"Nosce te ipsum" - "Erkenne dich selbst" in Germania Libera


  • <<< Nun ließen sie den Limes hinter sich und die Wachtürme verschwanden hinter den Baumwipfeln der großen Wäler Germanias. Othmar hatte natürlich auch ein Ziel, nämlich einen weiteren Begleiter in einem Dorf abzuholen, das von den Römern Mattiacum genannt wurde. Dafür mussten sie zwar einen kleinen Umweg machen, doch hatten sie, als sie zuletzt hier waren, keine andere Heilerin oder Kräuterfrau gefunden. Othmar kannte die Wälder hier und ihre Gefahren gut, die größte Gefahr hier ging von wilden Tieren aus, Räuberbanden waren hier eher selten. Allerdings würde sich das ändern, wenn sie tiefer ins freie Germanien kommen würden. Dennoch waren Othmar und Hrothgar aufmerksam, denn hier war die Sicht durch die zahlreichen Bäume und Büsche eher gering.


    Für Neulinge konnte der Wald an sich schon recht unheimlich sein. Knacken im Unterholz, Tiergeräusche und hier und da das Flattern von Vögeln in Baumwipfeln und dazu das schummrige Licht, da die Sonnenstrahlen durch die Baumwipfel abgefangen wurden. Zudem erschwerten die wenig ausgebauten Wege das Fortkommen des Wagens ein bisschen. Auf dem Rückweg würde es zwar noch schwieriger werden, da der Wagen dann auch wieder voller wäre, doch mussten sie immer aufpassen, das keins der Räder oder gar eine Achse brach. So trappelten die Esel etwas langsamer und Othmar versuchte abzuschätzen, ob sie ihr Tagesziel noch vor dem Sonnenuntergang erreichen konnten. Als sie vorhin in den Wald einfuhren, hatte er sich den Sonnenstand gemerkt und war nun zuversichtlich, dass sie es schaffen würden.

  • Sie betraten das freie Germanien. Natürlich änderte sich nicht schlagartig alles, doch schon wenige Meilen hinter dem Limes rückte der Wald dichter an die Straße, die zunehmend zu einem Feldweg wurde. Schlaglöcher und schlammiger Grund erschwerten nicht nur dem Wagen und den Eseln das Vorankommen. Alpina musste feststellen, dass sie die Schritte gezielt setzen musste, damit es ihr den Schlamm nicht zwischen den Lederriemen ihrer Sandalen durchdrückte. Als die Bäume näher an den Weg rückten wurde es auch zunehmend dunkler. An manchen Stellen traf so wenig Sonnenlicht den Boden, dass klumpige Schneereste als späte Botschafter des eben erst vergangenen Winters auftraten.


    Alpina stapfte voran, den Esel Primus am Halfter haltend. Ab und an warf sie einen verstohlenen Blick auf Othmar. Gerne hätte sie ihn gefragt, wo sie heute nächtigen würden. Wie hieß wohl die Siedlung, auf die sie zuhielten? Doch was würde es bringen? Sie kannte sie ohnehin nicht, wusste nicht wo sie waren. Ihr Ausgeliefertsein drückte auf Alpinas Stimmung. Sie ließ die Schultern hängen.


    Es wurde schön dämmrig. Mit angstvoller Miene betrachtete Alpina die seltsamen Erscheinungen des Waldes. War da nicht eine Fratze gewesen? Ein Gnom, ein Waldschrat? Sicher! Da! Wieder ein verzerrtes Gesicht in einer alten Eiche. Es grinste hässlich. Es schien seinen Kumpanen zuzurufen, dass es bald fette Beute gäbe. Die Tannenhexe schien zu lachen und sie zu locken... Alpina dachte an die nächtlichen Erscheinungen der Furien. Hatten sie es geschafft, hatten sie Alpina endgültig mit Wahnsinn geschlagen? Ihr Blick wanderte wie getrieben nach rechts und links. Sie war umgeben von Schatten. Alle hatten nur darauf gewartet, dass sie kam. Die Furien hatten Alpina hierher gelockt... damit sie wahnsinnig würde...

  • Langsam wurde es dämmrig und Othmar befürchtete, dass sie doch erst nach dem Anbruch der Dunkelheit in Mattiacum ankommen würden. Hinzu kam, dass ihre Begleiterin offenbar mit ihren Nerven kämpfte, denn die Dämmerung hatte schon vielen Menschen einen bösen Scherz gespielt. Othmar und Hrothgar wussten, dass das alles nur Naturerscheinungen waren, die ihn nicht gefährlich werden konnten. Ihre junge Begleiterin wusste das aber nicht. Sie wurde sichtlich nervös, blickte sich immer wieder um und ihre Unruhe drohte auf die Tiere überzuspringen. Daher blickte Othmar zu seinem Begleiter, übernahm selber die Zügel der Esel. Hrothgar griff Alpina derweil vorsichtig an Unterarm und zog sie von den Tieren ein bisschen nachhinten, sodass sie nun vom Wagen einerseits und Hrothgar andererseits flankiert wurde. Nur konnten sie natürlich nicht das Rascheln im Dickicht oder die Tiergeräusche abstellen.


    Endlich erblickte Othmar jene Lichtung, die ihn darauf hinwies, dass sie kurz vor der Siedlung waren. Etwa in einer Viertelmeile entfernt, konnte man nun, wenn man genau hinsah, einen Erdwall erkennen. Auf diesen steuerte Othmar nun zu und Hrothgar, der Alpina immer noch am Unterarm hielt folgte ihm langsam. Auch er hatte die Zeichen gesehen und wusste, dass sie bald in Mattiacum sein würden. Die kurze Entfernung legten sie recht schnell zurück und fanden sich nun an einer Schneise wieder, die den Eingang zur Siedlung markierte.

