Atrium | Der Kampf um den Olymp

  • Seit einigen Tagen bereits war Cornelius Palma tot, und die auf dieses Ereignis folgenden Senatssitzungen hatten kein Ergebnis gebracht, um die heikle Lage für das Imperium zu entschärfen, waren gegenteilig aus flavischer Sicht geradezu desaströs und ernüchternd. Die flavische Villa war ob dessen noch immer gesichert, die Ein- und Ausgänge blieben verschlossen und bewacht und nur bekannte Gäste fanden Einlass, Sklaven patrouillierten im Garten und Sciurus hatte einige Späher in die Stadt ausgesandt, welche die Stimmung dort im Auge behielten. Der Hausherr indes schwankte beständig zwischen Indignation über die Vorgänge im Senat, Sorge um die Sicherheit der Familie, Zorn über Cornelius Palma und einem Grad an Verzweiflung über die Ursachen der gesamten Misere. An diesem Tage indes, da sich noch immer nichts bewegte in Hinblick auf die alles entscheidende Frage, hatte er die Bewohner der Villa Flavia im Atrium zusammenkommen lassen - nicht nur die flavische Herrschaft, sondern auch die wichtigen Sklaven des Haushaltes.
    "Meine Lieben"
    , begann er als alle versammelt waren, selbstredend darin nur seine Verwandten inkludierend.
    "Die politische Situation ist weiterhin überaus prekär und wird sich augenscheinlich nicht allzu bald ent..spannen. Das Machtvakuum, welches dieser einfältige Cornelier hinterlassen hat, wird auf unbestimmte Zeit fortwähren, selbst wie lange die Tore der Stadt noch geschlossen bleiben, ist nicht abzusehen. Auf den Senat können wir nicht vertrauen, im Gegenteil - ein Großteil dieser Männer hat einst Vescularius Salinator zum Kaiser erhoben, und eben diese Männer haben nun das Gesetz ausgehebelt und Duccius und Vettius zu Konsuln auf unbestimmte Zeit ernannt und die Wahlen des Cursus Honorum ausgesetzt. Erst ein neuer Kaiser wird uns von dem ma'hthungrigen Germanen erlösen, und dieser setzt bereits alles daran, diesen Zeitpunkt so lange wie möglich hinauszuzögern. Beistand erhält er von Senator Decimus, welcher derzeit militärisch der mächtigste Mann Roms ist, so dass es ebenso nicht unwahrscheinlich scheint, dass es eher ein neues Triumvirat als einen rechtmäßig gewählten Kaiser geben wird."
    Dass Gracchus bereits Kaiser Duccius vor sich sah, mochte er nicht erwähnen. Mit strengem Blicke bedachte er seinen Sohn, mit welchem er seit ihrem Streit kein Wort hatte gewechselt.
    "Minor, du wirst deine Koffer packen und dich für eine Abreise bereit halten. Sobald die Tore Roms geöffnet sind oder sich eine andere Mögli'hkeit bietet, wirst du nach Aegytpus übersetzen. Du wirst deine Studien am Museion in Alexandria abschließen und die politischen Unruhen nur aus der Ferne betrachten."
    Die Sicherheit Minors war in Hinblick auf diese Entscheidung zwar durchaus ein relevanter Punkt, doch viel mehr mochte Gracchus sich der häuslichen Probleme entledigen solange die politischen ihm Kopfzerbrechen bereiteten. Weiters war es ohnehin längstens an der Zeit, dass Minor seine Studien in einem der Zentren der Wissenschaft vertiefte, und sofern dies bedeutete, dass die Vorbereitungen zur Hochzeit mit Aurelia Prisca in aller Ruhe ihren Lauf konnten nehmen, war dies nur um so besser - denn obgleich mit den jüngsten Ereignissen die größte Gefahr, welche von den Aureliern ausging, ein wenig vermindert war, so war Gracchus' Beziehung zu diesen - insbesondere Prisca - doch noch immer zu brisant, um das Eheversprechen zu annullieren. Sodann wandte er sich Domitilla zu.
    "Von der Öffnung der Stadttore wird es ebenfalls abhängen, ob deine Eheschließung planmäßig stattfinden kann, Domitilla, oder einige Zeit ver..schoben werden muss. Ohne deinen Vater ..."
    ... hätte Cornelius' Tod zumindest einen positiven Aspekt.
    "… wird die Zeremonie kaum möglich sein. Ich bin indes zuversichtlich, dass diese Maßnahme nicht allzu lange andauern wird, denn letztendlich ist Rom von der Versorgung von Außen abhängig."
    Vermutlich würde Aetius Gracchus die Schuld an all dem geben, und letztendlich war dies nicht einmal allzu fern von der Wahrheit. Der Flavier ließ seinen Blick über die Mitglieder seiner Familie schweifen.
    "Die wenigsten von euch waren in Rom als der letzte Bürgerkrieg ausbra'h, die Situation war zweifelsohne eine andere, doch die Gefahr ist in diesen Tagen nicht geringer. Niemand weiß, welche Legionen sich allfällig bereits in Bewegung gesetzt haben, um die Macht mit Gewalt an sich zu reißen, niemand weiß, welche Mächte in Rom sich formieren. Der Senat ist bereits gespalten und die Mehrheit der Stimmen liegt in den Händen einer Fraktion, welchen Traditionen und Gesetze nichts gelten."
    Gracchus fixierte seinen Neffen Scato.
    "Niemand kann vorhersehen, was geschieht, niemand kann vorhersehen, ob und wann dies eskaliert. Ich werde im Senat gebunden sein, und ... nun, wenn dies eskaliert ... und ich nicht zurückkomme, so obliegt es dir, Caius Scato, für die Si'herheit unserer Familie Sorge zu tragen. Ich möchte dich bitten, darauf vorbereitet zu sein."

