Landgüter der Decimi

  • Auf dem Gestüt der Decimi


    „Lass das!“ zischte Aquila wütend und machte einen Satz zur Seite, als Zähne in seine Richtung schnappten.
    „Beherrschung, Decimus“, dozierte eine ruhige, sonore Stimme irgendwo hinter ihm. Aquila verdrehte die Augen. „Beherrschung, Decimus“ äffte er in höherer Tonlage die Stimme nach, wohlweislich allerdings so leise, dass er nicht gehört werden würde. Beherrschung war leichter gesagt als getan, wenn man mit einem wildgewordenen Gaul in einem Paddock eingesperrt war und das Vieh einsetzte was es so im Arsenal hatte – Hufe, Zähne, sechs- bis siebenmal so viel Gewicht wie er...
    Mit einer Mischung aus alarmierter Aufmerksamkeit und mehr als nur einem Anflug von Nervosität behielt er den Gaul im Blick, der nicht weit von ihm entfernt auf- und abtrabte und dabei, das hätte Aquila schwören können, ihn auslachte. Er wusste gar nicht so genau, was das hier eigentlich sollte. Abgesehen davon, dass er mit jedem weiteren Mal, dass er im Dreck landete, schmutziger wurde und er gerade Blessuren sammelte wie bunte Steine als Kind, hatte er einfach nichts davon zu versuchen, ein Miststück von Pferd zu bändigen, das sich einfach nicht bändigen ließ. Wenn das nicht gerade mal wieder eine Lektion in Demut sein sollte... aber das war eigentlich eher Tarasios. Der griechische Hauslehrer, der war groß darin, Demut und Bescheidenheit zu predigen. Und sich irgendwelchen Kram auszudenken, wie er diese... Tugenden seinen Schülern auch beibringen konnte. Also so richtig beibringen, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis – was das ein oder andere Mal im Dreck liegen durchaus miteinschloss.
    Nur: es war halt nicht Tarasios, der da hinter ihm stand und im Kern von ihm wollte, dass er den widerspenstigen Gaul im Handumdrehen in ein zahmes Lamm verwandelte. Es war Arbiscar, und der Iberer hatte mit Demut nicht viel im Sinn.


    „Beherrschung gehört zu den Dingen, die du dein Leben lang wirst brauchen können. Beherrsche dich selbst, und du beherrschst andere.“ Fantastisch. Eine Lektion über Selbstbeherrschung vom Meister der Choleriker, der so schnell in die Luft gehen konnte wie kein anderer. Noch dazu eine, die – zumindest in seinen Augen – ziemlich sinnbefreit war. Ganz großes Theater. Aquila verdrehte wieder die Augen und linste dann zu seinem Lehrer hinüber. „Vielleicht solltest du das dem Vieh erzählen“, maulte er zurück, beide Arme anklagend in Richtung Gaul gestreckt, und duckte sich dann unter dem Stück Holz hindurch, mit dem Arbiscar ihn als Reaktion auf den Widerspruch bewarf. „Ist doch wahr! Den Gaul kratzt das wenig, ob ich mich beherrsch, der will einfach nicht!“ Was wohl kein Wunder war. Die Herde der Anderthalbjährigen war erst vor kurzem von den Weiden zurückgetrieben worden, wo sie den ganzen Sommer mehr oder weniger verwildert hatten zubringen dürfen, bevor sie jetzt zugeritten wurden. Und so wie der hier sich gerade aufführte, hatte Arbiscar die Order gegeben, einfach den wildesten herzuschaffen. Nun war es ja nicht so, dass Aquila nicht auch schon beim Zureiten geholfen hätte. Aber er machte das nicht täglich. Und an die widerspenstigsten Viecher hatten sie ihn in der Regel nicht rangelassen. Und überhaupt war das was ganz anderes, weil man nicht einfach so mit dem Gaul im Paddock herumlief und irgendwie versuchte, sich dem zu nähern – da wurde dem Vieh überhaupt gar nicht erst so viel Freiheit gelassen, wenn es ans Zureiten ging. Hier allerdings... Aquila blieb nichts anderes, als sich dem Gaul zu nähern, auszuweichen aus wenn der sich auf Attacke verlegte – ein Manöver, das ihm nicht immer gelang –, wieder zu nähern, hin und her, her und hin, ohne dass er einen nennenswerten Schritt vorwärts gekommen wäre. Er hatte ja noch nicht mal ein Seil, womit er das Vieh zumindest mal hätte festbinden können, wenn er nah genug dran war und schnell genug. Und der Gaul hatte das mittlerweile kapiert, der spielte doch nur mit ihm... kam ihm jedenfalls so vor. Natürlich gab es auch so Griffe, um ein Pferd einzufangen und zu halten, aber die funktionierten halt nicht, wenn es partout nicht wollte, dafür waren die Viecher zu stark, wenn sie es drauf anlegten.


    Arbiscar wiederum kratzte es herzlich wenig, was oder was nicht einer seiner Schützlinge vorzubringen hatte über die Sinnhaft- oder Sinnlosigkeit seines Unterrichts. Er warf noch ein Stück Holz – diesmal traf es, weil er das Ausweichen Aquilas einkalkulierte –, ignorierte den Aufschrei und fuhr trocken fort: „Du wirst den Gaul nicht dazu bringen zu tun was du willst, wenn du weiter so rumhampelst.“
    Diesmal zerbiss Aquila sich eine Erwiderung auf der Lippe. Hatte ja eh keinen Sinn. Mit einem frustrierten Grunzen wandte er sich wieder dem Gaul zu, und noch während er mit einem Ohr dem Iberer lauschte, der irgendwas weiter palaverte, ging das Vieh wieder auf ihn los – und diesmal erwischte es mit den Zähnen seinen linken Oberarm. Aquila brüllte auf vor Schmerz, und kurzerhand ballte er die Rechte zur Faust und ließ sie auf die Schnauze des Gauls krachen, direkt zwischen die empfindlichen Nüstern. Mit einem Aufwiehern stob das Tier davon, während Aquila in die andere Richtung davon sprang. Und hinter sich ein tadelndes „Tztztz“ hörte, gefolgt von: „Und du glaubst, damit kommst du weiter, wenn dir in deiner späteren Laufbahn wer krumm kommt?“
    Aquilas Gesicht war eine halb gequälte, halb finstere Grimasse. „Ja. Bei Legionären funktioniert das ganz sicher. Bei Sklaven erst recht.“
    Der Iberer grinste maliziös. „Und was ist mit Senatoren?“
    Für einen Moment war Aquila still, verlegen um Worte, während es gleichzeitig in seinem Hirn hämmerte, dass das ganze hier doch einfach Schwachsinn war. Nur eine etwas kreativere Art, Schmerzen zuzufügen. Dann platzte aus ihm heraus: „Die werden ja wohl nicht beißen!“

  • Flavus beobachtete Aquila aus einiger Entfernung, während er sich einen Bissen von seinem frischen Apfel gönnte. Der junge Decimer befand sich in einem Paddock, zusammengesperrt mit einem Junghengst, der eines der unangenehmeren Vertreter seiner Rasse zu sein schien. Er wehrte sich behaglich gegen Aquila und ließ diesem keine Möglichkeit ihn zu fassen, geschweige denn zu beruhigen.
    Flavus tat einige Schritte auf den durch Holzlatten abgesperrten Bereich zu. Zwar hatte er sich zunächst einen kleinen Spaziergang auf dem Landgut der Decimi vorgenommen, doch dieses Schauspiel hatte sein uneingeschränktes Interesse heraufbeschworen. Arbiscar, wohl möglich der strengste und zornigste unter den Lehrmeistern der beiden Cousins, hatte sich offensichtlich eine weitere Lektion ausgedacht. Es war ein sonniger Tag, der Wind war nicht zu kalt, wehte jedoch stark, sodass er die Stimmen der beiden zu sich trug. Aquila klang dabei genervt und angespannt. Flavus lächelte, biss erneut von seinem Apfel ab und beschleunigte seine Schritte.