  • Alpina erschrak zunächst heftig, als jemand sie am Unterarm anfasste und nach hinten zog. Sie schie sogar kurz auf. Doch dann erkannte sie trotz ihrer angespannten Nervenlage den stummen Hrothgar. Es gelang ihr, sich zu beruhigen.


    Vor ihnen veränderte sich das Dunkel des Waldes. Die dichte Phalanx der Bäume wich einer Lichtung. Ein Erdwall kam in Sicht. Über eine Schneise konnte die germanische Siedlung betreten werden. Alpina hielt sich bewusst nah an Hrothgar. Hatte sie doch keine Vorstellung davon, was sie im Inneren des Walls erwarten würde. Im Augenblick war sie nur froh den Fratzen der Waldschrate entkommen zu sein.

  • Als die kleine Gruppe durch die Schneise traten, kam sofort ein junger Mann auf sie zu, groß, bärtig, einen Speer in der Hand. Er hatte heute die Aufgabe, den Dorfeingang zu bewachen, was ihm, wie sein Gesichtsausdruck verriet, nicht unbedingt passte.


    HALT!


    rief er in germanischer Sprache, die stark geprägt vom Dialekt seines Dorfes war. Er schritt direkt auf Othmar zu, der als ältester der Gruppe von ihm als Anführer ausgemacht worden war.


    Wer seid ihr und was wollt ihr hier?


    fuhr er dann ernst, fast drohend fort, denn normalerweise waren zu dieser späten Stunde alle Einwohner in ihren Hütten und nur Fremde, das heißt Leute von außerhalb wollten noch ins Dorf. Ihm wurde eingeschärft, dass zu dieser Zeit überhaupt nur bekannte Gesichter Zutritt zum Dorf erhalten sollten und alle anderen abzuweisen seien. Da der junge Mann den Händler aber nicht kannte - oder, was Othmar eher vermutete, aufgrund seiner schlechten Laune nicht kennen wollte - tat er vorerst keinen Schritt zur Seite, sondern versperrte ihnen störrisch den Weg hinein.


    Mein Name ist Othmar und ich bin Pelzhändler. Dies sind meine Begleiter Hrothgar und Alpina. Ich war schon oft hier und möchte zu Hildrun und eine Unterkunft in eurem Dorf.


    antwortete Othmar ebenfalls in germanischer Sprache, allerdings mit deutlich zu erkennendem anderen Dialekt. Dieser ließ den Wächter umso misstrauischer werden. Sein Gesicht verfinsterte sich.


    Das sagst du, Kerl! Aber ich kenne dich nicht. Und woher weiß ich, dass ihr keine Räuber, Diebe oder Spione seid?


    Othmar seufzte laut auf. Diese Junge schien offenbar regelrecht Streit zu suchen und hatte heute dafür die denkbar beste Aufgabe abbekommen. Der Händler setzte sein bestes Verkaufsgesicht auf, blickte kurz zu seinen Begleitern und dann wieder zum Wächter.


    Mein lieber Freund, wir sind die letzten die euch Ärger machen wollen. Wir wollen nur unseren Begleiter Wolfhart bei der Kräuterfrau Hildrun abholen und erbitten dafür für eine Nacht Unterkunft bei euch. Wenn du mir nicht traust, hol Hildrun selber. Oder euren Dorfältesten Ranulf.


    Der junge Mann staunte nicht schlecht, dass sein Gegenüber so gut über ihr Dorf informiert war. Natürlich wusste er von dem Fremden, der bei Hildrun verarztet wurde und natürlich hatte er auch mit Ranulf recht. Doch ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen.


    Ich bin nicht dein Freund! Außerdem kann das jeder wissen! Sowas spricht sich herum!


    antwortete er unbeirrt, als von rechts ein weiterer Wächter mit Speer heranschlurfte. Dieser war deutlich älter, und auf seiner rechten Wange war eine diagonal verlaufende Narbe sichtbar. Er blickte zum Händler und nickte ihm freundlich zu.


    Mach kein'n Mist, Junge, un' lass Othmar rein.


    warf er dann nuschelnd, natürlich ebenfalls in germanischer Sprache, ein. Nun war der junge Mann komplett verwirrt. Er blickte von seinem Mitwächter zum Händler und wieder zurück


    Aber... äh... die Zeit... ich...


    stotterte der junge Mann, doch der ältere Wächter unterbrach in sofort.


    Wennu sie nicht reinlässt, tritt dir Ranulf innen Arsch. Also?


    Endlich trat der junge Mann beiseite, während der ältere Wächte sie durchwinkte. Dann schüttelte er spöttisch über die Übereifrigkeit und die Streitlust des jungen Mannes den Kopf. Othmar führte den Wagen zum größten Gebäude des Dorfes.

  • Die Begrüßung fiel alles andere als freundlich aus. Der mit einem Speer bewaffnete junge Germane, der ihnen in den Weg trat, machte keinen Hehl daraus, dass sie in seinen Augen zu so später Stunde nicht erwünscht waren.
    Angesichts der Drohgebärden versteckte sich Alpina so gut es ging hinter Hrothgar. Othmars weitere Ausführungen ließen Alpina dann aber doch aufhorchen. Er war in dieses Dorf gekommen, um seinen Begleiter Wolfhart von einer Kräuterfrau abzuholen? Eine germanische Kräuterfrau? Alpina griff unwillkürlich nach dem Stein mit der Naudhiz-Rune. Die Götter hatten ihren Wunsch erfüllt, eine germanische Kräuterkundige zu treffen. Womöglich würde sich hier die Möglichkeit bieten, ein paar von den Heilmitteln der germanischen Stämme kennenzulernen.


