[Baiae] Das Anwesen des M' Flavius Gracchus

  • Baiae, der altehrwürdige Landsitz der Gens Flavia, endlich! In jeder Faser seines Leibes konnte Gracchus die Reise aus Rom hierher nur allzu deutlich spüren. Er hatte geglaubt es wäre eine wunderbare Gelegenheit für einen langen Ausritt durch das frühsommerliche Italia - nicht nur da dies weitaus schneller würde vonstatten gehen als gemeinsam mit dem Gepäck im Reisewagen zu fahren, sondern auch da solche Gelegenheiten sich ihm in den letzten Jahren nur selten hatten geboten. Viel zu lange war es her, dass er sein feuriges Ross an den Stränden Achaias hatte angetrieben stetig Caius' Hengst hinterher, viel zu lange schon lag die letzte Jagd zu Pferd über Tage durch lichte Wälder hindurch zurück, viel zu lange war es her, dass sein Hinterteil den vertrauten Rücken des Pferdes Tag für Tag hatte verspürt ( - die grauenhafte Flucht aus Rom nach Mantua zu Pferd hatte er indes gänzlich verdrängt). Nein, im Grunde war es nicht nur viel zu lange her, sondern eine Ewigkeit. Dieser junge, dynamische Mann - ein halbes Kind beinahe noch - existierte schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Rom hatte ihn träge gemacht. Die Zeit hatte ihn alt werden lassen. Zu alt für tagelange Ritte zu Pferd. Mit einem deutlichen Stöhnen quälte der Flavier sich vom Rücken des Pferdes und streckte seinen eigenen Rücken durch. Zumindest die Aussicht auf das Antlitz seiner Familie ließ ihn ein wenig der Qual vergessen - sein geliebter Vetter Marcus Aristides, sein Neffe Serenus mit all seinen Kindern, und nicht zuletzt sein Sohn Titus. Ein leichtes Mahl zur Wiedersehensfreude, ein warmes Bad und eine Massage zur Lockerung der Muskulatur, hernach eine üppige Cena und ein guter Tropfen Wein, dazu ausgiebige Gespräche über Neuigkeiten hier und dort - was konnte das Ende einer Reise mehr versüßen? Selbst Agrippina, die garstige Mutter des Arisitides würde Gracchus diese Freude nicht verderben können.
    "Willkommen, Herr!", buckelte der Maior Domus des flavischen Anwesens alsbald vor Gracchus, ein Becher kühlen, verwässterten Wein in der Hand. Der Flavier nahm einen tiefen Schluck und blickte sich suchend um.
    "Wo ist Marcus?"
    "Hast du meine Nachricht nicht erhalten, Herr? Oh, ich habe es schon befürchtet da in deinem Schreiben stand, dass du dich schon auf dem Aufbruch befindest! Drei Tage bevor dein Ankommen angekündigt wurde, haben alle das Haus verlassen - der Brief muss wohl noch unterwegs gewesen oder irgendwo stecken geblieben sein!"
    Die Wiedersehensfreude auf Gracchus' Antlitz wich Konfusion.
    "Alle? Aber ... weshalb? Und ... wohin?"
    "Dominus Serenus ist zu einer großen Forschungsreise aufgebrochen - Dalmatia, Macedonia, Eprius und Achaia für den Anfang, später vielleicht auch noch weiter in die östlichen und südlichen Provinzen. Er will seinen Söhnen die Welt zeigen und hat auch Titus Gracchus mit auf die Reise genommen, dass ein Mann von Welt aus ihm werden kann."
    "Die Welt ... Titus ..."
    , repetierte Gracchus leise und noch immer derangiert, ein wenig entgeistert geradezu. Der kleine Titius in der großen, weiten Welt, ausgeliefert allen möglichen Widrigkeiten und Gefahren!
    "Seine Gemahlin ist für diese Zeit mit den Töchtern zu ihrer Familie nach Capua, und Dominus Aristides ist schon einige Tage zuvor zu seinem Bruder nach Sardinia gereist - dringende Familienangelegenheiten, wie Secundus Felix schrieb."
    "Sardinia ..."
    , konnte der Flavier weiterhin nur stupide Wortfetzen repetieren. Alle waren fort.
    "Nur die ehrenwerte Agrippina befindet sich noch im Hause, allerdings ist sie zur Cena bei einer ihrer Freundinnen in der Stadt geladen. Ich kann sie indes umgehend von deiner Ankunft benachrichtigen, sofern du dies wünschst."
    "Agrippina ... "
    , wechselte die Couleur Gracchus' Stimme nun in eine resignierte Fasson.
    "Nein, nein das ist nicht nötig. Wir ... wir werden in den kommenden Tagen noch genügend Zeit haben, uns einander zu sehen."
    Je weniger, desto besser.
    "Nun"
    , begann der Flavier sich ein wenig unschlüssig nach seinem Vilicus umzusehen.
    "In Anbetra'ht dieser Gegebenheiten werde ich wohl geradewegs zu dem neuen Anwesen weiterziehen."
    Seit Ende des Frühlings bereits war das Landhaus auf dem angrenzenden Grundstück, welches Gracchus zum Ende seines Consulates von Augustus Aquilius hatte erhalten, fertig gestellt und wartete nur auf den Hausherren zur Besichtigung, respektive Inbesitznahme. Noch einmal quälte der Flavier sich darob für die letzten mille passus zurück auf den Pferderücken, um statt des geselligen Divertissement im Kreise seiner Familie dem eremitischen Refugium seines neuen Domiziles entgegen zu blicken.

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  • Nicht viel später stand Gracchus im prachtvollen Atrium und nahm einen Becher Wein zum Willkommensgruße entgegen. Eine Weile wog der ältere Flavius ihn in seiner Hand, da ihm gewahr wurde, dass dies ein symbolträchtiger Augenblick für jenes Anwesen war, welches das erste darstellte, welches er gänzlich aus eigener Schaffenskraft hatte erhalten. Weder sein Vater, noch ein Onkel oder irgendein Anverwandte oder Freud der Familie hatten ihm dieses Anwesen vermacht, so dass er darin und damit zu tun oder zu unterlassen vermochte, was ihm beliebte.
    "Sciurus, wie mir scheint, ist dies nun mein erstes eigenes Haus!"
    Versonnen lächelte er seinen Vilicus an. "Was ist mit all den anderen Anwesen, welche dir gehören?"
    "Geerbt, überschrieben, im Besitz der Familie. Doch diesen Grund und Boden hat der Augustus einzig mir allein verma'ht, dieses Haus wurde auf meine Weisung hin nach meinem Gutdünken errichtet. Dieses Haus werde ich vererben. Erkunden wir die Räumlichkeiten! Sodann lasse mein Gepäck in das größte der Schlafgemächer dirigieren!"
    So geschah es in den folgenden Augenblicken, an welche hernach ein ausgiebiges Bad und eine - ein wenig einsame, doch nicht minder exquisite - Cena anschlossen, ehedem Gracchus zum Ende des Tages seiner Familie in Rom und seinem Sohn im Fernen Germania einen Brief diktierte.

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  • Die ersten Tage verbrachte Gracchus damit, das neue Domizil im Detail in Augenschein zu nehmen und um seine eigene Persönlichkeit zu erweitern. Die Villa gestaltete sich klassisch schlicht, doch überaus geräumig. Obgleich ein jedes Zimmer wohl nur ein wenig größer war als jene in der Villa Flavia zu Rom, summierte sich dieser Eindruck zu einer regelrechten Weitläufigkeit, welche solcherart zu gestalten nur in der Ländlichkeit der Provinzen möglich war. Verstärkt wurde dieser Eindruck zweifelsohne auch durch ein gewisse Leere ob des Mangels an Individualität und Charakter, welche die Räumlichkeiten mit Erinnerungsstücken, Kleinoden und Ausdruck des eigenen Stils würde erfüllen. Gerade diese Absenz einer Persönlichkeit und ihrer Geschichte war es jedoch, welche Gracchus anfangs auskostete - ein gänzlich anonymes Leben ohne Vergangenheit und Gegenwart, ohne Verpflichtungen und Erwartungen, in welchem er gleichsam jede Nachricht aus Rom zu ignorieren wusste, jede Meldung und jedes Gerücht schlichtweg außerhalb der Grenzen seines Refugium verkümmern ließ. Als das Vakuum übermächtig wurde und nach Inhalt verlangte, entzog er sich dem durch die Flucht in den Garten, und wurde auch dieser zu klein und traut, so blieb ein Stück leeres Land entlang der Küste, welches den Gewalten der Natur ausgesetzt niemals einen fremden Charakter würde annehmen. Ein kleiner Felsbrocken inmitten dieser urwüchsigen Landschaft wurde alsbald zu seinem Lieblingsplatze, von welchem der Flavier aus das Wogen des Meeres, die Fischerboote und ab und an ein Handelsschiff in der Ferne den Tagen gleich an sich vorüber ziehen ließ. Die Welt schien mit eine Male viel zu groß, um sie stets nur auf Rom zu begrenzen, und Rom schien mit einem Male viel zu fern, um dem Leben und Treiben dort eine Bedeutung beizumessen. Tagein, tagaus ward die Welt nun umfasst von Land und Meer und Himmel, und das Leben und Treiben geprägt von den Gesetzen der Natur.