    "Bist du dir da so sicher? Ich denke wir sollten die Bissigkeit von Senatoren nicht allzu unterschätzen"/b], entgegnete Flavus auf die Bemerkung seines Großcousins. [b]"Salve Aquila", er biss erneut von seinem Apfel ab und fuhr mit halb vollem Mund fort, "ich sehe du hast Spaß?" Er zwinkerte dem jüngeren Mann stichelnd zu. "Auch dich grüße ich Arbiscar" sprach er an den Iberer gewandt, "ihr reitet das neue Gestüt ein?" Der hellhaarige Decimer stütze sich am Holzzaun ab. "Seid ihr sicher, dass der hier kein Esel ist? So stur, wie der sich aufführt? Man könnte es bald meinen." Abgesehen von seinem jungen, wilden Verhalten war dieser Hengst natürlich absolut kein Esel. Kräftige, vor über den Muskeln gespannter Haut und Fell glänzende Beine, die pure Kraft und mögliche Anmut wiederspiegelten bepackten dieses Pferd wie einen Gladiator, der in seinem Leben nichts als körperliche Anstrengung kannte. Für ein anderthalb Jahre altes Wesen ganz und gar kein schlechter Anblick. Er machte dem Wappentier ihrer Gens fast schon Ehre. "Möglicherweise ist er beleidigt, da nicht der bessere von uns beiden versucht ihn zu zähmen." Wieder lächelte Flavus verschmitzt, zwinkerte und zeigte mit beiden Daumen auf sich.
    Solche Späße konnte er sich mit Aquila erlauben. Auch wenn sie dem Stammbaum nach nur Großcousins waren, so dachte Flavus doch von ihm, wie von einem Bruder. Sie waren zusammen aufgewachsen und hatten viele Lektionen ihrer Lehrmeister geteilt. Späße machte Flavus viele mit oder über ihn, Aulus Decimus Flavus war ja gerade erst zwanzig Jahre alt und daher hatte er doch noch vieles seiner Jugendlichkeit behalten.


    Als er Arbiscars abfälligen Blick bemerkte, spielte er eine schockierte Miene. "Etwa nicht?" Seinen übrigen halben Apfel hielt er ins Paddock und es dauerte nur wenige Sekunden bis das junge Pferd diesen bemerkte. Es setzte zum Traben an, machte vor ihm halt, roch an dem Apfel, blieb völlig ruhig stehen und fraß ihm das Stück Obst aus der Hand. Flavus war zwar selbst ziemlich überrascht, dass sein Versuch gelang, tat jedoch so, als wär das ganze eine völlig offensichtliche und einfache Lösung gewesen. "Ich würde mich beeilen Aquila, gleich ist der Apfel in seinem Magen verschwunden."

  • Er zuckte leicht zusammen, als er Flavus' Stimme plötzlich hörte. Großartig. Als wäre es nicht genug, dass er ständig im Dreck landete, jetzt musste er auch noch Publikum haben. Noch dazu Flavus, der in dem ewigen brüderlichen Wettstreit damit EINDEUTIG vorne lag. Aquila warf eine Hand in die Luft um zu winken, ohne dabei den Gaul aus den Augen zu lassen, und der Iberer neigte leicht den Kopf.
    „Ja, unglaublich viel Spaß, siehste doch...“
    „Sei gegrüßt, Decimus. Senatoren haben dem Vernehmen nach eine eindeutige Tendenz zu Bissigkeit.“ Arbiscars Grinsen wurde süffisant.
    Aquila schnaubte. „Ha, ha. Macht euch nur lustig...“ Missmutig – und mehr als nur ein wenig frustriert – tastete er vorsichtig über seinen schmerzenden Oberarm, aber er kam kaum in die Nähe der Stelle, wo die Pferdezähne ihr Ziel gefunden hatten, da loderte der Schmerz schon grell auf. Aquila unterdrückte heldenhaft einen Schmerzlaut und zog die Hand wieder weg. „Esel, ja... schön wär's. Esel ist nix dagegen.“ Er warf Flavus nun doch einen Blick zu – kombiniert mit einer obszönen Geste, die von einem Grinsen flankiert war. „Ich bin dir meilenweit überlegen...“, blödelte er zurück und streckte beide Arme breit aus. „So sehr, dass du das selbst offenbar noch gar nicht mitgekriegt hast.“ Im nächsten Moment musste er sich wieder unter einem Holzstück wegducken. „Wir sind noch nicht fertig hier“, kam es von Arbiscar, und Aquila machte eine Geste, die eine halb entschuldigend wirkte und halb als wolle er sagen: na was denn? , auch wenn er wohlweislich die Klappe hielt und sich lieber wieder dem Tier zuwandte.


    Ein weiterer Versuch nahm seinen Lauf – wurde dann aber unterbrochen. Reichlich unerwartet. Flavus hielt etwas in den Paddock hinein, und nur wenige Augenblicke später musste Aquila mitansehen, wie der Gaul plötzlich tatsächlich handzahm wurde. Wegen einem Apfel. Bloß weil er was zu fressen kriegte! Mit offenem Mund sah er zu Arbiscar hinüber, der ihn mit hochgezogener Braue ansah. „Eine Variante.“
    „Bitte was?“ machte Aquila. [b]„Das.. der... hallo? Ich hab hier überhaupt keine Hilfsmittel, noch nicht mal nen Seil, aber DAS ist in Ordnung?“
    „Das Leben ist hart, aber gemein.“
    Arbiscars Standardspruch. Jedes Mal wieder: ungemein witzig. Gerade in solchen Situationen. Haha. „Das war Bestechung!“
    „Ja. Und?“
    „Hätt ich das auch gehabt...“
    Arbiscar unterbrach ihn. „Hast du aber nicht. Wird dir nicht zum letzten Mal passiert sein. Und was machst du, wenn ein Kontrahent einen Vorteil hat? Ein Mann im Kampf, der einen Dolch besitzt, während du unbewaffnet bist? Ein Politiker, der reicher ist und mehr Schmiergelder verteilen kann? Jammerst du dann auch in der Gegend rum, wie unfair das Leben doch ist?“
    Aquila knirschte mit den Zähnen. Das hier war doch was völlig anderes... Frustriert starrte er zu dem Gaul hinüber, der immer noch am Zaun stand, die Kiefer noch mahlend, während er Flavus schon anstupste, in der Hoffnung auf noch einen Apfel. „Na warte...“ murrte er leise. Sein Ego drängte ihn dazu, dass er endlich beweisen musste, dass er auch in dieser Situation bestehen konnte. Gerade vor Flavus. Sie waren keine zwei Jahre auseinander, und in ihrem Alter war Flavus' Vorteil als der Ältere nicht mehr ganz so ausgeprägt wie früher, aber als sie kleiner waren, war der andere häufig auch der Bessere gewesen... und Aquila hatte sich immer bemüht, aufzuholen. Tat er heute noch. Flavus war immer Ansporn gewesen, hatte seinen Ehrgeiz angestachelt, wie das eben so war bei Brüdern, oder Vettern, die wie Brüder aufwuchsen. Es war eine Mischung aus besser sein wollen als der andere, und – zumindest in seinem Fall, als der Jüngere – Eindruck schinden wollen vor dem Älteren.


    Was Aquila jetzt zu einer selten dämlichen Idee verleitete. Er näherte sich dem Gaul ein weiteres Mal, beschleunigte plötzlich und legte die letzte Distanz mit wenigen, großen Sprüngen zurück, federte sich ab und zog sich mit einem Satz auf den Pferderücken. Für den Bruchteil eines Augenblicks war alles still... im nächsten dann explodierte der Körper unter ihm in einem Wirbel aus Bewegung. Der Hengst sprang bockend durch den Paddock, sein Rücken krümmte sich und bog sich flexibel auf und ab, alles in dem einzigen Bestreben, die Last auf ihm loszuwerden. Aquila schaffte es, sich für ein paar Momente noch festzuklammern, nachdem der Reigen losging, dann segelte er in hohem Bogen durch die Luft und landete krachend erneut im Dreck, so wuchtig, dass ihm erst mal der Atem wegblieb. Momente lang sah er Sterne vor den Augen, trotzdem quälte er sich in eine halb sitzende Position und blinzelte nach dem Gaul, nicht dass der noch auf ihn drauf trampelte – aber der hatte sich schon wieder ans andere Ende des Paddocks verzogen, offensichtlich schon zufrieden damit, ihn einfach abgesetzt zu haben, und schnaubte ungnädig.
    Während sich Aquilas Mund mit dem metallischen Geschmack von Blut füllte – musste sich wohl auf die Zunge gebissen haben –, setzte Arbiscar zu einem Kommentar an, die Stimme triefend vor Sarkasmus. „Bravo. So nimmst du natürlich jeden für dich ein.“

  • Aquila tastete nach seinem Arm. Ein Pferdebiss war schmerzhaft und hinterließ nicht selten einen blau und gelb schimmernde Hinterlassenschaft an der erwischten Stelle. Umso mehr Respekt hatte Flavus davor, dass sein junger Verwandter sich dadurch kaum beeinflussen ließ. Dieser Bursche war wirklich langsam zusammen mit Flavus zu einem echten jungen Mann herangewachsen. Die Tugend der furchtlosen Beherztheit hatte ihn stets ausgezeichnet, rührte aber auch oft mit Unbeherrschtheit einher. Seine schnelle Zunge, die gerne vorlaut und verfrüht Worte aussprach, musste man kennen und lieben lernen.
    "Sagte ich doch!", antwortete Flavus sowohl Arbiscar als auch Aquila. "Auf einem Esel wirst du wohl nie einen Triumphzug durch Roma bekommen, also wirst du das Pferd hier nicht austauschen können."