    Doch was war, wenn der junge Wächter sie nicht passieren ließ?
    Die Furcht war unbegründet. Ein weiterer Germane kam. Er war älter und erkannte offenbar die Pelzhändler wieder. Nach einem kurzen Wortwechsel der beiden Dorfbewohner konnten sie mit dem Wagen in das Dorf einfahren.


    Alpinas Erschöpfung und Müdigkeit war der Neugier gewichen. Sie war gespannt auf die Heilerin Hildrun und den weiteren Begleiter, der wohl zukünfig auch ihr Reisegefährte sein würde. Vor allem aber wollte sie wissen, weshalb er hier behandelt wurde. Welcher Art war seine Erkrankung? Was würde sie lernen können?

  • Von dem Trappeln der Esel wurden einige Dorfbewohner auf die Neuankömmlinge aufmerksam. Einige grüßten Othmar freundlich, andere schauten nur kurz aus ihren Türen oder Fenstern und verschwanden dann wieder in ihren Häusern. Beim größten Gebäude angekommen öffneten sich auch dessen Türen und es trat ein älterer Mann, ungefähr so groß und alt wie Othmar und mit einem langen Bart, aus dem Gebäude. Seine gerunzelte Stirn wich schnell einem freudigen Gesichtsausdruck, während Othmar auf ihn zu trat.


    Othmar, du bist also zurück!


    begrüßte er den Händler in germanischer Sprache mit einem festen Händedruck. Dann blickte er zu Hrothgar, den er ebenso wie den Händler freundlich ansah, bevor sein Blick an alpina hängen blieb. Er musterte die junge Frau von oben bis unten und blickte dann fragend zu Othmar.


    Heilsa, Ranulf! Ja, ich bin wieder hier. Das ist übrigens Alpina, sie begleitet und nach Chassela.


    erläuterte er kurz und fuhr dann fort.


    Ich möchte Wolfhart wieder abholen und bitte um eine Nacht Unterkunft bei euch.


    Ranulf blickte die drei freundlich an und bat seine Frau, rüber zu Hildrun zu gehen, um ihr bescheid zu sagen.


    Eine Nacht? Kein Problem Allerdings kann ich euch nur ein Zimmer mit zwei Betten anbieten. Mehr Platz haben wir nicht.


    Othmar nickte. Für eine Nacht dürfte das ausreichen, doch müssten sie sich absprechen, wer wie und wo schlafen würde. So wie er Hrothgar kannte, ging er aber davon aus, dass er zugunsten Alpinas auf einem Strohbett liegen würde.


    So traten sie in den großen Wohnraum. Im Kamin flackerte ein Feuer, das den Raum wärmte, auf einem großen Tisch standen Brot, Fleisch und zwei Humpen Bier. Schnell stellte Ranulf drei weitere Humpen dazu und füllte sie mit Bier. Danach bot er allen an, sich zu setzen.

  • "Heilsa, Ranulf", begrüßte auch Alpina den Mann, den Othmar zuvor bereits als den Dorfältesten bezeichnet hatte. Er war eine imposante Erscheinung. Groß und mit enem langen Bart. Ein wenig erinnerte er Alpina an ihren Großvater Lasthe. Sein prüfender Blick störte sie weniger als die Aussicht darauf, dass nur zwei Betten zur Verfügung standen. Bei der Größe der beiden Germanen war davon auszugehen, dass sie sich wohl kaum ein Bett teilen würden und die Vorstelllung mit einem von ihnen ein Bett zu teilen, sorgte dafür, dass sich bei Alpina die Nackenhaare aufstellten. Sie mochte ihre Begleiter und war bisher mehr als zuvorkommend von ihnen behandelt worden, aber ... man sollte nicht mit dem Feuer spielen...
    Doch sie verdrängte den Gedanken schnell. Es war noch Zeit bis dahin und sie hätte überhaupt keine Probleme auf einem Fell am Boden zu schlafen, wenn es sein musste.


    Der große Wohnraum, der von einem Feuer erwärmt wurde, strahle Behaglichkeit aus. Mit hungrigen Augen betrachtete Alpina die aufgedeckten Köstlichkeiten. Vernehmlich knurrte ihr Magen. Das Angebot, sich zu setzen, nahm sie also nur zu gerne an. Auch wenn Alpina nie Bier trank, wollte sie nicht unhöflich sein. Sie nahm also den hingeschobenen Humpen dankbar an. Ungeduldig wartete sie darauf, dass die Tafel eröffnet wurde. Doch zunächst warteten sie auf die Frau des Dorfältesten und die Heilerin Hildrun. Alpina war gespannt auf ihre Berufsgenossin. Ihre einzige Sorge war, dass sie die Heilerin nicht verstehen würde. Zwar hatte sie sich inzwischen ein wenig in den germanischen Dialekt eingehört, dennoch fiel es ihr schwer einer ganzen Konversation zu folgen. Wie würde das wohl werden, wenn es auch noch um komplexere Themen ging?


    Es dauerte einige Zeit bis die Frau des Ranulf zurückkehrte. Im Schlepptau hatte sie eine Frau von unbestimmbarem Alter. Sie war nicht mehr jung, aber noch immer schön. Von ihr ging eine geradezu ehrfuchtgebietende Aura aus. Alpina verschlug es den Atem.



