Legatus perpetuarius | Vom Rücken der Pferde... regiert der Staat die Erde

  • https://c1.staticflickr.com/9/…67774116_d012432392_n.jpg Grau waberte sein eigener Atem in der Kälte von seinem Gesicht und verwandelte alle paar Sekunden die Welt vor Valas Augen in eine nebelverhangene Traumlandschaft. Nicht, dass sie das nicht ohnehin schon wäre. Der Winter, durch den sie sich seit Tagen beharrlich kämpften, hatte sich offensichtlich zur Aufgabe gemacht Valas Ankunft zu feiern indem er selbst früher eintraf... und so hart wie sich die letzten zwei Generationen nicht erinnern konnten.
    Das traf nicht nur die Bevölkerung und das Militär, sondern auch die Administration, die noch bis in das hohe Mittelalter hinein davon leben würde, dass das Volk nicht zu den Regierenden kam, sondern die Regierung zum Volk. Rom war keine Ausnahme zu dieser Zeit und auch die Provinzen stellten sich da nicht quer.
    Vala selbst hatte sich schon lange vor seinem Dienstantritt auf die Fahnen geschrieben, den mogontinischen Zentralismus aufzuweichen und zu einem traditionelleren Verständnis seiner Statthalterschaft zurück zu kehren. Recht sprechen, Projekte besprechen, größere und kleinere Wehwechen anhören, den Zustand des Militärs immer und immer wieder zu kontrollieren und eben all das durchzusetzen, was man an römischer Herrschaft in der Provinz verstehen konnte, das war nichts was man machte indem man die halbe Provinz nach Mogontiacum kommen ließ (aber sicherlich verantwortlich war für das Wachstum der Hauptstadt).
    Und dann kam der Winter... eine Woche, zwei Wochen... es wurde nicht weniger.
    Irgendwann musste eine Entscheidung getroffen werden und Vala hatte nicht vor als germanischstämmiger Legat in die Annalen einzugehen der vor dem Winter zauderte. Nein, er packte seinen Stab in dichtes Fell, ließ seine Equites Singulares aufmarschieren und machte sich auf den Weg gen Süden um seine statthalterlichen Tätigkeiten wahrzunehmen und Präsenz zu zeigen.
    Zehn Tagesreisen hatten er und seine Männer sich jetzt schon durch den Schnee gekämpft und waren dabei gerade einmal von Mogontiacum nach Lopodunum gelangt, eine Strecke, die man im Sommer innert drei Tage schafft. Schon am ersten Tag war Vala froh, seine Frau in Mogontiacum gelassen zu haben, drei Tage später schalt er sich selbst ein Genie dem weiblichen Gewitter so vorgebeugt zu haben.


    Was ihn erwartete waren vor allem die Härtefälle, die die Administratio in Abwesenheit eines Statthalters nicht selbsttätig hatte klären können. Ein Todesurteil gar, das allerdings bei vernichtender Beweislage relativ schnell gesprochen und noch schneller vollzogen war.
    Einen Tag später (man hielt den jeweiligen Aufenthalt kurz, um schnell möglichst viele Civitates 'beglücken' zu können) war man schon drauf und dran den Honoratioren der kleinen Civitas für ihre Gastfreundschaft zu danken, da preschte ein berittener Bote auf das Forum und verlangte lauthals den Legaten zu sprechen.


    "Nun, Mann, sprich..." , forderte Vala den Boten auf, als man ihn schließlich vorgelassen hatte, "...was ist von derartiger Wichtigkeit, dass es nicht warten kann bis ich mich hier vernünftig verabschiedet habe?"


    "Verzeih, Legatus, eine Nachricht deiner Familie.", zeigte der Bote sich einerseits außer Atem und doch noch die Contenance wahrend den Legaten in aller Öffentlichkeit standesgemäß anzusprechen, "Die Frau deines Vetters Decimus Verus, Calventia Fusa, ist bei der Geburt dessen Sohnes im Kindbett verstorben.", sprach der Bote in angemessen belegtem Tonfall und hielt dem Legatus die mit dem grünen Siegelwachs seiner Familie verschlossene Tabula hin.


