Athen - Die Christliche Gemeinde der Stadt

  • Nachdem Paulus im Hause des Aristophanes bereits 14 Tage lang nach einer Idee gesucht und alle erdenklichen Bitten, Tricks und Ideen ausprobiert hatte, wie er Elpenor doch noch dazu bringen konnte ihn zu empfangen, war es ihm am Ende zu bunt geworden. Wenn der Prophet nicht zum Berg wollte, so musste sich der Berg eben seinerseits auf des Propheten Hausmatte setzen und solange warten, bis er doch kam.


    Gesagt getan.
    Wieder einmal wanderte der Syrer aus Myra durch das inzwischen ihm gut vertraute Athen. Stets im Schatten der übermächtigen heidnischen Akropolis kam Paulus an vielen geschäftigen Menschen vorbei, deren Treiben man nur in einer Großstadt beobachten konnte. Hinter der Akropolis wandte er sich nach Nordwesten und kam in das Stadtviertel Diomea. Hier lag die Villa des Elpenor. Vor der Tür stand wie immer der Torwächter mit verschränkten Armen und beobachtete Paulus schon von weitem mit argwöhnischem Blick. Schon wieder der...


    Als Paulus nah genug herangekommen und es offensichtlich war, dass er wieder einmal zum Haus seines Herrn wollte, hob der Wächter eine Hand und sagte: "Stopp, bis hierher und nicht weiter. Dir wurde ja schon gesagt, dass du nicht Willkommen bist unter diesem Dach, also verschwinde wieder." Paulus sah ihn mit festem Blick an und schüttelte danach den Kopf. "Tut mir leid, aber das ist nicht möglich. Die Angelegenheit in der ich Elpenor sprechen möchte ist von größter Wichtigkeit und verlangt unbedingt, dass er mich empfängt. Gebe es einen anderen Weg würde ich ihn wählen, aber den gibt es nun einmal nicht. Irgendwann wird er einmal herauskommen müssen, ich werde warten."
    Und mit diesen Worten ließ sich Paulus einige Schritte von der Haustür weg auf den Boden nieder und begann im Schneidersitz ruhend die Geduld des Hausherrn zu erproben. Der Torwächter wusste nicht so recht wie er dieses Verhalten einordnen sollte. Doch da Paulus auf der Straße (also öffentlichem Grund) saß, konnte er nicht viel tun, außer sich zähneknirschend damit zu arrangieren. Und falls er doch Flausen im Sinn hatte, würde er ihn schon zu stoppen wissen. Bis dahin würde er ihn einfach wie Luft behandeln. Paulus war das nur recht, als die Wache stur geradeaus blickte über seinen Kopf hinweg. Ihm war momentan sowieso nicht nach einem Gespräch mit ihm und er konnte solange seine Gedanken ordnen. Er richtete sich darauf ein, dass er wohl einige Stunden hier sitzen würde müssen. Dass es noch länger dauern würde, das wusste Paulus in diesem Moment noch nicht. Die ersten beiden Stunden verstrichen, ohne dass irgendetwas nennenswertes passiert war, genauso wie in den beiden darauf folgenden. Dazwischen kamen einmal drei Diener zum Haus, vollbeladen mit Einkäufen. Überrascht blickten sie auf den sitzenden Mann dort vor der Türschwelle ihres Herrn. Einer fragte den Torwächter was das zu bedeuten hätte.
    "Das ist bloß so ein Verrückter, der Kyrios Elpenor schon seit Tagen belästigt." Daraufhin zuckte der Diener bloß mit den Schultern und verschwand zusammen mit den beiden anderen im Haus.


    Nach weiteren zwei Stunden kam ein anderer Mann heraus und löste den Torwächter in seinem Dienst ab. Erleichtert ging dieser kurz hinein und nach einiger Zeit wieder heraus und danach nach rechts die Straße davon, vermutlich zu seiner Familie nachhause. Die Sonne war schon ein gutes Stück über den Horizont gewandert. Nicht mehr lange und die ersten Sterne würden am Firmament erblühen. Der neue Torwächter sah öfters als der andere zu Paulus hinunter, jedoch sprach er ihn kein einziges Mal an. Der Schatten der Athener Sonnenuhren wanderte immer mehr und bald wurde es wirklich dunkel. Das Licht brennender Öllampen begann nun in allen Fenstern der Umgebung aufzuflackern. Als es schließlich ganz dunkel war, erlebte Paulus eine neuerliche Wachablöse. Wieder hatte der erste Torwächter von heute Mittag seinen Platz eingenommen, während der zweite jetzt nachhause ging. Paulus blieb die ganze erste Nacht über wach. Bei der einsetzenden Kühle zog er sich seine cucullus über das Haupt und schlang seine Kleider enger um sich, jedoch stand er nicht auf. So blieb er bis zum Morgengrauen hocken und begrüßte mit einem stillen Dankgebet die ersten wärmenden Strahlen der neuerlich emporsteigenden Sonne. Der zweite Tag begann.


