassenheit - stand der greise Satrap auf dem geschmückten Podium am Fuße des Burgberges, wo er den uneingeladenen Gast zu begrüßen gedacht.
    Die massive Tiara lastete heute schwer auf seinem ergrauten Haupt, der goldverbrämte Königsmantel schwer auf seinen Schultern. Die Wimpel des Baldachins über ihm flatterten leicht im heißen Wind. Seine furchterregenden Leibgardisten flankierten ihn stoisch und geduldig. Neben ihm wartete seine liebreizende Enkelin, Prinzessin Shirin, umwogt von einem silbrigen Schleiergewand, wie man es in seiner Jugend ganz gewiss nicht in der Öffentlichkeit hätte tragen dürfen. Immer mal wieder winkte sie huldvoll zu dem Volk, das sich, in gebührendem Abstand, um das Podium drängte, und erntete dafür begeisterten Jubel. Ja, die Leute von Edessa liebten ihre Prinzessin. Den Satrapen - obwohl er regelmäßig ein mal die Woche Goldstücke unters Volk werfen ließ - weniger.


    "Na wo bleibt er denn...", murmelte der alte Abgaride in seinen Bart. Die Einladung, die er dem Feldherren des Shah-in-Shah hatte überbringen lassen, war doch unmissverständlich gewesen, und ebenso der Hinweis auf das einzuhaltende Zeremoniell. Sogar hinaus aus seinem Palast hatte er sich begeben, um diesem Kerl die Ehre einer Begrüssung vor aller Augen zu gewähren.
    Doch da, endlich näherte sich ein Zug entlang der großen Prachtstraße. Eine Welle von Jubel brandete auf, die Menschen warfen Blumen und winkten mit Palmzweigen, als der berühmte Feldherr und seine Begleiter in die Allee einbogen, die auf beiden Seiten von Kataphraktoi in schimmernden Rüstungen gesäumt wurde. Von ihren Lanzen flatterten rot und golden die Farben der Satrapie, und wie durch einen Herbstwald sah man nun den Surenas an der Spitze seines Gefolges auf das Podium zu reiten.
    Immerhin, seine Armee war, wie ausbedungen, vor den Toren der Stadt geblieben. Und da, so grollte der Satrap innerlich, da sollte sie auch bleiben!
    Er gab mit dem kleinen Finger seinem Zeremonienmeister einen Wink, der tuschelte "Musik!", und sofort begannen die Musikanten zu spielen, weihevoll und pompös, um diesen freudigen Anlass gebührend zu untermalen.


    Mit dem jovialen Lächeln eines gütigen Landesvaters sah der Abgaride dem Surenas entgegen, aus der Höhe des Podestes, von wo aus er - und das war kein Zufall - einen Reiter gerade ein wenig überragte. Mit noch immer volltönender Stimme sprach er, als die Musik dann wieder abflaute, die geflügelten Worte:
    "Welch Tag der Freude für Osroëne! Welch glänzende Heldengestalt in unserer Mitte. Weihevollen Gruß entbiete ich Dir, Surenas aus dem Hause der Arsakiden. Sei hochwillkommen in meiner Satrapie und fühle Dich als geehrter Gast in meinem Palaste."

  • Auf seinem Pferd und von einigen Offizieren begleitet, ritt er durch die Reihen und genoß diesen Empfang. Vor dem Abgariden stieg er schließlich von seinem Pferd und verneigte sich kurz.


    "Ich danke dir sehr für diesen Empfang und deine warmen Worte. Ich habe dir auch ein großzügiges Geschenk mitgebracht."


    Er deutete einem seiner Begleiter mit einer Handbewegung worauf dieser eine große Schatulle hervorholte und diese Surenas gab. Dieser öffnete nun den Verschluß und klappte den Deckel auf. Man konnte viele goldene Schmückstücke erkennen, die sicher aus einigen der großen Raubzüge stammten.


    "Nimm dieses Geschenk mit unserem Wohlwollen entgegen."


    Freundlich lächelte er. Er durfte sich hier keine Fehler erlauben. Denn diese würden über so vieles entscheiden....

