Die Gemächer des Statthalters

  • Sie waren nun schon einige Zeit hier und auch wenn Livianus sehr stark in seinem neuen Amt eingespannt war, hatte er das Gefühl, dass sich auch Aglaia einigermaßen gut eingewöhnt hatte. Das Leben an der Seite einen Statthalters war gewiss nicht immer einfach, aber die gesellschaftliche Stellung in der Provinz und das residieren im Statthalterpalast entschädigten auf der anderen Seite gewiss einigermaßen wieder dafür. An einem Abend entschied Livianus jedoch trotzdem Aglaia einmal direkt darauf anzusprechen und beendete er seine Amtsgeschäfte früher als sonst und kam in die Gemächer, die sie sich die meiste Zeit teilten, auch wenn Aglaia eigene, nicht weniger kleine oder pompöse Räumlichkeiten zur Verfügung standen in die sie sich zurückziehen konnte wenn ihr danach zu Mute war.


    Als er eintraf war sie gerade mit irgendetwas Beschäftigt und stand ganz vertieft vor einem großen Tisch. Offensichtlich hatte sie sich, ebenso wie der Decimer, an die ständige Anwesenheit diverser Sklaven und Bediensteten gewöhnt, so dass sie gar nicht mehr wirklich darauf reagierte, wenn hinter ihr irgendjemand den Raum betrat oder durchhuschte. Der der sichtlich erfreute Decimer, der immer noch hin und wieder in der trauten Zweisamkeit zu einem pubertierenden Jugendlichen mutierte, nutzte diese Unaufmerksamkeit, trat an seine Angebetete heran, legte von hinten seine kräftigen Arme um sie und bedachte ihren zarten und sinnlichen Nacken mit einem zärtlichen Kuss.

  • Es hatte gewiss Vorteile, die Königin der Provinz zu sein. Aglaia hatte viele Sklaven und Diener, eigene Räumlichkeiten, jede Menge Freiheiten, et cetera, et cetera. Aber nichts desto trotz war dies hier die Provinz, und all die Freiheit nützte nur wenig, wenn sie sich nicht entsprechend ablenken konnte. Ihr fehlte ein wenig der Zeitvertreib, die Unterhaltung. Diese Germanen waren langweilig, und die Stadt bot kaum Abwechslung. Es gab eine Therme, aber die war kaum ein Hort der Gerüchte. Überhaupt hatte Aglaia Zweifel daran, dass sich hier alle regelmäßig wuschen.


    Aber was könnte man ändern? Es gab ein Theater, aber keine wirklichen Schauspieler. Vielleicht, wenn man welche kommen ließe? Regelmäßige Theateraufführungen wären zumindest ein wenig Kurzweil. Aglaia hatte auch etwas von einer Gladiatorenschule gehört, aber noch keine einzige Aufführung auch nur ansatzweise gesehen. Bei so vielen Tieren in den Wäldern Germaniens müsste aber doch wenigstens ein Bär für eine Tierhatz aufzutreiben sein?
    Aglaia überlegte, als unvermittelterweise ein paar Arme um sie gelegt wurden und ein Kuss in ihren Nacken gedrückt wurde. Natürlich erschreckte Aglaia sich, dennoch zuckte sie nicht einmal. Körperbeherrschung war das A und O einer guten Kurtisane. Stattdessen schmiegte sie sich in die Umarmung und ließ ein wohliges Seufzen hören. “Ich wusste gar nicht, dass du solche Sehnsucht nach mir hast“, säuselte sie mit halb geschlossenen Augen, ohne sich umzudrehen.

  • "Nun wie du selbst weißt, werden meine Arbeitstage immer länger und die Zeit für dich dadurch auch immer begrenzter. Natürlich wächst damit auch meine Sehnsucht nach dir.... zusammen mit den Gewissensbissen, dich so lange alleine lassen zu müssen."


    Ihr sinniges Seufzen gefiel dem Decimer und so ließ er sich dazu hinreißen ihren zarten Hals mit einem zweiten, etwas längeren Kuss zu bedecken, ehe er seine Umarmung löste und nach einer Haussklavin rief, welche ihm aus seiner unbequemen Amtstoga helfen und diese gleich ordentlich verstauen sollte. In der Zwischenzeit wandte er sich aber weiterhin an Aglaia.