    Heute verspürte Paulus schon etwas Durst und sein Magen knurrte, doch ignorierte er beide Bedürfnisse seines Körpers. Er hatte dafür gesorgt zur passenden Zeit davor ein letztes mal gegessen und getrunken und die Latrinen aufgesucht zu haben, sodass ihn nichts und niemand von hier fort zwingen konnte, weder einer von Elpenors Angestellten, noch die Zwänge seines eigenen Körpers. Stur ignorierte er Hunger und Durst und blickte weiterhin im sitzen den Torwächter und die thyra* vor ihm an. Durch das permanente Nichtstun war sein Geist vollkommen gelöst und frei. Paulus war wie ein Gefäss, das alle Eindrücke um sich einsog und und in sich aufnahm, jedoch keinerlei Reaktion zeigte. So in sich ruhend war es ihm, als ob sich seine Wahrnehmung erweitert hätte. Er hörte viel mehr Details aus den Geräuschen seiner Umgebung heraus, roch intensiver die Gerüche von Stallmist und den Weihrauchgefäßen eines nahen Marktes und es war ihm, als könne er aus all diesen Sinneseindrücken zusammengenommen direkt ein Bild davon erzeugen, was hinter und neben ihm in der Straße so geschah, obwohl er nicht in diese Richtungen blickte. Ein so tiefes Gefühl von innerem Frieden hatte er noch nie empfunden. Es war aber auch in anderer Weise nützlich, da es Paulus den Fluss der Zeit teilweise vergessen ließ und Stunden vergingen, ohne dass er es groß bemerkte. Oder nickte er zeitweise nur ein? Wieder kamen und gingen einige Leute im Haus vor ihm ein und aus und abermals wurde der Torwächter von seinem Kollegen abgelöst. Die Sonne versank hinterm Horizont und die zweite Nacht begann. Dieses Mal konnte er nicht mehr dagegen ankämpfen und Paulus schlief ein, dabei seine sitzende Position jedoch beibehaltend mit angewinkelten Knien.


    Der erste Hahnenschrei des nächsten Morgens kündigte den dritten Tag an. Als wieder Wachwechsel war und der erste Torwächter herankam, um den zweiten abzulösen pfiff er, als er Paulus dort sitzen sah. "Immer noch hier? Hast wohl sonst kein Leben, was du malaka." Paulus ignorierte ihn.
    Gegen Mittag spürte er zusätzlich zu Hunger und Durst schön langsam auch Schmerzen im Rücken und am Gesäß trotz regelmäßigen Sitzpositionswechsels. Besonders der Durst machte ihm zu schaffen, wie lange er wohl noch aushalten müsste? Fest stand, dass er keinesfalls sich jetzt entfernen durfte, ansonsten wäre alles davor umsonst gewesen. Einmal war ihm, als hätte er ein Augenpaar in einem der oberen Fenster gesehen, die jedoch sofort wieder verschwunden waren bei seinem Blick nach oben. Recht viel länger würde er es wohl nicht mehr aushalten. Vielleicht einen Tag noch, dann aber musste er wirklich etwas trinken. Der Tag verging wieder und die dritte Nacht brach herein. In dieser war es kälter, als in den beiden Nächten davor und Paulus fror jämmerlich. Beim Tor hing zwar links und rechts je eine Fackel, jedoch war deren Wärme zu gering, als dass sie Paulus auf der Straße noch erreichen mochte.


    Als die Sonne am vierten Tag aufging bibberte Paulus und hatte Lippen von ganz leicht bläulicher Färbung. Der Durst in seinen Eingeweiden war mörderisch, aber stur wie ein Esel versuchte er es so gut es ging zu ignorieren neben der sonstigen allgemeinen Schwäche seines Körpers und des rumorenden Magens. All dieses Leid war es wert ertragen zu werden, wenn es helfen konnte ein wenig zur Wiederversöhnung der beiden christlichen Teilgemeinden Athens beizutragen. Der frühe Morgen war bereits in den Vormittag übergegangen, als sich wieder einmal die Tür des Hauses hinter der Wache öffnete. Doch dieses Mal war es kein magerer Angestellter, oder einer der beiden Torwächter, der da herauskam, die luxuriöse Kleidung und der korpulente Umfang seines Leibes ließen nur einen Schluss zu um wen es sich bei diesem Mann handeln mochte. Es war der Hausherr persönlich, Elpenor.


    * Thyra (altgr.) = Tür bzw. Tor

  • Unabhängig davon was der Ausgang dieser Begegnung sein mochte, so hatte Paulus doch wenigstens jetzt schon eimal die Genugtuung dieses Geduldsspiel gewonnen zu haben. Schlussendlich hatte er Elpenor doch noch dazu gebracht ihm gegenüberzutreten. Elpenor war eine imposante Gestalt. Feinstes ägyptisches Tuch bildete seine Kleidung und er war über und über behangen mit Gold und anderen edlen Materialien. Von höchst korpulenter Statur war der Mann mit einem dreifachen Doppelkinn. Vermutlich versuchte er mit einem würdevollen Gang aus seinem Hauseingang herauszutreten, doch es sah nicht besser als das Watscheln einer Ente aus. Einer etwas zu fetten Ente. Paulus blieb ungerührt auf seinem Platz am Boden sitzen. Elpenor kam direkt vor ihm zum stehen und kratzte sich den Bauch.