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  • Eines Tages war der Fels am Meer besetzt, eine schmale Person bot ihren mit einem Mantel aus luftigem, fein gewebten und reich verzierten Linnen bedeckten, geraden Rücken dar, das samtige, schwarzfarbene Haar akkurat geflochten und empor gesteckt. Da Gracchus in den zurückliegenden Tagen den Kontakt zu Agrippina hatte so gering wie möglich gehalten und sonstig nur von Sklaven war umgeben, bewog die Aussicht auf eine zwanglose Konversation ihn näher zu treten.
    "Es hat mich bereits verwundert, dass ein Ort solch pittoresker Aussi'ht nicht häufiger frequentiert wird"
    , eröffnete er, ob dessen die Frau auf dem Stein ihren Kopf ihm zudrehte. Auf ihrem zarten Gesicht erhob sich sogleich ein erfreutes Lächeln, welches noch weit über ihre dunklen, braunfarbenen Augen sich zog, gleichwohl schien sie wenig erstaunt über seine Person, beinahe als hätte sie ihn erwartet.
    "Manius Gracchus, welch eine Freude, dich zu sehen!"
    Eben jener indes war gänzlich perplex ob ihres Anblickes, öffnete den Mund, schloss ihn wieder - ein wenig einem Fische similär, welcher am Lande versuchte zu atmen -, öffnete ihn erneut und bewerkstelligte schlussendlich ein bass erstauntes:
    "Callista!"
    zuwege zu bringen, ehedem sein Geist von einer regelrechten Euphorie wurde erfasst, welche indes nicht zuträglich war, seine Worte zu strukturieren.
    "Welch ... Überraschung! Was ... wie lange ist es her? Was ... was tust du hier?"
    Sie sah kaum älter aus als vor all diesen etlichen Jahren, hatte ihren Anmut und ihre Leichtigkeit sich bewahrt, allfällig ein wenig an Grazie hinzugewonnen.
    "Ich wohne hier. Dort, hinter den Zypressen."
    Der Flavier folgte mit seinem Blick dem zarten Wink ihrer Hand zu einem kleinen Wäldchen, welches als grünfarbener Schleier das weitere Land hinter sich verbarg.
    "Komm"
    , wies sie mit der Hand neben sich.
    "Setzte dich zu mir und berichte, was dich hierher verschlägt."
    Noch immer perplex über das unerwartete Wiedersehen nahm Gracchus auf dem Felsblock Platz und berichtete, dass er ebenfalls nun hier wohnte und sie augenscheinlich somit Nachbarn waren.
    "Der Augustus hat mir dieses Stück Land nach meinem Consulat geschenkt. Bisweilen ..."
    Er zögerte kurz.
    "Bisweilen mutmaße ich, er hat darauf ge..hofft, dass ich dafür Rom den Rücken kehre."
    "Weshalb das? Warst du etwa aufmüpfig oder hast dich nicht schicklich benommen?"
    Callista kicherte mädchenhaft, was wiederum Gracchus' Lippen in einem kurzen, unergründlichen Lächeln sich kräuseln ließ.
    "Vielleicht. Doch ... nun, ist dir dieses Sentiment traut wenn du ein Geheimnis hütest und du weißt nie genau, wer das Wissen darum mit dir teilt? Selbst wenn du es achtsam insinuierst kannst du niemals sicher sein, ob dein Gegenüber deine Worte geflissentli'h nicht aufgreift, oder ob er sie gar nur aleatorisch mit der Wahrheit quittiert, denn niemand wird jemals offen darüber sprechen."
    Er seufzte leise.
    "Ich habe beständig das Gefühl, der Augustus kennt jedes Detail, und stehe ich erst oben auf dem Capitolinus am tarpeischen Felsen, so wird er seine Hand ausstrecken und mich hinabstoßen müssen. Doch aus irgendeinem, mir nicht gänzlich ersichtli'hen Grunde, möchte er vermeiden, dass ich dort zu stehen komme. Darob Baiae."

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  • Die Einladung zur Cena hatte Callista ausgeschlagen - so wie sie es an den folgenden Tagen stets zu tun pflegte, würde ein profanes Essen in einer profanen Umgebung doch jeglichen Zauber ihrem unbeschwerten Beisammensein entreißen -, stattdessen proponiert, sich am folgenden Tage nach der Mittagszeit an gleicher Stelle wieder zu treffen. Leichtfüßig verließ Gracchus den flavischen Garten auf den schmalen Pfad über die struppige Wiese, hatte kaum einen Blick für das sanftmütige Wogen der Wellen, für die surrenden Bienen und Schmetterlinge oder die über ihn dahinziehenden Meerraben. Callista erwartete ihn bereits auf dem Felsblock sitzend - so wie sie es an den folgenden Tagen stets zu tun pflegte.
    "Ist es nicht wunderschön, das Meer?"
    begann sie kaum dass Gracchus neben ihr saß.
    "Kein Wunder, dass die Wiege der schönsten Göttin eine schäumende Welle war."
    Der Flavier schnaubte leicht und rümpfte die Nase.
    "Es ist nicht halb so schön wenn es tief schwarzfarben unter deinen Füßen schwankt, dich mit jedem Augenblicke zu ver..schlingen droht und dir jedes Essen abringt, das du versuchst deinem Leibe zuzuführen."
    Callista lachte hell auf - nicht hämisch oder herablassend, schlicht glockenhell und voller Entzückung.
    "Oh Manius, das klingt aber nicht nach meinem furchtlosen, starken Faun!"
    Wie das Strahlen der Sonne nach einem sommerlichen Gewitter die düsteren Wolken zu vertreiben vermochte, vertrieb ihre Leichtigkeit die düstere Erinnerung an gräuliche Überfahrten aus Gracchus' Geiste.
    "Ein Faun allfällig, wenn überhaupt - doch fur'htlos und stark, das war ich nie. Im Gegenteil, in den entscheidenden Augenblicken fehlen mir diese Eigenschaften stets vollkommen"
    , retournieren er ein wenig spöttisch.
    "Aber, aber - hast du nicht für die Wahrheit, Rom und die Familie mehr als einmal Mut und Stärke bewiesen?"
    beharrte sie dagegen.
    "Die entscheidenden Augenblicke, dies waren womöglich genau jene. Du kannst es nur nicht konstatieren, da keine Katastrophen aus ihnen erwachsen sind, an denen du dich richten könntest."
    "Ein schöner Gedanke, teuerste Callista, und überaus profund, ganz als hättest du dich dem Studium der Philosophen hingegeben."
    Sie wandte ihren Blick aufs Meer hinaus.
    "Oh nein, teuerster Manius, ich habe nur Bücher gelesen, viele Bücher. Und im Gegensatz zu dir entsinne ich mich des Inhalts der meisten noch sehr genau."
    Wieder lachte sie ihr befreiendes, entzückendes Lachen, dass Gracchus nicht umhin kam, die Bemerkung ihr nicht zu grämen, sondern schlichtweg mit einem breiten Lächeln zu erwidern.

