Gesetzentwurf - Regelwerk für Wagenrennen

  • Schneller als selbst gedacht stellte der Consul einen Gesetzentwurf zusammen, den er am nächsten Tag dem Senat präsentierte.


    "Werte Senatoren. Da ich ohnehin nicht schlafen konnte, habe ich die Nacht durchgearbeitet und kann euch bereits heute einen Entwurf zum angedachten Regelwerk präsentieren. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, er diente als Grundlage für die Diskussion. Für Vorschläge die Titulierung betreffend bin ich dankbar."



    Titel?


    § 1 Verträge bei Wagenrennen
    (1) Jedem Wagenrennen liegt mindestens ein Vertrag zweier Parteien zugrunde.
    (2) Parteien im Sinne des Vertrages sind der Ausrichter der Wagenrennen (im Folgenden Ausrichter genannt) sowie eine oder mehrere Factiones (im Folgenden Vertragspartner genannt).
    (3) Die Absicht zum Vertragsschluss kann von beiden Seiten in mündlicher oder schriftlicher Form abgegeben werden.


    § 2 Verpflichtung zur Leistung
    (1) Mit Versenden der Einladung verpflichtet sich der Ausrichter zur Leistung.
    (2) Die Leistung besteht in der Ausrichtung eines Wettkampfes in Wagenrennen.


    § 3 Bestimmung zur Leistung
    (1) Die Leistung wird durch den Ausrichter nach billigem Ermessen bestimmt.
    (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsteil.


    § 4 Verpflichtung zur Offenlegung
    (1) Der Ausrichter ist verpflichtet, die Modalitäten des Wettkampfes offenzulegen. Dafür reicht ein auf Wunsch jederzeit einsehbares Konzept.
    (2) Das Konzept zum Rennablauf ist verbindlich.


    § 5 Erlöschen der Leistungspflicht
    (1) Der Ausrichter ist nicht mehr zur Leistung verpflichtet, wenn der Antrag zum Vertrag ihm gegenüber abgelehnt oder nicht fristgerecht angenommen wird.


    § 6 Bestimmung einer Annahmefrist
    (1) Die Frist zur Annahme ist Bestandteil des Vertrages.
    (2) Die Annahme des Vertrages kann nur innerhalb dieser Frist erfolgen.


    § 7 Verspätet zugegangene Annahmeerklärung
    (1) Ist eine dem Antragenden verspätet zugegangene Annahmeerklärung dergestalt abgesendet worden, dass sie bei regelmäßiger Beförderung ihm rechtzeitig zugegangen sein würde, und musste der Antragende dies erkennen, so hat er die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich nach dem Empfang der Erklärung anzuzeigen, sofern es nicht schon vorher geschehen ist.
    (2) Verzögert er die Absendung der Anzeige, so gilt die Annahme als nicht verspätet.


    § 8 Annahme des Vertrages
    (1) Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande.
    (2) Eine Erklärung ist in mündlicher oder schriftlicher Form erforderlich.


    § 9 Abändernde Annahme
    (1) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung.


    § 10 Vertragsstrafe
    (1) Wird die vom Ausrichter geschuldete Leistung infolge eines Umstands, den er zu vertreten hat, unmöglich, wird ein Bußgeld fällig.
    (2) Erfolgen von Seiten des Vertragspartners nach dem Zustandekommen des Vertrages Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen, wird der jeweilige Vertragspartner mit einem Startverbot beim nächsten Wettkampf belegt.
    (3) Der Vertragspartner haftet für seine Wagenlenker.

  • Durchaus mit einer gewissen Neugier folgte der divitische Senator dem vom claudischen Consul eingebrachten Vorschlag für ein die Wagenrennen betreffendes Regelwerk. Anschließend meldete er sich für eine Wortmeldung an.


    "Patres Conscripti!", eröffnete er, nachdem er das Wort erhalten hatte, seinen Beitrag. "Ich bin mir des Umstands bewusst, dass gewiss nicht jeder in diesen heiligen Hallen an Wagenrennen interessiert ist oder gar als Mitglied einer der großen Factiones den Wagenrennsport unterstützt. Als Vicarius Domini Factionis der Factio Veneta jedoch komme ich selbst nicht umhin, den vorliegenden Entwurf in mehreren Punkten zu kritisieren.", erklärte der Iulier zunächst seine generelle Haltung gegenüber diesem neuen Gesetz. Anschließend nutzte er eine kleine Pause, um seine Gedanken zu ordnen.