    Elpenor, Ältester


    "Chaire, Fremder. Du hast große Ausdauer bewiesen meinem Personal auf die Nerven zu gehen. Sag an, was kostet es mich dich wieder loszuwerden und nie wieder zu sehen? Ich zahle jeden Preis, auch wenn es vielleicht unklug sein mag solche Worte laut auszusprechen." Für so einen großen und kräftigen Mann hatte der Grieche eine überraschend hohe Stimme. Vermutlich drückten seine Fettwülste ja die wichtigen Adern zu seinen südlichen Regionen so derart ab, dass die Produktion von Männlichkeitshormonen zu kurz kam...
    Paulus sah zu Elpenor auf. "Alles was ich will ist ein Gespräch mit dir." Der Fette wirkte überrascht. "Wie, kein Geld? Keine Gefälligkeiten? Schön...wie wäre es mit einem Termin nächste Woche? Ich werde gleich meinem Sekretär..."
    "Wir sprechen jetzt."
    Elpenor unterbrach sich und starrte auf Paulus herab. Eine Ader begann auf seiner Stirn sichtbar zu zucken. Er mahlte mit seinem Kiefer. "Ich weiß schon was du besprechen willst und ich sage dir jetzt schon, es ist sinnlos! Du kommst von Nikanor, ist es nicht so? Besser du gehst nachhause zu Weib und Kind anstatt dieser Zeitverschwendung hier!"
    Elpenor drehte sich um und machte die ersten Schritte zurück zu seiner Tür.
    "Ich apelliere an das Gute und an die Vernunft in dir Elpenor, lass uns miteinander reden! Du hast doch nichts zu verlieren, dafür Athen so viel mehr zu gewinnen!"
    Der Fette unterbrach sich in seiner Bewegung und sah wieder zurück zu Paulus. Er war wohl hin und hergerissen und die Ader auf der Stirn zuckte weiter fröhlich vor sich hin. Er traute dem bärtigen Irren zu, dass der weitere vier oder fünf Tage hier vor seinem Haus hocken bleiben würde, was würden die Nachbarn nur sagen? Elpenor hatte einfach keinen Seelenfrieden, solange er wusste, dass Paulus vor seinem Haus saß und auf ihn wartete. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beissen und es endlich hinter sich zu bringen. "Schön! Dann komm eben! Aber erwarte dir keine Gastfreundschaft von mir! Du zwingst mich ja mehr oder weniger mit dir Subjekt verkehren zu müssen."
    Paulus nickte und versuchte aufzustehen. "Nicht gerade die Worte eines frommen Christen die da aus deinem Mund kommen!"
    Diese Bemerkung ließ Elpenor hektisch nach links und rechts blicken, ob ja auch niemand Paulus gehört hatte. "Psst, nicht so laut! Bist du wahnsinnig? Still Kerl!"
    Offenbar wollte der Fette nicht, dass seine Umgebung Wind von seiner religiösen Gesinnung bekam und wenn man sich Elpenors prunkvolle Aufmachung so ansah, so wäre auch er nie auf die Idee gekommen, dass der Grieche den Lehren Jesu folgte, oder dies zumindest innerhalb der Athener Christengemeinde vorgab zu tun.