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  • Scato hatte in den letzten Tagen durchaus mitbekommen was in der Stadt geschah, und war sich dem Ernst der Lage durchaus bewusst, dennoch hatte er die letzten Stunden, und Nächte damit verbracht, seinem Onkel gedanklich Allerlei an den Kopf zu werfen. Auch wenn er sich nicht sicher war ob Gracchus von seiner Nähe zu Prisca wusste, so keimte die Paranoia in ihm auf, und es fiel ihm schwer sein gewohnt kühles Auftreten nicht in ein noch eisigeres Verfallen zu lassen..
    Er hörte Gracchus zu, während sich im seinen Kopf die wütenden Stimmen mehrten und er seinen ganz eigenen Mob in Gedanken anführte, welcher wütend nach den Herzen von Prisca und Gracchus verlangte..
    ..Priscas Herz metaphorisch gesprochen, aber das des Manius durfte noch triefen!
    Aber zurück in die Realität, denn es wurde interessant, Gracchus wandte sich direkt an ihn.. Er sollte sich im Falle dass er nicht zurückkehre um die Familie kümmern?! Plötzlich oblag im also doch Verantwortung? Plötzlich sollte er doch Entscheidungen treffen? Scato wusste nicht so recht ob er sich wünschen sollte dass Gracchus wohlversehrt zurückkehrte, oder ob er selbst den ersten Stein werfen sollte..
    Andererseits, Familie war Familie, die konnte man sich nicht aussuchen, aber er würde Gracchus noch brauchen, genauso wie Prisca.. Die Götter konnten grausam sein..


    "Ich werde dich nicht enttäuschen Onkel.", entgegnete er knapp..
    'So wie du mich enttäuscht hast! Getäuscht hast!', schrie eine innere Stimme hinterher während sich seine wütende Faust wieder weißlicher färbte.

  • Flamma, welche die sich überstürzenden Ereignisse der letzten Tage stillschweigend aus der Ferne beobachtet hatte, entging nicht, dass ihr Vater sie nicht in seinen Ausführungen erwähnte. Für alle anderen Mitglieder der Familie hatte er scheinbar bereits Pläne....nicht aber für sie.
    Da saß sie nun, gehüllt in teuren Stoffen, geschmückt von edlen Juwelen - ganz und gar eine Frau ihres Standes - und doch fühlte sie sich fremd und fehl am Platz.
    Er weiß nicht, was er mit mir machen soll...wie eh und je, erkannte sie mit einem.Anflug von Trauer, die sie sogleich wieder verdrängte.
    Andererseits mochte Flamma auch nicht nachfragen. Vielleicht k sie ja doch noch zur Erwähnung. Sie musste nur das tun, was sie all die Jahre über getan hatte: Geduldig sein.

