[Capitolium] Summanus' Zorn – Das gemeinsame Sühneopfer des Kaisers und der Consuln

  • Es war ein trüber und grauer Tag in Rom, nicht ungewöhnlich für den späten Februarius, wo der Winter langsam zurückwich, der Frühling aber noch schwach war. Kalt und schwer hing der Dunst über der Stadt. Doch jeder erinnerte sich an jenen Abend vor gut drei Monaten, als etwas sehr viel unheilvolleres über Rom gekommen war, ein Unwetter, zornig, wütend und bedrohlich. Blitze waren auf die Erde hernieder gegangen und einer davon war in die Stufen vor dem Tempel der Concordia eingeschlagen.


    Es war ein göttliches Zeichen gewesen, so hatte es das Collegium Pontificum erkannt und der Senat hatte bestätigt, dass es sich um ein prodigium publicum handelte – ein unheilvolles Omen, das sich an die Gemeinschaft aller Römer richtete. Eine procuratio – eine Entsühnung – war nötig, wollte man schlimmes Unheil abwenden. Dazu sollte an diesem Tag geopfert werden.


    Der Kaiser und zugleich Pontifex Maximus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, sowie die beiden amtierenden Consuln würden dieses Opfer darbringen, als Vertreter des römischen Volkes.


    Die Zeremonie hatte im Tempel der Concordia begonnen, also jenem Gotteshaus, dass von den Göttern für ihr Zeichen an die Menschen ausgewählt worden war und das am Fuße des Capitols, an der Stirnseite des Forum Romanum lag. Dort hatte es ein unblutiges Voropfer gegeben, bevor die feierliche Opferprozession den steilen, mehrfach gewundenen Weg hinauf zum südlichen Gipfel genommen hatte, wo auf einem Altar vor dem Tempel des Jupiter Optimus Maximus Capitolinus das blutige Hauptopfer stattfinden würde.


    Hier versammelte man sich nun und Lucius Aelius Quarto spürte als einer der beiden Consuln die Last der Verantwortung auf seinen Schultern.

  • Wenn der Kaiser und die Consuln opferten und das auch noch auf Beschluß des Senates nach Empfehlung durch das Collegium Pontificium, dann durften die Senatoren als Zuschauer des Opfers kaum fehlen. Daher stand auch Macer auf dem südlichen Gipfel des Capitols, als die Opferprozession dort eintraf, um den Zorn der Götter zu besänftigen.

  • Eingerahmt von den beiden Consulen schritt Valerianus die letzten Schritte der Steigung hinauf in Richtung des Iuppiter-Altares. Auch wenn die Prozession schon wegen der Opfertiere langsam zog, strengte der Weg ihn sichtlich an. Das übliche Flötenspiel verhinderte jedoch, dass die Zuschauer ein Stöhnen oder Seufzen wahrnehmen konnten und zuweilen verhinderten sogar ein paar Weihrauchschwaden einen allzu genauen Blick in sein Gesicht.


    Am Altar angekommen, schaute er sich kurz um, wie sich die Opferhelfer aufstellten und die Opfertiere auf ihre Plätze brachten, bevor ein leichter Windhauch wieder einen Hustenanfall provizierte.

  • Auch Ursus befand sich unter den Zuschauern. Wie könnte er einem derartigen Opfer nicht beiwohnen? Es galt, die Götter zu besänftigen. Und auch wenn es der Kaiser und die Consuln das Opfer brachten, so taten sie dies doch für das gesamte Volk. Daher war es ganz selbstverständlich für ihn, dabeizusein und den Göttern damit zu zeigen, daß dies ganz in seinem Sinne war. Das Unwetter war gewaltig gewesen, der Zorn der Götter mußte groß sein. Hoffentlich nahmen sie das Opfer auch an.


    Da kam auch schon die Prozession in Sicht. Unwillkürlich fragte sich Ursus, ob der Kaiser in seinem Gesundheitszustand diesen Weg überhaupt schaffen konnte, da es doch die ganze Zeit bergauf ging. Doch vielleicht war der Kaiser doch gesünder als Ursus gedacht hatte? Jedenfalls war er da, flankiert von den Consuln und trat mit ihnen vor den Altar. Gerade schon wollte Ursus aufatmen. Wenn das mal kein gutes Zeichen war! Doch gerade in dem Moment, in dem er dies dachte, schüttelte den Kaiser ein Hustenanfall. Hoffentlich hatten das nicht zuviele der Zuschauer gesehen...