    "..." , reagierte der Statthalter erst einmal, indem er garnicht reagierte und den Boten einen Moment blöd anglotzte während um sie herum selbst das letzte Getuschel erstarb und sich gespannte Stille auf das Forum legte.
    "Das Kind ist wohlauf? Wann ist das geschehen?" , selbstverständlich kam Vala in den Sinn, wie das erste Treffen mit seinem Vetter nach seiner Rückkehr abgelaufen war und die anschließende Jagd, aber auch wie die Calventia sich als pflichtbewusste und schon fast ekelerregend vorbildlich tugendhafte Römerin bewiesen, die durch die Bekanntheit ihrer eigenen Familie einen guten Ruf über die Grenzen Mogontiacums hinaus genoss. "Ist es. Am gestrigen Tage, Legatus." Als das klar wurde, war die Entscheidung auch relativ schnell gefasst und so wandte er sich an seinen Stab: "Meine Herren, es scheint als hätte nicht nur Hiems Germanus etwas gegen unseren Terminplan, auch Mors scheint uns nicht wohlgesonnen. Ihr werdet verstehen, wenn ich euch nun verlassen werde um meiner Familie in dieser schweren Stunde beizustehen. Es steht euch frei, euch bereits nach Saliobriga zu begeben, ich werde euch dann folgen." , gab er erste Order, da er sich sehr gut vorstellen konnte, dass die Herren aus Lopodunum eine derart große Entourage wie die des Legatus nicht länger als nötig beherbergen wollte.. vor allem in einem derart strengen Winter.
    "Meine Herren Honoratioren..." , wandte Vala sich nun an eben jene, "Ich benötige eure Unterstützung. Auf dem Rücken der Pferde werde ich es nicht schnell genug zurück nach Mogontiacum schaffen, um an der Bestattung teilzunehmen. Daher erbitte ich mir das beste Boot, das eure Civitas herzugeben hat... und eure kräftigsten Ruderer. Ich werde es euch nicht vergessen."
    "Es würde mich mit Freude erfüllen, wenn du auf einem meiner Boote mit den besten meiner Männer zurück nach Mogontiacum reistest, Legatus.", schoss sofort ein junger Entrepreneur, der viel Geld auf dem Fluss verdient hatte, hervor. Vala nickte nur matt lächelnd und wandte sich dann zurück an seinen Stab um das nötigste zu klären... es galt keine Zeit zu verlieren, denn eine Bestattung war nicht so leicht aufzuhalten wie eine Hochzeit.

  • https://c1.staticflickr.com/9/…15397517_0594d45da1_n.jpg Es war still auf dem Boot, auf welchem man den Legaten stromabwärts in Richtung Mogontiacum schaffen wollte. Die einzigen Geräusche, derer sich die frostgefangenen Ohren der Reisegruppe annahm, war das monotone Platschen der Ruder, die in perfekt synchronisiertem Marsch in die eiskalten Fluten des Rhenus. Die Monotonie wurde nur unterbrochen wenn von einem der zwei kleineren Begleitboote Warnhinweise über Untiefen, Sandbänke oder größeres Treibgut durch den leichten Nebel klangen.
    Natürlich war die Fahrt nicht ungefährlich, dafür waren sie zur falschen Jahreszeit mit der falschen Geschwindigkeit unterwegs. Allerdings galt es rechtzeitig anzukommen... und so schossen die drei Boote, angetrieben durch die jahreszeitlich bedingte Fließgeschwindigkeit und die Ruderer, Richtung Norden.
    Argwöhnisch wurden die Eisschollen betrachtet, die teilweise an ihnen vorübertrieben, teilweise von ihnen überholt wurden. Ihr Bootsführer beruhigte die Flussunkundigen, indem er ihnen erklärte welche Unterschiede es bei Schollen gab. Die, die sie nun umgaben und die teilweise geräuschvoll gegen den Bootskörper stießen, bestanden nur aus gefrorenem Schnee und nicht aus Stücken des Rhenus. Was nichts daran änderte, dass der alte Mann den Fluss genau im Auge behielt.
    An Bord hielt man sich am kleinen, auf Steinen im Bootsinneren angebrachten Kohleöfen warm... oder mit dem Rudern. Die Kälte war durchaus Motivation, selbst für einige Soldaten von Valas geschrumpfter Leibwache die Ruder zu ergreifen und eine Stunde lang das Boot voranzuarbeiten.
    Am frühen Nachmittag tat die Sonne, zu dieser Zeit ohnehin nicht gerade die kraftvollste, ihnen keinen Gefallen, indem sie mit dem bisschen Wärme, das sie ihnen spendete, den Rhenus in dichteren Nebel hüllte. Sorgenfalten waren es, die sich auf der Stirn des Legaten nicht nur einmal bildeten, als der Bootsführer mit schiefen Mundwinkeln auf sie zutrat und ihnen zu verstehen gab, dass sie das Tempo drosseln mussten, wenn sie nicht gefahr laufen wollten auf eine Sandbank zu laufen... oder an der Brücke Mogontiacums zu zerschellen.
    "So schnell wie möglich, so langsam wie nötig." , gab Vala daraufhin zerknirscht das Eingeständnis, um die Männer zu beruhigen und nicht selbst schwimmen zu gehen. Das allerdings vor allem deshalb, weil der Nebel ihm die Fixpunkte raubte... und ihm dadurch im leichten Wellengang des Rhenus ziemlich schlecht wurde. Immer wenn eine kleine Insel oder das Ufer aus dem Nebel auftauchte hielt Vala sich mit seinem Blick verzweifelt daran fest, aber es half nicht... sobald sie, ob der sichereren Fahrt wegen, wieder in die Mitte des Strom stießen ging die Achterbahnfahrt in Valas Körpermitte von vorne los.


    Schließlich musste er doch kapitulieren. Aus Gründen des voranschreitenden Tages, die Dämmerung tauchte den Fluss schon in sattes Dunkelgrau, ließ Vala die Boote in Bauconia Nova festmachen - trotz der Beteuerung des alten Bootsführers, die paar Meilen bis Mogontiacum noch schaffen zu können. Vala schob die Sicherheit seiner Entourage vor... und sattelte auf das Pferd um, um es noch im späten Abend zurück nach Mogontiacum zu schaffen. Ohne sich vor versammelter Mannschaft in den Rhenus übergeben zu haben.