    Wie selbstverständlich machten die Männer ihr Platz. Sie setzte sich gegenüber von Alpina auf einen freien Stuhl. Mit sanfter Stimme begrüßte sie Othmar und Hrothgar beim Namen. Dann traf ihr Blick Alpina. Ein feines Lächeln legte sich auf ihre Lippen.
    "Heilsa", begrüßte sie Alpina. "Wir kennen uns noch nicht."
    Beglückt stellte die Raeterin fest, dass Hildrun so langsam und deutlich sprach, dass sie verstehen konnte was die Heilerin sagte.


    "Heilsa. Mein Name ist Alpina", antwortete sie. "Ich bin Hebamme und Kräuterfrau aus Raetia. Seit ein paar Tagen begleite ich Othmar und Hrothgar auf dem Weg zu einer Seherin mit Namen Osrun. Hast du von ihr gehört?"


    Hildrun schüttelte den Kopf. "Es ist weit nach Chassela. Ich war noch nie dort. Doch ich bin sicher, dass du sie finden wirst, wenn du mit dem Herzen nach ihr suchst."
    Ihr feines Lächeln machte Alpina Mut.
    "Es freut mich, dass wir uns kennenlernen. Wenn du möchtest, werde ich dich nachher mit zu mir nehmen. Dann kann ich dir erzählen, wie ich Wolfhart heilen konnte. Es interessiert mich auch, was du an meiner Stelle für Heilkräuter benutzt hättest."


    Alpina lächelte. Dankbar nickte sie. Dann eröffnete Ranulf die Tafel und alle durften sich endlich stärken.

  • Das Essen war reichhaltig und das Bier süffig. Othmar genoss mal wieder die etwas bequemere Unterkunft bei dem Dorfältesten, den Othmar schon lange kannte. Othmar erzählte von seinen jüngsten Erlebnissen jenseits des Limes und Ranulf erzählte von den aktuellen Entwicklungen in und um das Dorf. Othmar hörte bei diesen Erzählungen immer ganz besonders gut zu, da dabei auch immer Informationen für die nächsten Tage bei rumkamen. Irgendwann verabschiedeten sich Hildrun und Alpina und gingen hinüber zu Hildruns Hütte, während Othmar und Hrothgar bei bei Ranulf blieben.


    Grade schnitt sich Hrothgar ein gute Kante Brot ab, als Ranulf auf ihre junge Begleiterin zu sprechen kam.


    Sag mal, Othmar, was ist das denn für ein Mädchen, mit dem du unterwegs bist?


    Der Händler blickte von seinem Bierkumpen hoch, aus dem er grade einen Schluck gemacht hatte.


    Ich habe sie nahe des Limes getroffen. Es ist ein kleiner Nebenverdienst für mich und sie bekommt ein bisschen Sicherheit. Ansonsten wäre sie wohl alleine losgezogen und ich muss dir nicht sagen, dass sie dann verloren gewesen wäre.


    Ranulf nickte nachdenklich. Die Frauen des Dorfes waren selten alleine unterwegs, wenn sie weiter weg wollten. Doch kannte er seinen Freund gut genug, um zu wissen, dass er verlorene Menschen nur selten alleine weiterziehen ließ.


    Du und dein gutes Herz, Othmar.


    sagte er daher lachend und prostete ihm erneut mit seinem Humpen zu.

  • Es war nur zu offensichtlich, dass sich alle recht gut verstanden. Die Gespräche plätscherten dahin und Alpina tat sich zunehmend schwer, die verschiedenen germanischen Dialekte zu verstehen. Aus dem angestrengten Lauschen wurde Teilnahmslosigkeit. Hildrun schien das zu bemerken. Als Alpina sich satt zurücklehnte, bot sie ihr an, mit in ihr Haus zu kommen, um den wieder genesenen Wolfhart zu besuchen. Alpina nickte und stand auf. Hildrun entschuldigte beide bei der Tischgesellschaft und nahm Alpina mit sich.


    Sie überquerten den kleinen freien Platz vor dem größten Haus. Das Haus der Heilerin lag deutlich abseits der anderen, direkt am Waldrand. Eigenartige hölzerne Pfähle mit einfachen geschnitzten Gesichtern schmückten einen Weidenzaun, der ihr Grundstück umgab. Obwohl es schon dunkel war, erkannte Alpina neben dem Pfad, der zu dem einfachen Flechtwerkhaus führte, einige ihr bekannte Heilpflanzen. Über der Tür des Hauses baumelte ein Bund aus Heilkräutern und Blumen.
    Das Innere des kleinen Hauses erinnerte Alpina an das Langhaus ihrer Großeltern. Von den Dachbalken des schilfgedeckten Daches hingen zum Trocknen aufgehängte Kräuterbuschen, ähnlich dem vor der Tür, doch einzeln nach den verschiedenen Kräutern sortiert. Die Regale an den Wänden enthielten diverse Gefäße mit heilenden Substanzen. Fast wie in Alpinas Taberna medica.


    Erst beim genauen Hinsehen, erkannte Alpina, dass vor der Feuerstelle ein Mann saß. Er drehte sich neugierig um, als die beiden Frauen das Haus betraten. Geschwind sprang er auf. Vor dem roten Schein des Feuers hatte seine bärengleiche Statur etwas Dämonisches. Alpina erschrak, doch Hildrun schob sie lächelnd vorwärts.
    "Du brauchst keine Angst haben. Das ist Wolfhart. Er ist sanft wie ein Lamm, wenn man nichts im Schilde führt."


    Alpina schritt nun beherzt auf den Mann zu. Sie streckte ihm die Hand entgegen.
    "Heilsa, Wolfhart. Ich bin Alpina, Hebamme und Kräuterfrau aus Raetia. Hildrund möchte mir von deiner Heilung erzählen und ich hoffe, einiges von ihr lernen zu können. Ich hoffe, es macht dir nichts aus?"