    Drei der Grazien gibt's, nur eine Venus! Die Veilchen will ich zum Strauße gereicht, aber die Rose allein.

  • Auch Domitilla hatte sich samt ihrer Sklaven im Atrium eingefunden. Dass die Lage ernst war, konnte selbst ihr, die sie sich seit einigen Wochen ganz in die Vorbereitungen für ihre Hochzeit vertieft hatte, nicht verborgen bleiben. Seit dem Bekanntwerden des Ablebens des Imperators hatte sie nicht mehr das Haus verlassen. Selbst ihren Sklavinnen hatte sie verboten, zu den Märkten zu gehen, obschon es dringlich gewesen wäre. Auch die patrouillierenden Sklaven, deren Anwesenheit jeglichen Aufenthalt in den Gärten verdarb, waren nicht zu übersehen. Sie, die sie sich für gewöhnlich nicht besonders für Politik interessierte, ließ sich nun täglich von Candace auf den neuesten Stand der Dinge bringen. Was bisher zu ihr gedrungen war, klang sehr beunruhigend. So erhoffte sie sich nun durch diese Versammlung, die ihr Vetter einberufen hatte, ein wenig mehr Sicherheit, vielleicht sogar die Bestätigung, dass sie sich allzu viel Sorgen gemacht hatte, zu erhalten.


    Doch bereits die ersten Sätze des Gracchus schienen sofort ihre Hoffnungen zunichte zu machen und alles deutete darauf hin, dass der gegenwärtige Zustand sich auf unabsehbare Zeit nicht ändern würde. Die Erwähnung des Name Duccius jedoch versetzt ihr einen tiefen Stich! Ausgerechnet dieser widerwärtige Barbar, der in Kürze auch zu allem Übel noch ihr Schwager sein würde, war es, der Rom durch seinen Machthunger ins Verderben stürzen wollte! Was hatte ihr Vater ihr nur damit angetan, als er der Hochzeit mit Tiberius Lepidus zugestimmt hatte!
    Wie sehr beneidete sie doch Gracchus Minor, der nun auf Geheiß seines Vaters nach Aegyptus reisen sollte, um dort seine Studien fortzuführen, während sie hierbleiben musste, um Schwägerin jenes Barbaren zu werden, der die Welt ins Chaos stürzte. Die Welt was so ungerecht!


    Schließlich wandte sich ihr Vetter ihr zu. Wie sie bereits erwartet hatte, sollte wohl auch ihre bevorstehende Hochzeit von den Unannehmlichkeiten der Vorkommnisse tangiert werden. Ob der anvisierte Termin gehalten werden konnte, wussten zu diesem Zeitpunkt nur die Götter. Domitilla indes trug es mit Fassung. Wenn es den Göttern gefiel, das unausweichliche Treffen mit ihrem Vater noch etwas hinauszuzögern, dann fügte sich die Flavia gerne den Unsterblichen. Und so gab sich Domitilla überaus einsichtig. „Ja, natürlich Vetter. Dafür habe ich vollstes Verständnis.“
    Dennoch erkannte Domitilla recht schnell wieder die Ernsthaftigkeit des Augenblicks und verfiel wieder in jene bangende Haltung, die sie auch schon zuvor eingenommen hatte. Besonders als Gracchus Parallelen zum letzten Bürgerkrieg zog, erschauerte sie. Die schlimmsten Ereignisse hatte sie wohlbehütet in jenem apenninnischen Bergdorf überstanden, in welchem sie Gestrandet war. Vieles aber hatte sie in Erzählungen und Berichten darüber erfahren. Das schlimmste Szenario aber behielt er bis zum Schluss. und ... nun, wenn dies eskaliert ... und ich nicht zurückkomme, alleine die Vorstellung daran war grausam. Die Konsequenz daraus aber war katastrophal, jedenfalls in Domitillas Augen! Gracchus hatte in diesem Fall die Sicherheit in Scatos Hände gelegt. Ausgerechnet Scato, dieser Brandstifter! Ihre Bestürzung darüber konnte sie kaum verbergen. Ihr Neffe tat das, was wohl jeder von ihm erwartet hatte, er willigte natürlich ein.
    „Die Götter mögen dich und uns vor solch großem Unheil bewahren!“, rief Domitilla... und diesmal meinte sie es auch so.