    Bildquelle

  • Wie ihm geheißen worden war, hatte Manius Flavius Gracchus Minor die Verfolgung des Legatus Augusti auf sich genommen, eskortiert von einigen Equites Singulares, welche der Statthalter während seinen Reisen in Mogontiacum hinterlassen hatte. Der junge Flavius war ein mäßiger Reiter, weshalb er das Tempo nicht allzu stark forcierte, was indessen ihm zugleich Gelegenheit bot, die Landschaft seiner Provinz ein wenig genauer zu inspizieren. Die Civitas Taunensium, wie die Equites den zu durchreitenden Verwaltungsbezirk titulierten, strahlte jene Mixtur aus germanischer Wildheit und römischer Zivilisation aus, die auch die Dörflein und Städte am Ufer des Rhenus, in welchen der Jüngling während seiner Reise nach Mogontiacum Station gemacht hatte, geprägt hatte, obschon das Land nicht in jenem Maße kultiviert erschien wie das Tal des großen Flusses. Dennoch beeindruckten Manius Minor die in regulären Abständen erkennbaren Villae Rusticae, welche im Sonnenlicht des germanischen Sommers kaum von jenen Italias differierten (sofern man davon absah, dass sie kaum Wein und Oliven, die zentralen Produkte des quiritischen Mutterlandes, kultivierten).


    Als sie endlich Nida erreichten, sah der Tribunus sich ein wenig desillusioniert ob des strikt militärischen Gepräges jener Zivilsiedlung, die ihm von Ferne geradehin als eine bescheidenere Kopie Mogontiacums erschien, die ebenso wie die Hauptstadt der Provinz sich um ein Castellum schmiegte, was den Jüngling zu einem Scherz bemüßigte:
    "Mir scheint, die größte Differenz zwischen Roma und den germanischen Dörfern besteht darin, dass dortig das Castellum an der Stadt parasitiert, hier hingegen die Stadt am Castellum."
    Vergnügt lächelte er den Kommandeur seiner Eskorte an, der indessen nicht recht humorvoll sich gerierte. Mit schroffer Stimme vermerkte er lediglich:
    "Hier ist es auch gefährlicher als in Roma, Tribunus."
    Dies hingegen wagte der Jüngling, der beständig vor den insekuren Gassen der Urbs seit Knabenjahren gewarnt worden war, zu bezweifeln, beschloss jedoch, es nicht auf einen Disput ankommen zu lassen, sondern der Kompetenz der Eingesessenen zu schmeicheln:
    "Welche Einheit campiert in diesem Castellum?"
    "Cohors V Delmaturum*."
    Jener Name erweckte bei dem Jüngling keinerlei Assoziation, sodass er eine weitere Debatte über das Prestige und die Funktion dergestalter Auxiliarverbände unterließ und stattdessen in Schweigen verfiel, sein Pferd ein wenig antrieb und so die letzte Meile zum aktuellen Standort seines Kommandanten überwand, welcher hoffentlich durch die vorausgesandten Boten bereits über seine Ankunft im Bilde war.


    Sim-Off:

    * Ich hoffe, jene Karte korrekt interpretiert zu haben!

  • Eigentlich war die zweite Funktionsreise des Statthalters durch seine Provinz für den westlichen Teil der Provinz vorgesehen gewesen, über Bingium gen Süden am Rhenus entlang nach Argentorate. Allerdings hatten gewisse Militäraktionen eine Umplanung nötig gemacht, weshalb der dritte Regierungstrip am nördlichen Teil des Limes entlang kurzerhand zum zweiten und anders herum gemacht wurde. Gemüter beruhigen, nervöse Siedler und Würdenträger besänftigen und sowieso alles bloß so dastehen lassen, als hätte man alles unter Kontrolle.
    Die Jahre als Politiker hatten Valas Mimik natürlich eine durchtrainierte Routine mitbekommen, die ihn hier im Kreise der Obrigkeit Nidas sitzen ließ, als wäre alles nur eine klitzekleine Krise der interlimitischen Diplomatie und eigentlich nicht weiter nennenswert. So blieb es ihm erspart zu erklären, warum ihm das auch die eine oder andere Sorge machte... vor allem, weil seine Soldaten mal eben eine Seherin hatten mitgehen lassen. Alleine beim Gedanken daran stellten sich Valas Nackenhaare auf. So skeptisch er dem Kollektivurteil der umgebenden Sippen des vernichteten Dorfs gegenüberstand, desto klarer war ihm, was ihm hier ins Haus stehen konnte: ein handfester Kriegsgrund.
    Gerade als er einen Moment ungezwungenerer Themen genoss, ließ ihn ein Diener wissen, dass der neue Tribunus Laticlavius angekommen war. Vala blickte der Ankunft des Flavius mit gemischten Gefühlen entgegen... sein Vater war eine der größten Baustellen seiner politischen Laufbahn für ihn gewesen. Jetzt, Jahre später, musste Vala sich eingestehen, dass diese Baustelle unvollendet geblieben war und er sich am prinzipientreuen Flavius (der damit der diametrale Gegenentwurf zum opportunistischen Pragmatiker Vala war) die Zähne ausgebissen hatte.
    "Meine Herren, darf ich euch vorstellen..." , sprach Vala zur vor ihm niederklinierten handvoll und kulturell bunt gemischter nidaescher Ehrenmänner, die dem Neuankömmling neugierig entgegenblickten, "...dies ist Manius Gracchus Minor von den Flavii, Sohn des bekannten Consulars und vielverdienten Pontifex Pro Magistro Manius Gracchus. Er hat sich bereits in Alexandria als wissbegieriger Schüler erwiesen und wurde vom Museion hierfür ausgezeichnet. Er ist hier, um als laticlavischer Tribun seine ersten militärischen Sporen zu verdienen." , erst jetzt wandte sich der Statthalter der Provinz dem Neuankömmling hinzu und bekam es sogar hin, ein halbwegs gewinnendes Lächeln zu fabrizieren, "Flavius, willkommen in Germania."