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  • "Erzähle mir von deiner Famile"
    , forderte Callista ihn ein andermal auf, sobald Gracchus neben ihr saß und seinen Blick hinaus in die Ferne richtete.
    "Meiner Familie?"
    "Aber ja. Du hast doch eine Familie, nicht wahr?"
    fragte sie spöttisch als müsste er an sein eigenes Leben erinnert werden.
    "Ja. Ja, natürlich"
    , erwiderte er ein wenig derangiert.
    "Nun, meine Kinder ... meine Söhne ... Minimus und Titus Gracchus. Ich hatte er..wartet, Titus hier in Baiae anzutreffen. Ich habe ihn ... schon lange nicht mehr gesehen. Er lebt bei meinem Vetter und meinem Neffen, wegen ... nun, weil es in Rom ... es ist ... es war schlichtweg besser so."
    Er ließ unerwähnt, für wen dies besser gewesen war.
    "Doch nun ist er fort, auf einer Reise. Es ist wohl ein Sinnbild unserer Beziehung, dass wir kaum je beisammen an einem Ort sind."
    Er seufzte.
    "Allfällig wird er nach meinem Tode eine Gedenktafel erri'hten mit den Worten: Meinem unbekannten Vater."
    Callista kicherte.
    "Und dein jüngerer Sohn, Minimus?"
    "Oh nein"
    , winkte Gracchus ab.
    "Minor ist der ältere. Doch als er geboren wurde ... er war ... so winzig. Wir nannten ihn darob Minimus und dabei blieb es sein Leben lang."
    Letztlich war keines seiner Kinder bei der Geburt wesentlich größer gewesen, doch da Gracchus zuvor niemals mit Neugeborenen sich hatte auseinandersetzen müssen schien Minor ihm damalig viel zu klein als dass jemals ein richtiger Mensch aus ihm hätte werden können.
    "Lebt er auch hier?"
    "Nein, er lebt in Rom. Nun, zur Zeit ist er in ... Germania."
    Durchaus schimmerte des Flaviers Abneigung gegen diese Provinz durch die Couleur seiner Stimme.
    "Er leistet ein Mili..tärtribunat in der Legion ab."
    "Wie tapfer! Du musst sehr stolz auf ihn sein."
    Gracchus atmete tief ein, blickte in die Unendlichkeit des Meeres und schwieg. Callista drängte ihn nicht zu einer Antwort, verharrte in gleichem Schweigen neben ihm bis dass er endlich bereit war, fortzufahren.
    "Ich habe stets von ihm erwartet, dass er seiner Familie zur Ehre gereicht. Nichts anderes bot seine Zukunft als seiner Herkunft gerecht zu werden, indem er sein Leben Rom darbietet, dass es über ihn verfügt als hätte er selbst kein Re'ht daran. Ich habe von ihm erwartet ein Sklave zu werden seines Namens, den von den Abdrücken der ererbten Kettenglieder gesäumten Fußstapfen seines Vaters zu folgen, welcher jeden Schritt vor ihm tat, um den Weg ihm zu ebenen."
    Wieder schwieg Gracchus einige Augenblicke ohne dass Callista sprach. Still lauschte sie dem fernen Rauschen der Wellen, dem leisen Wispern des Windes zwischen Gräsern und Blättern, dem Rascheln eines Vogels, welcher unweit nach Würmern pickte, während der Flavier den fernen Stimmen der Vergangenheit nachhing.
    "Dann kam der Bürgerkrieg."
    Mörder!
    "Ich habe von ihm erwartet den vom Blut eines Imperium gesäumten Fußstapfen seines Vaters zu folgen."
    Mörder!
    "Und dann habe ich nichts mehr von ihm erwartet. Ich habe ihn seiner Familie, seiner Familienehre, seiner Herkunft beraubt, alle Fußspuren ver..wischt, ausgelöscht. Ich habe ihn, sein Leben ausgelöscht wie das meine. Welcher Sohn würde einem solchen Vater noch folgen?"
    Es war eine rhetorische Frage, denn Gracchus kannte die Antwort nur zu gut.
    "Dennoch habe ich selbiges später neuerlich von ihm verlangt. Als er dies verweigerte war ich zum Äußersten bereit und - bei den Ketten des Cerberos - ich hätte ihn endgültig seiner Herkunft beraubt, hätte er nicht eingelenkt. Als mir dies bewusst wurde, war es beinahe zu spät. Und als ich endlich erkannte, welche Ketten ich ihm anlegte, da nahm er sie selbst auf."
    Langsam schüttelte er den Kopf.
    "Früher einmal wäre ich stolz auf ihn gewesen. Heute frage ich mich, ob dies tatsächli'h alles von Belang ist? Oder ob er nicht am Ende seines Lebens wird zurückblicken und all die vertanen Chancen erkennen müssen?"
    Neuerliche Stille folgte. Ein kleines Segelboot, ein Fischer allfällig, kreuzte die Wellen, kam einige Zeit auf sie zu, um sich alsbald wieder in Richtung des Horizontes zu entfernen.
    "Jede Chance, welche ein Mensch vertan hat, impliziert eine weitere, welche er ergriffen hat. Das gilt für deinen Sohn, ebenso wie für dich, Manius. Du besitzt nicht die Weitsicht der Götter, nicht die Hellsichtigkeit der Parzen. Jeder Augenblick ist eine Entscheidung, doch es gibt kein Gut und kein Schlecht bei deiner Wahl. Akzeptiere deine Entscheidungen und auch die deines Sohnes, dass du nicht der Chance nachtrauerst, welche er vertan haben mag, sondern stolz sein kannst auf die Chance, welche er ergriffen hat."
    Das Segelboot hatte jene Linie erreicht, an welcher Meer und Horizont sich begegneten. Einen Augenblick flirrte sein Abbild noch in der Ferne, dann war es verschwunden - als wäre es am Ende der Welt von dieser hinabgefallen und von der Endlosigkeit verschluckt.

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  • M' Flavius Gracchus
    Villa Rustica Flavia
    Baiae, Italia


    M' patri suo s.p.d.


    Ich danke dir verbindlichst für deinen Brief, welcher mich hier im durchaus sommerlichen Germania erreicht hat. In der Tat gewährt mir das Land eine sanfte Akkomodation hinsichtlich der klimatischen Gegebenheiten. Größere Mühen bereitet mir hingegen das Leben in der Legion, denn obschon ich überaus kommod untergebracht bin und über tätige Unterstützung seitens meiner Ordonnanz nicht zu lamentieren vermag, gibt es doch zahlreiche bisherig unbekannte Gepflogenheiten und militärische Routinen zu erwerben, sodass es keinesfalls zu jeder Zeit lediglich ehrenvoll und süß erscheint, dem Vaterland zu dienen.


    Indessen habe ich mich durch ein Gelübde gar den örtlichen Patron der Legion, Mars Thincsus, verschrieben, aufdass er mir zur Seite stehe bei meinem Mühen ein guter Soldat zu werden. Seines Segens werde ich in Kürze in der Tat bedürfen, denn Titus Duccius Vala, der hiesige Kommandeur, hat mich mit einer durchaus riskanten Aufgabe betraut: Ich soll eine Gesandtschaft zu den benachbarten Stämmen der Chatten anführen, mit welchen es kürzlich zu kleineren bewaffneten Scharmützeln kam. Der Konflikt dreht sich unter anderem um eine germanische Seherin, die als Kriegsgefangene versklavt wurde und mir mir derzeitig als Sklavin dient. Ein wenig beängstigend erscheint mir zwar der Umstand, dass sie augenscheinlich eine besondere, divine Gabe besitzt, welche sie möglicherweise gegen mich zur Anwendung bringen könnte, doch nahm ich sie auf Bitten des Praefectus Castrorum auf, sodass es mir kaum possibel erscheint, ihrer wieder ledig zu werden.


    Überhaupt erweist sich auch die Leitung eines eigenen Haushaltes als durchaus fordernde Obliegenheit und erst jetzt wird mir bewusst, welch hohe Qualität das Gesinde der Villa Flavia Felix und insonderheit dein Villicus Sciurus aufweist. Indessen vermisse ich durchaus auch dich und Scato, da doch damals, als euer Rat mir tagtäglich zur Verfügung stand, ich hochmütigerweise ihn nicht konsultierte, und nun, da ich ihn benötigte, er mir weitgehend verwehrt ist.


    Dennoch werde ich, so mir die Götter hold sind, mein Bestes geben, um unsere Familie auch auf dem Felde der Ehre würdig zu vertreten. In der provinziellen Gesellschaft zumindest habe ich bereits einen gewissen Anteil genommen und dabei - wie klein doch die Welt ist! - einen Eques angetroffen, welchem du durchaus bekannt bist: Es handelt sich um Duccius Verus, seines Zeichens Flamen Divi Augusti der Provinz Germania Superior, welcher augenscheinlich vor vielen Jahren das Ende seiner Ausbildung unter deinen Augen in Roma vollzog. Er lässt dir Grüße bestellen und hat mich gemeinsam mit seinem Vetter, Duccius Marsus, zu einer Jagdpartie eingeladen. Den dritten der hiesig überaus populären Duccii, Titus Duccius Vala, sehe ich indessen selten, obschon er mein Kommandeur ist, da er gerade in den Sommermonaten die Provinz zu bereisen pflegt. Auch er hat mich jedoch freundlich empfangen.


    So unsere Anverwandten nach Baiae zurückkehren sollten, richte ihnen meine wärmsten Grüße aus (auch hier scheint ja ein mirakulöser Fluch auf uns zu lasten, da just als du zu ihnen aufbrachst, sie von deiner Destination wichen). So es mir gestattet sein wird, werde ich nach meinem Tribunat dir und ihnen einen Besuch abstatten.
    Ich bitte dich schließlich, den Unsterblichen und insonders unseren Maiores für mein Wohl und den Erfolg meiner Mission zu opfern, da du doch zweifelsohne ihnen ein würdigerer Diener bist als ich.


    Vale bene!

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  • Die Morgen im provinziellen italischen Exil gestalteten sich oft überaus dröge, tangierten den Flavier die Neuigkeiten, Skandale und Gerüchte der Lokalitäten doch kaum, gleichwohl hatte er jegliche Nachrichten aus Rom Sciurus zu überbringen untersagt, war das dortige gesellschaftliche Leben doch belanglos, da Gracchus nicht daran partizipierte, die Politik gleichermaßen, da sie in der Provinz für ihn sich kaum auswirkte, wiewohl er ebensowenig darin musste sich einbringen. Umso erbaulicher gestaltete sich darob die Ankunft eines Briefes aus Germania, gesandt von jenem erstgeborenen Sohn, der Gracchus' Namen trug. Im lichtdurchfluteten Peristyl hatte der Flavier sich voll Euphorie auf eine Kline gebettet, um die Kunden Minors aus dem Munde seines Sklaven zu empfangen, doch mit jedem Worte mehr legte sich Betrübnis über sein Herz. Durchaus sommerlich, dies konnte nichts anderes bedeuten als schlichtweg zu kalt und nass; große Mühen in der Legion, dies bedurfte nicht einmal einer Umschreibung seines Sohnes; bisherig unbekannte Gepflogenheiten und militärische Routinen, was war dies als eine Deskription für raue, harsche Sitten, grobschlächtige und nassforsche Töne? Zumindest Mamarce würde wachen über den einsamen Sohn aus Roma, nicht nur als Patron der Soldaten zweifelsohne, sondern auch als Vater aller Römer und als Patron aller Väter eines römischen Sohnes. Augenblicklich indes richteten sich alle Haare im flavischen Nacken auf als der Name des Duccius Vala fiel, gefolgt von seiner riskanten Weisung. Gracchus' Schultern versteifen sich, sein ganzer Körper wurde umhüllt von großer Anspannung während der Sklave unbeirrt mit dem Verlesen des Briefes fortfuhr. Chatten, bewaffnete Scharmützel, Konflikt, Kriegsgefangene, beängstigende Umstände.
    "Genug!"
    fiel der Flavius seinem Vilicus ins Wort und erhob sich am ganzen Leibe bebend vor Ingrimm. Sein fahriger Griff nach dem verdünnten Weine verschüttete bald schon die Hälfte, ehedem er den gläsernen Pokal zum Boden hin wies.
    "Dis Pater, Herr über die unter..gründigen Reihe und ihrer toten Bewohner, Dir schwöre ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Vespasianus, sollte mein Sohn, Manius Gracchus Minor aus Germania nicht zurückkehren, dann werde ich selbst und mit meinen eigenen Händen den Titus Duccius Vala Dir, Dis Pater, auf die Schwelle zu Deinem Rei'he werfen, dass Du ihn hinab ziehen sollst in die Tiefen des Tartarus für alle Zeiten!"
    Indem er das Glas zu Boden schmetterte, dass die Scherben in tausende Splitter zersprengten und der Wein sich blutrotfarben verteilte als wäre der Tod bereits in diesem Hause Gast gewesen, besiegelte Gracchus den Pakt. Stumm und reglos harrte die Sklavenschaft um ihn her während auf seinen Wangenknochen abzulesen war, wie Furor und Zorn mit seiner Beherrschung rangen.
    "Ich bin im Hortus"
    , erklärte er schlussendlich barsch ohne irgendjemandem Rechenschaft schuldig zu sein, trat achtlos über die Scherben hinweg und die Flucht an in die laue Morgenluft, den sanften Wind vom Meer herüber und den bereits zu dieser Tageszeit warm sich ausbreitenden Strahlen der Sonne, ohne noch das Ende Minors Brief gehört zu haben.