    "Bereits der erste Satz scheint mir in dieser Form durchaus problematisch. Denn gewiss mag es für ein großes Wagenrennen beispielsweise im Rahmen der Ludi Palatini gelten, dass es stets einen Ausrichter gibt, der seinerseits ein Rennen finanziert, organisiert und dazu einlädt. So wurden die Ludi Palatini vom ehrenwerten Consul Claudius ausgerichtet.", machte Dives eine Zäsur. "Doch genauso gibt es in wohl jeder Factio auch interne Wagenrennen, bei welchen entsprechend kein neutraler Amtsträger wie ein Consul als Ausrichter agiert. Im Gegenteil ist bei solchen internen Rennen wohl stets die Factio selbst sowohl der Ausrichter, der das Rennen finanziert und organisiert, als auch einziger Teilnehmer. Folglich existiert meiner Auffassung nach bei einem derartigen Rennen auch nur eine Partei - nämlich die sowohl ausrichtende als auch einzig teilnehmende Factio selbst.", ließ er dem Auditorium abermals einen kurzen Augenblick, diesem Gedankengang zu folgen. "Wollen wir also auch weiterhin - und dafür möchte ich hiermit werben - den verschiedenen Factiones die Möglichkeit zu internen Trainingsrennen geben, können wir einen solchen Passus nicht zum Gesetz erheben.", beendete der Iulier seinen ersten Kritikpunkt, bevor er neuerlich ein wenig Zeit verstreichen ließ, in welcher er innerlich beschloss, mehrere Kleinigkeiten vorerst zu übergehen und sich stattdessen nachfolgend auf den zweiten großen Kritikpunkt zu fokussieren.


    "Darüber hinaus erscheint mir neben dem ersten jedoch auch der letzte Paragraph keineswegs unproblematisch. Denn hier soll, und das bitte ich jeden äußerst genau zu durchdenken, die Erfüllung eines Vertrages Einfluss darauf haben können, ob ein weiterer - möglicherweise bereits geschlossener, möglicherweise auch erst noch zu schließender - Vertrag seinerseits erfüllt werden kann oder überhaupt erst zustande kommt.", mahnte Dives die übrigen Senatoren. "Ich möchte dies an einem Beispiel kurz verdeutlichen.", kündigte er hernach an. "Nehmen wir an, der Ausrichter Aulus hätte einen Vertrag mit dem Vertragspartner Faustus geschlossen und die Umstände ergäben sich, dass eine Vertragsstrafe nach Paragraph zehn Absatz zwei eintreten würde. Nehmen wir ferner an, dass der nächste Wettkampf im Bereich von Wagenrennen durch den Ausrichter Caius ausgerichtet würde. Mit welchem Recht nun lässt sich begründen, dass der Ausrichter Aulus hier Einfluss zu nehmen vermag auf ein Wagenrennen, an welchem er selbst keinerlei Anteil hat, da es vom Ausrichter Caius finanziert und organisiert wird?", stellte der iulische Senator seine Skepsis als rhetorische Frage formuliert in den Raum. Er ließ auch diesen Kritikpunkt einen Augenblick lang wirken, bevor er fortfuhr.


    "Abschließend möchte ich mich an die gestrigen Worte des ehrenwerten Consuls Claudius erinnern. Denn gerade hinsichtlich einer Vertragsstrafe betonte er mehrfach, dass ein Ausrichter vor allem Verlässlichkeit vor Ort brauche, während ihm die bereits ohne dieses Gesetz bestehende Möglichkeit einer Klage ebenso wenig nütze, wie ein vertraglich oder gesetzlich festgeschriebener Schadensersatz.", fasste Dives zusammen. "Ich möchte also die folgende Frage direkt an den ehrenwerten Consul Claudius richten. Inwiefern verbessern oder erhöhen die hier nun vorgeschlagenen Vertragsstrafen die Verlässlichkeit vor Ort mehr als dies die bloße Möglichkeit einer Verpflichtungsklage täte?", beendete der divitische Senator seinen Wortbeitrag, bevor er sich wieder setzte. In der Tat nämlich konnte er selbst keinen Unterschied für den Ausrichter vor Ort sehen - ob eine Factio nun in der Zukunft für den nächsten Wettkampf gesperrt wäre oder aber sich in der Zukunft mit einer Klage durch den Ausrichter eines Rennens auseinandersetzen müsste.