  • Es war nicht seine Art zu lauschen, aber diese Angelegenheit war doch recht delikat. Manchmal musste man Gewohnheiten und auch mal Anstand von sich werfen. Ein Schritt genügte und er war im Atrium, ungewohnt schlicht gekleidet und von seinem Leibsklaven flankiert, hatte er in seiner Hand einen Strauß voller Trauben. Ab und an ließ er schon den ganzen Tag, bei seinem Stunden andauernden Spaziergang, eine Traube nach der anderen in den Mund wandern. Auch jetzt stand er kauend in der Zarge und lächelte leicht.


    "Na darauf wollen wir nicht hoffen. Ich sitze ja auch noch im Senat, Manius. Du kommst schon zurück, keine Sorge."


    Zwar konnte er sich selbst kaum vorstellen, dass sein Vetter unbedarfter bei einem Fluchtversuch sein würde als er selbst, aber Leibwächter waren in diesen Tagen sehr begehrt. Und er hatte nicht die schlechtesten. Alsbald verfinsterten sich jedoch seine Züge und er trat an die Gruppe, die seine entfernte Familie war, näher.


    "Dennoch ist Vorsicht geboten. Mein Weib und meine Tochter sind zum Glück in Baiae." Wo sein Sohn, vielmehr Stiefsohn, sich aufhielt interessierte ihn nicht so recht. Und wenn schon, wenn sich die Sache zuspitzte und der Emporkömmling die Macht erhielt, die er sich in seinen Klauen wünschte, war man weder in Baiae, Italien, noch im gesamten Imperium sicher. Auch nicht die Frauen und Kinder. Eine traurige Vorstellung, die ihn da beschlich. Eine Traube wanderte wieder in seinen Mund.

  • War die Atmosphäre zwischen Manius Maior und Minor bereits seit dem Ende des Bürgerkrieges kaum als cordial zu deskribieren gewesen, so war sie seit jenem Duell im Cubiculum der Claudia doch geradewegs im Froste erstarrt. Obschon der Jüngling nach wenigen Tagen schon die regulären familiaren Cenae frequentierte, hatte er es unterlassen, seinen Vater auch nur eines Blickes zu würdigen, sondern sich bestenfalls einsilbig im Zwiegespräch mit den übrigen Familiaren geäußert, um dann so rasch, als es der Anstand gestattete, seinem Erzeuger aus den Augen zu gehen.
    Diesmalig hingegen war es nicht zu vermeiden, seinem Vater zu lauschen, da der Grund, warum die gesamte Familia Flavia Romae im Atrium wurde versammelt, augenscheinlich allzu ardent war, um sich ob persönlicher Animositäten dem zu entziehen, zumal die Indiskretion, eventuelle Novitäten aus der Curia Iulia unmittelbar zu erfahren, den jungen Flavius drängte. Und so stand er in der Schar der Familiaren, ein wenig abseitiger, als man es von dem Stammhalter des Hausherren mochte erwarten, flankiert von seinem geliebten Patrokolos und vernahm die düstren Prognosen, die, sofern er es aus der infantilen Remineszenz der letzten Sedisvakanz zu memorieren vermochte, nur allzu sehr an das gewahrten, was damals war geschehen. Unvermittelt reaktivierten sich die traumatischen Bilder in seinem Geiste, sah er den starren Blick des Bärtigen, der auf der Flucht aus Rom stetig vor seinem Kopf hin- und hergeschaukelt war, spürte er den eisigen Fuß, an welchen er bisweilen gestoßen war, und hörte er die monotonen Bannsprüche des Libitinarius, welcher sie hatte aus der Stadt geschmuggelt. All jene Impressionen schlossen sich in pythonaler Manier um seinen Körper, drohten wie schon damals ihn in Thanatose erstarren oder Agonie aufschreien zu lassen, sodass er höchste Kraft aufzubieten genötigt war, um jene Embuskade der Panik niederzuringen, indem er im Geiste ihr die Bannformel: 'Ich bin kein furchtsames Knäblein, sondern ein erwachsener Mann!' entgegensetzte. Dies hingegen erforderte seine gesamte Appetenz, sodass ihm zur Gänze die politischen Konsequenzen des imperialen Testamentes entgingen, die zuvor doch so sehr seinen Vorwitz entbrannt hatten.