    "Erzähl mir.... wie war dein heutiger Tag?"

  • Lepidus saß in einem Scherenstuhl, in der rechten Hand einen Becher warmen Würzwein. Seit Stunden wartete er nun auf seinen Bruder. Vor ihm auf einem mit reichlich Intarsien geschmücktem Beistelltisch lag die Rolle, das Schreibe welches ihm der persönliche Sekretär von Bala in seinem Dominizil in Tusculum zu seinen treuen Händen überreicht hatte. Er wußte nicht was in dem Schreiben stand. Auch fand er es ungewöhnlich, daß Bala ihn bat das Schreiben persönlich nach Germania zu seinem Bruder, dem LAPP zu schaffen.

    Doch er war seinerzeit nicht abgeneigt gewesen die Reise zu unternehmen. Eine gewisse Tristesse hatte sich bei ihm eingeschlichen. Nach einer Weile konnte er dem milden Klima, den täglichen Klatsch und Tratschtreffen mit den achso wichtigen Leuten in Tusculum kaum mehr noch etwas abgewinnen. Der Auftrag oder besser die Bitte Balas weckte die Abenteuerlust in ihm, nachdem er vom Studium griechischer Schriften fast ein Lungenproblem bekam.

    Er nippte an dem würzigem Wein und blickte dösend in das Feuer des flackernden Kamins.

  • Nepos stürmte, übelst gelaunt in den Raum. Das alles hier war nicht Seins. Er war mit der Gesamtsituation unzufrieden.Alles war zum kotzen und ging garantiert in die Hose wenn man auch darüber nur nachdachte. Nein er war wahrlich nicht amüsiert. Aquilius Severus hatte ihn ganz bestimmt mit Absicht hierher verdonnert und das sicherlich auch nur weil sein Bruder diese alberne Freundschaft mit dessen ungeliebten Sohn Bala pflegte.

    Wie vom Donner gerührt erstarrte er als er jemanden in seinem Scherenstuhl vor dem Kamin sitzen sah. Im diffusen Licht der flackernden Flammen war nicht auszumachen wer dort saß. Instinktiv war er geneigt die Wache zu rufen, stattdessen legte er jedoch die Hand um seinen Dolch und stieß mit leicht hysterischer Stimme hervor. Wer ist da, gib´dich zu erkennen!

    Sollte es sich hier um einen Attentäter handeln, so war er ungeschickt, und das ließ darauf schließen, daß die Wachen involviert waren. Bebend wartete Nepos auf die Reaktion des Besuchers, von dem er insgeheim hoffte, daß es jener Jüngling aus dem Officium des Princeps Praetorii war, dessen Interesse er scheinbar geweckt hatte. Seine Mitte begann sich immer zu regen wenn er ihn sah und er malte sich aus wie er...Der Mann stand auf und trat ins Licht.

    Fast schon amüsiert erkannte er seinen Bruder. Welchen Aberwitz trieb das Schicksal diesen Eierkopf hierher zu schicken? Er fing sich augenblicklich und schritt zum Kamin.

  • Lepidus, noch immer amüsiert von der quickigen Stimme seines Bruders, ersparte sich eine herzliche Begrüßung. Nett hast du es hier,...so heimelig... meinte er frotzelnd. Das Verhältnis zu seinem älteren Bruder war nicht konfliktfrei. Als Ältester Sohn oblag es Nepos den gestrengen Ansprüchen des Vaters zu entsprechen, doch er war zu unstet, zu wankelmütig. Es gelang ihm zwar den Cursus honorum mit einigem Erfolg zu beschreiten, jedoch war nicht alles glanzvoll und frei von Makeln. Der Vater verstarb verbittert an seinen Söhnen, welche ihn allesamt enttäuscht hatten.