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    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Es gab einige Dinge, die Sextus an dem eingebrachten Entwurf auszusetzen hatte. Angefangen bei der einfachen Tatsache, dass dieser Entwurf in den Raum gestellt wurde, noch ehe die eigentliche Debatte darüber vollumfänglich abgeschlossen war, bis hin zu etlichen Formulierungen, die jeglichem vertragsrechtlichen Grundsatz einfach nur widersprachen.
    Daher erhob auch Sextus gleichsam seine Stimme, nachdem Iulius Dives mit seinem berechtigten Einwand geendet hatte.
    “Ergänzend zu den Einwänden von Senator Iulius möchte ich ebenfalls noch einmal ausdrücklich betonen, dass die Sperre einer Factio zu einem Rennen sämtlichen Gebräuchen zur Vertragsfreiheit krass widerspricht. Es bleibt doch bitteschön jedem selbst überlassen, mit wem er einen Vertrag eingehen will und mit wem nicht. Und wenn ein Veranstalter eine Factio zu einem Rennen einladen will, dann hat er dazu das Recht, ganz gleich, wie diese Factio sich einem anderen Veranstalter auch benommen haben mag. Wenn er sich dazu entscheidet, dennoch mit ihr einen Vertrag einzugehen, dann kann er das machen. Ein Gesetz zu beschließen, die ihm dieses Recht verwehrt, wäre gegen die guten Sitten und entbehrt jeglicher Grundlage.


    Dazu möchte ich anmerken, dass in diesem Entwurf einige Punkte enthalten sind, die für die Durchführung von Wagenrennen schlicht irrelevant sind. Alles, was vor dem Vertragsschluss geschieht, ist schlicht und ergreifend den beiden Vertragsparteien zu überlassen. Daher bedarf es weder einer Regelung, ob ein Gegenangebot durch eine Factio zulässig ist oder nicht, noch dem Beharren auf einer Annahmefrist. Zum einen ist bei jedem Vertrag selbstverständlich jeder Vertragspartei freigestellt, ein eigenes Gegenangebot zu unterbreiten. Ja, die gegenwärtigen Gebräuche sind sogar explizit dergestalt, dass die Factiones nach Erhalt eines Angebotes zu einem Wagenrennen dem möglichen Veranstalter vermelden, ob sie ein Startgeld verlangen oder nicht. Aber selbstverständlich kommt ein gültiger Vertrag erst zustande, nachdem beide Parteien sich über den Inhalt eines möglichen Vertrages einig sind. In diesem Fall also liegt es am Veranstalter, das Gegenangebot anzunehmen oder nicht. Die Möglichkeit eines Gegenangebotes aber von vornherein auszuschließen ist auch hier wieder sittenwidrig.
    Zum anderen ist es völlig unerheblich, ob der Veranstalter bei seiner Planung eine Frist verlangt oder nicht. Ich kann mich mit Vertretern der Factio auch in der Therme treffen und dort vor Ort sofort einen gültigen Vertrag schließen ohne jegliche Frist einzuhalten. Das einzige, wo eine Frist vonnöten ist, ist seitens der Öffentlichkeit, dass eine gewisse Zeit vor dem Rennen bekannt gemacht wird, welche Fahrer in welchem Rennen starten werden.
    Dies beinhaltet natürlich auch, dass zu jenem Zeitpunkt der Veranstalter seine Pläne offenlegt, wie er sein Rennen zu gestalten gedenkt. Deshalb ist eine Regelung, die dieses Konzept erst auf Wunsch zugänglich macht, vollkommen an der eigentlichen Intention zur Transparenz bei Wagenrennen vorbei.


    Ebenso macht es auf mich den Anschein, dass die angedachten Paragraphen zwei und drei miteinander im Widerspruch stehen – und zudem verdoppelnd formuliert sind. Verpflichtet sich nun der Ausrichter zu irgend etwas, oder kann er alles frei entscheiden? Letzteres wäre wieder – bezugnehmend auf die guten Sitten – nicht zulässig, da es keinen Vertrag geben kann, in dem die Bedingungen einseitig diktiert werden. Die Gegenseite muss den Bedingungen in jedem Falle zustimmen und kann keine Erklärung über einen Vertrag abgeben, dessen Inhalt sie nicht kennt.“


    Sextus wusste um ehrlich zu sein gar nicht, wo man bei diesem Gesetz mit einer Umformulierung anfangen sollte. Nur in seiner jetzigen Form war es einfach nicht ratifizierbar.