  • Artigwartete der junge Flavius, als die Wache seine Ankunft meldete, bis final er sich doch im Kreise der nidaesischen Honoratiorenschaft wiederfand, die soeben augenscheinlich ebenfalls dem Duccius ihre Aufwartung machte. Der Statthalter schien über ihn Erkundigungen eingezogen zu haben, denn sogleich wurde er mit eben jener Qualifikation präsentiert, welche ihm nach seinem eigenen Dafürhalten am wenigsten zur Ehre gereichte, immerhin erschien es ihm wenig erstreblich, just in jener Philosophie, die auf einem kapitalen, ja heilsgefährdenden Irrtum fußte, Meisterschaft erworben zu haben.
    "Salvete, die Herren. Ich danke, dass mir gestattet wurde eure zweifelsohne bedeutsamen Unterredungen zu stören."
    Er trat näher und reichte dem Duccius die Hand zum Gruße, präsentierte ein formales Lächeln und zog final die Hand wieder zurück. Konträr zu seinen Kommilitonen hatte er durchaus sich über die Person des Statthalters informiert, ja erinnerte sich gar dunkel, ihn hier oder dort im Knabenalter auf gesellschaftlichen Anlässen getroffen zu haben. Final zumindest hatte sein Vater ihn als überaus vernunftvollen Emporkömmling charakterisiert , selbst wenn ein Flavius selbstredend es mit Misstrauen musste betrachten, wenn ein Homo novus eine Patrizierin aus nobelstem Geschlecht geehelicht hatte.
    "Es ist mir eine Freude, deine Bekanntschaft zu machen, Titus Duccius Vala, und eine Ehre, unter deinem Kommando meinen Kriegsdienst zu leisten."
    , fügte er schließlich an, da er doch zu konzedieren hatte, dass Vala konträr zu seinem Vater zumindest auf dem Schlachtfeld einige Expertise hatte gewonnen und dem vescularischen Usurpator auch zugunsten des Patriziates die Stirne hatte geboten, was erwarten ließ, dass unter seiner Anleitung manches zu lernen sein würde.

  • Es ist mir eine Freude, deine Bekanntschaft zu machen, Titus Duccius Vala, und eine Ehre, unter deinem Kommando meinen Kriegsdienst zu leisten. waren Worte, die Vala sicherlich nicht aus dem Munde des Flavius erwartet hatte. Möglicherweise hatte der Spross des Manius Gracchus Maior in dieser Hinsicht etwas weniger geradelinige Direktheit geerbt als sein Vater. Was darauf hoffen ließ, dass er ebenso dem gesunden Menschenverstand (oder dem, was Vala als solches ansah) weniger abgeneigt war als sein alter Herr. Nichtsdestotrotz konnte selbst der Vollblutpolitiker Vala seine Überraschung über diese Ehrerbietung nicht zur Gänze verhehlen, was seine Augenbraue leicht nach oben zucken ließ.


    "Das mit dem Kriegsdienst könnte wortwörtlicher kommen, als einem lieb sein kann." , sprach Vala, der den Kopf im Moment voller Sorgen ob der Grenze hatte, weil noch vielzuviele Dinge im Ungefähren und Unklaren lagen. Und als Stratege hasste man nichts mehr als Unklarheiten, obwohl man quasi ständig mit ihnen zu kämpfen hatte.
    "Aber dazu später.. ich hoffe, deine Reise aus Rom verlief angenehm unaufregt? Erzähle, wie steht es in der Urbs Aeterna? Wie geht es dem Kaiser?" , verlangte Vala zu wissen, immerhin ging er davon aus, dass der Sohn des Consulars wohl persönlich vom Princeps in den Norden geschickt worden war. Nur kleinere, nichtssagendere Namen wurden von der Kanzlei abgearbeitet... so wie sein eigener, damals.