    Flavus liebte es seinen Bruder im Geiste zu provozieren. Seine Anwesenheit würde Arbiscars Lektion noch ein wenig mehr unerwartete Würze geben, auch wenn dem Blondschopf nicht klar war was das für eine Lektion sein sollte. Nun würde sich der dunkelhaarige Decimer dennoch noch mehr anstrengen. "Du? Mir überlegen? Selbst auf einem Esel sähe ich noch besser aus als du..." Diesmal konnte Flavus ein Lachen über seine eigene Worte nur schwer unterdrücken. Heraus kam ein lautes Prusten, das sich immer noch hinzog, während Arbiscar den Decimer belehrte. Noch konnte sich Arbiscar dies erlauben, Aquila und Flavus waren noch jung. Doch eines Tages würden sie leuchtende Sterne an Roms ruhmreichen Himmel werden, dessen war er sich sicher. Sie entstammten einer edlen Familie, die sich alles was sie bisher erreicht hat, hart erarbeitet hat. Genauso hart werden die beiden jungen Decimer arbeiten und sie werden ruhmreich werden.


    Nun geschah jedoch etwas, was Flavus wieder unter der Kategorie 'Unbeherrschtheit' einsortierte. Mit einem großen Satz wollte Aquila auf den Rücken des Pferdes springen. Zur vorübergehenden Überraschung des blonden Iberers, tat das Tier zunächst nichts. Doch nachdem es realisiert hatte, was geschehen war, begann es zu bocken und Aquila von seinem Rücken zu schleudern. Ohne ein Seil oder Saumzeug hatte er natürlich so gut wie keine Aussicht sich halten zu können. Mit einem dumpfen Geräusch landete er auf dem harten, trockenen Boden.
    Flavus machte Anstallten seinem Vetter zu helfen und ins Paddock zu gelangen, doch Arbiscar hielt ihn am Arm fest und verhinderte dies. "Er blutet", flüsterte der Decimer ihrem Lehrmeister zu und nickte in Richtung Aquila. "Das wird er nicht zu letzten Mal", antwortete dieser.
    Ungläubig blickte Flavus ihn an. "Du schickst ihn mit einem Dolch in ein Bogenwettkampf, Arbiscar. Ohne Seil hat er doch gar keine Zuversicht auf Erfolg." Der ältere wartete einige Sekunden, ehe er antwortete: "Darum geht es ja"
    Es war wieder eines dieser Lektionen, dessen Sinn sich den beiden anfänglich entzog. "Ehre und Stärke!", raunte Flavus seinem Vetter zu, "Marcus Decimus Aquila, mach deinem Namen Ehre! Glaub an dich selbst und denke nach, dann kannst du jede Herausforderung meistern."

  • „Nee, du... bei meinem Triumphzug wird's nur einen Kerl auf nem Esel geben – und der bist du“, grinste Aquila flüchtig zurück, bevor es dann, nun ja, ans Eingemachte ging. Das Pferd. Flavus. Der Apfel. Arbiscars Frotzelei, oder jedenfalls kam es ihm wie eine vor. Und dann das, was so kommen musste, natürlich: sein Sturz.


    Ein paar Momente blieb Aquila, wie er war, halb liegend, halb sitzend, und wartete, bis er wieder vernünftig Luft bekam, sich seine Sicht wieder geklärt hatte, und seine Gedanken auch wieder einigermaßen zu funktionieren schienen. Was die zwei am Zaun in der Zwischenzeit miteinander zu reden hatten, das rauschte irgendwie an ihm vorbei, davon verstand er herzlich wenig, und er bemühte sich auch gar nicht sich darauf zu konzentrieren. Stattdessen begann er zu realisieren, was passiert war... und begann mit schillernder Inbrunst zu fluchen, als er sich dann mühsam aufrappelte – nach einer halben Ewigkeit, wie ihm selbst vorkam, auch wenn diese ersten, flüchtigen Momente nach dem Sturz in Wirklichkeit nicht viel Zeit in Anspruch genommen hatten. Runtergefallen. Runtergefallen! Er! Er konnte sich auf nem Gaul halten wie sonst wenige, und dieses Vieh hier ruinierte seinen Ruf in kürzester Zeit! Aquila wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, verteilte dabei den Schmutz in seinem Gesicht nur noch mehr, anstatt ihn wie beabsichtigt wegzuwischen, und spuckte anschließend eine Mischung aus Dreck und Blut auf den Boden. Das Sand-Erde-sonstige-Pampe-Gemisch, das den Boden bedeckte, knirschte frustrierenderweise trotzdem weiter zwischen seinen Zähnen – und fing so langsam an, auf seiner Unterlippe zu brennen, dort, wo er sie sich aufgebissen hatte. Seltsamerweise war es auch das, was ihn gerade am meisten störte, obwohl sein Körper gerade an allen möglichen Stellen irgendwie weh tat.


    Er schoss einen finsteren Blick in Richtung Arbiscar, der sich davon herzlich ungerührt zeigte, sondern nur wieder zu dem Gaul nickte – und obwohl Aquila sich am liebsten wenig freundlich darüber ausgelassen hätte, was er von dem Ganzen hier hielt, und wohin genau der Iberer sich sein irres Vorhaben schieben konnte, und dass er, Aquila, da ganz sicher nicht mehr mitspielen würde, machte er letztlich nur eines: er gehorchte. Was zum Teil daran lag, dass sein Stolz und sein Ehrgeiz ihn trieben – er ließ sich doch von keinem Pferd unterkriegen! –, zu einem guten Teil aber auch daran, dass er schon mehr als einmal Arbiscars Hand zu spüren bekommen hatte. Die letzte richtige Tracht Prügel war freilich schon deutlich länger hier... mittlerweile waren sie einfach in einem Alter, in dem Lehrer eigentlich keine Hand mehr anlegten, aber Arbiscar scherte sich um so was wenig. Wer ihm frech kam – selbst wenn es nur seine Definition von frech war –, bekam die Konsequenzen zu spüren, und Aquila war sich ziemlich sicher, dass der Iberer auch jetzt noch richtig zulangen würde, wenn er es für angebracht hielt. Und der Decimus war nicht scharf darauf, so etwas zu provozieren. Also riss er sich gerade bei Arbiscar in der Regel zusammen. Und da sollte mal noch wer behaupten, er könne sich nicht beherrschen...
    Frustriert wischte er sich erneut mit dem Handrücken über den Mund, spuckte erneut aus und wandte sich wieder diesem unmöglichen Vieh zu. Dass ihn auslachte, darauf hätte er Stein und Bein schwören können! Wieder ging es ein bisschen hin und her, Aquila versuchte auf unterschiedlichste Art, sich dem Tier zu nähern, das Pferd wiederum wich aus... meistens auf eine einzige Art: indem es schlicht wegrannte, wahlweise einfach so, oder, je nachdem wie wenig Platz es noch hatte, indem es ihn dabei anrempelte. Und Aquila fluchte. Jetzt, wo sein ganzer Körper irgendwie weh tat, hatte er doch noch weniger Chancen als sowieso schon... was irgendwann auch Arbiscar einzusehen schien. Oder vielleicht hatte der auch einfach nur genug von der Vorstellung. Nachdem er sich das Spektaktel noch ein bisschen angesehen hatte, winkte der Iberer ab. „Das war's für heute. Morgen wieder um dieselbe Zeit – und bis dahin erwarte ich von dir, dass du dir was einfallen lässt, Decimus.“
    „Was? Wie man diesen Gaul dazu bringt, ruhig zu sein, ohne Seil, ohne Futter, ohne sonst was?“
    „Nur mit dem, was du am Leib trägst, ja.“ Arbiscar grinste wieder sein süffisantes Grinsen, das Aquila in Momenten wie diesen tierisch auf den Geist ging. „Entweder das, oder du legst mir glaubwürdig dar, was du dabei gelernt hast. Meine Herren.“ Mit einem leichten Neigen seines Kopfes verabschiedete sich der Iberer – und Aquila konnte endlich, endlich aus diesem verdammten Paddock raus. „Boah...“ stöhnte er, als er Flavus erreicht hatte. Eigentlich wäre er ja gerne über den Zaun geklettert, aber er war sich nicht ganz sicher, ob er das fertig bringen würde im Augenblick... also löste er den Haken am Gatter und verließ den Paddock auf konventionelle Weise. „Ganz ehrlich, ich hab keine Ahnung warum der sich immer wieder so nen Schmarrn einfallen lässt.“ Kaum hatte er das gesagt, sah Aquila sich sicherheitshalber noch mal um, nicht dass Arbiscar doch noch irgendwo in der Nähe stand und hören konnte...