  • Der Consul folgte den Wortmeldungen, dann erklärte er seinen Entwurf.
    "Das von mir angestrebte Gesetz soll nur für Wagenrennen gelten, die ein gesamtgesellschaftliches Ereignis darstellen. Solche Wagenrennen dienen zumeist der Ehrung eines Gottes oder finden an einem Festtag statt, weswegen ein öffentliches Interesse daran besteht, dass sie reibungslos verlaufen.
    Trainingsrennen beabsichtige ich nicht zu reglementieren. Ich bin sicher, alle Factiones können selbstständig Vereinbarungen für Trainingsrennen treffen, ohne dass sie dafür eine Gesetzesgrundlage brauchen.
    Diese Unterscheidung muss im Titel des Gesetzes ersichtlich werden."


    Der nächste Punkt betraf die Vertragsstrafen. Menecrates nickte, als Iulius darauf hinwies, ein nächstes Rennen könne bereits in der Planung sein. Ein guter Hinweis, der eine Umformulierung notwendig machte.
    "Es müsste dann bei Absatz zwei heißen: … Startverbot beim nächst möglichen Wettkampf. Wobei sich die öffentlichen Rennen auch nicht gegenseitig jagen.
    An dieser Stelle wird aber deutlich, dass es auch aus einem anderen Grund nicht zweckmäßig wäre, Trainingsrennen und Spiele in einen Topf zu werfen. Wenn ein Fahrer öffentliche Spiele torpediert und dann die Möglichkeit hat, seine Sperrung bei einem Trainingsrennen abgelten zu lassen, welchen Erziehungseffekt hat dann diese Strafe? Ich meine, keinen."


    Als nächstes stand das Thema Verlässlichkeit im Raum. Wieder nickte der Consul.
    "Ich glaube, es gibt keine Strafe, die einen notorischen Querulanten in seinem Verhalten beeinflussen kann. Trotzdem braucht es diesbezüglich eine Festlegung. Ich habe mich gefragt, was einen Fahrer wohl am ehesten davon abhalten könnte, nicht verlässlich zu sein und bin zu dem Schluss gekommen, dass es seine Karriere ist. Riskiert ein Fahrer einen Folgestart, tritt er möglicherweise überlegter auf. Stattdessen eine Klage im Nachhinein führen zu müssen, bedeutet Arbeit für den Ausrichter, der schon durch gestörte Abläufe gepeinigt genug ist. Die Weitergabe einer Sperrung belastet hingegen nicht.
    Ich stelle mir die Führung eines einsehbaren Registers für gesperrte Fahrer vor. Als Ausrichter wünsche ich mir, dass es weitgehend leer bleibt."


    Anschließend wandte er sich den aurelischen Argumenten zu.
    "Nicht die Factio wird gesperrt, sondern der betreffende Fahrer. Es ist der Lauf der Dinge, Aurelius, dass sich Gebräuche und Gewohnheiten ändern, wenn nie dagewesene Ereignisse passieren. Ich denke außerdem, dass das Torpedieren von öffentlichen Spielen viel mehr gegen die guten Sitten verstößt als ein Gesetz zum Zweck des reibungslosen Ablaufs solcher Großereignisse.


    Kommen wir zum Paragraf neun. Er besagt lediglich, dass bei Änderungswünschen das Angebot als solches keinen Bestand mehr hat.
    Gegenangebote von vorn herein auszuschließen, halte ich im Gegensatz zu dir für die einzig praktikable Lösung für einen Ausrichter. Wie viele öffentliche Wagenrennen hast du bereits veranstaltet? Abgesehen von der Planung im Voraus, läuft ein individuelles Aushandeln der Teilnahmebedingungen auf eine Ungleichbehandlung der Factiones hinaus. Es kann nicht sinnvoll sein, dass eine Factio ein Startgeld aushandelt und die andere nicht.
    Eine Frist für die letzte Abgabe der Einwilligung zum Vertragsabschluss gab es auch ohne Gesetz schon immer und sie ist unabdingbar für die Organisation einer Großveranstaltung."


    Beim nächsten Punkt hatte der Consul selbst noch nicht die perfekte Lösung gefunden. Er begann zunächst, die Situation darzulegen.
    "Der Grund, weswegen das Konzept nicht sogleich mit der Einladung verschickt werden kann, was ich für das Beste halte, ist die Tatsache, dass erst die Anzahl der teilnehmenden Fahrer bekannt sein muss, bevor das finale Konzept herausgegeben werden kann. Ich bin aber guter Dinge, dass wir gemeinsam eine Lösung für das Problem finden werden."