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  • Erst Tage später hatte sich Gracchus derart beruhigt, dass er auch den Rest des Briefes zu hören bereit war, und im Anschluss daran eine Antwort zu verfassen.




    Tribunus Laticlavius Manius Flavius Gracchus Minor - persönlich -
    Castra Legionis II Germanicae
    Mogontiacum, Provincia Germania Superior


    Mein Sohn,


    mehr als alles andere hoffe ich, du befindest dich wohl, bei bester körperlicher aber auch geistiger Gesundheit. Dass der Militärdienst nicht spurlos an dir wird vorübergehen, eine Anstrengung in jeder Hinsicht werden wird, dies war zweifelsohne - wenn auch nicht von dir - zu antizipieren. Doch verzage nicht, entsinne dich deiner Stärken, welche so reichhaltig in dir angelegt jegliche Schwächen zu kompensieren vermögen.


    Mit Sorge indes vernehme ich jene Aufgabe, welche dir anvertraut wurde. Nimm dich in Acht vor Duccius Vala, der zwar mit den römischen Wölfen heult, in seinem Wesen jedoch eine Hyäne ist, die sich vom Aas der Stärkeren nährt und stets seinen eigenen Vorteil bedenkt. Allfällig braucht es in Germania einen Mann, der die römischen Werte mit Füßen tritt, um die feindlichen Stämme besänftigt zu halten, doch du, mein Sohn, vergiss niemals wer du bist, und gebrauche deinen Verstand mehr als dass du diesem Manne Vertrauen schenkst. Dein Verstand ist es, welcher auch meine Sorge ein wenig besänftigt, denn obgleich du nicht immer seinem Wege gefolgt bist, so bin ich doch dessen gewahr, dass du dich im Zweifelsfalle auf ihn verlassen kannst und wirst. Kein anderer also ist allfällig mehr geeignet, diesen Konflikt zu lösen, kein anderer der mehr geeignet ist die Kabalen der germanischen Barbaren zu durchschauen. Ihre Götter sind nichts anderes als die urtümlichen Prinzipien, nicht anders beeinflussen sie diese als wir selbst, wenn auch der wissende Germane zweifelsohne stärker die Kräfte zu seinem eigenen Vorteile nutzen wird, statt zum Wohle der Allgemeinheit oder eines anderen hehren Ansinnens. Darum halte dich stets an deine eigenen Götter, wisse um die Macht der Prinzipien, wie ich es dich lehrte, und halte deinen Geist verschlossen vor Furcht und Angst vor nicht existierenden Mächten und menschlichen Trügereien.


    Der Duccius Verus von welchem du berichtest ist mir indes nicht mehr bekannt, zu viele Unterrichtungen habe ich doch in meinen Jahren begleitet, und zu viele provinzielle Flamen hat das Reich als dass ich mich all ihrer Namen könnte entsinnen. Doch sende ihm Grüße zurück, denn wie könnte ich einem Manne diese nicht vergelten, der meinen Sohn in der Fremde in seine Gesellschaft aufnimmt, um das alltägliche Leben ihm dort zu erleichtern.


    Auch wenn mein Rat dich nicht tagtäglich erreichen kann, so wisse doch, dass meine Gedanken stets bei dir und Titus in fernen Ländern weilen, gleichwohl meine Bitten um euer Wohl vor den Maiores und den Göttlichen alltäglich sind.


    Mögen die Götter dich schützen und vor aller Fährnis bewahren!


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  • "Du siehst traurig aus."
    "Ich bin besorgt."
    Gracchus starrte über das Meer hinweg und verlor seinen Blick am fernen Horizont, welcher an diesem Tage bedeckt war von graufarbenen Wolken. Allfällig würden diese am Abend noch einen leichten Schauer heranwehen, allfällig aber auch nur weiter entlang des Landes ziehen und erst weit im Norden, an den Ausläufern der Alpes sich brechen.
    "Weshalb?"
    Ein tiefes Seufzen echappierte der Kehle des Flaviers, ehedem er antwortete.
    "Um Minors Wohl. Der Legat ... Duccius Vala"
    , er spie den Namen beinahe aus,
    "hat ihn hinter die Grenze beordert, um dort einen diplomatischen Konflikt mit den germanischen Bar..baren zu lösen!"
    Erstaunt hob Callista eine Braue.
    "Aber das ist doch wunderbar. Wäre dir etwa wohler zu wissen, dass er an der Grenze sich einem Kampf stellen muss?"
    "Nein!"
    parierte Gracchus vehement.
    "Er hat schli'htweg weder an, noch hinter der Grenze seinen Dienst zu tun! Minimus ist ein Tribunus Laticlavius aus Rom! Er ist kein Mann des Militärs! Er ist ... er ist eine halbes Kind und das gänzli'he Gegenteil eines Soldaten! Duccius, diese ... falsche Schlange, spielt mit seinem Leben weil er ein Flavius ist, weil er mein Sohn ist und weil nichts ihm mehr Freude be..reitet als der Welt zu beweisen wie er sie dirigieren kann!"
    Callistas Kichern erstickte unter einem zornigen Blick des Flaviers. Dennoch ließ sie sich nicht davon abbringen, ihm eine Hand beruhigend auf den Arm zu legen.
    "Bist du sicher, dass Minimus noch immer ein halbes Kind ist? Allfällig ist er älter und erwachsener als du wahrhaben willst, und mehr Soldat als dir lieb ist. Bedenke, dass er ein patrizischer Tribunus Laticlavius ist. Er hat diesen Schritt selbst gewählt. Duccius Vala gewährt deinem Sohn mehr als du ihm zuzugestehen bereit ist. Er bietet ihm die Chance, seine Erfahrungen selbst zu erleben und aus dem Schatten seines Vaters hervorzutreten."
    Gracchus schnaubte, konnte indes den Worten Callistas nichts entgegen setzen. Er war sich dessen bewusst, dass er Vala niemals unvoreingenommen würde gegenüber stehen können, doch letztlich hatte er die Beweggründe und Gedanken des Ducciers schlichtweg nie konstatieren oder begreifen können. Vala mochte seinen Sohn ebenso leichtfertig in das offene Verderben rennen lassen, wie er ihn mit einer diplomatischen Mission vor den wahren Gefahren Germanias schützen mochte.
    "Sollte Minor zu Schaden kommen, werde ich den Duccius eigenhändig in den Hades be..fördern"
    , grummelte er undultsam.
    "Das ist womöglich dein väterliches Recht. Aber was wirst du tun, wenn dein Sohn gereift aus Germania zurück kommt? Wirst du dem Duccius eine Danksagung senden?"
    "Genug!"
    echauffierte sich Gracchus und wollte sich bereits von dem Felsbrocken erheben. Callista indes festigte ihren Griff um seinen Arm.
    "Bitte, Manius, bleibe hier. Lasse uns über etwas anderes sprechen."
    Widerwillig blieb der Flavier sitzen. Es dauerte eine geraume Weile, ehedem er wieder sprach.
    "Ich wünschte, es würde heute noch regnen. Es hat schon viel zu lange nicht mehr geregnet, zu viel Staub hat sich auf dem Land angesammelt."
    Sehnsüchtig wandte sein Blick sich zum Horizont. Könnte der Regen nur auch den Staub auf ihm selbst mit sich hinfort nehmen, all den Unrat seiner Seele hinfortspülen, vor welchem er aus Rom war geflohen, vor dem es doch kein Entrinnen gab."

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  • Einer der Reiter des Cursus Publicus hielt heute auch einmal wieder am Landsitz eines flavischen Senators und brachte folgendes Schreiben:



    Senator Manius Flavius Gracchus
    Villa Rustica Flaviana
    Baiae



    Sextus Aurelius Lupus suo amico Flavio Graccho s.d.


    Vermutlich haben deine Frau und deine Verwandten dich schon über die Geschehnisse in Rom unterrichtet. Doch für den Fall, dass du noch keine Berichte erhalten hast, möchte ich verhindern, dass du als Letzter von allem erfährst.