    Paulus stand auf und stürzte gleich wieder zu Boden. Seine Füße waren vom tagelangen sitzen eingeschlafen und völlig taub. Er hatte so gut wie kein Gefühl mehr in ihnen. Um die Blutzirkulation anzuregen massierte er sie sich, was er fast stante pede bereute. Er schrie auf vor Schmerz, als das Blut rauschend und kribbelnd in die Beine zurückkehrte und seine Füße sich deshalb anfühlten, als würden sie in Flammen stehen. Elpenor war diese Szene hier vor seinem Haus mehr als peinlich. Der Verrückte von Nikanor musste umgehend entfernt werden! So also schnippte er mit den Fingern und zwei seiner Diener kamen auf Paulus zu und hoben ihn hoch, um ihn gemeinsam zu stützen auf dem Weg hinein. Die gewöhnliche Hausfassade von Elpenors Stadthaus ließ nicht einmal ansatzweise erahnen mit welchem Prunk er seine vier Wände eingerichtet hatte. Egal mit was Elpenor seinen Lebensunterhalt verdiente, er machte wirtschaftlich gesehen zweifellos alles richtig.
    Die Diener schleppten Paulus zu einem Stuhl in Elpenors Arbeitszimmer, worauf sie ihn hinhockten und sich dann wieder entfernten. Der Fette ließ sich gegenüber von Paulus auf der anderen Seite seines Schreibtisches nieder. "Also was willst du von mir?" fragte er leicht unwirsch.
    "Ich möchte die Sichtweise jener Teilgemeinde kennenlernen und besser verstehen, der du als Ältester dienst. Ihr glaubt, dass Gott-Vater und Gott-Sohn ungleich sind, stimmt das?"
    Elpenor nickte. "Genauso ist es."
    "Bitte erzähle mir davon wie ihr das Lamm Christi seht und wie sich diese Sicht auf die Spaltung der Athener Gemeinde auswirkt. Ich möchte nämlich versuchen zu helfen diesen Graben zu überwinden. Es stimmt, dass ich schon mit Nikanor und seiner Teilgemeinde gesprochen habe, jedoch bin ich ein neutraler Außenstehender. Ich will..."
    "Moment, du willst was?" fragte Elpenor misstrauisch nach.
    Paulus war nicht gerade in bester Debattierlaune, er merkte deutlich seine körperliche Schwäche, die er dank seines überlangen Sitzstreiks erlitten hatte. "Ich möchte nach besten Kräften dazu beitragen die Spaltung innerhalb eurer Gemeinde beizulegen" wiederholte er "Dazu muss ich aber die Sichtweisen beider Seiten kennen, um einen Kompromiss..."
    "Hat dich vielleicht Bischof Sixtus aus Rom geschickt?" unterbrach ihn der Grieche abermals.
    Paulus war verwirrt. "Der römische Bischof? Nein, warum?"
    Elpenor schnaubte und wuchtete sein Zentnergewicht in die Höhe. "Weil uns der Gute jeden Monat mindestens einmal deswegen in den Ohren liegt mir und Nikanor und das schon seit einigen Jahren!" Er war zu einem anderen Tisch hinübergewatschelt und hatte von dort einige Papyri geholt, die er jetzt vor Paulus auf den Tisch pfefferte. Interessiert nahm er die verschiedenen Schreiben näher unter die Lupe. Sie alle waren in der gleichen Handschrift geschrieben, jedoch verschieden datiert. Der Inhalt war jedoch meistens ähnlich. Apelle und Aufrufe der gegenseitigen Versöhnung und Abschriften passender Bibelstellen und andere schriftliche "Unterstützungen" von Bischof Sixtus I. für die Brüder und Schwestern in Athen. "Ich ertrinke noch in diesen Briefen, wenn ihre Flut so anhält! Also kommst du aus Rom, oder nicht?"
    "Nein"
    Gut! Das steigert schon einmal deine Chancen, dass ich dich anhöre. Also, du willst näheres über unsere Seite der Gemeinde wissen...hmm wo fange ich da am besten an.."
    "Am besten wir beginnen mit der Wurzel des Problems, dem Zeitpunkt nachdem Bischof Dionysios Areopagita gestorben war."
    Paulus massierte sich seine Beine. Sie fühlten sich schon wieder wesentlich besser an, wenn er auch kaum denken konnte vor lauter Hunger und Rückenschmerzen.

  • Da der Gastgeber schon stand, befand er es auch gleich für das beste für Wein zu sorgen, aber natürlich nur für ihn selbst. An dem Verrückten von Nikanor wollte er doch keinen seiner edlen Tropfen verschwenden. So goss er sich etwas vom roten Nektar in einen goldenen Kelch und ließ sich damit wieder auf seinem Platz nieder.



    Elpenor, Ältester


    "Nun, du willst also von den Umständen nach Bischof Dionysios Areopagitas Tod hören..." Elpenor schmatzte kurz mit den Lippen, während er nachdachte. "Dionysios war ein guter Mann gewesen und außerdem auch ein Freund von mir. Vor seiner Amtszeit als Athener Bischof war er Beisitzer des Areopag gewesen, ehe da der Apostel Paulus nach Athen kam und begann in der Synagoge und auf der Agora zu prädigen. Stoische und epikureische Philosophen begannen mit Paulus über seinen Gott zu diskutieren und das ganze ging so weit, bis man ihn vor den Areopag brachte, wo Paulus seine Lehren noch einmal vor allen dort versammelten Athenern erläutern sollte, denn wir lieben nichts mehr, als neue Dinge zu sehen, oder zu hören und so wollten wir natürlich auch mehr von dieser neuen Lehre aus dem Osten wissen. Mein Vater war damals übrigens auch im Rat anwesend gewesen", konnte es sich Elpenor nicht verkneifen stolz hinzuzufügen. Paulus quittierte das nur mit einem stummen Nicken. Natürlich hatte er es sich schon gedacht, dass Elpenors Familie einen so hohen Rang innerhalb der Polis bekleidete, dass sie auch Mitglieder des Areopag stellte, denn sonst hätte man sich ja kaum so ein luxuriöses Anwesen leisten können. Paulus kam in den Sinn, ob er nach etwas Wasser fragen sollte, seine Kehle war fürchterlich trocken, doch er verkniff sich's. Endlich hatte er Elpenor zum reden gebracht, da wollte er seinen Fortschritt nicht schon wieder mit einer Forderung ruinieren, selbst wenn sie noch so klein und unbedeutend war wie einen reichen Mann um etwas Wasser zu bitten. Besser er blieb durstig und kam in seiner Sache weiter, als dass er wohl gewässert und gefüttert auf der Stelle trat. Eine weitere Prüfung des christlichen Gottes eben.