  • Livianus stand mit versteinerter Miene am offenen Fenster seines Officiums und sog die angenehm erfrischende Luft in seine Lungen. Das Wohngebäude des Gestüts, dass die Gens nach und nach zu einem prächtigen Landsitz ausgebaut hatte, lang etwas erhöht auf einer kleinen Hügelkuppe und bot einen prächtigen Ausblick auf das umherliegende Land, das soweit man blicken konnte fast ausschließlich den Decimern gehörte und neben der vorwiegend der Pferdezucht dienenden Wiesen und Koppeln auch der landwirtschaftlichen Nutzung diente und nebenbei auch einige Felder und kleinere Wälder miteinschloss. In seinem Blickfeld lag auch der Paddock, indem Meridius Enkelsohn gerade, wie bereits andere junge Decimer vor ihm, von Arbiscar Reitunterricht bekam. Sie waren zu weit entfernt um hören zu können was dabei gesprochen wurde oder um genauer erkennen zu können wie Aquila sich machte, aber dennoch ließ Livianus seinen Blick eine Zeit lang auf dem Paddock ruhen. Es war mehr ein gedankenverlorener Blick in diese Richtung, als der Versuch die Szenerie wirklich genauer zu beobachten.


    Welche Unbeschwertheit das Leben in diesen jungen Jahren doch noch mit sich brachte. Eine Unbeschwertheit die auch Livianus nach seinem selbstgewählten Rückzug nach Hispania anfangs verspüren durfte. Bei seiner Rückkehr nach Tarraco hatte man ihm einen wahrlich überschwänglichen Empfang bereitet. Der Duumvir und die Honoratioren der Stadt waren angetreten um ihn aufs herzlichste Willkommen zu heißen und auch der amtierende Statthalter von Hispania Tarraconensis lud ihn bei jedem noch so kleinen gesellschaftlichen Ereignis in die Regia ein, um den nun heimgekehrten „großen Sohn“ der Stadt zu ehren und vermutlich auch um mit einem solchen Namen auf seiner Gästeliste seinen Festen einen höheren Stellenwert zu geben, schließlich hatte man hier nicht vergessen das Livianus ein Kriegsheld der Aufstände in Hispania gewesen war und für seinen Einsatz vom damaligen Kaiser mit der Corona Obsidionalis ausgezeichnet wurde. Derlei große Söhne gab es natürlich einige in Tarraco, doch auch Neider musste zugeben, dass die Decimer bisher die meisten von ihnen stellten und das vor allem in kürzester Zeit, wenn man nur an die herausragenden Karrieren von Livianus und seinen Brüdern, seinem Vater, oder seiner Vettern Meridius oder Lucidus dachte, von denen letzterer selbst über Jahre hinweg Statthalter der Provinz war.


    Das erste Jahr seines vorzeitigen Ruhestandes verbrachte Livianus im Stadthaus der Decimer in Tarraco und genoss das gesellschaftliche Leben der Stadt und das Aufheben, dass teilweise um seine Person gemacht wurde, fernab von den Ränkeschmieden in Rom und vor allem fernab von Salinator in vollen Zügen. Es war ein angenehmes Leben, an das sich der Senator rasch gewöhnen konnte und Tarraco lag allem Anschein nach weit genug vom langen Arm Roms entfernt, um sich nicht weiter Sorgen zu müssen.


    Doch nach dem Tod Valerianus und der Erhebung Salinator zum neuen Imperator wurde es recht rasch ruhig um Livianus. Ebenso wie manchmal aus heiterem Himmel der Wind dreht, änderte sich auch von einem Moment auf den anderen sein Status in der städtischen Gesellschaft Tarracos. Die Kontakte, die er bis dahin mit den vornehmen Familien der Stadt gepflegt hatte wurden von Tag zu Tag weniger, die Einladungen aber auch die Gäste blieben aus und auch der lebhafte Briefkontakt mit befreundeten Senatoren aus Rom versiegte nach wenigen Monaten zur Gänze. Allem Anschein nach erinnerten sich die Menschen in seiner direkten Umgebung wieder mit einem Mal daran, dass Livianus irgendwann bei dem nun neu eingesetzten Kaiser in Ungnade gefallen war und es jeder Zeit sein konnte, dass auch der Name des Decimers auf einer der in Umlauf gebrachten Proskriptionsliste auftauchen konnte. Dies würde dann möglicherweise auch Auswirklungen auf seine Umgebung haben und war Grund genug, um auch unter „Freunden“ die Angst vor den möglichen Konsequenzen zu schüren.


    Livianus erkannte zum Glück die Zeichen der Zeit und beschloss kurzer Hand mit seinem Haushalt, den hier lebenden Familienmitgliedern und Sack und Pack auf das nahegelegene Landgut zu übersiedeln und sich so erneut aus der vermeintlichen Schusslinie zu bringen. In Tarraco war es zu gefährlich geworden denn Neider gab es immer und ein leise ausgesprochener Name in der Nähe des neugekrönten Kaiser konnte ausreichen, um den unangenehmen Decimer wieder zum Thema am Hofe zu machen. Es gab bestimmt den Einen oder Anderen, der daraus seine Vorteile ziehen konnte und vielleicht auch wollte. Auch wenn er sich Sorgen um die in Rom verbliebenen Familienmitglieder machte, konnte Livianus zu diesem Zeitpunkt nicht viel mehr machen um ihnen beizustehen, als das er sich von da an möglichst ruhig und unauffällig verhielt, was ganz und gar nicht seiner Art entsprach. Der einzige Lichtblick in dieser fast hoffnungslos scheinenden Zeit war sein Adoptivsohn Serapio, der mittlerweile in Rom weilte und Livianus hoffen ließ, dass dieser die Familie aus allen Problemen heraushalten konnte.


    Selbst als die Nachricht von der Ausrufung des Patriziers Cornelius Palma zum Kaiser im Osten eintraf und der Bürgerkrieg damit unausweichlich schien, beschloss Livianus schweren Herzens zum Wohle der Familie in Hispania zu bleiben und nicht wie im ersten Überschwang geplant, sich Palma und seinen Leuten anzuschließen und gegen Rom zu marschieren um diesen verdammten Salinator vom Thron zu stürzen. Es hätte unvorhersehbare Folgen für die Familienmitglieder in Rom haben können, die Livianus keinesfalls riskieren wollte und konnte. Zum Glück hatte er in Rom noch seine Nichte Seiana, die es immer wieder schaffte ihm die aktuellsten Neuigkeiten zukommen zu lassen. Ihr letzter Brief, der bereits vor einigen Tagen eingetroffen war, schilderte jedoch ein mehr als beunruhigendes Bild der aktuellen Lage in Italia und seitdem hatte er auch nichts mehr von ihr gehört.


    Bei diesem Gedanken wandte sich Livianus vom Fester ab und schritt die wenigen Meter zu seinem Schreibtisch zurück, wo er das Schreiben seiner Nichte, dass immer noch ganz oben auf einer Anhäufung von Dokumenten lag, erneut zur Hand nahm und die Zeilen überflog.