    Dein Verwandter Flavius Scato hatte - sicherlich zu deiner Kenntnis – Spiele in seiner Funktion als Aedil ausgerichtet. Im Nachhinein betrachtet muss ich feststellen, dass ich das Glück hatte, aufgrund anderer Verpflichtungen nicht daran teilnehmen zu können, denn bei just diesen Spielen kam es zu einem terroristischen Akt eines wütenden Mobs von Peregrinen und Sklaven. Diese schossen teilweise mit Bögen auf die Zuschauer und verursachten nicht nur einige Tote, sondern auch eine große Panik unter den Zuschauern, welche sofort flohen.
    Im weiteren Verlauf plünderte dieser aufständische Mob einige Häuser und erschlug eine Vielzahl an Römern. Leider muss ich dir berichten, dass hierbei auch unsere gemeinsamen patrizischen Freunde, die Tiberier, betroffen waren. Deren Villa wurde bis auf die Grundfesten niedergebrannt und alle anwesenden Personen erschlagen. Die Verbrecher erdreisteten sich sogar, den Patrizier Titus Tiberius, an Ort und Stelle an einer Hauswand zu kreuzigen.


    Glücklicherweise waren viele der Tiberier allerdings nicht zuhause. So habe ich Tiberia Corvina und Tiberia Maximilla Obdach in der Villa Aurelia bis auf weiteres geboten. Von Tiberius' Durus Söhnen Ahala und Postumus indes habe ich keine weitere Nachricht, wenngleich diese sich nicht unter den Toten der Villa befanden, für welche ich für eine Beerdigung durch angemessene Bestatter selbstverständlich gesorgt habe.


    Ebenfalls soll die Domus der Aennaer geplündert worden sein und die Witwe von Aennaeus Modestus wurde nach einigen Gerüchten zumindest verletzt zu ihren Verwandten verbracht worden sein.


    Nach meiner Kenntnis ist die Villa Flavia aber glücklicherweise von alledem verschont geblieben, ebenso wie die Villa Claudia und mein eigenes Zuhause. Ebenso wie ich meinen Nachbarn und den Tiberia erst einmal Schutz und Obdach gewährt habe, haben auch deine Verwandten und die Claudier mit Menschen ihrer Umgebung verfahren, wie es den patrizischen Familien gebührt.


    Ich bedauere, dass ich dir keine freudigeren Nachrichten bringen kann und hoffe, dass ich dich bald wieder im römischen Senat auch wieder leibhaftig begrüßen werden können.


    Mögen die Götter dich und die Deinen beschützen!

  • Mit einem amüsierten Lächeln betrachtete Gracchus das kleine Schauspiel, welches im Atrium des flavischen Landsitzes sich zutrug. Zwei überaus talentierte Mimen aus Leptis Magna waren zu Gast in seinem Hause und erfreuten ihn bereits seit dem vorigen Tage mit ihren Stücken. Sie waren auf dem Weg nach Rom - wohin auch sonst - und über Sicilia und die Westküste Italias gereist bis nach Neapolis, wo sie die Anwesenheit des flavischen Senators in Baiae vernommen hatten. Gracchus hatte bereits den ein oder anderen Künstler aus der näheren Umgebung zu seiner Kurzweil geladen und dabei nicht an Generosität gespart. Zwar mochte es durchaus eigentümlich erscheinen, dass kein anderer Gast den Darbietungen beiwohnte, doch so Kost und Gratifikation nicht von der Zuschauer Anzahl abhängig war störte dies die Mimen nicht. Gracchus selbst mochte niemandes Gesellschaft ertragen - nicht nur aus dem Grunde, dass jede Gesellschaft stets Agrippina würde inkludieren müssen, um dem familiären Anstand zu genügen, sondern vielmehr da ihm kaum nach belanglosen, oberflächlichen Konversationen der Sinn stand, in welche ein Gastmahl zwangsläufig würde übergehen. Callistas Gesellschaft einzig mochte er nicht nur konnivieren, sondern erbat er zu mancher Gelegenheit, zu welchen er besonders exquisite Künstler erwartete - doch wie stets lehnte sie ab, wie stets mit einem geheimnisvollen Lächeln und der Erinnerung daran, dass ihre Treffen am Meer nicht mehr wären, was sie waren, würden sie den Alltag miteinander füllen. Nachdem die beiden Künstler sich verbeugten und Gracchus enthusiasmiert applaudiert hatte, trat Sciurus an ihn heran und beugte sich an sein Ohr. "Ein Brief aus Rom, Herr, mit beunruhigenden Nachrichten."
    Gracchus wusste, dass sein Vilicus ihn nicht mit Belanglosigkeiten würde molestieren, so dass er die beiden Mimen nach großem Lob in das Peristylium fort sandte, wo ihnen reichhaltig Speisen und Trank offeriert werden sollten.
    "Scato?"
    fragte er Sciurus nachdem der Raum leer und seltsam still war. "Nein, von Aurelius Lupus."
    Ein freudloses Lächeln überzog die flavische Miene. Beunruhigende Nachrichten aus der Familie waren eine heikle Angelegenheit, beunruhigende Nachrichten von außerhalb, doch nahe der Familie indes oftmals ein Katastrophe. Er atmete tief ein und wieder aus.
    "Lies"
    , wies er sodann den Sklaven an, worauf hin dieser tat wie ihm geheißen war. Schon mit dem ersten Satze krampfte sich Gracchus' Magen - der zuvor bereits reichlich mit Speisen gefüllt worden war - zusammen. Weshalb nur konnte er schlichtweg niemals von allem erfahren? Selbstredend wusste er von Scatos Aedilat und dass dieses Spiele beinhaltete war eine logische Konsequenz, mehr indes nicht. Ein wütender Mob. Tote und Panik. Plünderungen in Rom. Mehr Tote. Die tiberische Villa bis auf die Grundfeste niedergebrannt. Alle anwesenden Personen erschlagen. Mit jedem Wort sank Gracchus tiefer in sich zusammen, seine Ellenbogen auf die Oberschenkel gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen. Deutlich, zu deutlich konnte er sehen, hören und fühlen was geschehen war. Ein wütender Mob Peregrine. Ein wütender Mob Soldaten, Vescularius' Männer, welche durch Rom zogen und Panik verbreiteten, ein wütender Mob Soldaten, Palmas' Männer, welche Römer töteten, Häuser plünderten, das Haus der Decima besetzten, die tiberische Villa niederbrannten, Tiberius Durus töteten, einen Klienten der Decima erschlugen. Mord und Totschlag, Wut und Plünderung, Tote und Panik, Furcht, grenzenlose Furcht - vereint in einem einzigen Augenblicke, geballt in einer einzigen Erinnerung, eine Vergangenheit, welche in die Gegenwart sich ergoss, die in diesem Moment bereits Geschichte war. Die flavische Villa verschont, dies war nurmehr ein belangloses Detail im Gewirr der Schlacht, welche Aurelius Lupus an Gracchus' Seite schlug. Der Flavier atmete schwer als Sciurus zu ihm trat, die Luft schien viel zu zäh als dass sie durch seine Kehle mochte fließen, sein Leib erbebte unter dem Pochen der invadieren Reminiszenz.
    "Es hört nie auf"
    , keuchte Gracchus als der die Hand seines Sklaven auf der Schulter spürte.
    "Niemals."

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  • M' Flavius Gracchus
    Villa Rustica Flavia
    Baiae, Italia


    M' patri suo s.p.d.


    Ich danke dir für deine erbaulichen Worte und dein Vertrauen.


    Hinsichtlich Duccius Vala kann ich dich jedoch insofern kalmieren, als er überaus selten in Mogontiacum weilt, sondern beständig die Provinz bereist, sodass ich wohl kaum seinen Ränken ausgesetzt bin. Indessen erscheint er mir innert jener knapp bemessenen Kontakte, welche ich zu ihm hege, als durchaus honorige Persönlichkeit, zumal ich mich zu erinnern glaube, dass du selbst es warst, der mir ihn vor vielen Jahren in familiärer Runde als seriöse Gestalt empfahl. Dennoch werde ich mich selbstredend vorsehen, nachdem du mich nun warntest, selbst wenn ich ihm bisherig keinerlei Arglist vorzuwerfen vermag.


    So überhäufte er mich in absentiam gar mit gewissen Ehrungen, nachdem ich von meiner Mission erfolgreich zurückkehrte: Mit Hilfe der germanischen Seherin, welche ich zuletzt erwähnte, sowie Duccia Silvana, die gegenüber den Chatten augenscheinlich in ihre Fußstapfen getreten ist, gelang es mir nämlich, einen vierjährigen Frieden mit den chattischen Fürsten auszuhandeln. So werden jene bisherig dem Imperium traditionell feindselig gestimmten Stämme gar einen Auxiliarverband unserem Imperator zur Verfügung stellen, während uns im Gegenzug lediglich moderate Getreidelieferungen obliegen. Duccius Vala scheint dies, ebenso wie meine Kommilitonen, durchaus als Erfolg zu bewerten, denn er verlieh mir die Hasta pura und ließ gar eine bescheidene Ehreninschrift für mich an der Regia anbringen.


    Wie mir scheint, sind meine Qualitäten also selbst hier sub aquila eher politischer Natur, doch werde ich selbstredend weiter der Dinge harren, welche da kommen mögen. Ich danke dir nochmalig für deine Fürbitte bei den Unsterblichen, die bisher stets ihre schützende Hand über mich hielten, und hoffe, dich bald nach dem bevorstehenden Ende meines hiesigen Dienstes in Baiae aufsuchen zu können, um meine weiteren familiaren und politischen Wege zu erörtern.


    Vale bene!