    "Ich habe die acta apostolorum gelesen", antwortete jetzt Paulus, "darin wird genau das beschrieben, was du mir gerade erzählt hast. Paulus kam nach Athen und erklärte die neue Lehre vor dem Areopag, doch die Athener verspotteten ihn nur, worauf er sich wieder zurückzog. Doch nicht alle waren so desinteressiert gewesen. Einige ließen sich von dem Apostel bekehren und waren fortan die ersten Athener Christen, unter ihnen ein gewisser Dionysios." Elpenor nickte.
    "Ja so steht es geschrieben und so hat es sich auch nach den Erzählungen meines Vaters tatsächlich zugetragen."
    "Aber hier endet der Bericht über Athen, was geschah danach? Wann war der Apostel nochmal in Athen gewesen? Wenn mich nicht alles täuscht muss das jetzt 65 Jahre her sein. Dionysios Areopagita war von seiner Bekehrung an bis zu seinem Tod vor rund 20 Jahren der Bischof von Athen gewesen, immerhin eine stattliche Amtszeit von 44 Jahren. Was machte er in all dieser Zeit? Und wie ging es nach seinem Tod dann weiter mit der Athener Gemeinde, dass sie sich heute an diesem Punkt wiederfindet an dem sie nun einmal jetzt steht?" Jetzt wo Elpenor einmal dazu gebracht worden war den Mund aufzumachen, hatte Paulus das Gefühl, dass es ihm großes Vergnügen bereitete seine eigene Stimme zu hören. Der Mann machte nicht wirklich den typischen Eindruck eines Christen, aber das war ihm ja schon mehrmals aufgefallen.
    "Dionysios' Amtszeit tut hier nichts weiter zur Sache. Er war ein guter alter Mann, der mir oft mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat, als ich noch sehr viel jünger und auch dünner gewesen war als heute. Aber da wo die Apostelgeschichte endet kann ich auch selbst weitererzählen. Der Bischof starb einen gewaltsamen Tod durch Verbrennung, zusammen mit seinem Priester Rusticus und seinem Diakon Eleutherius. Das war damals gegen Ende der Regentschaft von Kaiser Domitian gewesen, als dieser verstärkt gegen die Juden vorgegangen war, dabei hatte es auch so einige Christen erwischt, unter ihnen unser Bischof. Unnötig natürlich zu erwähnen, dass das Decretum Christianorum damals noch nicht existiert hatte." Paulus nickte. Immer wieder hatte es in der Vergangenheit schon Verfolgungen gegen Juden und Christen im Reich gegeben und seit dem Jüdischen Aufstand in Jerusalem unter Kaiser Nero war die Sache noch schlechter geworden, besonders das Verhältnis zwischen Christen und Juden selbst. Die Christen hatten begonnen sich vor der römischen Obrigkeit verstärkt von ihren abrahamitischen Glaubensbrüdern zu distanzieren, um nicht ebenfalls die seit dem Aufstand erhobene Sondersteuer des fiscus iudaicus bezahlen zu müssen, was diese ihnen wiederum natürlich übel genommen hatten. Doch auch die Christen waren deswegen noch lange nicht aus dem Schneider und nicht gegen Tod und Verfolgung gefeit, wie Nero nach dem Großen Brand Roms bewiesen hatte mit der Abschlachtung der römischen Christen für seine Zirkusspiele, während dieser auch die Apostel Paulus und Petrus den Tod erlitten hatten.


    "Nun denn, die Stimmung in Athen war also aufgeheizt. Christ zu sein bedeutete sich als Vogelfreier zur Jagd freizugeben, weshalb wir uns zurückzogen, um zu warten, bis die Verfolgungen wieder abgeflaut waren."
    Betroffen schüttelte Paulus den Kopf. "Davon hatte mir Nikanor nichts zuvor erzählt. Alles wovon ich aus dieser Zeit wusste war die gespaltene Glaubensansicht über die Natur Christi."
    "Tja, er wird schon seine Gründe gehabt haben dir das zu verschweigen! Es waren also nicht nur irgendwelche holden Lehrmeinungen, sondern handfeste Fakten, bestehend aus Tod und Elend der Gemeinschaft, die die sofortige Wahl eines neuen Bischofs verhindert hatten. Zu der Zeit hatten wir mit der Furcht um unser Leben besseres zu tun, als uns über Führungsfragen zu streiten." Paulus konnte es nicht fassen. Natürlich hatte er früher schon gehört, dass die Christen ihres Glaubens wegen von Zeit zu Zeit verfolgt gewesen waren, doch bei ihm zuhause in Myra hatte er nie wirklich etwas davon mitbekommen als Sohn eines heidnischen Händlers und ohne jede Kontakte zu anderen Christen. Erst jetzt konnte er dieses Unglück zumindest teilweise erfassen, wo er hier vor einer Person saß, die diese blutigen Zeiten auch wirklich selbst mitgemacht hatte. Auch wenn Paulus sich sicher wähnte, dass Elpenors Familie nie wirklich richtiges Leid erfahren hatte müssen, wo man es ihnen nicht im mindesten ansah, dass sie Christen waren. Dafür spielten sie die Rolle der versnobten reichen Areopagsmitglieder viel zu gut, wenn dies bestimmt auch ihre eigentliche Natur und keine vorangestellte Fassade sein mochte. Aber dafür konnte er sich in die damalige Lage schon sehr viel besser hineinversetzen, wie es nach dem Tod des Bischofs um die Gemeinschaft bestellt gewesen sein mochte. Ihr Oberhaupt und seine Gehilfen waren ermordet worden und jeder hatte davor zittern müssen als nächstes an die Reihe zu kommen, wirklich kein passendes Klima, um den Römern den nächsten Bischof auf einem Silbertablett zu präsentieren, damit diese ihn nur noch pflücken mussten.
    "Wie ging es dann weiter, Elpenor?"