  • Macer war mehr als überrascht, dass der Consul schon heute einen Gesetzentwurf vorlegte. Der Vortrag desselben überzeugte ihn dann allerdings schnell, dass einige weitere Tage zur Reifung dem Entwurf sehr gut getan hätten. Zum Glück meldete sich andere Senatoren schnell zu Wort, so dass Macer etwas mehr Zeit hatte, seine Meinung über den Entwurf in passende Worte zu kleiden. Dann meldete er sich zu Wort, nachdem die ersten Fragen schon beantwortet waren.


    "Consul, auch ich möchte einige Anmerkungen machen, um den Entwurf zu verbessern. Mir scheinen die ersten drei Paragraphen entbehrlich zu sein, da sie einiges regeln, was entweder ohnehin klar ist oder aber aufgrund des noch zu erarbeitenden Titels des Gesetzes klar wird. In anderen Fällen regeln sie etwas, was eben nicht allgemeingültig geregelt werden kann, da es nur für öffentliche Rennen gilt, die ein gesamtgesellschaftliches Ereignis sind - um deine Worte zu nehmen, da mir keine besseren einfallen. Auch dies könnte wie von dir vorgeschlagen durch den Titel geregelt werden oder durch eine Prämbel, die den Geltungsbereich des Gesetzes genauer definiert. Letzteres erscheint mir leichter verständlich."


    Nach dieser nahezu gänzlichen Ablehnung der ersten drei Paragraphen fuhr er etwas detaillierter fort. "Den vierten Paragraphen befürworte ich ausdrücklich in seiner Intention, schließe mich hier aber Senator Aurelius an, dass das Konzept nicht nur auf Nachfrage, sondern grundsätzlich veröffentlicht werden muss. Dass es von der Teilnehmerzahl abhängt, ist dafür kein Hinderungsgrund, da wir verschiedene Stufen unterscheiden müssen: Wenn der Veranstalter einlädt, kann er natürlich nur ein grobes Konzept vorlegen und den eingeladenen Fahrern auf Nachfrage nur mitteilen, wen er noch eingeladen hat und wie es um deren Rückmeldung derzeit bestellt ist. Dies sollte jedoch ausreichend sein, damit die Fahrer eine informierte Entscheidung treffen können und es sollte beiden Seiten klar sein, dass das Konzept noch nicht final ist. Es steht meines Erachtens den Fahrern dann auch frei, eine Teilnahme nur unter der Bedingung zuzusagen, dass das finale Konzept eine bestimmte Gestalt hat. Zu bedingten Zusagen kommen wir ja später noch einmal, aber nehmen wir mal an, sie wären möglich. Dem Ausrichter steht es meines Erachtens dann wiederum frei, eine solche bedingte Zusage abzulehnen, um die von dir gewünschte Planungssicherheit zu erhalten, aber er kann sie genausogut annehmen, wenn die Bedingung dem entspricht, was er ohnehin geplant hatte. Wie auch immer dies abläuft und von Fahrern und Ausrichtern gehandhabt wird, irgendwann wird der Zeitpunkt erreicht sein, an dem eine fixe Vereinbarung zwischen Ausrichter und Fahrern besteht. Damit ist auch ein Zeitpunkt erreicht, an dem das Konzept veröffentlicht werden kann und ab dem es keine Notwendigkeit mehr gibt, dieses zu ändern. Es ist damit wie in deinem Entwurf genannt verbindlich."


    Er machte eine kurze Pause, um auf seinen Notizen zu schauen, wie es weiter geht. "Paragraph fünf. Den verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Was soll hier geregelt werden? Der Ausrichter muss einen Fahrer nicht starten lassen, wenn dieser gar nicht starten will? Das erscheint mir trivial. Oder kann der Ausrichter die gesamte Veranstaltung absagen, wenn ein Fahrer nicht antreten möchte? Sofern er noch nichts veröffentlicht oder mit irgendeinem Fahrer fest vereinbart hat, ist auch das trivial. Falls er jedoch die Veranstaltung und ihre Modalitäten schon öffentlich angekündigt hat, dann ist er meines Erachtens auch zur Ausrichtung verpflichtet." Diesmal brauchte Macer nur einen kurzen Blick um fortzufahren. "Paragraph sechs ist leichter verständlich und meines Erachtens unnötig. Da eine Veranstaltung einen Termin hat, an dem sie stattfindet, gibt es auch einen Zeitpunkt, bis zu dem die Modalitäten des Rennens veröffentlicht werden müssen. Daraus wiederum ergibt es sich zwingend, dass alle Vereinbarungen zwischen Ausrichter und Fahrern bis dahin fixiert sein müssen. Wenn ein Ausrichter mehr Planungssicherheit haben möchte, kann er eine frühere Frist setzen, aber ich sehe keine Notwendigkeit, ihn dazu gesetzlich zu verpflichten."