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  • Genüsslich reckte Callista ihr Antlitz der Nachmittagssonne entgegen, dass über ihr ein Glanz lag, welcher sie einem Wesen aus Licht similär erscheinen ließ. Als Gracchus sich dem Felsbrocken näherte, öffnete sie ihre Augen und lächelte.
    "Ich habe dich vermisst, Manius. Wo warst Du die letzten Tage?"
    Der Flavier nahm neben der schlanken Gestalt Platz.
    "Ich war... zu aufgewühlt."
    "Aufgewühlt? Wovon?"
    Besorgt hob Callista ihre Braue und legte eine Hand auf Gracchus' Arm.
    "Ich... ich habe einen Brief be..kommen, ... aus Rom."
    Er berichtete Callista von jenem Schreiben, welches Aurelius Lupus ihm hatte gesandt, von dem grauenhaften Schrecken, welcher in Rom war ausgebrochen, welcher ungesäumt das Grauen vergangener Tage hatte aufgebrochen.
    "Aurelius Lupus ist der einzige ... der einzige, welcher meine Geschi'hte noch teilt. Zweifelsohne konnte er die Kohärenz ebenfalls verspüren, musste sich längst ver..gangener Tage entsinnen, welche kein Ende finden. Weshalb sonst hätte er diese Nachricht verfassen sollen?"
    Betrübt wandte sein Blick sich zum Erdboden hin, über das im seichten Winde zitternde Herbstgras, das spärlich die Küste bedeckte.
    "Ach, Manius, du solltest dem nicht zu lange nachhängen und nach vorne blicken."
    Er nickte langsam, zaghaft, und holte tief Luft.
    "Minor hat ebenfalls geschrieben, aus Germania. Er war sehr erfolgrei'h"
    , ein Lächeln umspielte nun seine Lippen,
    "Er hat sich seine erste Auszeichnung verdient: eine hasta pura und eine Ehreninschrift!"
    Unbewusst richtete Gracchus sich auf und sein Tonfall nahm eine Spur von Stolz an.
    "Er wird bald zurückkehren."
    "Siehst du"
    , lächelte Callista,
    "Das sind doch wunderbare Neuigkeiten. Und all deine Sorgen um ihn waren ganz unnötig."
    Der Flavier legte den Kopf ein wenig schief. Unnötig befand er seine Sorgen nicht, denn niemand mochte durchblicken wie die Prinzipien der Welt sich fügten und von den Geschicken der Menschen wurden beeinflusst.
    "Ein wenig unmäßig allfällig, doch keinesfalls unnötig"
    , widersprach er darob, was Callista nur mit einem leisen Kichern quittierte.

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  • "Du bist schon wieder so still, Manius."
    Callista rückte ein wenig näher an den Flavier heran. Es war kühl geworden auf dem Stein am Meer, so dass er seinen Mantel zur Seite geschlagen hatte, dass auch sie darauf sitzen konnte.
    "In der letzten Zeit muss ich oft an Rom denken. Ich vermisse meine Familie und ..."
    Freunde, war augenscheinlich das Wort, welches in dieser Aufzählung fehlte. Doch seine Freunde waren rar geworden. Scapula ließ sich - soweit er wusste - ebenfalls kaum noch in Rom blicken. Durus war lange tot und am Ende allfällig nicht einmal sein Freund gewesen. Wo Faustus steckte, wusste er nicht. Aurelius Lupus hatte ihn in seinem Brief als Freund bezeichnet und allfällig war er derjenige, welcher diesem Konzept außerhalb der Familie derzeitig noch am nächsten kam. Immerhin teilten sie eines der größten Geheimnisse seines Lebens. Dennoch schwieg Gracchus, ehedem er den Satz unvollendet ließ und einen neuen begann.
    "Als ich nach Baiae kam hatte ich erwartet Marcus, Titus und Serenus hier anzutreffen. Doch das Haus ist leer und ... und nun da die Tage kürzer und die Schatten länger werden, spüre ich wie die larvae der Ver..gangenheit aus ihren Löchern kriechen und nur darauf warten bis ich unachtsam bin oder die Nacht hereinbricht. Es hat sich nichts geändert, die Agonie ist nicht in einem Ort beheimatet, nur in mir selbst, und gleich wohin ich auch gehen werde, sie geleitet mich."
    "Dann wirst du zurück nach Rom gehen?"
    Es lag kein Bedauern in Callistas Stimme, nur ehrliches Interesse. Gracchus ließ die Frage eine Weile in der kühlen Herbstluft schweben, blickte in die neblige Wolkendecke am Himmel als wäre dort eine Antwort zu finden.
    "Nein."
    Er seufzte.
    "Aber weshalb nicht?"
    "Rom ist nicht nur meine Familie. Rom ist eine Verpfli'htung. Wen stört es hier wenn ich nicht aufstehe? Wenn ich nichts esse? Wenn keine Nachricht mein Interesse weckt? Wenn ich den ganzen Tag im Garten oder am Meer sitze? Wenn nichts mich kümmert? Hier bin ich niemandem Rechenschaft schuldig. In Rom bin ich ganz Rom Re'henschaft schuldig."
    Callista lachte erheitert.
    "Ach Manius, glaubst du nicht, dass du dich ein wenig zu wichtig nimmst?"
    Er schüttelte den Kopf.
    "Nein. Ich kann nicht einfach dem Senat fernbleiben, dem Collegium, nicht einmal Einladungen ausschlagen oder niemanden empfangen ohne mich be..ständig dafür zu erklären."
    "Vor dir selbst vielleicht. Ein paar Mal wird man dir anfangs Fragen stellen, danach nicht mehr."
    "Man wird sie allfällig nicht mehr stellen. Und doch werden sie Bestand haben und mich enervieren."
    "Ah!"
    triumphierte Callista.
    "Also ist nicht Rom schuldtragend, du bist es!"
    Gracchus senkte den Blick.
    "Womöglich. Doch das ändert nichts."

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  • M' Flavius Gracchus
    Villa Rustica Flavia
    Baiae, Italia


    M' patri suo s.p.d.


    Ich sende dir heutig meine Grüße aus Roma, wohin ich kürzlich wieder wohlbehalten zurückgekehrt bin. Obschon es mir nicht mehr vergönnt war, persönlich mich von Duccius Vala zu verabschieden, den augenscheinlich die Lenkung der Provinz stark okkupiert, so war mir doch ein herzlicher Abschied durch meine Legion und gar den Praefectus Alae, mit welchem bisweilen ich zusammenzuarbeiten hatte, beschieden. Die Reise verlief sodann ebenso undisturbiert, zumal mir Titus Tiberius Merula, der Sohn eines Tiberius Antoninus, und sein Bruder Tiberius Verus, welcher kurioserweise als Centurio bei meiner Legion diente, Gesellschaft leisteten. Dennoch war mir auf meinem Weg einige Zeit des Reflektierens gegeben, welche in mir Gedanken evozierten, die ich bei Gelegenheit gern mit dir teilen würde.


    Indessen hält mir vorerst Rom gefangen, da ich entschieden habe, mich umgehend um das Amt des Quaestor zu bewerben und meinen Cursus Honorum fortzusetzen. Ich werde also zuerst den Wahlkampf hinter mich bringen müssen, ehe es mir vergönnt sein wird, dich für einige Tage in Baiae zu besuchen.


    Bis dahin kann ich dir versichern, dass auch hier in Rom alle wohlauf sind, dich jedoch nach wie vor vermissen. Auf einer Feierlichkeit des Aurelius Lupus, welcher sich um das Aedilat bewirbt, erkundigte sich selbst die Augusta nach dir, doch ebenso wünschen sich dein Haushalt und deine Familie deine baldige Rückkehr.


    Insofern hoffe ich, dass du dich inzwischen wieder besserer Gesundheit erfreust. Sollte es dir jedoch nicht vergönnt sein, uns baldig hier in Rom zu besuchen, werde ich, sobald die Wahlen vorüber sind, versuchen dir einen Besuch abzustatten.


    Vale bene!