    Marcus Decimus Livianus
    Tarraco
    Hispania


    Werter Onkel,


    seit unserem letzten Briefwechsel ist nicht allzu Zeit vergangen... dennoch hat sich in der Zwischenzeit hier etwas getan, was du wissen solltest.
    Vielleicht hast du es schon aus anderen Quellen erfahren: Vescularius' Truppen haben im Norden Italias gegen die Legionen aus Germanien verloren. Was mit meinem Bruder ist, konnte ich leider noch nicht genau in Erfahrung bringen, aber es ist wahrscheinlich, dass er in Gefangenschaft geriet – ich bete zu den Göttern, dass er nicht gefallen ist. Fest steht jedenfalls, dass auch die Prätorianer in der Schlacht geschlagen wurden. Die Truppen ziehen Richtung Rom, und ich vermute, dies wird einer der letzten Briefe sein, die überhaupt die Stadt werden verlassen können; ich hoffe, dass mein Bote noch rechtzeitig aus Rom herauskommt und nach Hispania gelangen wird.
    Aus dem Süden ist noch nichts genaues bekannt. Die Truppen des Corneliers sind in Italien gelandet, nach allem, was man hört, und Vescularius hat ihnen die Classis und Teile der Urbaner entgegen geschickt... aber es gibt in Rom bisher noch nicht einmal Nachricht davon, ob sie bereits aufeinander getroffen sind.
    Vescularius ist in der Zwischenzeit dabei, die Bevölkerung Roms vorzubereiten auf die Truppen aus dem Norden... er hat die Vigiles zur Verteidigung der Stadt heranziehen lassen, darüber hinaus versuchen die Urbaner, weitere Soldaten zu rekrutieren. Ich selbst habe die Casa Decima inzwischen verlassen, da ich die Befürchtung habe, dass unser Haus eines der Ziele einer möglichen Plünderung sein wird, sofern Cornelius' Truppen tatsächlich die Stadt einnehmen werden... daher habe ich auch dafür gesorgt, dass die wichtigsten Unterlagen und einige Schätze an einen Ort gebracht wurden, der sicherer ist. Bewacht wird die Casa freilich dennoch, allerdings wird dieser Schutz nicht viel nützen, sollten die Truppen tatsächlich plündern, und sei es nur in den Häusern der Familien derjenigen, die zu hochrangigen Männern des Vescularius gezählt werden können. Aus diesem Grund habe ich auch beschlossen, dir einen Teil des Grundbesitzes zu überschreiben, den Faustus in meine Verantwortung übergeben hat, bevor er in den Krieg zog. Ich halte es für besser, wenn der Familienbesitz breiter verteilt ist. Die Verantwortung für einige Familienbetriebe habe ich deshalb auch an jüngere Verwandte abgegeben; zwei weitere – die Brauerei sowie das Weingut in Ostia – überschreibe ich Marcus Aquila. Ich bitte dich darum, ihn darüber zu informieren und ihn bei der Verwaltung anfangs zu unterstützen, falls er Hilfe benötigen sollte dabei. Meines Wissens nach war der Plan der Familie ohnehin, ihn bald nach Rom zu schicken... auf diese Art kann er bereits Verantwortung übernehmen.


    Ich hoffe, du und die ganze Familie seid wohlauf – und ich hoffe, dass ich euch bald wieder Nachricht zukommen lassen, dann so Fortuna es will, mit einem positiveren Inhalt. Mögen die Götter euch alle behüten!


    [Blockierte Grafik: http://img77.imageshack.us/img77/1586/seianaunterschrift2aj2.png]


    Rechnete man die Zeit mit ein, die dieser Brief zu ihm gebraucht hatte, standen die Truppen Cornelius Palmas mittlerweile vor Rom, dessen war sich Livianus sicher, und als ehemaliger Praefectus Urbi wusste er zudem nur zu gut, dass der Vescularier in diesem Fall wohl wenig Chancen hatte, einer Belagerung lange Stand zu halten. Die aktuelle Lage in Rom, die Sorge um Serapio und den Rest der Familie, aber auch die möglichen Auswirkungen und Möglichkeiten, die ein Sieg Palmas nach sich ziehen konnte, ließen eigentlich nur eine Entscheidung zu, denn alles andere als ein Sieg Palmas war unwahrscheinlich.


    Er legte den Brief wieder zurück auf den Stapel und ging erneut zum Fenster. Das Reittraining des jungen Aquila schien mittlerweile beendet zu sein, da alle den Paddock verlassen hatten. Livianus rief einen Sklaven zu sich und schickte ihn um Aquila und auch Flavus, den Enkel seines Vetters Maior zu holen. Er hatte lange genug gezögert ihnen von Seianas Brief zu erzählen, doch sie waren beide alt genug um sie an seinen Entscheidungen teilhaben zu lassen.

  • Warm schien die Sonne auf den Körper von Albus, welcher in seine Gewänder gehüllt war.
    Fast bedächtig setzte er einen Fuß vor den anderen, so als würde er gerade seinen wohlverdienten Ruhestand genießen, doch davon war er noch lange entfernt. Jung war er noch, hatte noch vieles vor sich und wollte noch einiges erreichen, doch noch war er in Hispania.
    Während er voller Gedanken über das Land schaute, zog vor seinem inneren Auge seine Vergangenheit vorbei. Er sah, was er alles erlebt hatte, wie er zusammen mit den anderen Decimern hier auf den Gütern der Familie aufwuchs und langsam zu dem jungen Mann heranwuchs, der er nun war.
    Eigentlich war er recht glücklich in Hispania, hatte er doch so viel hier erlebt. Doch trotzdem reizte ihn die Ferne, er verspürte das Bedürfnis, zu gehen. Er wollte ins Zentrum des Reichs!
    Der Nabel der Welt! Doch der war derzeit wohl für ihn unerreichbar und so blieb ihm nichts anderes übrig, als weiter in Hispania zu verweilen und sich bestmöglichst auf seine Zukunft gefasst zu machen und sich innerlich darauf vorzubereiten. Denn gestehen musste er schon, er würde Hispania sicherlich vermissen.
    Was wäre, wenn es in Rom nicht so läuft, wie er sich das erhofft und erträumt hatte? Was wäre bloß, wenn er eine Enttäuschung darstellen würde? Alles Gedanken, die Albus schnell beiseite schob. Sie belasteten ihn und da war ihm lieber, dass er sie bestmöglichst verdrängte und sich stets selbst einredete, dass er dafür geschaffen sei und dass er es packen würde, diese Hürden zu überwinden.
    Albus fuhr sich mt sener Hand durch die Haare, er war doch voller Tatendrang. Mehr Geduld müsse er aufbringen, dass bekam er öfters zu hören. Oh, er war sich sicher, Geduld würde er aufbringen können, wenn es so weit war, doch diese ungewissheit setzte ihm schon irgendwie zu.


    Albus atmete die frische, warme Luft in sich hinein, als könne er mit ihr all die zehrenden Gedanken aus seinem Körper verdammen und wandte dann seinen Blick auf die Länderein der Familie, denen er sich doch recht schnell wieder näherte. Und wieder war da ein kleiner Stich der Trauer, wenn er daran dachte, dies alles verlassen zu müssen. Doch für seine Pläne war das unausweichlich und von diesen Plänen wollte er nun wahrlich nicht mehr abrücken. Während er auf eines der Gebäude zuging, klopfte er sich den Staub aus den Sachen, welcher sich in einer hauchzarten Schicht auf die Gewänder gelegt hatten. Wie der Staub fielen auch die Gedanken von ihm ab, denn für den heutigen Tag hatte er sich mal wieder lang genug den Kopf zerbrochen, wie immer in der letzten Zeit. Ein Glas Wasser, dass wäre nach diesem Spaziergang wohl erst einmal das Beste und somit machte er sich auf den Weg, sich eben jenes zu organisieren.