    Lepidus war dies freilich egal, als Nesthäkchen hatte er andere Privilegien. Das Vermögen der Aemilier reichte aus um Generationen damit äußerst umfangreich zu versorgen. Nepos jedoch hatte einen tragischen Hang zur Tragödie. Liebschaften, Spielsucht und Völlerei verschlangen sein Salär zusehens schneller und er musste auf seine privaten Rücklagen zugreifen. Dies machte ihn verdrießlich und launisch. Eigenschaften die den Stoiker Lepidus nahezu abstießen. Hätte ihn Bala nicht gebeten diesen Brief persönlich beim Legatus auszuliefern, wäre er wohl freiwillig nie wieder mit dem inzwischen leicht aufgeschwemmten Nepos zusammen gekommen. Der Brief, er überreichte ihn im Schein des flackernden Feuers seinem Bruder, der wie immer wenn es ihn überforderte an den Nägeln kaute.

    Hier, für dich persönlich. Wie unspektakulär die Übergabe doch im Vergleich zur Reise hierher war.



    IN NOMINE IMPERII ROMANI

    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    Salve Aulus Aemilius Nepos,


    ich gedenke auf einer Inspektionsreise den Limes

    betreffend auch in Mogontiacum Station zu machen.

    Die Ankunft ist reiseabhängig, jedoch rechnen

    wir mit dem

    NON DEC DCCCLXX A.U.C. (5.12.2020/117 n.Chr.)

    in Mogontiacum einzutreffen.

    Bereite für 20 Personen

    entsprechend angemessene Unterkünfte vor.

    Der Aufenthalt ist wetterabhängig und kann,

    sollten es die Angelegenheiten erfordern,

    bis zum Frühjahr dauern.


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.




    Lepidus setzte sich wieder vor das Feuer und nippte an seinem Würzwein während sein Bruder das Siegel brach und näher an das Feuer herantrat um den Brief zu lesen. Nach der Lektüre reichte er ihn leichenblass seinem Bruder, welcher ihn ebenfalls las. Hiernach rollte er ihn wieder zusammen und warf ihn, wie von Bala gefordert in die Flammen des Kamins, was sein Bruder mit einer Schnappatmung wahrnahm.

    Nur die Ruhe, wenn dieses Schreiben offiziell wäre dann würde es wohl kaum derart übergeben werden. Ich denke Bala reist incognito um kein Aufsehen zu erregen. Das ganze Tamtam mit einem Staatsbesuch ist also hinfällig, ebenso die Sicherheitsmaßnahmen. Ich soll bei den Auxiliaren,...dieser Ala Numidiae für das Quartier der Reiter sorgen. Er lächelte amüsiert, war dies doch ganz und gar nicht die Aufgabe für einen Mann seines Standes. Doch der Praefectus der Ala, Terentius Nero war ein Freund aus Jugendtagen und so galt es die Pflicht mit dem angenehmen eines freudigen Wiedersehens zu verbinden. Nero war seinerzeit Trauzeuge bei seiner Hochzeit gewesen. Ein Skandal! Er war ritterlichen Standes und somit unwürdig in einer solchen Angelegenheit zu agieren. Oja, im Grunde war auch sein Verhältnis zu seinem Vater etwas schwierig gewesen. Nero wurde kurz darauf als Tribunus zur Legio IX nach Britannien versetzt. Sicherlich ein bloßer Zufall.

    Da stand er nun in Germania, einer dieser Provinzen die er wohl niemals freiwillig besucht hätte, aber es war Bala´s Wunsch gewesen und es schloß sich mit dem Wiedersehen mit Nero ein Kreis, der dem Stoiker Lepidus durchaus zusagte.

  • Nepos haßte seinen Bruder für dessen stoische Haltung. Dem Kerl ging einfach alles am Arsch vorbei. Nepos kratzte sich die Stirn, dann das Kinn. Na trotzdem kann man das doch nicht einfach so ohne Sicherheit ablaufen lassen! Was glaubst du denn wird der Kaiser sagen wenn sein Filius hier in Germania seinen Kopf verliert?