    Wolfhart brummte etwas, das nach Zustimmung klang. Alpina und die Heilerin setzten sich. Dann erzählte Hildrun, dass Othmar und Hrothgar ihren Begleiter bei ihr abgeliefert hätten, weil er seit Wochen unter Verdauungsbeschwerden und Durchfall gelitten hatte. Er war zunehmend abgemagert und hatte an Kraft eingebüßt. Die beiden Pelzhändler hatten sich Sorgen um den Freund gehmacht. Hildrun hatte ihn untersucht und die Götter befragt. Dann hatte sie die Antwort erhalten, dass Wolfhart von Würmern befallen war. Sie hatte einen speziellen Sud aus Eibe hergestellt und dem Germanen zum Trinken gegeben. Tatsächlich war er schon bald von den Plagegeistern befreit gewesen. Doch um seine Widerstandkräfte aufzubauen hatte sie noch einge andere Tränke hergestellt.


    Interessiert lauschte Alpina. Auch sie kannte die Eibe, doch hatte sie ihre Mutter immer wieder davor gewarnt, dass dieser Baum giftig sei. Alpina fragte Hildrun danach.
    Die Germanin lächelte weise.
    "Nun, wenn man ihn falsch einsetzt und die Götter nicht um Mithilfe bittet, dann mag der Sud durchaus Schaden anrichten. Die Eibenrune Ihwaz ist ein Schicksalsrune, sie stellt den Kontakt zum Reich der Hel her... doch wie du siehtst, richtig eingesetzt, wirkt die Eibe Wunder. Nun erzähle du mir, wie du Wolfhart geholfen hättest."


    Alpina versuchte die Informationen zu speichern. Sie dachte kurz nach.
    "Nun, ich hätte vermutlich Ulmenrinde benutzt oder aber einige Löffel Walnussöl."


    Hildrun lächelte. "Oh ja, Ulme ist gut. Die kenne ich auch. Hast du gute Erfahrung bei Würmern damit?"


    Alpina nickte. "Ja, schon. Und dann gibt es noch die Möglichkeit auf den Granatapfel zurückzugreifen. Aber das kommt hier im freien Germanien wohl kaum infrage. Selbst bei uns ist er nicht leicht aufzutreiben und dazu sehr teuer. Aber die griechischen Ärzte schwören auf seine Wirkung."


    Hildrun kannte den Granatapfel nicht. Sie konnte sich nicht vorstelllen, wie diese Frucht aussah, auch wenn Alpina geduldig versuchte, es ihr zu beschreiben.
    Die beiden Frauen fachsimpelten lange Zeit über die Verwendung von Baumrinden und Baumsäften in der Medizin. Alpina merkte gar nicht, wie die Zeit verging. Erst als plötzlich Othmar und Hrothgar anklopften und das Haus betraten, um nach ihrem Freund zu sehen, wurde ihr bewusst, dass es sicher längst an der Zeit war, sich zu verabschieden. Sie bedankte sich bei Hildrun mit einer herzlichen Umarmung dafür, dass sie ihr Wissen mit Alpina geteilt hatte und versprach, vor ihrem Aufbruch noch einmal vorbei zu kommen. Dann folgte sie den beiden Männern in das Haus des Dorfältesten. Es galt noch eine Frage zu klären... wer würde wo schlafen?

  • Über den Gesprächen war es nun schon spät geworden und da Othmar am morgigen Tag nicht allzu viel Zeit verlieren wollte, durften sie nicht den halben Tag verschlafen. Daher verließen sie gemeinsam das Haus des Ranulf, um Alpina von Hildrun abzuholen und Wolfhart wieder zu sehen. Wie abgesprochen würde er noch eine Nacht in Hildruns Haus verbringen und morgen dann gemeinsam mit dem Händler weiter gen Norden ziehen. So klopften sie kräftig an die Tür und recht schnell wurde ihnen von Hildrun geöffnet, sie und Othmar warfen sich verstohlen einen Blick zu, während Hrothgar bereits schnell hineineilte, um Wolfhart mit einem Knuff in die Seite zu begrüßen. Der begrüßte seinen Freund mit einem fröhlichen Grunzen und blickte dann zu Othmar, den nun gemeinsam mit Hildrun ebenfalls dazugetreten waren.


    Wolfhart, mein Bester!


    grüßte nun auch der Händler seinen bärenhaften zweiten Begleiter und blickte dann zu Alpina, die offenbar vollständig in die Kräuter, Tränke und Salben vertieft war, die in der Küche Hildruns standen.


    Wir müssen nun leider wieder zu Ranulf, Mädchen. Morgen geht es wieder weiter.


    So verließen Hrothgar und Alpina das Haus der Hildrun, während Othmar noch bei Hildrun zurückblieb und sich über Wolfharts Gesundheitszustand erkundigte. Das war jedoch nicht der einzige Grund dafür. Bevor Othmar hinausging, hauchte Hildrun ihm einen Kuss auf die Wange und Othmar strich ihr leicht über die Schulter. Dann jedoch verabschiedete auch er sich und Othmar ging mit Hrothgar und Alpina zurück in Ranulfs Haus. Dort angekommen wurden sie von Ranulfs Frau in das Gästezimmer geführt. Während die drei bei Hildrun gewesen waren, hatten sie und Ranulf bereits ein paar Strohsäcke auf den Boden gelegt, um ein drittes Nachtlager herzurichten. Der Raum war dadurch nahezu komplett ausgefüllt. Othmar blickte ins Zimmer, nickte Ranulfs Frau dankbar zu und trat als erster komplett ins Zimmer.