  • Natürlich stand Arbiscar doch noch in der Nähe... und zusätzlich zu den Schmerzen, die er ohnehin schon hatte, bekam er jetzt eine Kopfnuss verpasst, die es in sich hatte. Aber immerhin gab es keine Standpauke oder sonst was – stattdessen knöpfte Arbiscar sich Flavus vor, oder besser: verschwand mit diesem. Mutmaßlich, weil nun der dran war, sich irgendeine Lektion einzusacken. Diesmal ging Aquila wirklich auf Nummer sicher... aber als die beiden tatsächlich verschwunden waren, sackte er erst mal mit etwas gequälten Seufzen gegen den Zaun. Ihm tat alles weh. Aber auch wirklich alles. Er spürte jeden einzelnen Knochen in seinem Leib, so kam es ihm vor, vornehmlich seinen Rücken, auf den er nun ein paar Mal gekracht war. Und dann war da noch sein Arm, der mittlerweile in den schillerndsten Farben angelaufen sein und mitten drin in diesem Farbenparadies wohl einen prächtigen Pferdegebissabdruck haben dürfte. Nein... war eindeutig nicht lustig, das. Jetzt ein Bad... eine Massage... irgendwas gegen die Schmerzen... aber dafür müsste er sich erst mal rühren, und Aquila hatte gerade so gar keine Lust, sich zu bewegen. Also: wirklich gar keine. War zwar nicht allzu bequem, hier draußen rumzuhängen, aber sich bewegen strengte sicherlich noch mehr an, und tat ganz sicher auch mehr weh...
    Während er so in Gedanken versunken halb am Zaun lehnte, halb irgendwie daran hing, tauchte auf einmal ein Sklave auf. Allein bei seinem Anblick schwante Aquila schon Übles – nämlich dass es irgendwas sein würde, was ihn dazu zwang sich zu bewegen –, und tatsächlich hatte er damit Recht. Er musste sich bewegen. Ganz dringend sogar, weil Onkel Livianus – den er der Einfachheit halber Onkel nannte, auch wenn er gar nicht sein Onkel war – ihn sprechen wollte. Flavus auch, aber Aquila erklärte dem Sklaven in knappen Worten, dass der mit Arbiscar abgedampft war, bevor er sich dann schließlich mühsam und mit einem leisen Stöhnen aufrappelte, um ins Haus zu gehen... zu humpeln... zu gehen. Humpeln nur dann, wenn er glaubte keiner sah ihn.


    Kurze Zeit später stand er vor der Tür seines Onkels und klopfte an, bevor er eintrat. „Du hast mich rufen lassen, Onkel?“

  • Der Senator hatte mittlerweile wieder hinter seinem Schreibtisch platzgenommen und sah auf, als es an der Türe klopfte. Mit einem grüßenden Kopfnicken und freundlichen Lächeln nahm er zur Kenntnis, dass zumindest einer der beiden jungen Männer seiner Einladung gefolgt war.


    "Ah, Marcus! Ich hoffe es ist nicht allzu schlimm, dass ich dich gleich nach deinem Reitunterricht zu mir gebeten habe."


    Livianus konnte sich gut vorstellen, dass ein noch ungeübter Reiter mitunter das eine oder andere Muskelziehen nach einem solch intensiven Training mit Arbiscar verspürte. Er selbst war auch schon längere Zeit nicht mehr auf einem Pferd gesessen, sondern hatte immer die Bequemlichkeit einer Sänfte vorgezogen und es würde ihm wohl nicht anders gehen als Aquila. Gleich hinter Aquila trat nun auch der Sklave wieder in den Raum, den Livianus los geschickt hatte, um die jungen Männer zu holen. Der Senator wandte seinen Blick jedoch nicht von Aquila ab sondern deutete auf den leeren Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand


    "Bitte setz dich doch. Soll dir der Sklave etwas bringen?"


    Bei dieser Frage trat der Sklave Pflichtbewusst an Aquilas Seite um etwaige Wünsche des jungen Decimers entgegenzunehmen.

  • Zitat

    Original von Potitus Decimus Albus
    .......
    Albus atmete die frische, warme Luft in sich hinein, als könne er mit ihr all die zehrenden Gedanken aus seinem Körper verdammen und wandte dann seinen Blick auf die Länderein der Familie, denen er sich doch recht schnell wieder näherte. Und wieder war da ein kleiner Stich der Trauer, wenn er daran dachte, dies alles verlassen zu müssen. Doch für seine Pläne war das unausweichlich und von diesen Plänen wollte er nun wahrlich nicht mehr abrücken. Während er auf eines der Gebäude zuging, klopfte er sich den Staub aus den Sachen, welcher sich in einer hauchzarten Schicht auf die Gewänder gelegt hatten. Wie der Staub fielen auch die Gedanken von ihm ab, denn für den heutigen Tag hatte er sich mal wieder lang genug den Kopf zerbrochen, wie immer in der letzten Zeit. Ein Glas Wasser, dass wäre nach diesem Spaziergang wohl erst einmal das Beste und somit machte er sich auf den Weg, sich eben jenes zu organisieren.


    Im Säulengang vor der großen Eingangstür der Landvilla stand Livianus und unterhielt sich gerade mit dem Verwalter des Gestüts, als er Albus auf sie zukommen sah. Obwohl auch der iberische Winter mitunter kalte Tage mit sich brachte, war heute ein verhältnismäßig angenehmer Tag, den der junge Decimer besser zu nutzen schien, als der Senator es tat. Ein Spaziergang wäre vermutlich weitaus ergiebiger gewesen, als sich die Klagen des Verwalters anzuhören, der sich wieder einmal über die aktuellen Preise am Pferdemarkt mokierte. Doch auch dies gehörte zu den Aufgaben, die er als derzeit nominelles Oberhaupt der Gens über sich ergehen lassen musste. Er nahm es daher gelassen und nickte die meiste Zeit verständnisvoll. Wenn ein Politiker eines gut konnte, dann war es Interesse vorzutäuschen. Eine Eigenschaft, die Livianus nun sehr entgegen kam.


    Da das Gespräch der beiden Männer gerade zu Ende ging, beschloss Livianus auf Albus zu warten, der nur noch etwa fünfzig Schritte von ihm entfernt war und überließ den Verwalter wieder seinen Pflichten. Verneigend zog sich der Mann zurück und Livianus wandte sich in Richtung des jungen Decimers der ihn nun auch bemerkt haben musste.

  • Albus sah gerade noch, dass der Verwalter der Landgüter sich zurückzog, vermutlich wieder zurück an seine Arbeit ging und Livianus alleine zurückließ, welcher sich auch gleich Albus zuwandte. Also hielt Albus auf den Senator zu, das Wasser konnte er sich auch noch später genehmigen und ein klein wenig Gesellschaft würde ihm vielleicht sogar gut tun.
    Bereits von weitem, lächelte Albus dem Mann zu.
    Er hatte doch schon einiges erreicht und Albus hoffte, dass er vielleicht noch einige Ratscläge von ihm mit auf den Weg bekommen würde, welche es ihm dann vielleicht etwas erleichtern würden, Fuß zu fassen. Doch er machte schon wieder den zweiten Schritt vor dem ersten. Erst einmal war das hier die Realität, er war noch in Hispania und niergendwo anders.
    "Salve. Ein herrliches Wetter für diese Zeit, welches ich doch sofort nutzen wollte. Den Gedanken einmal freien Lauf lassen. Bei so einem Spaziergang nimmt man doch alles anders wahr." Er deutete noch einmal zur Tür nach draußen hin, durch die er den Eingangsbereich betreten hatte, dann warf er einen Blick auf den Weg, welchen der Verwalter genommen hatte, um sich zu entfernen: "Doch dich beschäftigt wohl einmal mehr die Arbeit, wie ich sehe?"

  • "So ist es leider mein guter Albus." erwiderte der Senator seufzend und immer noch an das ermüdende Gespräch mit dem Verwalter denkend. Doch nun wo dieser weg war, kam Livianus ein vermutlich erfrischenderes Gespräch mit dem jungen Decimer gerade recht. So ging er daher lieber auf die ersten Worte seines Verwandten ein, als an Arbeit zu denken.


    "Auch ich bin immer schon ein Freund ausgedehnter Spaziergänge gewesen, wenn es meine Zeit zugelassen hat. Wie du schon sagtest, kann man seinen Gedanken Luft verschaffen, oder die Zeit auch nutzen sie neu zu ordnen. Manchmal war es auch ganz angenehm zu versuchen einmal an nichts zu denken. Auch wenn mir das, wie ich gestehen muss, nicht oft gelungen ist."


    Livianus lächelte und deutete mit einer Einladenden Geste in Richtung Türe.


    "Vielleicht möchtest du mich ja ein kleines Stück durch den Garten begleiten."


    Das Haupthaus der Landvilla wurde von einem wunderbar gepflegten Garten eingerahmt, den Livianus gerne dazu verwendete, seine Beine ein wenig zu vertreten, wenn die Zeit nicht mehr gestattete.

  • Der Decimer sprach Albus schon fast aus der Seele.
    "Die Fähigkeit, einfach an nichts zu denken, wäre wahrlich sehr wertvoll und befreiend. Aber wer besitzt diese schon?"
    Die Worte unterlegte Albus noch mit einem leichten Lächeln. Manchmal sehnte er sich auch danach, einfach alles aus seinem Kopf zu verbannen und einfach eine befreiende Leere in seinen Gedanken vorzufinden, doch gleichzeitig war die Vorstellung auch leicht beängstigend. An gar nichts denken? Das klang auch irgendwie nach Vernachlässigung.