  • Das sublime Zucken der duccischen Augenbraue entging dem jungen Flavius selbstredend ob seiner Fehlsicht, was vice versa jedoch zweifelsohne nicht der Fall war, denn auch die flavische Augenbraue zog in gracchischer Tradition nach oben, als der Statthalter Manius Minor die Perspektive eines Krieges darbot. In der Tat war der flavische Jüngling hin- und hergerissen von seiner Begierde, die flavische Ehre zu restituieren und sich durch den Einsatz auf dem Schlachtfeld verdient zu machen auf der einen, seiner ebenso familiar tradierten Furcht vor dem Ernst der feindlichen Konfrontation auf der anderen Seite, als er dies vernahm. Hinzu trat der deplorable Umstand, dass Vala augenscheinlich nicht geneigt war, jene Anspielung genauer zu explizieren, was den Vorwitz des jungen Flavius weiter auf die Folter spannte und ihn nötigte, erstlich seinerseits Rapport zu geben:
    "Meine Reise verlief in der Tat mit erfreulicher Velozität und ohne Zwischenfälle. Ich hatte gar die Gelegenheit, alte Freunde in Cremona zu visitieren."
    , berichtete er wahrheitsgemäß die Umstände seiner kürzlich finalisierten Reise.
    "In Roma stehen die Dinge zum Besten. Kürzlich wurde das Ulpianum eingeweiht, was der Princeps mit Spielen für das Volk zelebierte."
    In großmütiger Bescheidenheit verzichtete der Jüngling darauf, seinen eigenen Beitrag zu jenem Festtage zu annotieren, gedachte jedoch einen Augenschlag der Vergnüglichkeit der Gladiatorenkämpfe, während denen er mit einer betörenden und doch gefährlich anmutenden Claudia Bekanntschaft gemacht, ja sogar eine Sklaven des claudischen Hauses als Wetteinsatz gewonnen hatte.
    "Des Weiteren traten die Magistrate dieses Jahres ihre Ämter an. Wie euch zweifelsohne bereits bekannt ist, wurden Ninnius Hasta und Rabuleius Strabo zu Consuln gewählt, Claudius Menecrates zum Praetor Urbanus und mein Vetter Flavius Scato zum Aedilis Curulis. Letzterer gab im Übrigen kurz vor meiner Abreise seine Verlobung mit Claudia Sassia, einer Enkelin von Menecrates, bekannt. Dass die Augusta in anderen Umständen ist, dürfte ebenfalls bereits nach Germania gedrungen sein, wie ich vermute. Als ich die Urbs verließ, war sie noch nicht niedergekommen, doch scheint mir jenes Ereignis baldig bevorzustehen."
    Auf der kombinierten Wahlsiegs- und Verlobungsfeier hatte Manius Minor lediglich peripher Notiz von der Augusta genommen, die gemäß dem Usus mit einer gewaltigen Entourage erschienen war, welche es dem Jüngling nicht recht erlaubt hatte, ihren Bauch intensiver zu inspizieren, zumal Claudia Silana ihn ein wenig abgelenkt, sodann jedoch vertrieben hatte.
    "Der Kaiser selbst scheint somit in guter Hoffnung."
    Diese Informationen erschienen dem Tribun vorerst suffizient, zumal er darauf brannte, mehr über seinen neuen Einsatzort zu erfahren. Insonderheit, inwiefern sich sein Kriegsdienst seinem Wortsinne gemäß evolvieren mochte.

  • Die Ausführungen des Flavius überboten Valas Erwartungen um ein Vielfaches... und auch sein Interesse, so dass er den Bericht gelegentlich mit einem "Hmhmhm... natürlich.... ach?" quittierte. Valas Verhältnis zur Urbs Aeterna war nach wie vor zwiegespalten, hatte er sich doch jahrelang (jahrzehnte, fast) eingebildet, er würde die Urbs nur als Mittel zum Zweck missbrauchen. Mittlerweile schien es, als wäre dieses Verhältnis auf Gegenseitigkeit gegründet gewesen. Die Berichte schienen ihm fremd und doch erinnerten sie ihn an eine Zeit, die noch den Großteil seines bisherigen Lebens ausmachte. Mit den meisten Namen konnte er nichts anfangen, mit anderen verband er nichts gutes und allein die Aussicht auf Nachwuchs des Kaiserpaars beruhigte ihn. Er hatte sicherlich nicht vor, erneut mit einer Armee den Norden zu verlassen um Nachfolgeprobleme mit tausend Tonnen Stahl zu klären.


    "Ich merke, Rom ist lebendig und umtriebig wie eh und je." , kommentierte der Legat die flavischen Ausführungen abschließend, ohne auch nur einen Deut auf eigene Erinnerungen an die gefallenen Namen preiszugeben, "Und es ist gut zu hören, dass dem Reich mit kaiserlichen Nachwuchs Stabilität versprochen wird. Du wirst jedoch leider feststellen müssen, dass die Zeit in dieser Provinz etwas langsamer vergeht als im Caput Mundi... und weitaus weniger spektakulär."


    "Mit Verlaub, Legatus, das ist wahrlich übertrieben. Die Hochzeit des Petrulius hier hallt uns immernoch in den Ohren.", tönte einer der anwesenden Ehrenmänner und klopfte dem Kerl neben ihm kräftig auf die Schenkel, "Kein Fest in Rom kann solch einem Gelage das Wasser reichen! Mir hat drei Wochen lang der Schädel geschmerzt, als hätte man mir ein Bierfass übergezogen!"


    "Man HAT dir ein Fass übergezogen, Stintius... niemand anderes als du selbst, als du meintest du könntest es auf einen Schlag leertrinken. Nicht einmal heben konntest du es!", lachte ein anderer Mann und winkte bei der Prahlerei des ersten ab.


    "Und du wirst feststellen, Flavius..." , lächelte Vala schief, "...dass die Standards andere sind."

  • Selbstredend hatte der Tribun bereits erwartet, dass die Provinz ihm wenige jener sozialen Kurzweiligkeiten offerierte, als er es aus Roma gewohnt war, doch war er ohnehin nicht aus diesem Grunde in den Norden gezogen. Insofern würde die Beschaulichkeit Germanias ihn zumindest nicht von seinem eigentlichen Ziel, dem Erringen militärischen Ruhmes zugunsten seiner Gens, abhalten.