    Gerade noch zur rechten Zeit gewann er indessen die Konzentration wieder, als der ältere Gracchus lapidar sein Schicksal offenbarte: ein neuerliches Exil, fern von Rom, fern von seinem Geschwistern und fern von allem, was er Bedeutung zumaß. Mochte er soeben noch furchtsam, ja panisch sich geriert haben, entglitt ihm nun jedwede Contenance: Just wenn die Tore Roms sich wieder öffneten (und somit zweifelsohne die größte Gefahr war gebannt), sollte er fliehen? Und dies nach Aegyptus, in die Kornkammer und somit nicht weniger als den goldenen Apfel des Imperiums, den zu erbeuten jeder Usurpator genötigt würde sein?
    Noch abstruser evolvierte sich jenes Kommando mit den folgenden, denn wie unschwer zu erkennen war, blieb er der einzige, der aus der Urbs transportiert werden sollte, während selbst die unschuldige Flamma augenscheinlich zum Bleiben verdammt war, ja die Schließung der Tore hinsichtlich Domitillas Eheschließung gar lediglich eine lästige Retardierung darstellte! Als dann Scato das Vermächtnis, die Flavia Familia Romae in Absenz des Pater Familias zu leiten, aufgetragen wurde, erblickte der Jüngling mit einer Klarität, die es sein Augenlicht ihm seit Kindertagen verwehrt hatte, welch ridikulöse Komödie hier wurde dargeboten:
    Mitnichten drehte sich jenes Possenspiel um die Insekurität des Imperiums, sondern vielmehr einzig und allein um den Konflikt der Manii Gracchi! Augenscheinlich genügte es seinem Vater nicht, jenen Tag zu erwarten, bis er mit jener Natter von Aurelia einen Bastard gezeugt hatte, den er zu seinem Erben konnte einsetzen, weshalb er nun sich bemüßigt fühlte, den legitimen Erben so eilig als möglich aus dem Wege zu räumen, um undisturbiert fortan inobserviert schalten und walten zu können, wie es ihm beliebte! Doch selbst falls die Götter ihn zuvor aus dem Diesseits beriefen, war Manius Minor nunmehr von der Erbfolge exkludiert, da er doch coram publico hatte erklärt, dass nicht jener, der sein eigen Fleisch und Blut war, ja gar seinen eigenen Namen trug und mit der Übernahme der Toga Virilis durchaus die adäquate Maturität besaß, sondern ein entfernter Anverwandter die Sorge und somit auch die Privilegien der Familienleitung sollte auf sich nehmen! Zweifelsohne war dies das Werk der Aurelia, denn vermutlich hatte Manius Maior seiner Angetrauten von ihrem Disput berichtet, woraufhin diese Manius Minors Vituperation, sie hätte ebenso Scato oder Iullus ehelichen können, zu ihren Gunsten wendete, indem sie den Patriarchen gedrängt hatte, so bald als möglich einen der Milonen zu seinem Erben zu bestimmen, sodass sie, sollte dem schwächlichen Gracchus etwas zustoßen, kurzerhand über einen anderen Flavius die Kontrolle über dieses altehrwürdige Haus übernehmen konnte!