  • Alpinas Sorge, was ihren Schlafplatz für die Nacht anging, war schnell ausgeräumt. Als sie die Kammer in Ranulfs Haus betraten, war ein drittes Schlaflager aus Stoh aufgebaut worden. Es machte den Raum zwar eng, war aber in jedem Fall eine gute Lösung. Alpina nickte Othmar zu. Sie war so müde, dass sie keine weiteren Diskussionen mehr anstellte. Scheinbar ging es ihren Begleitern auch nicht anders. In Kürze hatten sie sich geeinigt. Alpina schlief in ihren Umhang gewickelt auf dem Strohsack in der Mitte.


    Ob es am Bier oder an der Antrengung der Reise lag, für ihre Verhältnisse schlief Alpina erstaunlich schnell ein. Doch wie nahezu jede Nacht, suchten sie ihre Alpträume in erschreckender Realitätstreue heim. Vergleichbar den Wahnbildern am Abend, als die Schatten der Bäume die genarrt hatten, führ Alpina die Angst in die Knochen. Mit einen Schrei saß sie senkrecht und starrte in die Dunkelheit. Ihre Arme und Beine schienen unsichtbare Feinde abzuwehren.

  • Norwigas Truppe war schon ganz in der Nähe der Siedlung angekommen. Doch die Nacht brach herein und so lagerten die Chatten nach Aushub einer kleinen Schutzstellung dahinter. Die Nacht war kalt und so drängten sich die germanischen Krieger um die wenigen Feuer die ihre Wärme ausstrahlten. Sternenklar war der Himmel und Norwiga dachte über die vergangenen Tage nach. Wie sehr hatte sich das Leben verändert für alle Germanen nach den schlimmen Wochen. Doch nun waren sie auf dem Weg um am letzten Dorf Rache zu nehmen. Diesmal würden sie keine Gefangenen machen und nichts sowie niemanden am Leben lassen. Es sollte ein Exempel für alle Germanen an der Grenze werden. Sie sollten wissen dass es ab jetzt eine germanische Macht gab die die Regeln für das Leben aller Germanen vorgab. Der Wind sollte rauher werden für das römische Natterngezücht. Das Ziel sollte sein die Römer so zu verunsichern, dass sie nie wirklich wussten ob die Grenze sicher war oder nicht. Und eines Tages würden Horden von germanischen Kriegern über den Limes herfallen und die Römer aus dem Land treiben.


    Doch heute kamen in Norwiga wieder die Gedanken auf von einer Familie, vorzugsweise mit ihrem kleinen Römer und vielen kleinen Germanen. An Nächten wie diesem sehnte sich auch eine Kriegerin wie Norwiga nach Zärtlichkeit und Liebe sowie Geborgenheit. Warum konnte das Leben nicht einfach sein und alle Menschen in Frieden zusammen wohnen. Immer musste eine Partei Blut und Verderben auspacken und das Elend vergrößern. Am schlimmsten waren aber diese Zwerge von Römern. Überall mussten sie ihre Nase reinstecken, nirgends konnten sie in Frieden mit anderen Leben. In ihrer Verzweiflung zog sie ihr Schwert und begann es mit ruhigem Griff zu schärfen. Gleichmäßig strich sie an ihrem Schwert Nachtelfe entlang und sorgte dafür dass es wieder für neue Abenteuer bereit stand.


    Die Schatten der Bäume sahen aus wie alte Krieger die bereits an der Festtafel Wotans saßen und nun über sie wachen würden. Die Sterne strahlten am Himmel und Norwiga fragte sich wie weit sie wohl weg wären oder ob ihr Licht gar die Aura der Götter darstellte. Morgen würden sie erst einmal Mattiacum einen Besuch abstatten und dem Dorfvorsteher klar machen wer ab jetzt das Sagen haben würde. Ebenso das ab jetzt ein Teil der Ernte an Norwigas Dorf zu entrichten sein würde. Ohne Beistand konnten sie die Bevölkerung nicht durch den nächsten Winter durchbringen, auch nicht die enorme Zahl an chattischen Kriegern. Alle Dörfer mussten herhalten und ihren Beitrag zur Versorgung liefern. Auch würde das Dorf Morgen einige junge Krieger verlieren die ausgebildet werden würden unter Norwigas Obhut. Wenn alles gut ging, dann standen Morgen 200 Krieger Norwiga zur Verfügung die ihre Forderungen unterstützen würden.

  • So schnell wie Alpina das Schlaflager aus Stroh für sich beansprucht hatte, konnte Hrothgar kaum gucken. Er zuckte mit Schultern und legte sich dann in sein eigenes Bett. Der Anspruch Othmars auf ein Bett schien nicht in Frage gestanden zu haben, sodass auch er sich schnell hinlegte und, müde von dem langen Tagesmarsch, schnell einschlief.


    Der Traum, den Othmar in dieser Nacht hatte, war ein angenehmer, fast romantischer Traum. Er saß mit Hildrun an einem großen See, sie hielten sich die Hände und Hildruns Kopf lag auf Othmars Schulter. Gemeinsam blickten sie auf den See hinaus, über den sich eine neblige Dunstglocke schob. Plötzlich erschien ein Reh auf der rechten Seite, trippelte an den See heran und ließ den Kopf zum trinken nieder. So könnte er immer sitzen, ging es Othmar durch den Kopf...