    Nun atmete Macer wieder etwas tiefer durch, um sich auf den nächsten Paragraphen zu konzentieren. Dass er dabei um die richtigen Worte rang, konnte er nicht ganz verbergen. "Paragraph sieben ist mir völlig unverständlich, noch unverständlicher als Paragraph fünf. Was soll hier geregelt werden? Und was hat dies überhaupt mit Wagenrennen zu tun? In einem Gesetz zum Wagenrennen erwarte ich klare Begriffe, die auf diese Materie Bezug nehmen und keine generischen Begriffe wie 'Antragender', 'Annahmeerklärung' oder 'Absendung der Anzeige'! Der Text scheint mir fast einem Lehrwerk für Juristen entnommen, in dem dargelegt wird, wie Verträge abzuschließen sind, wenn die Vertragspartner nicht an einem Ort zusammen kommen können." Macer schaute den Consul ratlos an. "Versteh mich bitte nicht falsch: Das mag alles seine juristische Richtigkeit haben, aber mir ist gänzlich unklar, was eine solche generische Passage in einem Gesetz zum Wagenrennen verloren hat und welchen Vorteil gegenüber dem Status Quo sie bietet!" Dieselbe Frage hatte auch Iulius Dives schon in allgemeinerer Form gestellt und sie war in Macers Augen noch nicht zufriedenstellend beantwortet. "Dasselbe gilt für Paragraph acht", schob er noch hinterher, bevor er wieder einmal durchatmete.


    "Paragraph neun halte ich für falsch. Warum sollten bedingte Zusagen per Gesetz als Ablehnung gelten? Warum sollte ein Fahrer nicht sagen können 'Ich nehme teil, aber nur, wenn es ein Startgeld gibt'? Es ist dann doch dem Veranstalter überlassen, ob er auf diese Bedingung eingeht und die Zusage annimmt oder ablehnt. Umgekehrt gilt dasselbe und ist fast noch wichtiger: Jeder Ausrichter wird doch sagen 'Du darfst starten, aber nur, wenn du dich zu fairem Verhalten verpflichtest'. Auch das ist nichts anderes als ein bedingtes Angebot, das ein Fahrer annehmen oder auch ablehnen kann. Ich würde sogar soweit gehen, dass im Vertragswesen jegliches Angebot und jegliche Annahme eines solchen immer an Bedingungen geknüpft ist, aber das mögen andere hier besser erklären und entscheiden können als ich", machte Macer bewusst nur einen kurzen Ausflug ins allgemeine Vertragswesen, denn schließlich sollte hier heute um Wagenrennen diskutiert werden.


    Zur Vertragsstrafe hatten sich auch schon andere geäußert, so dass Macer hier nur seine Zustimmung zu diesen Gegenmeinungen ausdrücken konnte. "Bezüglich Paragraph zehn schließe ich mich meinen Vorrednern an, dass ein Startverbot als Vertragsstrafe völlig ausgeschlossen ist, zumal es dem Veranstalter vor Ort ohnehin nicht die von dir gewünschte Sicherheit liefert. Zudem widerspricht deine Gegenrede von gerade deinem eigenen Entwurf: Du sagtest gerade, nicht die Factio wird gesperrt, sondern der Fahrer. Dein Entwurf nennt jedoch ein Startverbot für den Vertragspartner, welcher die Factio ist. Was im übrigen noch eine weitere Unzulänglichkeit des ganzen Entwurfs aufdeckt: Was ist mit Fahrern, die keiner Factio angehören?"


    Noch einmal machte Macer eine Pause und blickte auf seine Notizen, ob er noch zu einem der Paragraphen etwas sagen wollte. Dann kam er zum Abschluss. "Mit Blick auf den gesamten Entwurf und die gestrige Debatte ist mir im übrigen weiterhin nicht klar, was du anstrebst, Consul. Du sagtest, du möchtest Wagenrennen regeln und nicht das Vertragsrecht. Du sagtest ferner, du möchtest keine rechtlichen Grundlagen für zusätzliche Klagen schaffen, sondern durch klare Regeln Klagen verhindern. Ich glaube, wir alle können dieses Ziel gemeinsam am besten erreichen, wenn wir uns dazu von der doch sehr offensichtlichen Fokussierung des Entwurfs auf den Begriff und das Zustandekommen eines Vertrages lösen und stattdessen in dem Entwurf festlegen, welche Eigenschaften eines Wagenrennens wir gerne zugesichert hätten und welche Pflichten sich daraus für Ausrichter und Fahrer ergeben. Ich denke, eine solche Lex würde überschaubarer und handhabbarer werden."