    Auf die großtuerischen Beteuerungen der nidaesischen Prominenz vermochte er so lediglich ein wenig insekur zu lächeln, da erstlich ihm derart orgiastische Formen von Festivitäten einerseits nicht unbekannt waren, nachdem er selbst in Alexandreia an solchen hatte partizipiert, des Weiteren sie seit seiner Läuterung als eher barbaresk und eines römischen Aristokraten nicht angemessen erachtete (zumal sie augenscheinlich mit Bier, dem Barbarentrunk schlechthin, zelebriert wurden).
    "Nun, es wird mir eine Freude sein, die örtliche Festkultur zu erproben."
    , kommentierte er somit ein wenig ausweichend und nutzte das Sujet, um in jene Regionen vorzudringen, die womöglich seinen Vorwitz befriedigen würden:
    "Wenn hier derart rauschende Feste zelebriert werden, scheint der Krieg ja doch nicht allzu nahe, nicht wahr?"
    Fragend blickte er zu Duccius, der jene Thematik ja bereits angedeutet hatte.

  • "Hah!" , lachte Vala laut ob der Erkenntnis des Flavius auf, zeigte der Gedanke doch wie fern die Erfahrungen des Flavius der Lebenswelt des imperialen Nordens waren. Alleine die Tatsache, den Effekt des Alkohols genau in die falsche Richtung zu denken, "Sollte jemand behaupten, es gäbe Kriege in deren Entstehung Alkohol keine maßgebliche Rolle gespielt hätte, so zeichne ich ihn hier und jetzt einen Lügner. Interessanterweise trifft das wohl auch auf so ziemlich jede Ehe zu. Wo wir gerade dabei sind... bist du verheiratet, Flavius?" , zeigte Vala klare Gedächtnislücken. Er war sich ziemlich sicher, Sirius hatte ihm genau diese Information eingeimpft... konnte sich allerdings nicht an jene erinnern.

  • In der Tat irritierte das Amusement des Statthalters des Jüngling, denn obschon er sogleich sich erklärte, leuchtete jene Explikation ihm keineswegs ein angesichts des Umstandes, dass ihm weder in Fragen von Krieg in Frieden, noch bei der Anbahnung einer Ehe ein sonderlicher Weinkonsum jemals ins Auge gestochen war. Sollte dies hingegen ein Witz gewesen sein, so erschien selbiger ihm inadäquat, da der Trinker in seinen Augen weder als Ehegatte, noch als Politiker taugte, wie ihm als purgierten Opium-Konsument höchst bewusst war.


    "Ich bin Cornelia Squilla versprochen, gedenke jedoch, den Mores Maiorum entsprechend erst nach meiner Quaestur die Ehe zu schließen."
    , erwiderte er somit eher spröde angesichts der exaltierten Stimmung, welche womöglich eher dem Alkohol geschuldet war als der vermeintlich heraufziehende Krieg, obschon er keineswegs sich als humorlos zu inszenieren geplant hatte.
    "Ist im Übrigen deine Gattin präsent?"
    , fügte er sodann eilig an, da er selbstredend wusste, dass der Duccius trotz seines Status als Homo novus es vollbracht hatte, eine Tiberia zu ehelichen, was selbstredend nahelegte, auch ihr seine Referenz zu erweisen.

  • Da es zu auffällig gewesen wäre, wenn Sirius ihm in diesem Moment seine Hintergrundinformation über Cornelia Squilla ins Ohr geflüstert hätte, nickte Vala nur bedächtig und lächelte ein unverbindliches 'Gute Wahl.' hervor. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wer diese Squilla war, da sie offensichtlich wenn überhaupt in einem entfernteren Verhältnis zur kaiserlichen Familie stand. Roms Familien hatten seit seinem Amtsantritt hier im Norden erheblich an dem schon vorher nicht gerade großen Interesse eingebüßt, aber das musste er dem Mann sicherlich nicht auf die Nase binden.


    "Meine Frau? Nein, sicherlich nicht." , lächelte Vala und zuckte hilflos mit den Schultern ob der Frage, ob seine Frau ihn auf seinen Reisen durch die Provinz begleitete, "Tiberia Lucia zieht es vor in Mogontiacum zu bleiben und dafür zu sorgen, dass ihre Umgebung Rom so ähnlich sieht wie möglich... ich glaube sie tut dies um Heimweh vorzubeugen. Nun... sie begleitet mich nur einmal im Jahr durch die Provinz."


    "Weiber.", tönte einer der Decuriones mit längerem Haar, brach aber mitten im nächsten Wort ab als er den Blick des Legaten bemerkte, der keinen Zweifel darüber ließ was er von Kommentaren über seine Frau hielt.


    "Nun, Flavius..." , wandte Vala sich stattdessen wieder seinem jungen Gast zu, "...dein Tribunat beginnt also heute. Mit welchen Erwartungen bist du in den Norden gekommen? Wie stellst du dir dein Tribunat vor?"