  • Die ausgesuchte Höflichkeit des Feldherren war Labsal für den angekratzten Stolz des Königs, und auch das noble Gastgeschenk tat das seinige. Denn wenn der Abgaride auch über wohlgefüllte Schatzkammern gebot, so war ihm das Gleißen des Goldes doch stets aufs neue eine Freude, und ganz besonders wenn es ihm gehörte.
    "Sei meines unerschöpflichen Dankes und meiner Huld versichert, edler Gast.", antwortete er gemessen, und nahm das Geschenk mit eigener Hand entgegen, wobei er die Schwere der Schatulle wohlwollend bemerkte. Er gab sie weiter an einen Lakaien neben sich. Die schwarzen Mandelaugen der Prinzessin, die bisher mit einem Ausdruck ruhiger Aufmerksamkeit auf den Feldherren gerichtet gewesen waren, folgten mit einem Aufblitzen der Verzückung dem köstlichen Geschmeide.


    Im Gegenzuge trat nun ein anderer Diener vor, der auf einem Kissen von blutroter Seide ein glänzendes Krummschwert trug, dessen goldverzierte Parierstange auf altertümliche Weise mit Pferde- und Reitermotiven geschmückt war.
    "So erlaube mir, Dir diese Waffe zu überreichen", sprach Narseh, und tat ebendies.
    "Sie stammt aus der Zeit unserer Ahnen, aus der Zeit da sie als Beutereiter kühn die Steppe durchstreiften. Eine alte und schlichte Klinge, die viel Blut getrunken, im Laufe der Zeit, viel Römerblut darunter. Ich selbst führte sie einst in den Kriegen gegen die Stämme von Turan... vor einem halben Jahrhundert."
    Kurz schweifte der Blick des alten Mannes in die Ferne, dann war er wieder in der Gegenwart.
    "Noch immer ist sie scharf, und erneut dürstete es sie nach Römerblut. So nimm Du sie, mein Sohn, und führe sie wohl in kommenden Schlachten."

  • Als ihm das Schwert gereicht wurde, neigte er kurz sein Haupt.


    "Nochmals danke ich dir. Ich werde gern mit ihm in die Schlacht gegen die Römer ziehen und mit ihm siegreich daraus hervorgehen. Es ist mir eine große Ehre so ein edles Schwert führen zu dürfen, das von so viel Tradition geweiht wurde."


    Eigentlich mochte er ihn nicht wirklich. Aber es war wichtig ihn auf seine Seite zu ziehen und außerdem stand neben ihm die schönste aller Frauen und er musste sehr aufpassen diese nicht länger als schicklich anzusehen. Wie sehr er sich nach ihr sehnte und dennoch in diesem Moment nicht daran denken durfte. Zu viel stand auf dem spiel und vor den Toren der Stadt. Noch waren die Römer entfernt, aber bald würde es sich ändern. Es galt diesen Moment vorzubereiten.


    "Es tut mir sehr leid diesen Moment der Begrüßung so schnell beenden zu müssen. Doch die Römer sind nah und viel muss noch besprochen und geplant werden. Die Zeit drängt und ich hoffe auf dein Verständnis."


    Die Römer waren wirklich eine Plage und man musste endlich eine Weg finden sie loszuwerden.

  • Ja, die Ungeduld der Jugend...
    "Aber selbstverständlich.", heuchelte der Satrap, der in Wirklichkeit höchst ungern von seinem minutiös durchgeplanten Zeremoniell abwich. "Mit Freude sehe ich, wie feurig es dich zu Taten drängt. So begeben wir uns doch in den Palast, es ist wahr, viel gilt es zu besprechen. Im Übrigen, werter Surenas, darf ich dir noch meine Enkelin vorstellen, Kronprinzessin Shirin."
    Mit großväterlichem Stolz präsentierte er sie dem Feldherren. Die Prinzessin schlug sittsam die Augen nieder, und mit einem Anflug der Verwunderung bemerkte der alte Satrap wie sie, die sonst nicht um Worte verlegen war, nur züchtige Höflichkeitsfloskeln an den Feldherren richtete. Surenas erwiderte diese förmlich, dann wandte man sich zum Gehen.