  • Mittlerweile hatte Paulus ja schon so einiges herausgefunden durch die Gespräche mit dem Amphorenhändler Aristophanes, dem Ältesten Nikanor und jetzt mit Elpenor, einem Ältesten der Gegenseite der gespaltenen Athener Christengemeinde. Alle Informationen ergaben in kompilierter Weise ungefähr folgende Erzählung:


    Nachdem der Apostel Paulus nach Athen gekommen war, um von der Botschaft Christi zu künden, hatten ihn viele Athener nicht Ernst genommen. Diejenigen, die ihm doch folgten waren die ersten Christen der Stadt, unter ihnen Dionysios Areopagita, der später auch Bischof geworden war und dieses Amt 44 Jahre inne gehabt hatte. Noch während seiner Lebenszeit mussten sich innerhalb der Gemeinde unterschiedliche Ansichten über das Wesen Christi herausgebildet haben, die in weiterer Folge vehemment diskutiert wurden. Als dann während einer Judenverfolgung unter Kaiser Domitian auch der Bischof zusammen mit seinem Priester Rusticus und seinem Diakon Eleutherius von den Römern umgebracht worden war, musste sich die Gemeinde in den Untergrund begeben. Als es dann wieder möglich war, sich um die eigenen Gemeinschaftsangelegenheiten zu kümmern, hatte Elpenor als erster sein Veto eingelegt gegen einen neuen Bischof, der die -seiner Meinung nach falsche- Ansicht vertrat, dass Gott-Vater und Gott-Sohn gleich wären. Es war Streit zwischen den beiden Lagern ausgebrochen, da die eine Seite nie den Kandidaten der jeweils anderen akzeptieren konnte. Es wurde debattiert, gestritten und diskutiert. Auch gab es Versuche zwei Bischöfe zu ernennen, einen für jedes Lager, doch laut Aristophanes' Worten hatte auch das zu nichts geführt. So also hatte die Gemeinde eine andere Art von Leitung finden müssen. Zur Verwaltung ihrer Angelegenheiten hatten beide Lager einige Älteste ernannt, die sich gemeinschaftlich als jeweilige Sprecher und als Ratsversammlung um die Angelegenheiten ihrer Teilgemeinde zu kümmern hatten und Gottesdienste feierten. Ein- oder zwei Mal im Monat gab es auch Zusammenkünfte der Ältesten beider Lager zu einem gemeinsamen großen Rat und dabei gelegentlich auch einen gemeinsamen Gottesdienst, bei dem jedoch vieles abgeändert werden musste und für beide Seiten ungewohnt war. Doch laut Nikanor gab es diese trotzdem, damit die Gemeinde wenigstens symbolisch geeint sein konnte. Wie Elpenor das sah wusste Paulus nicht, jedoch Nikanor hatte ihm gegenüber bereits unmissverständlich klar gemacht, dass eine endgültige Spaltung keinesfalls in Frage käme. Dieses demokratische System mit diversen Ältestenräten hatte sich in den letzten 20 Jahren bewährt und so hatten sich die beiden Teilgemeinden auf ihren jeweiligen Standpunkten eingemauert. Trotzdem sehnten sich die Athener Christen nach wie vor nach einer gemeinsamen Führung unter einem Bischof. Immerhin war dies ein Kerninhalt der Lehre des Heilands, dass die Menschen zusammenrücken und einander lieben sollten, was in Athen bereits seit zwei Jahrzehnten nicht mehr der Stand der Dinge war. Mit uneinsichtigen Leuten wie Elpenor jedoch, die durch ihren enormen Einfluss in ihrer Teilgemeinde diese quasi im Alleingang "regierten", gestaltete sich eine Einigung jedoch als schwierig bis unmöglich. Paulus hatte bemerkt, dass Nikanor vermutlich ähnlich einflussreich in seiner Teilgemeinde war wie Elpenor, doch hielt er Ersteren zumindest für etwas vernünftiger und kompromissbereiter.