    Grandiose Vorstellung, wahrscheinlich wird der Kaiser ein Exempel statuieren und ihn dafür verantwortlich machen. Was jedoch nur Willkür wäre, denn was sollte er denn schon gegen die ganzen bärtigen Kannibalen in diesen verflixten Wäldern machen? Es liefen ja schon Patrouillen, Ala und Legi II kontrollierten die Strecke nach Confluentes und nach Borbetomagus. Was zu machen war wurde gemacht. Aber wenn der Kaiser das anders sah,...?! Wobei Bala nicht eben in der Gunst des Kaisers stand. Dem Vernehmen nach grollte der Kaiser seinem Filius sogar.

    Nepos bekam einen diabolischen Gesichtsausdruck, welcher vom flackernden Feuer noch unterstrichen wurde.

    Lächelnd setzte er sich auf einen Scherenstuhl, welcher bedrohlich knarrte und knarzte und sah in die Flammen. Er musste ein paar Erkundigungen einholen, vielleicht war es ja zu seinem Gunsten wie sich die Dinge hier entwickelten und wenn nicht konnte er sicherlich nachhelfen.

  • Lepidus nuckelte an seinem Würzwein. Nepos hatte ja Recht. Allerdings war er hier auch in der Zwickmühle. Er musste dem Kaiser den Sohn erhalten den dieser offenkundig nicht mochte und welcher fortwährend in Opposition zu seinem Vater stand. Er hatte es schon nicht leicht der gute Nepos.

    Aber scheinbar hatte sein diabolischer Genius bereits eine Lösung parat. So glaubte Lepidus aus dem Gebaren des Bruders zu erkennen.

    Was immer du da auch ausheckst Bruder, denkst du an das Quartier für die Reiter ? Ich bin nicht gerne Botenjunge und weiß Gott kein Quartiermeister, aber ich möchte den Auftrag als erfüllt sehen!? Wobei das im Grunde egal war, er wollte ohnehin seinen alten Freund Terentius besuchen. Es war fast sicher, daß Nepos sich bereits in anderen Sphären aufhielt und solche Nichtigkeiten auch als solche schlicht übersah.


  • Nepos war es als läge der Geruch seines Bruder noch immer in der Luft. Fast schon sehnsüchtig betrachtete er die Sitzgruppe, sah aus dem Fenster,...als Lepidus hier war, lebte sein geliebter Sohn noch und jetzt?

    Sein Blick fiel auf eine schmucklose Urne aus schwarzem Granit.

    Eine Träne schlich sich in seine Augen. Sein Gesicht verzerrte sich in dem Bemühen das Weinen zu vermeiden. Doch wie so oft war er zu schwach, wie eigentlich immer war er zu schwach. Lediglich seine Bosheit und Raffinesse hatten ihn hierher gebracht.

    Eigenschaften die Lepidus völlig fehlten, oh ja,...Lepidus mit seiner ultima Ratio. Nichts entschied er aus der Hüfte heraus.

    Da klopfte es an seiner Türe und er bellte ein zischendes Intrare, während er sich Tränen und Rotz abwischte trat er an die Feuerschale...für alle Fälle.

  • Pius betrat den Raum und sah seinen Onkel an der Feuerschale stehen. Guten Morgen, Onkel,...ich hoffe du bist wohlauf...?

    Es war kein Geheimnis, daß der Verlust des Sohnes den sonst so durchtriebenen und mit allen Wassern gewaschenen Nepos sehr zugesetzt hatte. Pius trat auf ihn zu und legte ihm kurz die Hand auf den Unterarm. Es war Nepos anzusehen, daß er trauerte.

    Bassus war in der Tat ein Verlust. Auch Pius Herz war voller Gram und Trauer, doch war es das Los eines Soldaten.

    Ich wollte dir Bescheid geben,...wir brechen heute auf und werden Bassus Urne nach Roma bringen.

    Sein Blick fiel auf die schwarze Urne in deren polierte Oberfläche sich die Flammen der Feuerschale spiegelten. Ein schaurig schönes Schauspiel, wirkte es doch so als würde die Urne selbst von einem heiligen Feuer genährt.

    Pius nickte seinem Onkel zu und wartete auf dessen Reaktion. Sicher hatte er neben der Urne noch Depeschen oder andere Dinge die nach Roma sollten.


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