  • Wenn Sextus so grob die Stimmungslage des Senates bestimmen wollte und das Gemurmel in den Reihen richtig deutete, war er sich sehr sicher, dass der Claudier mit diesem Gesetz nie und nimmer die nötigen sechzig Prozent zur Ratifizierung erreichen würde. Alles andere hätte ihn allerdings bei dieser Vorlage auch gewundert. Daher war jetzt die Frage, was dem Claudier wichtiger war: Ein Gesetz über die Wagenrennen zu schaffen, oder aber seine Forderung nach einer Sperre für ihm unliebsame Fahrer durchzudrücken. Denn nach nichts anderem klang für Sextus genau dieser Paragraph, da konnte der Claudius noch so sehr dagegen reden.


    Consular Purgitius mühte sich sichtbar um diplomatische Worte und griff damit einiges bereits erwähnte noch einmal auf. Sextus war sich sicher, dass er sagen könnte, was er wollte, und der Claudius würde es als Angriff auffassen, weshalb er gar nicht erst allzu sehr um Formulierungen rang. Diese Mühe wäre ohnehin vergebens.
    “Consular Purgitius fasst es sehr gut zusammen, und ich möchte noch weitere Punkte zu bedenken geben. Eine Regelung bezüglich einer Sperre würde nicht nur in die Freiheit unbeteiligter Dritter eingreifen, Verträge abzuschließen mit wem auch immer sie wollen. Gäbe es nur den Senat als einzigen Ausrichter von Spielen, könnte solch eine Regelung ja noch eine Berechtigung haben. Aber jeder Bürger und selbst jeder Peregrine im ganzen Reich kann Wagenrennen ausrichten, so er sie sich leisten kann, zu welchem Zweck er sie auch immer ausrichten möchte. Ich sehe nach wie vor keine Berechtigung, diesen Tausenden die Rechte zu beschneiden, die sie nach rechtsstaatlichen Prinzipien haben.
    Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass diese Regelung im Endeffekt nur dazu führen wird, dass Ausrichter von Wagenrennen mit der Durchführung ihrer Rennen warten werden, bis irgendjemand anderes die unliebsame Aufgabe übernommen haben wird, solch kindische Strafen auszulöschen und damit die Vertragsfreiheit wieder herzustellen. Der Senat ist da, um Gesetze zu erlassen, nicht, um das Volk zu erziehen!



    Und da du meine Erfahrung anzweifelst: Ich selbst habe bereits zwei Mal Wagenrennen veranstaltet, zu den Totenfeiern von Tiberius Durus und denen von Cornelius Palma. Die letzteren im Auftrages des Senats unter der Hilfe von Senator Iulius, der, soweit ich mich recht erinnere, damals noch Quaestor war. Daneben noch mehrfach Tierhetzen und Gladiatorenspiele. Hättest du dich zu Beginn des Amtsjahres nicht so dagegen verwehrt, hätte ich auch zu den Equirria Wagenrennen terminiert. Ich denke, meine Erfahrungswerte im Bereich von öffentlichen Großveranstaltungen sollte damit außer Zweifel stehen. Ich bezweifle, dass es in diesen Reihen viele Senatoren geben wird, die mehr vorzuweisen haben.
    Und bei keiner dieser Veranstaltungen habe ich auch nur annähernd solchen Aufruhr heraufbeschworen, wie du, werter Claudius. Allerdings mag dies vornehmlich daran gelegen haben, dass ich mich an die geltenden Gebräuche gehalten habe und nicht versucht habe, das Rad zwangsweise neu zu erfinden. Und auch hatte ich kein Problem damit, grundsätzlich im Vorfeld bekannt zu geben, wie der Rennmodus aussähe.“
    In Sextus Augen waren sämtliche Probleme, die der Consul mit seinen Wagenrennen erfahren hatte, schlicht und ergreifend selbst verschuldet. Was hatte der Mann erwartet? Dass er wie ein Gott über den Rennsport herrschen konnte, nur weil er zu einem Rennen einlud? Nein, ein Vertrag galt immer beidseitig, und wenn eine Seite den abänderte und plötzlich andere Fahrer starten lassen wollte, als ursprünglich vorgesehen, musste die Gegenseite erst zustimmen. So einfach war das.