    Auf das Angebot von seinem Gegenüber, einen kleinen gemeinsamen Spaziergang durch die Gärten zu unternehmen, antwortete Albus mit einem freundlichen Lächeln und den Worten: "Oh, sehr gerne sogar.", woraufhin sich die beiden auch durch die Türe nach draußen begaben, auf die Livianus gedeutet hatte.
    Durch die Türe getreten, atmete Albus auch abermals tief durch, um die frische Luft durch seinen Körper strömen zu lassen, das Wetter gefiel ihm wirklich gut.
    Mit einem leichten Lächeln setzte Albus dann auch zu sprechen an.


    "Wenn mich meine Pläne irgendwann nach Rom bringen werden, werde ich das hier wohl doch ziemlich vermissen. Einfach diese freie Umgebung, diese Landschaften. Wer weiß schon, wie mir das Stadtleben zusagen wird?"

  • "Ich kann dir bereits jetzt versichern, dass du Hispania vermissen wirst. Während andere Städte mit Einbruch der Dunkelheit stiller werden, sind in Rom die ersten Stunden des Abends die lautesten."


    Eine Tatsache die Livianus, der nach einem anstrengenden Arbeitstag eher die Stille und Entspannung bevorzugte, immer schon mehr als genervt hatte. Aber man lernte sich anzupassen und damit zu leben, auch wenn er in solchen Stunden immer gerne an Hispania dachte. Da der junge Albus Rom noch nie gesehen hatte, fuhr er weiter aus


    "Das liegt vor allem daran, dass bis auf wenige Ausnahmen jeglicher Verkehr auf Rädern bei Tageslicht verboten ist. Wenn sich der Abend über die Stadt senkt, rollen unzählige Wagen und Karren durch die Stadttore und erzeugen einen Höllenlärm."


    Sie brachten die landwirtschaftlichen Produkte für die morgendlichen Märkte, Baumaterialien für die Baustellen, Holz und Holzkohle für die Feuer, Opfertiere für die Tempel und so weiter. Während dieser Stunden hallten die Straßen vom Klirren schwerer Metallräder auf Pflastersteinen wider, vom unglaublichen Gekreisch ungelenker, großer Holzräder an den Achsen der Bauernwagen, vom Geschrei der Fuhrleute, vom Gestöhn eingespannter Sklaven und vom Gebrüll der Ochsen und Esel. Erst nach Mitternacht wurde es still.


    Livianus war natürlich klar, dass es auch Albus, wie viele andere junge ambitionierte Männer vor ihm, irgendwann nach Rom ziehen würde. Dennoch fragte er aus Interesse und natürlich um das Gespräch aufrecht zu erhalten nach.


    "Welche Pläne hast du denn für die Zukunft? Bisher hatten wir noch nicht wirklich die Gelegenheit darüber in Ruhe zu sprechen."

  • Albus hörte gespannt den Ausführungen von Livianus zu. Ja, so etwas in der Art hatte er bereits befürchtet. Es würde sicher einige Zeit brauchen, bis man sich an den ganzen Trubel der Großstadt gewöhnt hatte, wenn man zuvor nur die Ruhe von Hispania gewöhnt war.


    "Dann sollte ich mich wohl lieber darum bemühen, mir möglichst viele Erinnerungen an die Ruhe hier zu bewahren. "


    Doch trotzdem konnte sich Albus nicht davor erwehren einen gewissen Reiz bei den Ausführungen von Livianus zu verspüren. Etwas o neues und so großes wie Rom hatte er wohl noch nicht erblickt in seinem Leben und das würde eine Erfahrung sein, die er wohl niemals vergessen würde.


    "Doch trotzdem verspüre ich einen gewissen Reiz. Bei all den scheinbaren Unannehmlichkeiten, von denen du sprichst, muss Rom doch auch etwas fast schon magisches besitzen."


    Oh und die nächste Frage wurde dann ziemlich spannend, denn immerhin ging es um die Zukunft von Albus. Er selbst war sich doch schon recht sicher, dass die Politik der Weg sein würde, welchen er einschlagen will und vor ihm stand mit Livianus jemand, der Erfahrung auf diesem Gebiet besaß, denn immerhin hatte er sich bewährt.


    "Nun, ich will ganz offen zu dir sein. Wenn ich ehrlich bin, reizt mich vor Allem die Politik. Ich weiß nicht, ob ich der geborene Kämpfer mit dem Schwert bin. Ich glaube, dass die Worte da eine bessere Waffe für mich sind.
    Die Legion war wohl derzeit wirklich nicht das Ziel von Albus. Die Politik, da wollte er hin. Da gehörte er hin. Hoffentlich.


  • „Wenns denn Reitunterricht gewesen wär...“ murrte Aquila halblaut. Reitunterricht brauchte er keinen mehr, er war so sicher auf dem Pferderücken wie jemand nun mal war, der in seiner Kindheit und Jugend fast mehr Zeit dort zugebracht hatte als auf zwei Beinen... aber das war halt was anderes, als einen widerspenstigen Junghengst, der noch nie einen Sattel gespürt hatte und das letzte Jahr mit den anderen Jungtieren auf der Weide in halbwildem Zustand zugebracht hatte, irgendwie dazu zu kriegen, zahm zu sein... und das ohne jedes Hilfsmittel.
    Kaum hatte er allerdings das Officium seines Onkels betreten, hatte er sich zusammengerissen und ließ sich nichts mehr von den Schmerzen anmerken, nicht einmal von denen in seinem Arm, wo das Biest ihn gebissen hatte. Mit langen Schritten ging er zu dem Stuhl hinüber und setzte sich wie aufgefordert, warf dem Sklaven ein kurzes „Ich nehm Wein“ hin – Alkohol war gut, wenn es darum ging Schmerzen zu betäuben –, und wandte sich dann wieder an seinen Onkel. „Flavus ist von Arbiscar mitgesch...“ ...leppt worden, lag ihm eigentlich auf der Zunge, aber er entschied sich dann doch noch rechtzeitig für eine andere Variante: „..nommen worden.“ Der Sklave reichte ihm in dem Moment einen Becher voll Wein, und Aquila trank einen Schluck, bevor er neugierig seinen Onkel ansah. „Was gibt’s?“ Vielleicht hätte er warten sollen, bis der Senator zuerst das Wort ergriff... aber Geduld war nicht unbedingt seine Stärke, und er redete öfter mal schneller als er nachdachte.

  • Zitat

    Original von Potitus Decimus Albus
    ....... "Nun, ich will ganz offen zu dir sein. Wenn ich ehrlich bin, reizt mich vor Allem die Politik. Ich weiß nicht, ob ich der geborene Kämpfer mit dem Schwert bin. Ich glaube, dass die Worte da eine bessere Waffe für mich sind.
    Die Legion war wohl derzeit wirklich nicht das Ziel von Albus. Die Politik, da wollte er hin. Da gehörte er hin. Hoffentlich.


    Aufmerksam hörte Livianus seinem Verwandten zu. Natürlich konnte er gut nachvollziehen, dass Rom, das Zentrum des römischen Reiches, Albus anzog wie das Feuer eine Motte. Zudem war es in seinen Augen auch höchste Zeit, dass der griechische Zweig der Gens ebenfalls einen Senator hervorbrachte. Und auch wenn es Lobenswert war, sah Livianus keinen zwingenden Grund, weshalb sich ein politikinteressierter Decimer zuerst mit Provinzpolitik aufhalten sollte, bevor er sich um ein Questorenamt bemühte. Was Albus Einstellung zum Dienst bei der Legion betraf, so war Livianus, der fast sein ganzes Leben als Soldat verbracht hatte, natürlich anderer Meinung.


    "Auch als angehender Senator wird dir der Dienst als Tribun in den Legionen nicht erspart bleiben. Das solltest du nicht vergessen."


    Auch wenn senatorische Tribune nur selten den Ehrgeiz oder das militärische Geschick eines langedienten Offiziers mitbrachten und daher eher in der Verwaltung eingesetzt wurden, gab es dennoch immer den einen oder anderen der aus der Masse herausstach und sich beweisen konnte. In den meisten Fällen waren es die gleichen, die sich nach der Ernennung zum Senator erneut um ein Kommando als Legionskommandant bemühten.


    "Ein wenig Übung mit dem Gladius wird dir also nicht schaden. Wenn du möchtest kann ich mich bei Gelegenheit nach einem passenden Lehrer für dich umsehen. Ich habe immer noch den einen oder anderen Klienten, der früher unter mir gedient hat. Ein ehemaliger langedienter Soldat ist immer noch der beste Lehrmeister."