  • Der Blick des Jünglings streifte die Gesellschaft, als Vala so überaus schroff die Präsenz seiner Gattin refutierte, da es ihm doch überaus einsichtig erschien, warum kultivierte Personen, zu welchen ein Spross der patrizischen Gens Tiberia zweifelsohne zählte, es schätzen mochten, von derartigen, zweifelsohne strapaziösen Reisen dispensiert zu bleiben. Obschon Mogontiacum ihm durchaus nicht so barbarisch erschienen war, wie er befürchtet hatte, so musste selbst jene Provinzmetropole hinter den Erfordernissen eines Stadtrömers in erschröcklichem Maße zurückbleiben.


    Gleich den übrigen Decuriones enthielt er sich jedoch nach der vorwitzigen Interjektion eines von ihnen weiterer Kommentare hinsichtlich der Tiberia, sondern wandte sich der nächsten Frage des Legaten zu:
    "Nun, ich bin hierher gekommen, um mich mit Leib und Leben in den Dienst Roms zu stellen, wie dies wohl nur der Kriegsdienst in vollstem Maße gestatten mag. Ich erhoffe mir, keineswegs geschont zu werden, sondern an jenen Platz gestellt zu werden, wo ich dem Imperium den größten Nutzen bringen mag."
    Jene Explikationen mochten ein wenig pathetisch erscheinen, doch spiegelten sie durchaus die Intentionen Manius Minors wider, welcher ja eben hierher gekommen war, um jenen Ruhm für seine Familia zu erwerben, den Manius Maior zu erwerben deplorabel gescheitert war und der seinem Dafürhalten nur an der vordersten Front zu erwerben war.
    "Ich stehe durchaus auch parat, an militärischen Kampagnen zu partizipieren."
    , fügte er deshalb zur Klarifizierung seiner Ausführungen an.

  • "Der Kriegsdienst am Limes in besonderem Maße..." , ergänzte Vala, war die Grenze, welche sich unter seinem Kommando befand wohl ungelogen der Ort, an dem man am schnellsten und vor allem am unkompliziertesten zum Helden avancieren konnte. Als der Flavius sich aber fortgeführt heldentumssuchend gab, kam Vala nicht umhin anerkennend die Lippen zu verziehen.
    "Ich muss zugeben, Flavius, schon etwas beeindruckt von deinem Tatendrang zu sein.." , verbalisierte er seine Gedanken, "..es scheint fast, als würde dein Stand entweder Offiziere hervorbringen, die neue Maßstäbe in Arbeitsvermeidung und Inkompetenz setzen.. oder solche, die sich ganz der Sache verschreiben. Zumindest Arbeitsvermeidung wird man dir wohl nicht vorwerfen können... und gegen die Inkompetenz können wir hier ja aktiv vorgehen." , sprach's, winkte einen der Serviersklaven heran und ließ sich einen Becher mit verdünntem Wein reichen, "...dieser ist aus Hispania. Ich habe mir sagen lassen, die Versuche Vinum hier in Germania zu kultivieren würden noch auf ihren Erfolg in Sachen Genießbarkeit warten. Aber zurück zur Sache: ich werde dich enttäuschen müssen, das Hauptaugenmerk unserer Arbeit hier besteht darin, militärische Kampagnen zu VERHINDERN, nicht sie zu gestalten. Allerdings lässt es sich nicht verhindern, dass eben dieses Verhindern in unregelmäßigen Abständen verhindert wird. Sprich: wir hatten erst vor kurzem einen Zwischenfall kleineren Ausmaßes, welche sich zu mittlerem Ausmaß verselbstständigte... und wir werden nun zu verhindern versuchen, dass sich daraus was größeres entwickelt. Du kommst also, um in deinen Ambitionen zu bleiben, genau zur rechten Zeit."

  • Der Kommentar des Duccius ließ Manius Minor ein wenig konfundiert zurück, da er doch nicht zu erkennen vermochte, ob es sich bei jenem um eine nüchterne Diagnose, eine relativierende Herabwürdigung seiner Ambitionen oder gar eine plumpe Kritik seinem Stand darstellte, welchem es zweifelsohne weder wohl anstand, in arroganter Faulheit zu verharren, noch durch hochmütigen, doch letztlich leeren Aktionismus von sich reden zu machen. Zumindest mochte er jedoch dem Statthalter beipflichten, dass er seine Inkompetenz zu überwinden hatte und dies auf jener Mission als Tribunus anzugehen gedachte.


    Noch immer ein wenig perplex ergriff er somit den hispanischen Wein, nippte vornehm daran und lauschte sodann den weiteren Reflexionen Valas, welche in ihrer Kryptizität nun doch seine Nachfrage zu erfordern schienen:
    "Um was für Zwischenfälle handelt es sich? Und wie gedenkst du, auf sie zu reagieren?"

  • "Wie soll ich das erklären, ohne zu weit auszugreifen, Flavius?" , überlegte Vala laut und entschied sich dann doch zu einer kurzen Gegenfrage: "Wie tief geht dein Wissen über jene vielen Völker, die in Rom gerne in den Germanen oder den Keltentopf geworfen werden?"