  • Nicht nur aus eigenem Interesse, sondern auch als einer der religiösen Würdenträger und als künftiger Magistrat von Rom war ich heute hier erschienen, um an dem öffentlichen Opfer teilzunehmen. Es hieß, dass der Kaiser tatsächlich seine Rolle einnehmen würde. Auch dies war ein Grund, heute hier anwesend zu sein. Glücklicherweise hatten die Senatoren, Magistrate und andere Würdenträger bessere Plätze als der Pöbel in der breiten Menge der Menschen, sodass man besser denn passabel sehen konnte. Zwischen einigen Mitgliedern des collegium pontificium, Senatskollegen, ehemaligen septemvir-Kollegen und in der Nähe von Ursus wohnte ich diesem Sühneopfer bei, das der Kaiser - meiner Meinung nach - selbst verschuldet hatte mit seinem Desinteresse die dritte Staatssäule betreffend. Es war nicht verwunderlich, dass die Götter ihm zürnten, wenn er kaum geneigt war, sich mit der religio Romana zu befassen. Umso bedeutsamer war seine Anwesenheit hier und heute, auch wenn der Wind das Geräusch seines Hustens über die Menge trug und verdeutlichte, dass er nach wie vor schwächelte.

  • Auch bei solch einem Anlaß waren die Praetorianer natürlich mit dabei. Der Kaiser in der Öffentlichkeit, das bedeutete für sie besonders viel Arbeit. Viele von ihnen waren in zivil vor Ort, gerade weil es sich um eine Opferzeremonie handelte. Zuviele Rüstungen wirkten da etwas fehl am Platze. Trotzdem waren auch genug Männer in Rüstungen anwesend. Immerhin sollte niemand sich eingeladen fühlen, etwas gegen den Kaiser - oder die Consuln - zu unternehmen. Valerian stand mit seinen Männern dem Altar so nahe, wie es eben möglich war. Als die Prozession ankam und der Kaiser vor den Altar trat, hieß es für ihn, die Augen und Ohren überall zu haben. Mit Sorge bemerkte er den Hustenanfall seines hochstehenden Namensvetters. Anscheinend hatte sein Opfer damals keine Wirkung erzielt. Vielleicht war es doch zu klein gewesen. Nur hatten seine Mittel für mehr einfach nicht ausgereicht. Doch diese Gedanken mußte er nun entschlossen beiseite schieben. Seine Konzentration mußte in diesem Moment allein der Sicherheit des Kaisers gelten.

  • Unbeeindruckt vom kaiserlichen Hustenanfall spulten die Opferhelfer ihr Programm ab. Die Opfertiere wurden an Ringen im Boden vor dem Altar festgebunden. Zwei Helfer gingen umher und besprenkelten das Publikum mit Wasser, um die rituelle Reinheit der Anwesenden sicher zu stellen. In den hinteren Reihen waren auch einige Männer unterwegs, die Personen gänzlich des Platzes verwiesen, die nicht den nötigen rituell sauberen Eindruck machten.


    Dann forderte ein Herold mit lauter Stimme zum Schweigen auf und Valerianus ließ sich das Becken mit dem Wasser zur Handwaschung reichen. Während es danach an seinen Bruder weiter gereicht wurde, trocknete er selber seine hand und gab dann wiederum auch das Handtuch an seinen Bruder weiter. Ein Priester sprach derweil noch einige rituelle Formeln, von denen man wohl die meisten nur bei einem großen Staatsopfer zu hören bekam.

  • In den vordersten Reihen der Zuschauer stand auch Tiberius Durus stumm dabei. Er trug seine Toga Praetexta, die ihm als Pontifex zustand, hatte auch sein rituelles Opfermesser am Gürtel. Als Stellvertreter des Kaisers in religiösen Angelegenheiten hätte er möglicherweise auch als oberster Opferhelfer fungieren können, doch in diesem Fall hatte er darauf verzichtet - er wusste ja, warum es dem Kaiser oblag, dieses Opfer abzuhalten und da fühlte er sich in keinster Weise schuldig, obschon der Blitz in seinem Atrium möglicherweise ein Hinweis auf etwas anderes war.