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  • Ein Stück weit draußen auf dem Ozean hatte eine größere Gruppe Möwen sich niedergelassen, schaukelte auf den Wellen dass es beinahe aussah als wären ihre hellen, graufarbenen Leiber nur die schaumigen Kronen auf dem endlosen Meer. Ein Fischerboot hatte dort kurz zuvor seine Netze gesäubert, sodass es augenscheinlich noch einiges für die Vögel zu holen gab. Die unbändige Gier, mit welcher die Möwen sich auf den kostenfreien Fang hatten gestürzt, hatte Gracchus an die Menschen erinnert, die bisweilen in gleicher animalischer Gier sich auf Brot und Spiele stürzten. Auch Callista betrachtete das Schauspiel mit unverhohlenem Interesse, lächelte hintergründig.
    "Erzähle mir von deiner Frau"
    , bat sie ohne den Blick vom Meer zu wenden.
    "Meine Frau? Ich hätte sie niemals alleine lassen dürfen"
    , begann Gracchus nach kurzem Überlegen.
    "Sie war wundervoll, perfekt, schön, erhaben ... und klug. Zu Beginn hatten wir unsere Schwierigkeiten miteinander, wie wohl jedes Paar, das aus Notwendigkeit ver..mählt wird, doch ... doch mit den Jahren wussten wir beide, was wir aneinander haben. Ich ... ich wollte sie niemals in Gefahr bringen, ich wollte nur, dass sie in Sicherheit ist. Und letztlich war sie es doch auch. Sie war in Si'herheit, sie hat unsere Kinder geschützt, und ich ... ich habe es ihr gedankt, indem ich sie vergessen habe."
    Er schüttelte verzweifelt den Kopf.
    "Meine Tochter ... meine Tochter glaubte, ich habe sie in den Tod getrieben, durch meine Missachtung, mein Desinteresse. Doch die genaue Ursa'he ist letztlich gänzlich belanglos, denn ... dass ... dass ich überhaupt zugelassen habe, dass sie stirbt, dies ist unverzeihli'h."
    "Ist sie nicht in Rom, deine Frau?"
    fragte Calista nach.
    "Oh"
    , merkte Gracchus auf und ein wenig röteten seine Wangen sich vor Scham.
    "Du ... du sprichst von Prisca? Ja ... nun"
    , stammelte er ein wenig perplex.
    "Prisca, natürlich. Mein Frau. Sie, sie ist ebenfalls wundervoll. Ein wenig jung, unerfahren allfällig in Relation zu Antonia, doch ... ebenfalls eine wundervolle Frau. Indes, zwischen uns wird stets der Tod tausender Römer ver..harren, der Pakt der Konspiranten. Mehr als jede andere Ehe, die zum Vorteil zweier Familien geschlossen wurde, ist diese eine Notwendigkeit."
    "Liebst du sie dennoch?"
    Gracchus schwieg einige Augenblicke zu lange, um dem eine Unwahrheit folgen lassen zu können.
    "Vielleicht ... vielleicht werde ich es, eines Tages, auf gleiche Weise wie ich Antonia geliebt habe. Viellei'ht werde ich eines Tages all die toten Römer vergessen haben. Vielleicht wird eines Tages das politische Bündnis hinfällig sein, dass nurmehr zwei Menschen ver..bleiben, welche dann zu lange schon einander verbunden sind, um noch sich voneinander zu lösen."
    Mit einem kleinen, empörten Schnauben wandte Callista sich ihm zu.
    "Ist es nicht längst dafür Zeit? Die Toten haben ihren Frieden gefunden, die Lebenden ebenso, und weder du, noch Aurelius wird jemals noch einen Vorteil ziehen können. Meus amicus, ergreife die Hand, die dir dargeboten wird anstatt stets das verborgene Gladius zu suchen! Die Vergangenheit ist längst vergangen, Manius, einzig du verharrst noch in ihr, trauerst den Toten nach anstatt dich um die Lebenden zu kümmern, welchen an deinem Leben liegt!"
    Abrupt stand Callista auf und wandte sich zum Gehen.
    "Wir sehen uns morgen."
    Gracchus blickte ihr hinterher, ein zaghaftes
    "Bis morgen"
    auf den Lippen, nicht sicher, ob sie Recht hatte oder nicht.

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  • Der Tristesse und Kühle des Herbstes suchte Gracchus durch das vermehrte Aufstellen von Feuerschalen überall im Hause entgegen zu wirken, die Kühle und Tristesse in seinem Innersten indes vermochte dies nicht zu lindern. Den ganzen Sommer lang hatte er ausgeharrt in der Hoffnung auf eine Rückkehr seines Vetters oder seines Neffen samt Titus, doch von ersterem war nur ein Brief angelangt, dass die Angelegenheiten mit seinem Vater ihn noch länger banden, von letzteren war wenige Tage zuvor eine Nachricht aus Volubilis eingetroffen. Sie befanden sich wohl, genossen die Sonne des Südens und gedachten über die Wintermonate die weiteren südlichen Provinzen zu bereisen - indes wiederum ohne genauere Angabe, wo sie künftig zu finden und somit brieflich erreichbar würden sein. Selbst die garstige Agrippina war einige Wochen zu einer Freundin nach Capua verreist, so dass im gar schlimmsten Falle größter Sehnsucht nach familiärer Trautheit nicht einmal diese Option verblieb. Einzig Callista vermochte Gracchus' Herz zu erleichtern, doch noch immer mochte sie nur ihre Nachmittage mit ihm teilen, so dass insbesondere die dunkler werdenden, einsamen Abende ihn mehr und mehr zermürbten. Zwar war Sciurus durchaus eine brauchbare Gesellschaft sofern er sich vorlesen lassen oder eine Partie ludus latrunculorum oder tabula wollte spielen - doch beides wurde ihm nach einiger Zeit fade und schon bei Wort- und Gedankenspielen war der Vilicus kein passabler Gegenspieler mehr. Obgleich er sich noch immer politischen Neuigkeiten aus Rom versperrte, so gierte Gracchus um so mehr nach privaten Briefen, welche ihn selten in seinem Exil erreichten. Ein Leuchten erglomm darob in seinen Augen als Sciurus einen Brief seines Sohnes Minor in Aussicht stellte und augenblicklich gehörte alle Aufmerksamkeit der Gegenwart.
    "Lies!"
    forderte er den Sklaven auf, welcher das Pergament entfaltete und dies tat. Minor war wohlbehalten aus Germania nach Hause zurück gekehrt, was der Vater mit einem überaus erfreuten Lächeln und nicht eben geringer Erleichterung zur Kenntnis nahm. Indes bedurfte es nicht weniger Worte hernach, um eine Braue ihm empor zu heben und eine Derangierung zu hinterlassen, welche nur kurz durch den Gedanken an die Augusta unterbrochen wurde, ehedem sie ihn wieder umfasste.
    "Ich muss nach Rom"
    , konstatierte er schlussendlich.
    "Minor wird meiner Stimme be..dürfen. Wann sind die Wahlen?"
    "Die Wahlen sind heute, Herr. Der Bote wurde einige Tage am Rande der albaner Berge aufgehalten, vermutlich hat dein Sohn die Nachricht schon vor einer Woche oder länger verfasst."
    "Heute?"
    blickte der Flavier gänzlich entgeistert.
    "Aber ... das ... schaffe ich nicht mehr."
    Eine große Unrast und Betrübnis überflutete augenblicklich seinen Geist, ehedem er den Blick erhob zu seinem Vilicus.
    "Wusstest du von seiner Kandidatur?"
    "Natürlich."
    Gracchus öffnete seinen Mund, doch einige Augenblicke wollte kein Wort seiner Kehle echappieren. Es bedurfte einiger Atemzüge, ehedem er scharf nachfragte:
    "Weshalb hast du dies nicht reportiert? Minimus wird sich auf meine Hilfe ver..lassen haben, auf meine Unterstützung und meine Stimme!"
    Sciurus blieb ruhig wie eh und je. "Du wolltest keinerlei politische Nachrichten hören, Herr. Ohne Ausnahme. Soweit es meine Quellen berichten, hat dein Sohn seinen Wahlkampf darüber hinaus durchaus erfolgreich gestaltet und genügend Unterstützer finden können. Seine Wahl ist mehr als wahrscheinlich."
    Wieder öffnete Gracchus seinen Mund, schloss ihn mehrere Male, einem Fisch auf dem Trockenen similär.
    "Ich ... ich verstehe"
    , entgegnete er sodann tonlos und erhob sich mit hängenden Schultern. Den Blick durch alle Welt hindurch gerichtet schleppte er sich gänzlich derangiert zum Ausgang des Hauses, ließ seinen Mantel sich bringen und trat in einen nebligen Dunst hinaus.

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  • Draußen im nebligen Dunst fanden Gracchus' Füße gänzlich selbsttätig ihren Weg den schmalen Pfad zur Küste hin, ein Stück darauf entlang bis zu dem großen Felsbrocken, auf welchem bereits die schmale Gestalt Callistas auszumachen war. Wortlos setzte er ich neben sie, zog seinen Mantel enger und blickte auf das Meer hinaus, welches kaum zu differenzieren war von dem hellen Nebelschleier, welcher den Horizont seit dem Morgen bedeckte und auch das Land fest im Griffe hielt.
    "Was grämt dich, Manius?"
    detektierte Callista sogleich.
    "Heute ... ist die Wahl zum Cursus Honorum."
    Seine Stimme war geprägt von gänzlich defätistischer Couleur. Callista indes lächelte nur.
    "Nun, ich dachte das tangiert dich nicht mehr?"
    Gracchus schniefte.
    "Minor kan..didiert um das Amt eines Quaestors."
    "Das ist doch wunderbar! Was grämt dich daran?"
    Gracchus schwieg, kämpfte mit dem Sentiment, welches in ihm rumorte und konnte kaum noch an sich halten. Callista musterte ihn intensiv von der Seite.
    "Weinst du etwa gleich, Manius?"
    Behutsam beugte sie sich zu ihm, hob eine Hand und berührte seine Wange.
    "Ich ... ich hatte nicht einmal die Chance, ihn zu unterstützen"
    , platzte es aus ihm heraus, sein Tonfall nun in eine Spur der Larmoyanz verfallend.
    "Und das ... das ist auch nicht notwendig. Er ... er erhält hinrei'hend Unterstützung ... von anderer Seite."
    "Aber, das ist doch gut, Manius."
    Sie legte einen Arm um Gracchus' Schultern.
    "Er ist jetzt erwachsen."
    "Nein!"
    Abrupt stand Gracchus auf und schlug ihren Arm beiseite.
    "Nichts ist gut! Ver..stehst du denn nicht, was dies bedeutet?!"
    fuhr er sie regelrecht an, ehedem er sich abwandte und suchte, seine Contenance wieder einzusammeln. Er schnaufte heftig, fühlte das Blut in seinen Schläfen pochen und in seinen Ohren rauschen, hörte nicht wie auch Callista sich erhob. Wieder legte sie ihre Hand an seine Schulter, drehte ihn sanft zu sich.
    "Was? Was bedeutet es, Manius?"
    Der Flavier presste die Augenlider zusammen, legte seinen Kopf an ihre Schulter und konnte nun nicht mehr an sich halten, schluchzte ungezügelt als der fragile Kokon seiner Emotion barst.
    "Mein ganzes Leben ... mein ganzes Leben war stets nur darauf ausgeri'htet, meine Söhne zu protegieren ... und den Weg in die bestmögli'he Zukunft ihnen zu ebnen, ... so viel Einfluss um mich zu kumulieren, dass die Welt ihnen zu Füßen liegt, ... niemand auch nur wagt, zu opponieren! Alles ... mein ganzes Leben, jeder Schritt, nur ... nur darauf kon..zentriert ..."
    Wieder schluchzte er, dass die Worte ihm versiegten, dass sein Leib bebte. Beruhigend strich Callista über seinen Rücken.
    "Aber ich bin vollkommen entbehrli'h! Keiner meiner Söhne bedarf ... des Lohns meiner Mühen! Mein ganzes Leben ... eine ... eine Farce, ein sinnloses Unterfangen! Niemand bedarf meiner Unter..stützung, niemand benötigt meine Stimme ... nichts wert... all das ist nichts wert! Alles war gänzli'h umsonst ... mein ganzes Leben fru'htlos ... "
    "Oh Manius! Dummer alter Manius!"
    Callista drückte ihn an sich.
    "Das glaubst du doch nicht tatsächlich? Glaubst du wirklich, dein Sohn könnte so viel Unterstützung ansammeln ohne den Schatten seines Vaters? Glaubst du wirklich er fängt dort an, wo ein namenloser Emporkömmling beginnt? Ach, Manius, du solltest zurückkehren nach Rom. Du verlierst hier gänzlich den Bezug zur Realität."
    Sie hielt ihm fest, schwieg mit ihm und wartete bis dass der Strom seiner Aufwallung allmählich versiegte, ehedem sie beide sich wieder auf den Felsen setzten und lange noch auf die See hinausstarrten - Gracchus in Gedanken an sein Leben und Rom, Callista wissend lächelnd.

