• Hatte er sich in Mantua als senatorischer Tribun noch fremd in der Legion gefühlt, weil er als Offizier fern jedes einfachen Soldaten stand und als einjähriger Fremdling unter den Offizieren, so war es hier ohne offizielle Würde außer einem Schreiben der kaiserlichen Kanzlei noch schwerer.


    Er durfte die erste Zeit zwangsläufig mit gebrochenem Bein wortwörtlich kürzer treten, doch erfasste ihn eifrige Geschäftigkeit sobald er auch nur einen Fuß aufsetzen konnte ohne vor Schmerz gleich umzukippen. Das Opium, dass sie für teuer Geld in den von dem Jadoch empfohlenen Läden erstanden hatte, hatte er nie angerührt. Trotzdem war es irgendwann weggewesen, und er hatte Sirius dafür gemaßregelt nicht genug auf das kostbare Zeug aufgepasst zu haben.
    Was Vala anfänglich außer Acht ließ war, dass der Schmerz zurückkehrte je vehementer er sich weigerte in seinem Domus zu verweilen und zu warten bis das Bein wieder ganz geheilt war. Er fühlte sich hilflos und schwach, wieder einmal, und interessanterweise hatte es jedes Mal mit dem römischen Heer zu tun.


    Nichtsdestotrotz.. Vala ignorierte Pein im Bein (was letztlich dafür sorgen würde, dass der Schmerz ihn nie wirklich verlassen würde) und stapfte tapfer mit Stock über jeden Stein, wälzte in den Archiven der Legio Aufstellungszahlen (dabei immer Acht gebend sich einen möglichst profanen wie plausiblen Grund einfallen zu lassen damit der Praefectus Castrorum nicht glaubte hier würde an seinem Stuhl gesägt), studierte die Ausrüstung in den Horrae und ließ sich von den Centuriones darüber unterrichten wie die Männer so drauf und vor allem dran waren. Letztlich alles kein Problem, die Ausrüstung war in Ordnung, also nicht erwähnenswert, und die Männer würdigten ihn mit der gleichen argwöhnischen Gleichgültigkeit, die sie jedem zuteil werden ließen der nicht zu ihnen gehörte. Und ohne funkelnden Brustpanzer aus Leder war Vala ein ziviler Niemand, der nur deshalb mit einer gewissen Höflichkeit beachtet wurde, weil er im Officium des Legaten ein und aus ging und einige der Veteranen sich an gewisse Berichte in der Acta erinnerten, die Vala vom Bild eines sesselfurzenden Nichtstuer-Offizier befreiten. Das machte ihn allerdings immernoch zu keinem von ihnen... und noch lange nicht zu einem Helden. Denn Helden hatte die zweiundzwanzigste Legion sicherlich mehr als genug.
    Nur keinen Nachwuchs an jenen, die Helden werden wollten. Oder einfach nur ein einigermaßen gesichertes Leben in Leder und Stahl verbringen wollten. Die Löcher, die immernoch in den angetretenen Cohortes bestanden, sprachen eine eindeutige Sprache.


    Er brauchte nicht lange um herauszufinden, dass das Problem der Legion nicht in der Legion lag, sondern in den Städten der Provinz. Aegyptus war keine Provinz in der Civites Romanes am laufenden Band geboren wurden, und solche die es waren zeichneten sich schon nach kurzer Konversation dadurch aus, dass sie kaum Interesse hatten sich für eine Legion zu melden in deren Dienst die tatsächliche Chance bestand umgebracht zu werden. Die Civites in Aegyptus waren verwöhnt und ängstlich, die Kornkammer des Reichs machte ihre Bürger müde.. und jene, die keine Bürger waren hatten Aussicht auf Aufnahme in der Cohortes im Süden und in der Classis, welche jedoch keine Probleme in der Mannstärke hatten...


    Die Lösung des Problems würde knifflig werden, das war klar...

  • Der Pompeier hatte gut reden... ein detaillierter Bericht nach Rom. Vala hatte den Brief kaum fertig gelesen, da war ihm schon aufgegangen wieviel Arbeit das für ihn bedeuten würde. Und tatsächlich: wenige Wochen nach seiner Rückkehr aus dem Süden des Landes wollte eine komplette Aufstellungsliste der zweiundzwanzigsten Legion erbracht sein, und es gab dummerweise keinen Praefectus Castrorum, welchem er die Aufgabe zudeligieren konnte.


    Er fühlte sich in seine Zeit als Tribun der ersten Legion zurückversetzt, als er zum ersten Mal wieder weit in die Nacht hinein beim Schein dreier Öllampen die Archive und Register der Legion studierte, wofür er sich praktischerweise das Officium des Praefectus avisiert hatte. Bei der Größe einer ganzen Legion dauerte es seine Zeit, bis sich vor Vala ein Bild auftürmte, dass sich ihm auch bei nur flüchtigem Hinsehen draußen im Castellum gezeigt hätte: die Legion war einsatzfähig, aber ziemlich zerrupft. Und die Reihen schlossen sich nur sehr, sehr langsam. Zu langsam nach Valas Geschmack, wenn das Eintröpfeln von Rekrutierungswilligen Bürgern so weiterging, bräuchte es Jahre bis die Legion wieder Sollstärke erreicht hätte.


    Die Rekrutierungszahlen der ersten Cohors waren im Vergleich dazu absolut rosig, und das an einer der offensten Grenzen des Reichs. Was hatte der Aurunculeius ihm noch gesagt? Die Leute könnten es gar nicht erwarten, wenn einer seiner Leute die fünfundzwanzig Jahre voll hatte... es lag wohl vor allem an den Familiae in Aegyptus, die das Bürgerrecht inne hatten. Vala würde da genauer hinsehen müssen, vielleicht verbarg sich da die Antwort, nach der er so lange suchte.


    Zwei Tage später, die er vollumfänglich in den Archiven des Statthalters verbracht hatte, blickte Vala wieder auf endlose Reihen von Buchstaben und Zahlen... irgendwo hier würde er wohl anfangen müssen, doch wo?

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!