    Mal sehen was Elpenor noch zu erzählen hatte, doch auf Paulus' letzter Frage hin antwortete er nicht gleich. Stattdessen goss er sich Wein nach und leerte den Kelch in großen Schlucken, um sich ein weiteres Mal nachzufüllen. Paulus wartete geduldig ab. Dabei machte ihm seine körperliche Schwäche von seinem Sitzstreik immer mehr zu schaffen. Jede seiner Fasern schrie förmlich nach Essen und Trinken und einem weichen Nachtlager, aber noch war er hier nicht fertig. "Was geschah danach?" wiederholte Paulus seine Frage von vorhin, um den Griechen zu einer rascheren Antwort zu bewegen. Je schneller er mit diesem Gespräch fertig war, desto besser. Paulus sah teilweise schon schwarze Flecken in seinem Sichtfeld und ihm war schwindelig. Elpenor zuckte bloß mit den Achseln und antwortete:




    Elpenor, Ältester


    "Was soll danach schon groß passiert sein... es begann die bis heute anhaltende Zeit der Sedisvakanz, aber ich schätze das sollte keine Neuigkeit für dich sein, andernfalls würdest du mich ja hier jetzt nicht belästigen, stimmts?"
    Paulus nickte. "Jedenfalls gab es Zwist wer Dionysios' Nachfolger werden sollte, weil Nikanor und die anderen einfach nicht einsehen wollten, dass sie einer Irrlehre folgen. Christus lebte und starb als Mensch. Er kann nicht gleich dem Vater sein, da dies gegen Gottes erstes Gebot verstoßen würde, das da sagt: "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben." Bestimmt hast du schon einmal davon gehört." Wieder nickte Paulus. "Natürlich, welcher Christ kennt denn nicht die zehn Gebote die Moses vom Berg Sinai mitgebracht hatte? Aber sage mir Elpenor, wer sagt denn, dass Jesus ein zweiter Gott neben dem Vater wäre? Es heißt ja in der traditionellen Lehre, dass Vater und Sohn eins wären zusammen mit dem Heiligen Geist. Das ist die göttliche Dreifaltigkeit, oder auch Trinität, wenn du so willst. Gott-Vater, Gott-Sohn und der Heilige Geist bilden also eine Wesenseinheit in drei Personen, die zusammen Gott ist." Elpenor schnaubte. "Ich habe es mir schon gedacht, dass du ebenfalls diesen Unsinn glaubst." Paulus schürzte die Lippen. "Ich gebe bloß wieder, was die traditionelle Lehre ist." Auch wenn er sich zuhause in Myra vor dem heutigen Tag nie aktiv damit auseinandergesetzt hatte, so merkte Paulus doch, dass auch er an die Trinität glaubte. Dies war die vorherrschende Lehrmeinung, wieso sollte diese falsch sein und sich so viele weit klügere Menschen als er irren?
    Nun schickte sich Elpenor an zum Gegenargument auszuholen: "Glaube ja nicht, dass das etwas neues wäre was du da von dir gibst, immerhin müssen wir uns das bereits seit Jahrzehnten von den anderen anhören und auch wir hatten einmal daran geglaubt, ehe wir unseren Fehler erkannten und der echten Wahrheit zu folgen begannen. Denn wenn der Vater und der Sohn zwei Personen sind, dann verstieße das gegen das erste Gebot wenn man annähme, dass Vater und Sohn vom gleichen Wesen seien, denn dann hätte man zwei Götter. Andererseits kann es sich aber auch nicht um eine Person handeln, denn das würde bedeuten, dass Gott Vater selbst in der Gestalt des Sohnes am Kreuz gelitten habe und das ist unmöglich und unvereinbar! Gott kann nicht gekreuzigt werden wie ein dahergelaufener Sklave!" Zugegeben, eine nicht ganz uneinleuchtende Sichtweise, doch Paulus hatte jetzt nicht die Zeit und Muse seine eigenen Ansichten über das Wesen Christi auf Elpenors Aussagen hin nochmals zu überprüfen. Damit würde er sich vielleicht später zuhause bei Aristophanes näher auseinandersetzen, jetzt jedoch interessierte ihn etwas anderes. Von wem hatte Elpenor eigentlich diese Lehrmeinung? Er hatte ja selbst gesagt, dass auch er früher an die Trinität geglaubt hatte und selbst hatte er sie bestimmt nicht erdacht, denn er wirkte in keiner Weise wie ein Gelehrter, oder ein Theologe. Eher wie ein typischer dekadenter Athener Politiker was er auch zweifellos sein musste, wenn er seinem Vater im Areopag nachgefolgt war.