    ... als er erneut von einem gellenden Schrei aus dem Schlaf gerissen wurde. Diesmal war der Schrei direkt neben seinem Kopf, sodass er die Augen aufriss und den Oberkörper ruckartig nach vorn schnellen ließ. Sein erster Griff ging an seinen Dolch, den er neben seinem Bett liegen hatte. Es dauerte einige Augenblicke, bis er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Ein Blick nach rechts machte Othmar klar, dass auch Hrothgar bereits wach war. Doch gab es da: Nichts... Wenn er genauer darüber nachdachte, wäre es auch überraschend, da es hier im Dorf niemand wagen würde, nachts ins Haus des Ranulf einzudringen. Er sein zweiter Blick zu alpina machte klar, dass sie es gewesen sein musste, die geschrien hat. Er ließ seine Füße aus dem Bett gleiten und legte Alpina eine Hand auf die Schulter.


    Alles in Ordnung, Mädchen, alles in Ordnung. Das war nur ein Traum.


    Zumindest ging er davon aus, dass sie von irgendeinem schlechten Traum aus dem Schlaf gerissen wurde.

  • Die Angst ebbte ab. Alpina erkannte wieder wo sie war und die Anwesenheit der beiden Pelzhändler führte dazu, dass sie sich schneller als sonst wieder fing. Nun war es ihr peinlich, dass sie Othmar und Hrothgar geweckt hatte und vor allem, dass sie beide nicht vorgewarnt hatte. Schließlich hatte sie ja gewußt, dass es so kommen würde.


    "Entschuldigt bitte. Natürlich hast du Recht... es war nur ein Traum."
    Sie suchte nach Worten.


    "Aber das ist ja mein Dilemma, wisst ihr. Ich hätte euch vorwarnen sollen. Das passiert jede Nacht... seit Monaten - jede Nacht. Es sind die Rachegöttinnen oder die Larvae, sie suchen mich Nacht für Nacht heim... und es wird solange so sein, bis ich meine schwere Schuld abgetragen habe..."
    Sie unterbrach sich, schluckte, sortierte die Gedanken, die wild durch ihren Kopf rasten.


    "Das ist der Hauptgrund meiner Reise... ich muss eine schwere Schuld abtragen und einer umherschweifenden Seele Frieden geben... dafür brauche ich die Hilfe eben jener besonderen Frau... sie ist meine letzte Hoffnung. Der gefahrvolle Weg ist Teil meiner Buße... Verzeiht mir, dass ich euch geweckt habe!"

  • Langsam beruhigte sich die junge Frau wieder, doch schien sie selbst noch danach unruhig, fast getrieben zu sein. Die folgende Erklärung machte dann klar, was diese Mädchen so antrieb: Offenbar hatte sie irgendeine Seele auf dem Gewissen, warum und in welcher Art auch immer, und diese hatte Rachegeister auf Alpina angesetzt. Hrothgar schluckte und Othmar sah die junge Frau lange und sehr ernst an. Er hatte keine Ahnung, inwieweit diese Geister auch auf ihn oder seine anderen Begleiter überspringen konnten, aber das war seine größte Sorge. Grade erst hatte er einen Begleiter zurück, da er konnte er es sich nicht leisten, erneut einen aufgrund irgendwelcher böswilliger Geisterwesen zu verlieren. Der Händler blickte zu Hrothgar der nur die Schultern zucken konnte. Was hatten sie sich mit diesem Mädchen in die Gruppe geholt.


    Othmar atmete tief durch. Würde er sie jetzt zurücklassen, würde sie alleine weiterreisen. Und zwar in einer Situation, in der es vermehrt Überfälle gegeben hatte. Außerdem brauchten sie Schlaf, denn bis Chassella konnte er nicht mehr dafür garantieren, dass sie ein vernünftiges Dach über dem Kopf hatten.


    Ich habe keine Ahnung warum dich diese Geister verfolgen. Und ich habe auch keine Ahnung was du tun muss, um sie zu besänftigen. Doch dir muss eins klar sein: Die folgenden Tage werden hart und kraftraubend. Nicht immer werden wir unter einem festen Dach schlafen, ganz abgesehen davon, dass wir kaum durchschlafen können, da wir Nachtwache halten müssen. Wenn du dich nicht unter Kontrolle, gefährdest du uns alle, und glaub mir, Mädchen, mein Leben ist mir deutlich wichtiger, als irgendwelche Geistervertreibungsaktionen. Versuch also die Geister, die dich verfolgen, so gut es geht, im Zaum zu halten. Ansonsten ist unsere Abmachung vorbei. Ist das klar?


    Sein Stimme war nicht übermäßig wütend. Nur die letzten Worte hatte er mit einer gewissen Schärfe ausgesprochen. Hinterher würden noch Räuberbanden auf sie aufmerksam und brachten sie um, oder wilde Tiere, die sich, durch Schreie aufgeschreckt, angegriffen fühlen konnten.

  • Alpina verstand. Sie konnte Othmars Bedenken sehr gut nachempfinden. Er sorgte sich um seine Begleiter. Gerade dieses fürsorgliche Verhalten ehrte ihn. Und wer wusste besser als sie selbst, dass er sich mit ihr einen Risikofaktor in die Gruppe geholt hatte. Zu gerne hätte sie ihn beruhigt, ihm versprochen, dass es keine Probleme geben würde... doch sie wusste auch, dass das Augenwischerei gewesen wäre. Klar konnte sie ihm jetzt versprechen, ihre Dämonen besser im Zaume zu halten, doch wäre es gelogen gewesen. Mit jedem Tag den sie unterwegs waren, wurde Alpina mehr bewusst, dass sie die Kontrolle über sich verlor und mehr und mehr Spielball der sie heimsuchenden Träume wurde...
    Aber sie war nun schon so weit gekommen und sie brauchte Othmar um zu Osrun zu gelangen. Also schwieg sie. Sie würde den Rest der Nacht und den kommenden Tag Zeit haben, darüber nachzudenken, wie sie es für ihre Reisebegleiter sicherer machen konnte.