    Doch wem konnte er nun Vertrauen schenken? Die Worte Scatos waren knapp, wie es seiner Gewohnheit entsprach, doch keineswegs in jenem Timbre, welches einer Kür zum Oberhaupt der Flavii angemessen war. War er also eingeweiht und erwies sich hier als übler Akteur? Und wie stand es mit Tante Domitilla, die einerseits artig die Prokrastination ihrer Ehe akzeptierte, andererseits sich zu weibischen Interjektionen bemüßigt fühlte, die, insonderheit angesichts der augenfälligen Ruhe Onkel Furianus', völlig exageriert erschienen? Onkel Furianus immerhin schien keine Kenntnis von irgendeiner Konspiration zu haben, da er doch gänzlich konträr zum gravitätischen Gestus seines Vaters eher kalmiert und erwartungsvoll, hingegen nicht furchtsam in die Zukunft blickte.


    Doch welche Konsequenzen blieben daraus zu ziehen? Sollte er dem Drama ein retardierendes Moment hinzusetzen, indem er protestierte und coram publico, wie seine Absetzung als Stammhalter war vollzogen worden, jenen Umstand Gracchus Maior zum Vorwurf machte? Sofern Scato und Domitilla eingeweiht waren, würde dies jedoch kaum fruchten, da auch Onkel Furianus aufgrund einer derart trutzigen Reaktion ihn wohl nicht unterstützen würde, da er doch Servilität und Folgsamkeit gegen die Älteren in höchsten Maße schätzte!
    Sollte er daher jener karnevalesken Schauspieltruppe den Vertrag kündigen, indem er dem Exil zuvorkam und sich mit seinem Peculium davon machte, um verborgen in Rom und aus der Ferne über seine Geschwister zu wachen? Doch wie lange würde dies funktionieren, da seine Ersparnisse für einen gewöhnlichen Civis zwar überaus beachtlich, angesichts seines gewohnten Lebensstils hingegen bestenfalls für einen Monat genügten, sodass er als jener Bettler würde enden, welchen er bereits unmittelbar nach dem paternalen Disput in schillerndsten Farben hatte imaginiert und als welcher er weder Flamma und Titus, noch sich selbst in irgendeiner Weise würde dienlich sein können.
    Nein, was verblieb, war doch nur, die momentane Situiertheit zu akzeptieren und zu hoffen, dass seine Lage sich eines Tages bessern würde, dass man ihn im fernen Alexandria nicht vergaß, sodass der Druck seiner Anverwandten Manius Maior letztlich nötigte, ihn wieder ins Herz des Imperiums zurück zu lassen. Indessen war er zumindest nicht genötigt, gute Miene zu jenem bitterbösen Spiel zu machen, weshalb er als Replik auf die paternale Order letztlich trutzig auf seine Unterlippe biss und den Vater mit sinistrem Blick anfunkelte in der Hoffnung, dieser würde dadurch erkennen, dass sein Komplott seinem Sprössling offenbar war und er früher oder später mit gräulicher Rache würde rechnen müssen.