    Der Zeremonienmeister vollbrachte ein wahres - jedoch ungewürdigtes - Kunststück, als er bei dieser abrupten Abkürzung der Begrüßungsfeierlichkeit blitzschnell umdisponierte. Ohne dass ein Bruch im Ablauf zu bemerken gewesen wäre, ging der Aufbruch vonstatten. Unter Jubel und Musik begab man sich also hinauf zur Zitadelle, die beiden Satrapen hoch zu Ross, die Prinzessin in ihrer Sänfte, das Gefolge hinterdrein. Lange Reihen von Panzerreitern bildeten den Abschluss des Zuges.
    Die Leute von Edessa standen noch lange draußen auf den Straßen, inmitten zertretener Blumen und weggeworfener Palmwedel, und besprachen das Ereignis, dessen sie Zeuge geworden waren. Alles in allem war man sich einig, dass der berühmte Surenas in der Tat eine gute Figur machte, und hoffte dass er schnell die Römer vernichten möge, damit die Geschäfte wieder in Schwung kamen und es - was Ahura-Mazda verhüten möge! - nicht zu einer Belagerung kam.

  • [Blockierte Grafik: http://img524.imageshack.us/img524/3310/krieger3lc5.jpg| Kashtarith, Erster der Kataphraktoi


    Angenehm kühl war es in dem runden Raum im Herzen der Zitadelle, hinter den dicken Mauern durch die kein Wort des Gesagten nach draußen dringen konnte. An einem Tisch auf dem viele Karten, Listen und Skizzen ausgebreitet waren, saß der Kommandant der Panzerreiter mit dem Feldherren des Shah in Shah, und setzte ihn über den militärischen Stand der Dinge in Osroëne in Kenntnis.
    Kashtarith war erleichtert seit der Ankunft Surenas'. Er selbst kannte seine Fähigkeiten, wußte, dass er ein guter und inspirierender Anführer war - jedoch konnte sein strategisches Geschick sich wohl kaum mit dem eines Surenas messen. Der Ruf eines Genies eilte dem Arsakiden voraus, und seine gewonnenen Schlachten sprachen für sich. Was Kashtariths gute Meinung zudem bestärkte, war das nüchterne Auftreten seines Gegenüber, dessen klare Worte, und der Umstand dass er sich dem Festmahl zu seinen Ehren sobald als möglich entzogen hatte, um sich den wichtigen Dingen zu widmen - der Strategie gegen den Feind.


    Da der Satrap Narseh sich nicht für die Details des Krieges interessierte, blieb es Kashtarith überlassen, diese dem Gast zu erläutern, und das tat er jetzt schon seit einer Weile, bereitwillig, und mit größtmöglicher Offenheit. Natürlich behielt er ein paar Geheimnisse für sich, denn schließlich musste man immer darauf gefasst sein, dass der Verbündete, nach dem Sieg über den gemeinsamen Feind, entschied sich gegen einen selbst zu richten. Und auch Kashtarith wusste um die Begehrlichkeiten des Großkönigs was das reiche Edessa anging.
    "Hier, hier, und hier versammeln sich also meine Reitertrupps in den Hügeln", erklärte er soeben, und fuhr mit dem Finger über die Karte hinweg, "nachdem sie den Landstrich, der auf dem Weg des Feindes liegt, verwüstet haben. Als nächstes werden sie sich auf die Nachschublinien konzentrieren. Das Land selbst soll es sein, das die Römer zuerst in die Knie zwingt, und es erwartet sie so einiges, was ihnen den Weg vergällen und verzögern wird. Zudem setzte ich ein paar...Spezialisten auf die herausragenden Ziele an."


    Unbehaglich strich er sich den geölten Bart bei diesen Worten. Es schmeckte ihm nicht, zu solchen Mitteln gezwungen zu sein. Der offene Kampf war sein Element, nicht die verborgenen Schachzüge und Messer im Dunkeln. Doch in der Miene des Surenas vermochte er weder Zustimmung noch Missbilligung zu diesen getroffenen Massnahmen zu lesen, und so fuhr er fort.


    "Das Heer meines Königs habt Ihr vor der Stadt, zu Linken des Scirtos bereits sehen können. Namhafte Verstärkung aus Nisibis ist uns angekündigt, wurde bisher aber noch nicht gesichtet. Zur Zeit treffen wir außerdem Vorbereitungen für den Fall einer Belagerung, glücklicherweise sind die Mauern der Stadt in sehr gutem Zustand, und von beherzten Verteidigern bemannt."