    “Zum weiteren hat Consular Purgitius schon passende Worte gefunden. Ein Gesetz über Wagenrennen sollte für eben jene Transparenz schaffen, und hierfür ist die Bekanntgabe der Rennmodi und der startenden Fahrer vor Rennbeginn unabdingbar.“

  • Den ersten Redebeiträgen Iulius' und Aurelius' begegnete Menecrates noch weitgehend gelassen. Er kannte sie seit Jahren als Gegenspieler und sie fanden selten zu einer übereinstimmenden Meinung, wobei Iulius sehr höflich auftrat im Gegensatz zum Aurelier. Von Purgitius hingegen hatte er mehr erwartet. Der Consular bewirkte, dass Menecrates die Nutzlosigkeit jeglicher Bemühungen erkannte. Gegen diese Front kam ein Einzelner nicht an.


    "Senator Iulius, ich bitte das Nachfolgende nicht auf dich zu beziehen." Anschließend ließ er den Blick durch die Reihen wandern. "Hat sich der eine oder andere schon einmal gefragt, warum sich hier sehr viele Senatoren gar nicht mehr zu Wort melden? Ist vielleicht dem einen oder anderen schon einmal der vage Gedanke gekommen, dass sein Standpunkt keinen Anspruch auf Richtigkeit hat? Ich vermute nicht, denn eigene Standpunkte werden hier oft als Tatsache dargestellt und wenn sich Gruppierungen zusammenschließen, die es ablehnen, sich für andere Sichtweisen zu öffnen und außerdem mit Kritik und Bewertungen nicht sparen, versiegt der Redestrom anders Denkender. Wahrscheinlich ist das auch der Sinn und Zweck.


    Ich für meinen Teil würde jetzt gern noch die Meinung der stilleren Senatoren hören."


    Menecrates lehnte sich zurück. Er wusste noch nicht, wie er diese Sitzung weiterführen würde. Fest stand, dass er zwar seine Amtszeit anständig beenden, sich aber anschließend der Gemeinschaft der Stillschweigenden anschließen würde. Er bedauerte sehr, seinem Sohn die Kandidatur nicht ausgeredet, sondern ihn anstandslos auf die Liste gesetzt zu haben.

  • Dass der Consul auf die neuerlichen Einwände nicht inhaltlich, sondern nur auf der Meta-Ebene antwortete, wundert Macer, zumal er die dort geäußerten Bedenken nicht nachvollziehen konnte. Im Gegenteil, er war recht erfreut, dass es der Consul geschafft hatte, mit einem scheinbar banalen Thema gleich so viele und durchaus umfangreiche Redebeiträge zu erwecken. Da war beispielsweise ein Iulius Centho mit deutlich gewichtigeren Themen oft auf viel weniger Resonanz gestoßen und hatte sich von Kritik nicht schrecken lassen. Und selbst bei der Diskussion um die diplomatischen Beziehungen im Osten, die der Kaiser höchst selbst angestrengt hatte, erinnerte sich Macer nicht an eine umfangreichere Beteiligung - aber vielleicht lag das ja an der einschüchternden Wirkung des Kaisers. Den restlichen Schuh konnte sich der Consul Macers Meinung nach auch selbst anziehen, denn ihm passte er in Macers Augen genauso gut. Umso mehr war auch er gespannt, weitere Meinungen zu hören. "Ich auch", stimmte er daher demonstrativ der weiteren Redeaufforderung zu.

  • Der Consul hatte viel Geduld bewiesen und dem Senat ausgiebig Zeit eingeräumt, aber irgendwann wurde das Schweigen unangenehm. Er erhob sich, blickte in die Runde und sagte: "Wie ihr hört, hört ihr nichts."


    Sein Blick streifte Aurelius, verhielt bei Purgitius und glitt an Iulius vorbei, der sich erst in einer späteren Sitzung als ebenso motivationseindämmend erweisen würde wie die anderen beiden. Aber das wusste der Consul zu diesem Zeitpunkt noch nicht.


    "Ich hätte mir gewünscht und habe es in meinem Beitrag geäußert, dass wir hier gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Herausgekommen ist eine Vernichtung und mehr nicht. Da ich eine Ausfeilung, Umschreibung wie auch immer weder mit Vernichtern noch mit Stummen angehen kann, schließe ich die heutige Sitzung und setze mich selbst noch einmal in Ruhe an den Entwurf. Vielleicht sollte ich auch nicht über Nacht arbeiten, das räume ich an dieser Stelle ein.
    Meine Herren, ich lade zu gegebener Zeit zu einer zweiten Debatte zu diesem Thema ein und würde es begrüßen, wenn bis dahin der eine oder andere einmal sein Auftreten reflektiert."

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