  • Nichts anderes als dessen Zustimmung hatte Gracchus von Scato erwartet - wusste er doch nichts von dessen Unmut -, doch Domitillas Emotionalität gereichte dazu, ihn einen Augenblick zu derangieren, wie er stets von weiblicher Emotionalität überrascht war.
    "Nun, es ist trotz allem wohl eher unwahrscheinli'h, dennoch müssen wir auf alles vorbereitet sein"
    , suchte er sie ein wenig zu kalmieren, lag es ihm doch fern die Familie in Panik zu versetzen, gegenteilig wollte er schlichtweg jeder unangenehmen Überraschung - similär jener nach dem Tode Ulpius' - vorbeugen. Furianus nickte er ob dessen Zusicherung des Beistandes im Senat zwar zu, vermied indes detaillierter darauf einzugehen, da letztlich weniger Sorge ihn umtrieb, jemand könne über die Flavier herfallen wollen - es sei denn, irgendjemand würde letztlich doch noch Anklage gegen die Konspiranten erheben, doch selbst dann war die Wahrscheinlichkeit für ernsthafte Belege und somit Konsequenzen allfällig gering -, sondern mehr, dass er selbst sich zu einer unvernünftigen, unüberlegten Tat gegen den Duccius würde hinreißen lassen. Durch Furianus' weitere Worte allerdings fühlte er sich bemüßigt, das Schicksal seiner eigenen Tochter ebenfalls anzusprechen. In facto wusste er schlichtweg nicht, was er mit ihr machen sollte, doch letztlich gab es kaum eine Alternative als sie in Rom bei sich zu behalten - was letztlich eine zusätzliche Last darstellte. Doch während es für einen jungen Mann durchaus vertretbar würde sein, eine Reise anzutreten, so stellte dies für eine junge Frau doch eine Gewisse Gefahr dar - insbesondere unter diesen Umständen - welche der Vater nicht bereit war einzugehen.
    "Flamma, du wirst das Haus vorerst nicht mehr ver..lassen. Sofern du als notwendig erachtest, dies zu tun, wirst du dies vorherig mit mir absprechen."
    Er mied es allzu lange ihrem Blick zu begegnen, wandte sich wieder der Allgemeinheit zu.
    "Für den Fall, dass die Konsuln beileibe derart einfältig sind und die Tore über die Maße hinaus ge..schlossen halten, dass es zu Unruhen in der Stadt kommen wird, sind wir zumindest hier in unserem Heim gut gerüstet."
    Die Keller der Villa waren stets gefüllt und in den letzten Tagen zudem noch zu horrenden Preisen - was indes die Bewohner kaum tangierte - weiter aufgefüllt worden, so dass bei gänzlicher Abschottung sie vermutlich länger würden ausharren können als die meisten Familien Roms.
    "Gibt es noch Fragen, bezügli'h der Vorbereitungen oder dem aktuellen Geschehen?"

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  • In der Tat war Flamma augenscheinlich in geringerer Gefahr als ihr älterer Bruder, wie dieser mit einiger Bitterkeit zur Kenntnis nahm und sich in seinen übelsten Assumptionen konfirmiert fühlte.


    Dennoch evozierte die letzte, scheinbar rhetorische Frage Manius Maiors bei Minor mit einem Male eine praktische Frage, welche trotz jener misslichen Lage ihm zu klarifizieren notwendig erschien, da doch seine Neffen und Freunde diesbezüglich inkludiert waren:
    "Was ist mit meinem Studium bei Quinctius? Es ist noch nicht abgeschlossen!"
    Feindselig und trutzig waren auch diese Worte ausgestoßen, sodass es den Anschein erwecken mochte, ihn gräme nicht der allgemeine Zustand seiner Relation zum Vater, sondern lediglich die Aufgabe seiner geliebten Muse, obschon er diesbezüglich bisher keine sonderliche Passion hatte an den Tag gelegt.

  • In Anbetracht der Frage seines Sohnes konnte Gracchus nicht gänzlich sich entscheiden, welcher emotionalen Stimmung er sollte erliegen - der Enttäuschung, dass Minor im Angesichte der imperialen Katastrophe augenscheinlich nicht fähig oder willens war, das Ausmaß und die Bedeutsamkeit jeder Entscheidung im Gesamtkontext der Familie und ihrer Zukunft zu überblicken, wiewohl die übergreifenden Zusammenhänge zu erfassen, oder aber dem Aufflammen väterlicher Zuneigung für diesen Abkömmling, der in seinem klandestinen Wesen ihm doch bisweilen überaus similär schien, und der im Angesichte der imperialen Katastrophe sich um weitaus kostbarere Causae sorgte als eben jene - um die Bedeutsamkeit und Relevanz rhetorischer Studien.
    "Unter den rhetores des Museion in Alexandria wirst du zweifels..ohne mehr als adäquaten Ersatz finden. Du wirst bei Sulpicius Cornutus domizilieren, er ist ein Klient Felix' und ein guter Freund unserer Familie, und wird dir in allen Belangen sekundieren."
    Gracchus, der selbst nie in Aegyptus gewesen war, kannte den Sulpicier zwar nur aus Erzählungen seines Vetters, hatte aber bereits einige Zeit zuvor brieflichen Kontakt aufgenommen, um den - zu dieser Zeit noch in einiger Ferne - geplanten Studienaufenthalt seines Sohnes zu arrangieren.