  • "Gab es schon offenen Kampf?", erkundigte sich Surenas beiläufig, ohne dabei die Augen von einer großflächigen Karte der Ebene von Harran zu nehmen.
    "Und wie ist die Nachrichtenlage?"
    Er nickte langsam, während der tüchtige Kommandant erklärte nein, es habe bisher noch keinen größeren Zusammenstoß mit dem Feind gegeben, dann recht ausführlich über sein System der Späher, Postenketten, Spiegelzeichen und Signalfeuer sprach.


    "So... Die Römer stehen also in etwa hier.", stellte Surenas nachdenklich fest, und unterbrach dabei den Redefluss des Kommandanten. Sinnend schweifte sein Blick über die Karte, über das Muster aus Linien, Farben, Schraffuren und Ortsnamen, und blieb dann an einem ganz bestimmten Punkt hängen.
    "Hm..." Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, während er nachsann, dann blickte er auf, und ein satanisches Lächeln spielte um seine Lippen. Ohne Erklärung erhob er sich.


    "Die Zeit drängt. Einen Ruhetag nur gönne ich meinen Männern. Macht eure Truppen abmarschbereit, Kashtarith, und lasst nur so viele zurück, wie zur Verteidigung der Mauern nötig sind. Wir ziehen ins Feld, und es wird ganz sicher - amüsant."

  • [Blockierte Grafik: http://img401.imageshack.us/img401/4120/prinzessin2ep2.jpg| Prinzessin Shirin


    Die Nacht war hereingebrochen, und lag wie schwarzer Samt über dem verschwenderischen Prunk des Palastgartens. Es war sehr schwül. Die Pfauen, die tagsüber hier herum stolzierten, schliefen, den Kopf unter den Flügel gesteckt. Ein betörender, üppiger Duft lag in der Luft. Das waren die Purpurlilien, die die Prinzessin so liebte, dass sie hier überall wachsen mussten. Weit in der Ferne, über den Gipfeln des Taurus-Gebirges, zuckte ein Wetterleuchten. Doch hier regte sich kein Lufthauch.


    In einer verschwiegenen Laube, die über und über von von Rosen und Jasmin überrankt war, und in einem stillen Winkel des Gartens lag, erwartete Prinzessin Shirin den Feldherrn Surenas.
    "Es ist heiß...", flüsterte sie, und ihre Finger spielten abwesend mit dem herrlichen Geschmeide, das sie um ihren Hals trug - eine goldene Schlange mit Diamantaugen und smaragdenem Schuppenkleid war es, die sich selbst in den Schwanz biss, das Prunkstück des Gastgeschenkes, das der Satrap Narseh heute erhalten hatte. Natürlich hatte die Prinzessin es sofort für sich beansprucht, in dem Wissen, dass es ihrem Großvater kaum jemals gelang, ihr etwas abzuschlagen. So auch diesmal.
    "Der Duft - er lastet schwer heute. Man meint, er möchte einem den Atem nehmen." Und in einem seltenen Impuls von Zweifel wandte Shirin sich zu ihrer Vertrauten Mawia, die schweigend mit ihr ausharrte.
    "Was wenn Er nicht kommt?"
    "Er wird kommen, oh Herrin. So gewiss wie sich auch Morgen das Sonnengestirn über den Horizont heben wird - Lob und Preis sei dem allherrschenden Mithra immerdar - so gewiss wird er kommen. Er ist Euch verfallen."
    "Ja", flüsterte Shirin, "so muss es sein... Jedoch sind meine Träume so düster in den letzten Nächten...-"


    Ein leises Knirschen auf dem Malachitbelag des Weges vor der Laube, ließ die Prinzessin verstummen. Mit klopfendem Herzen zog sie sich in den Schatten an der Rückwand zurück, ebenso ihre Dienerin. Schritte näherten sich. Vom Schein des Wetterleuchtens umspielt, trat die große Gestalt eines Mannes in das Innere der Laube.