  • Der junge Flavius legte die Stirne in Falten, unschlüssig, was er auf jene Rückfrage erwidern sollte, da er doch einerseits sein Wissen als nicht sonderlich profund erachtete, andererseits nicht als Ignorant sich offenbaren wollte, welcher in eine Provinz verreiste, von der er nicht den Hauch einer Kenntnis besaß (obschon diese Einschätzung ohnehin übertrieben wäre gewesen).
    "Nun, mir ist bekannt, dass jene Völker tribale Strukturen besitzen. Die Kelten leben diesseits des Rhenus, die Germanen jenseits."
    , setzte er an, sein rudimentäres Wissen widerzugeben, welches die Commentarii de bello gallico des Divus Caesar ihm vermittelt hatten.
    "Weiters ist mir bekannt, dass sie stolze Krieger sind, aufbrausend und ohne eine feste Regierung."
    Seine Worte entsprachen eher einer Verbalisierung seines Spintisierens, welches all jene Informationsfetzen aktivierte, die der Tribun in seiner umfangreichen Edukation hinsichtlich der Germanen erhascht hatte, sich sonderlich auf die Historien über das Scheitern des Divus Augustus im Saltus Teutoburgensis beziehend.


    Vorsichtig blickte er aufs Neue in die Runde, in welcher sich zweifelsohne zu den römischen Veteranen, aus denen sich nicht selten provinziale Eliten rekrutierten, selbst Germanen gesellten, die zu offendieren ihm höchst unklug erschien.

  • "Ah, ja, Divus Iulius." , erinnerte Vala sich an die Ausführungen des ersten großen Mannes im Staate, Ziehvater des großen Augustus und eher glücklichen als brillanten Feldherrn, "Ich kenne seine Ausführungen... und aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass vieles was er über die Celtoi und die Germani zu falsch ist oder zu kurz greift. Kleines Beispiel: die Mattiaci, unsere engsten Verbündeten unter den freien Germani, sind in ihrer Sprache, ihren Traditionen, ihren Werten und ihrer Art zu leben den Treverern ähnlicher, die Caesar zu den Celtoi zählte, als den Usci im Norden. Selbst innerhalb eines größeren Stammes gibt es unterschiedliche Dialekte, stammesübergreifend ist es noch komplizierter. Ein Frisius würde im Gespräch mit einem Hermundurus kein einziges Wort ohne Übersetzer verstehen und würde wahrscheinlich besser mit einem Pictus klarkommen als mit jenen, die Caesar zu seinen Volksbrüdern im Süden gezählt hätte. Und ein westlicher Chatte hat mehr mit den Mattiakern gemein als mit den östlichen Chatten."


    "Bei den Göttern, gebt mir Wein, das hier wird länger dauern...", ächzte einer der anwesenden Honoratioren südlicheren Schlages und winkte einen Sklaven herbei.


    "Ja, wahrscheinlich schon..." , strich der Statthalter durch seinen Bart und nickte bedächtig, "...es gibt hunderte Stämme, noch mehr Sprachen und unterschiedliche Details über diese. Unser weinliebender Cartilius hier ist froh, dass er sich nur auf die Stämme rumschlagen muss die diesseits des Limes leben."


    "Und selbst die gehen in die Dutzende!", winkte der angesprochene hilflos ab.

  • Die Ausführungen des Duccius schienen erstlich verwirrend, da sie doch jene überaus übersichtlichen Kategorien des römischen Feldherrn relativierten und letztlich das Volk der Germanen zu einem Konglomerat aus separaten, differenzierten Stämmen dekonstruierte, was die Lage überaus unübersichtlich zu machen schien. Indessen fühlte der Jüngling sich spontan an die völkische Komplexität des Orients erinnert, welche er in Alexandria an so vielen Stellen hatte kennen gelernt, obschon jenes 'babylonische' Konfusion der Metropole sich doch in für einen Rhomäer durchaus klare Volksgruppen unterteilen ließ, deren Territorien stets von beachtlicher Größe waren (man musste nur an die Parther, die Armenier, die Jüden, die Ägypter oder die Nubier denken, welche sämtlich von einem zivilisierten König befehligt wurden). Dachte er hingegen an die Hellenen, welche partiell sich nicht als solche, sondern vielmehr als Rhodier, Athener, Spartaner, Korinther, Mesener, Epheser, Kreter, Thebaner etc. titulierten und sich ihrer eigentümlichen Dialekte bedienten, welche selbst einem römischen Aristokraten, der seit frühester Kindheit in feinstem Attisch war unterwiesen worden, das Verständnis verschlossen.


    Auch unter ihnen war das Lamentieren über die Komplexität ihrer fragmentierten Strukturen Legion, sodass selbst Cartilius' Klage dem Tribun ein wenig familiar erschien, weshalb endlich er mit einem Lächeln erklärte:
    "Dann sollten wir womöglich uns heute Abend eher dem Weine zuwenden. Mir bleiben ja noch diverse Monate, um jene Strukturen zu erkunden und womöglich meine Kenntnisse im Hinblick auf einige wenige zu vertiefen."
    Mit dem Becher, welchen der Statthalter ihm hatte reichen lassen, prostete er der augenscheinlich eher die Zerstreuung als tiefgründiges Philosophieren über die Beschaffenheit ihres Landes suchenden Festgesellschaft zu und nahm einen weiteren Schluck.

  • "DAS ist ein Wort.", tönte einer der Decuriones und hob den Becher, um dem Flavius und den anderen zuzuprosten, "Dann unser Willkommen in der Provincia Germania Superior, Tribunus Flavius, auf gutes Gelingen!"


    Die anderen Decuriones folgten langsam seinem Beispiel und hoben ihre Becher.. was er Statthalter als letzter dann auch tat: "Auf gutes Gelingen, Tribunus."

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