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  • Provokativ verschränkte der Jüngling die Arme vor der Brust und präsentierte ein trutziges Antlitz, zumal doch sein Vater augenscheinlich sich mühte, seine Einwände vor dem gegebenen Publikum der Familia Flavia Romae schlicht aufs Neue hinfortzuwischen.
    "Aber meine Studien stehen kurz vor der Vollendung!"
    , klagte er sodann, da in der Tat er wenig Appetenz verspürte, sich einem neuen Dozenten zu akkomodieren, nachdem jeder Rhetor spezifische Präferenzen hinsichtlich seiner Lehren besaß und somit der Wechsel kurz vor Finalisierung des Studiums Inkommoditäten bereitete, für die in den Augen des jungen Flavius keinerlei Necessität bestand. Von weitaus größerer Präponderanz für Manius Minors Widerborstigkeit war indessen das Dafürhalten, Manius Maior, den zu befehden auf dem Felde der Heiratspolitik bereits aufs Kläglichste war gescheitert, zumindest in diesem Felde die Pläne zu vergällen, indem er ihnen so weit als possibel Paroli bot.

  • Ob der offensiv defensiven Geste seines Sprosses hob sich nun doch Gracchus' Augenbraue ein wenig empor, welchem allmählich der Gedanke kam, dass Minor sich schlichtweg ein wenig zierte das gemütliche Nest seiner Heimstatt zu verlassen, um die unbekannten Gefilde der großen weiten Welt kennen zu lernen. Zwar konnte der Vater auch dies nachvollziehen - nicht etwa, da er die unbekannten Gefilde selbst als unerquicklich hätte erachtet, im Gegenteil, doch das Reisen dorthin war ihm stets ein überaus großes Grauen -, doch tolerieren mochte er es nicht.
    "Dies ist um so mehr von Vorteil für dich als dass du in Alexandria nicht mehr allzu lange Zeit auf diesen Abschluss ver..wenden musst, und dich somit um so früher den zahllosen, weiteren Studienfeldern wirst widmen können, welche sich dort bieten."
    Um der Bequemlichkeit des Jungen entgegen zu wirken, fügte er hinzu:
    "Weiters gibt es in Anbetra'ht der Umstände keinerlei Grund ob dieser Verzögerung verlegen zu werden, denn es ist zweifelsohne uns allen weitaus wohler zu wissen, dass dein Abschluss sich ob dieser Notwendigkeit ein wenig ver..zögert, als zu riskieren, dass du noch einmal bei Nacht überstürzt aus der Stadt fliehen musst."

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  • Aufs Neue rührte die explizite Erwähnung der Option einer überstürzten Flucht an jenen gräulichen Remineszenzen, die der Jüngling soeben erst unter Mühen hatte niedergerungen. Unaufhaltsam, gleich der Wellen am Meeresstrand, rollten sie nun aufs Neue in seinen Geist und forderte eine Defension, welche den jungen Flavius gänzlich okkupierte und damit eine neuerliche, trutzige Replik unterband. Stattdessen gebahrte Manius Minor sich ein wenig sonderbar, da er die Augen aufriss, zugleich hingegen vernehmlich die Luft einsog und dann in offenbarer Absenz sich dem Abgrund in seiner Seele zuwandte.
    Patrokolos, der das Wegtreten seines Herrn erkannte, stürzte daher in die Bresche, um Manius Maior zu kalmieren und dessen Sprössling somit die Ungelegenheit einer Prolongation jenes konfliktären Zwiegesprächs zu ersparen: Bestimmt legte er seine Hand auf die Schulter Manius Minors, zog ihn ein wenig zu sich heran und erwiderte:
    "Das wird nicht nötig sein."

  • "Gut"
    , beschloss Gracchus die Causa in der Überzeugung, dass letztlich dies schlussendlich alles nur zu Minors bestem Wohle geschah. Da keine weiteren Fragen in den Raum waren geworfen worden, war die flavische Familien-Versammlung damit beendet. Und obgleich die endgültige Wahl des neuen Augustus noch einzige Zeit sich dahinzog, zeigte sich in den nachfolgenden Tagen zumindest, dass ein Chaos in Rom vorerst ausblieb.

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