  • Es war riskant sich mit Shirin zu treffen. Die Unterstützung des alten Satrapen war wertvoll, und er sollte sie nicht aufs Spiel setzen wegen einer Frau, möge sie auch noch so betörend sein. Surenas ballte die Faust um das kleine Brieflein, in dem sie ihn in süßen Worten zu dem Stelldichein in der Laube bat, während er mit schnellen Schritten den Garten durchquerte. Er war ungehalten, dass sie solch einen unvorsichtigen Treffpunkt ausgewählt hatte, und ebenso ungehalten, dass er, wie der verliebte Prinz in irgendeinem Schmierentheater, ihrem Ruf trotzdem gefolgt war.


    Wachsam betrat er die überwucherte Laube, die Hand am Dolch, denn natürlich konnte dies ebensogut eine Falle sein. Den starken Blumenduft fand er aufdringlich, geradezu erstickend in der Schwüle dieser Nacht. Er streifte seine Kapuze zurück, und dann trat sie ihm entgegen, schön wie eine mesopotamische Liebesgöttin. Das Zucken der fernen Blitze spiegelte sich in ihren schwarzen Augen, die unverwandt auf ihn gerichtet waren.
    Wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass das Mädchen ihm vollends verfallen war, und dass er in jeder Lage dazu fähig war, einen kühlen Kopf zu bewahren, hätte er sich vielleicht gefürchtet vor der uralten, sinnenbetörenden und grausamen Macht, die da in ihr waltete, ihn zu umfangen und zu verschlingen suchte. Das Weib. Dunkles Rätsel, unheilvoller Sirenensang.


    "Wir haben nicht viel Zeit."


    Er fasste ihre Hüften und zog sie mit einem Ruck an sich. Seine Hände streiften über ihren geschmeidigen Körper. Lösten eine Spange, die das Gewand an ihrer Schulter zusammenhielt. Ertasteten ihren Halsschmuck. Den kannte er doch. Er grinste, wohlgefällig dass sie sein Geschenk trug, und küsste sie glutvoll auf den Mund.


    "Nun, meine teure Shirin - es ist schön dich wiederzusehen. Ich muss dir wohl nicht sagen, dass ich mich in Sehnsucht nach dir verzehrte, und dass ich die Sterne vom Himmel pflücken möchte, um sie dir ins Haar zu stecken?"

  • "Nein, mein Held", gurrte die Prinzessin, die dahinschmelzend in den Armen des Feldherren lag, "davon gehe ich sowieso aus..."
    Einen Moment lang schloss sie die Augen, und erlaubte es sich, ganz in dem Gefühl seiner Nähe aufzugehen, ihn zu spüren, zu riechen, in ihm zu schwelgen. Doch dann entzog sie sich seinem ungestümen Vorstoß, und steckte die Spange wieder fest.
    "Aber schreiben hättest du mir ruhig mal können. Hör mir zu, ich muss ernsthaft mit dir sprechen - dich warnen. Du weißt, dass den Frauen meiner Familie die Gabe prophetischen Träumens zu eigen ist? Düstere Zeichen haben mich ereilt in den letzten Nächten. Wenn unser gemeinsames Ziel wahr werden soll, so müssen wir uns vorsehen."


    Leicht lehnte sie sich an ihn, und beschwor mit leiser Stimme ihre beängstigenden Traumbilder herauf.
    "Ich sah Adler mit stählernen Schwingen, die voll der Gier vom Himmel herabstießen. Ihre Schnäbel waren weit aufgerissen, ihr Kreischen ließ Berge zerspringen wie Glas, und unter ihren Fittichen kroch die Dunkelheit heran, uns alle zu verschlingen. Doch ein Sonnenkrieger stellte sich ihnen entgegen - auf einem Berg von Knochen erwartete er sie - mürbes uraltes Gebein lange schon toter Adler. In einem Feuersturm umkreisten ihn die stählernen Vögel, doch er hielt stand, und tötete sie mit dem Schwert, einer nach dem anderen fielen sie von Himmel. Immer höher wuchs der Berg der toten Vögel - doch dann..."
    Sie schauderte und barg den Kopf an seiner Brust.
    "Aus den Kadavern krochen giftige Nattern und Skorpione. Wie eine schwarze Flut, immer mehr, und sie stürzten sich auf den Sonnenkrieger, überdeckten ihn ganz. Da fiel er, und mit ihm das Licht... Ich habe Angst um Dich, Surenas."