    Ihre Antwort fiel also knapp aus. "Klar."


    Sie rollte sich erneut auf ihrem Lager zusammen. An Schlaf war für sie ohnehin nicht mehr zu denken, doch ihre Begleiter wollte sie nicht länger davon abhalten.

  • Othmar nickte bestätigend und legte sich dann wieder schlafen, ebenso wir Hrothgar. Was diese Mädchen immer alles mit sich herumschleppen, ging es Othmar durch den Kopf. Da kommt ja kein vernünftig denkender Mensch mehr mit. Er würde in den nächsten Tagen ein besonderes Auge auf sie haben, denn glücklicherweise war ja ab morgen auch Wolfhart dabei, der die Sicherungsaufgaben an den Seiten von dem Händler übernehmen konnte. Am nächsten morgen würde er sie auf dem Weg nochmal darauf ansprechen. Zumindest nahm er sich das vor, bevor er wieder in das Reich der Träume hinabgleitete. Sein wunderschöner Traum mit Hildrun jedoch kehrte nicht zurück. Zu schade aber auch.


    - - -


    Am nächsten Tag wachte Othmar wie üblich als erster auf, zumindest glaubte er das, denn er ging nicht davon aus, dass Alpina die ganze Nacht kein Auge mehr zugetan hatte. Als er geräuschvoll und verdrängt hustend seine Beine aus dem Bett hievte, wurde Hrothgar natürlich auch wach. Im freien würden sie sich jetzt um ein bisschen heißes Wasser zum Aufwärmen bemühen, hier im bequemen Haus von Ranulf jedoch erhielten sie eine leichte Stärkung für den Tag und ein bisschen Proviant, um zumindest den nächsten Tag zu überbrücken. Die nächste Siedlung würden sie erst in zwei bis drei Tagesreisen erreichen, sodass sie schauen müssten, wie sie sich derweil versorgten. Zwar kannte Othmar die eine oder andere verborgene Hütte auf dem Weg, doch dass deren Besitzer auch tatsächlich da waren, war unklar.

  • Natürlich ließ sich Alpina nicht anmerken, dass sie kein Auge mehr zugetan hatte. Als Othmar und Hrothgar aufstanden, schwang auch sie sich von ihrem Lager. Wie bei ihren Begleitern fiel auch ihre Reinigung notdürftig aus.
    Bevor sie die Siedlung verließen besuchte Alpina noch einmal Hildrun. Sie ließ sich noch einige Kräuter mitgeben und dankte der germanischen Heilerin erneut dafür, dass sie sie an ihrem Wissen teilhaben ließ. Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedete Alpina sich.


    Wie schon die Tag zuvor kümmerte sich Alpina wieder um die Esel. Die Nähe der Tiere war ihr momentan weit lieber als die der Menschen. Vor allem Othmar versuchte sie aus dem Weg zu gehen. Er war wütend auf sie gewesen. Alpina verstand seine Gründe ja, doch hatte sie seine Wut an ihr letztes Erlebnis mit einem wütenden Mann erinnert. Alpina hegte keinen Wunsch Othmars Grenzen testen zu wollen.


    Wann immer sich ihr eine Gelegenheit bot, sammelte Alpina Kräuter am Wegesrand. Durch das warme Wetter der vergangenen Tage brach sich die Natur nun förmlich Bahn. Alpina pflückte Bärlauch, Scharbockskraut, Knoblauchrauke, Gundermann, Brennnessel, Taubnessel, Spitzwegerich und noch einige andere Kräuter. Sie hoffte aus den Kräutern am Abend eine Kräutersuppe für alle zaubern zu können. Vielleicht würde es ihr dadurch gelingen, die Gemüter etwas zu beruhigen. Außerdem war ihr eingefallen, wie sie die Not mit der Tugend verbinden könnte. Sie musste nur noch auf die Gelegenheit warten, bis sie Othmar darauf ansprechen konnte...

  • Nun war es soweit die Chatten erhoben sich von ihren lagern und machten sich für den Abmarsch Richtung Mattiacum bereit. Unweit der Ortschaft würden sie auf weitere Elitekrieger stoßen die sich ihnen anschließen sollten. So zogen die Germanen schweigsam ihres Weges. Unweit von Mattiacum erblickten sie den Erdwall, der die Siedlung umgab. Friedlich lag das Dörfchen vor ihnen, Das Zwitschern der Vögel und das Zirpen der Grillen umsäumt vom Brummen der fleißigen Bienen ließen eine Ruhe ausstrahlen, die für die Bewohner trügerisch sein konnte. So wartete Norwiga mit ihrem Trupp auf die zweite Gruppe an Kämpfern. Endlich meldeten Späher die Ankunft und nach einer kurzen Begrüßung versammelten sich die beiden Gruppen.


    Auf ein Zeichen Norwigas trennte sich ein Teil vom Groß um einen Ring um die Siedlung zu ziehen. Der Rest der Krieger folgte ihr in einer ordentlichen Kolonne aus der sie sofort zum Angriff übergehen könnten. Der junge Wachposten im Eingangsbereich wurde schnell aus Kraft gesetzt und gebunden und so drangen die Germanen ganz gemächlich ins Dorf ein. Immer weiter schritten sie voran, wobei die wenigen Dorfbewohner die sie sahen, sofort ihre Häuser aufsuchten um in ihnen Schutz zu suchen. Immer weiter schritten sie Richtung Mitte der Siedlung bis ihnen endlich der Dorfälteste entgegen trat. Man sah ihm deutlich das Unbehagen an, als er die Menge an Kriegern beobachtete. Sie allein würden genügen sein Dorf dem Erdboden gleich zu machen.

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