    "Eine diskutierenswerte Ansicht, Elpenor, interessant, aber verrate mir doch bitte, von wem hast du diese Offenbarung erhalten? Ich würde zu gerne mit dieser Person sprechen, die als erste von der Athener Gemeinde zu dieser Erkenntnis gelangt ist."
    "Schön für dich, jedoch wird das nicht möglich sein." antwortete der Dicke etwas zu schnell. "So? Warum das denn?" Elpenor mahlte mit seinem Kiefer. Paulus hätte nur zu gern gewusst was jetzt in diesem Moment in seinem Kopf vorging. Vermutlich überlegte Elpenor gerade ob er ihn belügen sollte, konnte dies jedoch nicht ganz mit seinem Glauben, bzw. dem neunten Gebot vereinbaren, das Christen vorschrieb nicht zu lügen. Sollte Elpenor am Ende etwa doch mehr Christ sein, als Paulus das von ihm gedacht hatte? Elpenor wischte jetzt unwirsch mit der Hand vor Paulus Gesicht umher. "Weil es einfach so ist! Schluss jetzt mit diesen Fragen ich bin deiner müde. Gehe jetzt! Verlasse mein Haus!" Elpenor klatschte zwei Mal in die Hände und sofort erschienen zwei Bedienstete. "Führt diesen Taugenichts hinaus!" befahl Elpenor und wuchtete dann seinerseits seine Fettschürzen in die Höhe, um den Raum zu verlassen. Die Diener traten auf Paulus zu und hoben ihn an beiden Seiten hoch aus seinem Sitz heraus. Er war ganz froh über diese kleine Hilfe, denn in diesem Moment überkam ihn ein weiterer kleiner Schwächeanfall. Paulus wurde zur Tür hinausgeschoben und diese hinter ihm zugeschlagen. Er war ganz zufrieden mit dem Ergebnis seiner kleinen Unterredung mit der Gegenseite. Mochte sie auch inhaltlich nicht viel neues über die vergangenen Ereignisse ans Licht gebracht haben, so hatte sie ihm trotzdem einen neuen Ansatzpunkt beschert den er weiterverfolgen konnte. Doch weiter kam er nicht in seinen Grübeleien, denn einige Schritte nach einer Kreuzung nach Elpenors Haus wallte eine neue Schwächewelle über ihn weg und dieses Mal übermannte sie ihn.
    Paulus wurde schwarz vor Augen.


    >>>>>

  • Es tat gut nach so einer langen Zeit des Stillstands endlich wieder einer Spur folgen zu können. Ewig waren Paulus die Tage vorgekommen, wo er und Aristophanes darüber gebrütet gehabt hatten wie man zu Elpenor eines Gesprächs wegen vordringen könnte, doch nachdem dies ja jetzt geschafft war, konnten sie sich ganz auf ihr nächstes Ziel konzentrieren. Dies war jene Person zu finden, die am Anfang der ganzen Partei der Elpenianer gestanden hatte. Die Person Null, wenn man so wollte. Jene, die Elpenor zuerst ihre Ansichten über die Gleichheit, bzw. Ungleichheit Gottvaters und Gottsohns eingeflößt hatte. Was sie ja schon wussten war, dass es eine reiche Person sein musste, die sich die nötige Gelehrtenausbildung leisten konnte, damit man überhaupt erst zu solchen theologischen Ansichten kam, was den Kreis schon mal ein klein wenig einengte. Weiters musste diese Person irgendwie mit Elpenor in Kontakt stehen, oder gestanden haben, das war noch nicht so klar, da Paulus und Aristophanes ja auch noch nicht wussten, ob die gesuchte Person überhaupt noch lebte, oder schon längst verstorben war.


    Paulus ruhte sich noch zwei Tage von den Strapazen seines kleinen Hungerstreiks auf Elpenors Türmatte aus und blieb im Bett, während der kleine Amphorenhändler seinen Geschäften nachging und nebenbei schon einmal mit ihrer neuen Aufgabe begann sich nach geeigneten Gestalten umzuhören die in Frage kämen. Erst am dritten Tag nach Paulus' Gespräch mit Elpenor, war er wieder stark genug, um auch selbst hinaus auf die Straße treten zu können und sich mit den Leuten auf der Agora, oder auch auf der Akropolis bezüglich Elpenor und dessen Bekanntenkreis zu unterhalten. So viel sich die beiden auch durchfrugen, so kannte leider niemand einen passenden Mann, oder eine passende Frau mit Nähe zur christlichen Athener Gemeinde. Doch ganz wirkungslos waren ihre Erkundigungen doch nicht. Kunde drang nämlich an Elpenors Ohr, dass sich Nikanors Störenfried, dieser Paulus von Myra, der auch ihn in seiner eigenen Heimstatt schon belästigt und heimgesucht hatte, in der ganzen Stadt nach ihm und seinen Freunden erkundete. Damit sah Elpenor eine rote Linie überschritten. Dieses Insekt musste von der Bildfläche verschwinden, ehe es Elpenors korrupte Verbindungen zur römischen Provinzverwaltung aufdeckte, für die er schon so viele Jahre Zwist und Zwitracht in die Athener Christengemeinde brachte, um sie klein und schwach zu halten. Und vor allem gespalten, das war auch noch ganz wichtig zu erwähnen. So waren diese staatsfeindlichen Fischverehrer keine Gefahr für die geistige Integrität von Athen.


    Seinen Einfluss im Areopag nutzend konnte Elpenor bewirken, dass Paulus von Myra als christlicher Unruhestifter und Umstürzler gefangengenommen und hingerichtet wurde, als weithin sichtbares Exempel für die anderen Christen, dass sie ja schön in der Deckung blieben und nicht ihrerseits derlei Wiedervereinigungsexperimente wagten, wie Paulus dies getan hatte. Elpenor selbst hielt sich während der ganzen Aktion natürlich vollkommen bedeckt, immerhin musste er auch weiterhin unerkannt den Wolf zwischen den Schafen spielen, der dafür sorgte, dass die Athener den Imperator und die griechisch-römischen Götter ehrten und keinem gekreuzigten Irren aus Iudaea nachliefen, der einst einmal behauptet hatte vom jüdischen Gott abstammen zu wollen...



    - ENDE -

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!