  • "Auf einem Berg toter Adler...", wiederholte Surenas durchaus beunruhigt, und legte mehr geistesabwesend die Arme um Shirin. Dies war ein schlechtes Zeichen. Er musste seine Sterndeuter befragen - womöglich gar seine gefasste Strategie überdenken? Gegen die Mächte des Schicksals sollte ein Sterblicher sich nicht stellen. Jedoch wollte er die Prinzessin nicht noch weiter beunruhigen.


    "Sorge dich nicht, Shirin. Ich werde die Römer vernichten, sie zerschmettern und in den Staub treten, so dass dieses anmassende Volk noch in Generationen meinen Namen verfluchen wird. Du weißt, es liegt in der Familie. Und nach meinem Sieg werden wir unserer gemeinsamen Vision einen großen Schritt näher sein."


    Mit einem siegesgewissen Lächeln zog er sie wieder eng an sich, fuhr ihr durchs Haar und koste mit den Lippen die samtigweiche, warme Haut ihres Halses. Es war schon ein Jammer, dass er sie nicht würde heiraten können. Doch auch als Hauptfrau seines Rivalen Parthamasires würde sie ihm sicher sehr nützlich sein.


    "Shirin...", flüsterte er grinsend, während seine Hände wieder zielstrebig auf Reisen gingen "...meine spröde kleine Prinzessin. Morgen ziehe ich ins Feld - und natürlich, man weiß nie. Also bedenke wohl, vielleicht ist dies hier deine letzte Chance, mit mir der Liebe zu frönen!"

  • "Von wegen.", entgegnete die Prinzessin schnippisch.
    "Du sagst doch du siegst auf jeden Fall. Darum, Surenas, mein zudringlicher Kriegsfürst, mein brünstiger Held, merk dir: wenn du die Römer vernichtet hast, ja, dann werde ich dein sein, mich dir hingeben mit Haut und Haar und meiner ganzen Seele - aber vorher kannst du das vergessen!"
    Sie zog ein hauchzartes, golddurchwirktes Schleiertüchlein aus ihrem Dekolleté hervor, und drückte ihn ihm spöttisch in die Hand.
    "Begnüge dich einstweilen hiermit. Falls dir das nichts sagt - es ist ein Liebespfand. Gallante Männer tragen sowas manchmal bei sich, und -"


    Sie brach ab, als auf einmal das laute Brechen von Zweigen ertönte, und das schreckensbleiche Gesicht von Mawia im Eingang erschien.
    "Herrin, ein Lauscher!", flüsterte die Dienerin, und wies hektisch in die Dunkelheit des Gartens.

  • Geistesgegenwärtig löste Surenas sich von der Prinzessin, war mit einem Sprung draußen auf dem Weg, und rannte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Einen huschenden Schatten sah er dort, der eben hinter einem blütenübersäten Gebüsch verschwand. Er verfolgte ihn, vorbei an exotischen Blumen und einer Reihe künstlicher kleiner Bäume, in deren silbernen Zweigen winzig kleine Glöckchen hingen und leise bimmelten.
    Dann stand er plötzlich an der hohen Mauer, die den Garten begrenzte. Er spähte, lauschte - keine Spur des Eindringlings. Wachsam folgte er dem Verlauf der Mauer, doch der Schatten blieb verschwunden. Und als er nach vergeblicher Suche vorsichtig zur Laube zurückkehrte, war auch Shirin nicht mehr dort.


    Ärgerlich und besorgt stahl Surenas sich aus dem Garten. Zuerst der unheilvolle Traum und nun war womöglich auch noch jemand Zeuge ihres Treffens geworden.
    Als er wieder in den Gemächern war, die sein Gastgeber ihm zur Verfügung stellte, bemerkte er, dass er in der geschlossenen Hand noch immer das filigrane Tüchlein Shirins hielt. Ungnädig knüllte er es zusammen und stopfte es tief in seine Satteltaschen. Was bildete das Mädchen sich eigentlich ein? Diesen Fetzen an seinem Herzen tragen, und bei jeder Gelegenheit sehnsüchtig 'Shirin...' hineinseufzen würde er gewiss nicht!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!