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  • Der Herbst schien in diesem Jahre beweisen zu wollen, dass er mächtiger war als alle Götter, er Land und Wasser im Griffe hielt, dass nichts seiner Macht konnte entkommen, nicht einmal das sonst so beschauliche Baiae. Eine Sturm tobte, fegte hinweg über das Land und rüttelte dabei die letzten Blätter von den Kronen der Laubbäume, peitschte die dunklen Wellen auf dem Meer empor, trieb dichte Schleier von Regen vor sich her und verdunkelte den Nachmittag als wäre es bereits Nacht. Gracchus hatte Callista eine Nachricht zukommen lassen, dass unter solchen Umständen sie selbstredend sich nicht am Meer trafen, so dass er wohl oder übel sich mit seinen Sklaven musste vergnügen, denn schon viele Tage nicht mehr waren Künstler aus der Stadt herüber gekommen.
    "Sciurus! Nun hast du mich bereits zum vierten Male ausmanövriert! Wie kommt es nur, dass ich weiland in diesem Spiele stets obsiegte, doch nunmehr keinen Tag gegen dich triumphieren kann? Es scheint mir beinahe als hättest du dermaleinst mich zu meinem eigenen Vor..teile betrogen."
    "Nein, Herr, du lässt in deiner Konzentration nach", entgegnete der Vilicus in seiner trockenen Art, in welcher er kein Blatt vor den Mund nahm.
    Ehedem Gracchus dem etwas konnte entgegensetzen trat ein weiterer Sklave in den Raum und gab ein unscheinbares Signal, auf welches Sciurus hin aufstand und kurz einige Worte mit ihm wechselte. Sodann kehrte der Vilicus zurück zu seinem Herrn. "Dein Sohn hat die Wahl zum Quästor gewonnen, er konnte 82% der Stimmen für sich gewinnen."
    Gracchus atmete tief ein und wieder aus. Er freute sich selbstredend für Minor, verspürte ein überschwängliches Maß an Stolz, gleichsam Sehnsucht nach seiner Familie und Rom. Ein trübseliges Lächeln kräuselte seine Lippen.
    "Er wird kaum die Zeit finden, nun nach Baiae zu reisen"
    , überlegte der Flavier betrübt und blickte zu Sciurus.
    "Callista ist der Ansicht, es wäre an der Zeit für mich nach Rom zurückzukehren, da ich ohnehin nicht gefunden habe, was ich su'hte, und ohnehin dem, wovor ich zu entkommen suche, niemals werde entkommen, da es mir inhärent ist."
    "Sie hat zweifellos recht", stimmte der Sklave ausdruckslos zu.
    Ein wenig verwundert über diese Direktheit - wenngleich nur als Bestätigung einer Aussage - bezüglich seines Sentiments hob Gracchus die linke Braue.
    "Und doch wartet in Rom ebenso, wonach ich nicht im geringsten mich sehne. Viel gewi'htiger jedoch ist, Callista nicht alleine hier zurückzulassen."
    Einen Augenblick der Stille, in welchem nur das Tosen des Windes um das Haus herum zu vernehmen war, musterte Sciurus seinen Herrn eindringlich, ehedem er mit großer Ernsthaftigkeit entgegnete. "Sie wird weder alleine, noch zurück bleiben."
    Zu Gracchus' linker gesellte sich nun auch noch die rechte Braue empor.
    "Wie meinst du das? Was hat sie dir gesagt? Wird sie ebenfalls nach Rom gehen?"
    Ein Schimmer der Hoffnung erglomm in seinem Gemüt, würde dies doch die Rückkehr gleich in doppelter Hinsicht ihm versüßen. Der Sklave indes zögerte, was sonstig nicht seinem Wesen entsprach. "Sie wird nirgendwo hingehen, Herr. Sie existiert nicht."
    Gänzlich derangiert blinzelte der Flavier nun.
    "Was?"
    Sodann lachte er erheitert.
    "Es ist wohl bereits zu spät, ich hörte dich sagen, sie exis..tiere nicht."
    "Das war exakt, was ich sagte, Herr. Diese Callista existiert nicht. Zumindest nicht hier."
    Die Derangierung mischte in Gracchus sich mit leichtem Ärger.
    "Du warst noch nie ein guter Vokativus, Sciurus. Was soll dieses Spiel be..deuten?"
    Der Sklave behielt allen Ernst auf seinem Antlitz, nicht ein Hauch von Humor in seiner Stimme und seinem Blick. "Sie existiert nicht. Hinter den Bäumen gen Norden gibt es kein Gut und kein Haus. Meilenweit nicht einmal die kleinste Hütte."
    Gracchus zuckte irritiert mit den Schultern.
    "Allfällig wohnt sie gen Süden."
    "Niemand in der Umgebung kennt sie, nicht Agrippina und auch niemand in Baiae oder Neapolis."
    Gracchus öffnete seinen Mund, war indes zuerst nicht fähig ein Wort daraus zu entlassen. Die Art und Weise wie sein Vilicus mit ihm sprach gefiel ihm nicht.
    "Du ... du hast Erkundigungen über Callista eingeholt? Sie ... sie hat sich mir nicht noch einmal namentlich vor..gestellt. Allfällig hat sie manus geheiratet und trägt nun den Namen ihres Mannes! Womöglich trägt sie auch aus irgendeinem guten Grunde einen anderen Namen, allfällig dass niemand ihr herna'hspioniert!"
    Verärgerung mischte sich in die Stimme des Flaviers, welche sich auch in Lautstärke ein Stück weit erhob.
    "Was sollen diese Unterstellungen überhaupt be..zwecken!?"
    Sciurus beugte sich ein wenig hinab zu seinem Herrn, kam beinahe bedrohlich ihm nahe. "Ich bin dir an die Küste gefolgt, jeden Tag im letzten Monat, jeden einzelnen Tag an dem du am Abend von ihr berichtet hast."
    Blinzelnd wich Gracchus mit seinem Haupt ein wenig zurück, denn das Gebaren seines Vilicus flößte eine Spur von Furcht ihm ein, war ihm noch immer nicht eingängig, was diese Farce sollte bedeuten.
    "Aber du triffst niemanden", fuhr Sciurus fort. "Du sitzt tagein, tagaus nur auf einem Stein und starrst hinaus auf das Meer, reglos, über Stunden, allein und ohne dass irgendjemand auch nur in deiner Nähe ist! Was soll dieses Spiel bedeuten? Das frage ich dich, Manius, was soll dieses Spiel bedeuten?"
    Dass sein Leibsklave ihn bei seinem Pränomen nannte war zweifelsohne ein Zeichen exzeptionellen Schweregrades, mochte er vorangegangene Gelegenheiten solcherlei Handlung doch an einer Hand abzählen. Dennoch konnte Gracchus nicht begreifen, was der Sinn dieser Worte war, mochte nicht begreifen, was Sciurus ihm vorwarf. Keinen Tag war er alleine gewesen, keinen Tag an welchem er nicht mit Callista an der Küste sich hatte getroffen.
    "Das ist nicht wahr!"
    brauste der Flavier auf und stieß den Sklaven von sich fort, der ihn zweifelsohne zum Narren hielt - aus welchen Gründen auch immer, Missgunst und Eifersucht allfällig.
    "Sie existiert nicht", repetierte der Zurückgewiesene scharf, fachte indes nur mehr den Ingrimm seines Herrn an.
    "Das ist ni'ht wahr! Meinen Mantel und ein Pferd!"
    donnerte Gracchus' Stimme durch den Raum als müsse sie ein aufrührerisches Collegium zum Schweigen bringen, während er selbst energisch sich erhob, Sciurus zur Seite stieß und zum Ausgang strebte. Einen Augenblick nur dachte der Sklave daran, ihn zurückzuhalten, folgte indes sodann ihm hernach.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

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