    Wieder einmal zeigte sich der Kaiser kränklich, doch zumindest Quarto schien alles gut vorbereitet zu haben. Ein Priester übernahm das Opfergebet (obwohl Durus fand, dass dieses möglicherweise auch vom Kaiser selbst gesprochen worden hätte sollen). Dann ging es endlich richtig los.

  • Nach seinem Bruder, dem Kaiser, wusch sich Aelius Quarto mit feierlicher Geste die Hände. Während er sie trocknete folgte als letzter sein Amtskollege, der zweite Consul dieses Jahres.


    Quarto warf einen Blick auf die Opfertiere. Es war ein wahrhaftig prächtiges Opfer, dass an diesem Tag stattfand. Dort standen drei schneeweiße junge Stiere und links davon ein rotbrauner, dessen Fell man mit gemahlenem Zinnober bestäubt hatte um die rötliche Färbung noch deutlicher hervorzuheben. Links der Stiere stand ein prachtvoller, kräftiger, schwarzer Widder, mit ausladendem Gehörn von solcher Symetrie, dass seine Schönheit jener der Stiere in nichts nachstand.
    Die Hörner aller fünf Tiere waren mit Goldfarbe bemalt worden. Man hatte sie mit bunten Bändern geschmückt und feierlich ausstaffiert. Die Opferhelfer verstanden ihr Geschäft. Lammfromm standen die Tiere da und harrten ruhig und scheinbar ohne Furcht dem, was unweigerlich kommen musste. Dazu waren sie geboren worden, zu keinem anderen Zweck hatte man sie aufgezogen, wohl gehütet und genährt, als dass sie an einem Tag wie diesem ihr Leben zum Ruhme der Götter geben würden. Ihr Blut würde vergossen werden, und es würde reichlich Blut fließen.

  • Nachdem die Handwaschung beendet war, blickte Valerianus kurz von einem Opfertier zum nächsten. Die Auswahl der Tiere hatte er erfahrenen Priestern überlassen, ebenso wie er das deuten der Innereien nicht selber vornehmen wollte. Aber bis dahin waren noch einige Schritte zu tun.


    So ließ er sich als nächstes eine Schale mit Salzlake reichen, um den ersten weißen Stier damit zu besprenkeln. Der schien schon ordentlich betäubt worden zu sein, denn außer einem schwachen Ohrenwackeln brachte er keine Reaktion zustande. Um auf dieselbe Weise mit dem nächsten Stier fortzufahren, reichte er dann auch die Salzlake wiederum an seinen Bruder weiter. Dasselbe sollte wenig später mit dem Opfermesser passieren, das der rituellen Entkleidung des Tieres diente.

  • Nachdem auch die beiden mit opfernden Consuln ihren Teil zur Opfervorbereitung beigetragen hatten, gingen die Opferhelfer mit ihren Opferbeilen und Äxten auf ihre Plätze. Ein Tier nach dem anderen sollte geopfert werden.


    Ein ums andere Mal stellte der Schlächter die rituelle Frage und ein ums andere Mal gab Valerianus deutlich, wenn auch etwas leise, die rituelle Antwort.


    "Age!"

  • Nacheinander hauchten die Opfertiere zu Ehren der Götter ihr Leben aus. Blut floss in beachtlichen Strömen, wenn auch nicht überall in der gleichen Menge. Der charakteristische Geruch eines großen Opfers wehte über das Capitol, als die Innereien entnommen und zur Begutachtung zum Altar gebracht wurden.

  • Ob die Götter nun ein Zeichen gesandt hatten, dass Summanus' Zorn tatsächlich besänftigt war oder nicht, bei einem Staatsopfer dieses Ranges gab es kaum eine andere Möglichkeit, als die Innereien für makellos und das Opfer somit als angenommen zu erklären. So fiel die Eingeweideschau nur des Ritus' wegen sorgfältig aus, bevor Valerianus zusammen mit den Consuln das erlösende Ergebnis verkünden konnte.


    "Litatio!"


    Sehr rasch zog er sich daraufhin vom Capitolium wieder zurück in den Kaiserpalast auf dem Palatin.

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