  • Zitat

    Original von Marcus Decimus Aquila
    .... Kaum hatte er allerdings das Officium seines Onkels betreten, hatte er sich zusammengerissen und ließ sich nichts mehr von den Schmerzen anmerken, nicht einmal von denen in seinem Arm, wo das Biest ihn gebissen hatte. Mit langen Schritten ging er zu dem Stuhl hinüber und setzte sich wie aufgefordert, warf dem Sklaven ein kurzes „Ich nehm Wein“ hin – Alkohol war gut, wenn es darum ging Schmerzen zu betäuben –, und wandte sich dann wieder an seinen Onkel. „Flavus ist von Arbiscar mitgesch...“ ...leppt worden, lag ihm eigentlich auf der Zunge, aber er entschied sich dann doch noch rechtzeitig für eine andere Variante: „..nommen worden.“ Der Sklave reichte ihm in dem Moment einen Becher voll Wein, und Aquila trank einen Schluck, bevor er neugierig seinen Onkel ansah. „Was gibt’s?“ Vielleicht hätte er warten sollen, bis der Senator zuerst das Wort ergriff... aber Geduld war nicht unbedingt seine Stärke, und er redete öfter mal schneller als er nachdachte.


    Noch bevor Livianus dem Sklaven deuten konnte, dem jungen Decimer lediglich verdünnten Wein zu reichen, nahm Aquila das Gespräch wieder auf und vereitelte somit den indirekten Tadel des Senators, der es nicht gerne sah, wenn so junge Männer wie Aquila zu dieser Tageszeit bereits puren Wein tranken. Abgelenkt von Aquilas Erklärung betreffend Flavus nickte Livianus daher nur verständnisvoll und wollte gerade das Wort ergreifen, als der Junge ihm erneut aus dem Konzept brachte und keck danach fragte, warum er gerufen worden war. Livianus räusperte sich bevor er ansetzte.


    "Nun ja……. Ich habe vor einigen Tagen ein Schreiben meiner Nichte Seiana aus Rom erhalten."


    Mit diesen Worten reichte er Aquila den Brief über den Schreibtisch, während der Skalve unaufgefordert nun auch Livianus aus einer eigenen Kanne stark verdünnten Wein, versetzt mit Honig und Rosenblättern nachschenkte. Der Senator nahm ebenfalls einen Schluck und wartete ab, bis Aquila den Brief gelesen hatte.

  • Livianus musste es ja wissen und das was er sagte, hatte Albus auch schon erwartet. Um den Dienst in der Legion würde auf lange Sicht nicht herum kommen. Seine Absicht war es auch gar nicht. Es ging ihm nicht darum, die Legion zu meiden, doch er sah seine Qualitäten nicht in der vodersten Front. Natürlich hatte auch Albus schon mal ein Gladius in der Hand gehabt und ein paar Schwünge geübt, doch ein bisschen Training und Nachhilfe würde ihm auf seinem Werdegang sicher nicht schaden.


    "Ja, da hast du wohl recht. Aus dem Weg gehen kann ich der Legion nicht in Gänze, doch darum geht es mir auch gar nicht. Ich fürchte mich nicht davor und werde natürlich meinen Dienst leisten, ich sehe meine Qualitäten einfach anders. Doch eine Schulung mit dem Gladius würde mir sicherlich nicht schaden, also wenn du da was arrangieren kannst."


    Doch sein Hauptaugenmerk würde Albus wohl trotzdem nicht unbedingt auf den Kampf legen. Oftmals gefiel ihm die Theorie des Kampfes doch auch noch besser, als die körperliche Anwendung der Taktiken. Doch es war ja auch nicht Albus weg, als Legionär in der ersten Reihe zu dienen.
    Die beiden Decimer hatten eine kleine Biegung im Garten erreicht, welcher sie auch folgten.


    "Ich denke, dass ich doch stets auf deinen Rat zählen kann, wenn ich einmal einen brauche, oder? Immerhin bist du bereits ein gestandender Mann, welcher einiges erreicht und vorzuweisen hat. Ich muss gestehen, dass die Angst zu scheitern schon irgendwie da ist. Und das, obwohl ich noch nicht einmal begonnen habe."

  • Aquila bemerkte nichts von dem leichten Tadel, der sich bei seinem Onkel abzeichnete, und er machte sich auch wenig Gedanken darüber, wie sein Verhalten wohl wirken könnte. Er hatte generell ein eher loseres Mundwerk, und ihm war auch eine gewisse Leichtfertigkeit zueigen – Gedankenlosigkeit konnte man es wohl auch nennen –, die die Lehrer nicht ganz aus ihm herausgebracht hatten, auch wenn es schon besser geworden war... und davon abgesehen tat ihm gerade einfach zu viel weh. War schon anstrengend genug, sich davon nichts anmerken zu lassen.


    Er beugte sich vor, als sein Onkel ihm statt einer ausführlichen Antwort einen Brief seiner Base in Rom reichte, nahm ihn entgegen und ließ sich langsam wieder zurücksinken, während er die Papyrusrolle mit beiden Händen offen hielt und den Inhalt überflog. Was sie schrieb, klang nicht wirklich gut... im Gegenteil. In ihrem Unterricht hatte es in den vergangenen Jahren regelmäßig auch Stunden darüber gegeben, in denen ihr Hauslehrer ihnen nicht nur dargelegt hatte, wie die aktuelle politische Lage war, sondern auch wo die Decimer politisch standen und wie sie sich bei neuen Entwicklungen positionierten, sowohl in der Provinz als auch in Rom. Und natürlich war das in den vergangenen Jahren noch mal um einiges spannender geworden, mit Onkel Livianus' Rückkehr nach Hispania, weil er in Rom in Ungnade gefallen war, mit dem Tod des alten Kaisers, den Ausrichtungen der Decimer in Rom unter dem neuen – trotz der Geschehnisse um Livianus –, dem Bürgerkrieg, der sich in den vergangenen Monaten entwickelt hatte... was hatten sie nicht alles diskutiert, warumwiesoweshalb wer was wo gemacht hatte und sich wie positionierte, und das hatte Spaß gemacht. Es war einfach etwas anderes, über ein so brandaktuelles Thema zu diskutieren, in das die Familie darüber hinaus auch noch so eingebunden war, als über irgendwelche zwar politisch unruhige Zeiten, die aber hundert Jahre oder mehr in der Vergangenheit lagen, und viel mehr noch als über solche, die ruhig und damit todlangweilig waren, oder, noch schlimmer, einfach stur die aktuellen Einflussträger des Reichs durchzugehen und was es so, äh, Interessantes über sie zu wissen gab – natürlich rein politisch gesehen; über die wirklich interessanten Dinge (wer die Sau raus ließ auf irgendwelchen Orgien, beispielsweise) sprachen sie nicht. Über die langweiligen Dinge diskutierten sie natürlich trotzdem auch weiterhin... aber die Brisanz der momentanen Situation führte freilich dazu, dass sie weit mehr Zeit darauf verwendeten.


    Und das, ja, das hatte Spaß gemacht. Aber der Punkt war: bisher war es trotz allem immer noch... naja, theoretisch gewesen. Die Familie in Rom steckte da mitten drin, trotzdem hatte für ihn der praktische Bezug gefehlt – er war nah genug am Geschehen, damit es spannend für ihn war das zu verfolgen, aber er war nicht direkt davon betroffen gewesen. Mit dem Brief hier änderte sich das... zum ersten Mal bekam er die Infos aus Rom so direkt, hörte davon nicht von seinem Lehrer, der so was immer unter dem Aspekt des Unterrichts diskutierte, sondern von seiner Base, in ihren eigenen Worten. Und dann war da der Fakt, dass der Krieg nun ausgebrochen war, mehr noch: verloren, jedenfalls was die Truppen im Norden anging. Und der Verbleib seines berühmten Vetters unklar. Das war... heftig. Aquila war erst mal sprachlos, als er den Brief sinken ließ und zu seinem Onkel hochsah, was eher selten vorkam. „Das...“ Er wollte irgendetwas Schlaues sagen, aber ihm fiel im Moment einfach nichts ein. „Wie alt ist der Brief?“ Kein kluger Kommentar, aber wenigstens eine ziemlich kluge Frage, fand er. Immerhin war eine ungefähre zeitliche Einschätzung nicht ganz unwichtig bei dem Thema.

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