Voreheliche Vorbereitungen

  • Araros geleitete die Gäste durch das Vestibül in das sich weit öffnende Atrium. An den Seiten gab es zwei Alae mit Sitzgruppen, auf welche man sich zurückziehen konnte, so man denn nicht mitten im Atrium warten wollte. Just aber dort stand auch der Sohn von Iunia Axilla und erwartete den Gast.

  • Das Ganze kam Atticus wie eine ziemliche Schnapsidee vor. Seine Mutter hatte sich also von seinem Vater scheiden lassen. Soweit, so gut. Das hatte Atticus vollste Unterstützung. Er fragte sich sowieso, warum sie überhaupt noch mit ihm verheiratet war, wo sie doch schon seit Jahren nicht mehr in seinem Haus lebte und ihn überhaupt nicht gesehen hatte. Könnte Atticus sich ebenso einfach von seinem Vater befreien, er würde es sofort tun! Ehrlich! Wer war dieser Mann, der seine Familie und seine Kinder in höchster Not im Stich ließ und sich irgendwo verkroch, um seine eigene Haut zu retten, anstatt seinen eigenen Kindern zu helfen? Cossus und er hätten im Bürgerkrieg sterben können! Oder in der Zeit danach! Sie hätten von einem wütenden Mob für den Namen ihres Vaters gelyncht werden können! Und wo war Pompeius Imperiosus? Irgendwo in Achaia in einem Lupanar, wo er weinsaufend auf das Ende wartete? Zumindest SO stellte Atticus sich seinen Vater vor: Feige, lüstern, betrunken, unfähig. Oh ja, Atticus würde sich auch gerne von ihm scheiden lassen.


    Aber dass seine Mutter am gleichen Tag verkündete, einen anderen heiraten zu wollen, von dem Atticus noch nie etwas gehört hatte, also das ging ja wohl auch nicht! Man konnte doch nicht einfach in die Stadt gehen und mit einem neuen Ehemann heimkommen? Selbst wenn man eine Frau war und damit strengere Maßstäbe einhalten musste, was das verheiratet-sein anging. So schnell ging das ja nun doch nicht!
    Und dass seine Mutter ihn da heute auch noch am liebsten loshaben wollte, das ging noch viel weniger. Nein, nicht mit ihm! Wenn seine Mutter sich schon selbst nicht beschützte, dann würde er das eben übernehmen! Und daher würde er diesen komischen Mann jetzt erst einmal selber unter die sprichwörtliche Lupe nehmen. Wenn seine Mutter nachher noch mit dem Kerl in Ruhe ins Bett wollte, dann.. nein, Atticus konnte so nicht von seiner Mutter denken. Das war widernatürlich. Auf jeden Fall konnte er dann ja gehen, damit er das nicht mit anhören musste. Nach so viel Zeit sei ihr das ebenfalls vergönnt. Aber vorher! Vorher hatte Atticus vor, ihn sich anzusehen und ein paar Worte mit ihm zu wechseln, insofern das von jungem Sohn zu älterem Mann eben möglich war.


    Und damit er ihn nicht verpasste, wartete Atticus in eine einfache, dunkelblaue Tunika gekleidet im Atrium.

  • Ich hatte mich für diesen Abend mächtig in Schale geworfen und trug eine dunkelgrüne Tunica mit goldenen Stickereien, die ich vor einigen Jahren in Alexandria von einem einheimischen Schneider für teures Geld erworben hatte. Dazu hatte ich mit Schmuck nicht gespart, denn ich trug nicht nur meinen Ritterring an der Hand, sondern auch einen Siegelring mit Löwenkopf sowie eine goldene Halskette. Ich zeigte mich nach außen gerne prunkvoll und versuchte mit meinem Schmuck auch eine gewisse Distanz zum Pöbel aufzubauen, wenngleich dieser meine Eleganz bisweilen doch mit kritischen oder gar abschätzigen Blicken strafte. Aber sollten sie ruhig sehen und staunen, diese ganzen Neider und Speichellecker! Seit ich meinen Posten in der Kanzlei erhalten hatte schwebte ich wahrlich unaufhaltsam auf einer Erfolgswelle, die mich dereinst noch in höhere Gefilde tragen würde. Bis dahin aber genoss ich meinen neuerlichen Aufschwung und zeigte dies auch mit einer gewissen Selbstgefälligkeit und Überzeugung nach außen, sowohl in meiner Mimik als auch in meinem stolzen Gang durch die iunische Heimstätte. Der Haussklave führte mich sogleich durch das Vestibül in das Atrium, während ich meine Blicke links und rechts kreisen ließ, als würde ich in freudiger Erwartung feststellen, dass dies alles bald auch mein sein könnte.


    Im Atrium angekommen wartete bereits der Jüngling des Hauses, das Balg des Imperiosus, dem ich mit einem warmherzigen Lächeln entgegen schritt, als würden wir uns bereits ewig kennen. Eigentlich widersprach es meiner Natur ein sonderlich gutes Verhältnis zu einem Sohn aufzubauen, der nicht meiner Blutlinie entstammte. Da Axilla aber hinreichend deutlich gemacht hatte, wie viel Wert sie auf eine gute Beziehung zu ihren Kindern legte, machte ich gute Mine zum bösen Spiel und mimte den gutherzigen Onkel. "Salve, Atticus!", grüßte ich den jungen Pompeius freundlich. Eine allzu förmliche Begrüßung schien mir unangemessen, denn immerhin wollte ich Vertrauen aufbauen. "Es freut mich, dich kennenzulernen. Ich habe über meinen Patron Purgitius Macer bereits von dir gehört." Ich musterte Atticus während ich sprach und war doch etwas überrascht über seine Erscheinung. Sein blondes Haar erinnerte weder an seinen Vater noch an seine Mutter, auch wenn er die feinen Gesichtszüge wohl von seiner Mutter geerbt hatte. Sein Alter konnte ich nicht recht einschätzen, aber er war wohl kaum älter als 18 Jahre. Alles in allem erschien er mir wie ein Heranwachsender, dessen Meinungen kaum gefestigt waren und den der richtige Mentor noch in gewisse Richtungen lenken konnte. Immerhin war sein Vater bereits seit 10 Jahren verschollen!

  • Da kam er! Den wollte seine Mutter heiraten? Atticus fand, dass er lächerlich aussah. Seine Kleidung war irgendwie komisch, und er trug protzig viel Schmuck! Ringe, Goldkette, goldene Stickereien... Es ging hier um ein Abendessen mit seiner Mutter, nicht um den Staatsempfang der Königin von Saba! Und überhaupt war er Atticus ja schon aus Prinzip unsympathisch. Wie er guckte! Als gehöre die Domus ihm!
    Atticus beschloss, sollte dieser Pfau ihm die Hand geben, dann würde er so fest zudrücken, bis es knirschte. Die Ringe würden ihm sicherlich dabei noch helfen, wenn... Moment, was?!?!
    “Äh... Purgitius Macer ist auch dein Patron?“ Atticus sah kurz aus, als wäre er vom Blitz getroffen worden. Diese Information kam 'etwas' unerwartet. Kurz sah er nochmal an dem Mann auf und ab. Was hatte seinen Patron da bloß geritten? Besonders sympathisch war der Fabier jetzt immer noch nicht, aber ein mögliches Hände-Brechen fiel jetzt doch weg. Da könnte Purgitius Macer doch etwas ungehalten reagieren, wenn seine Klienten sich untereinander verletzten. “Das... wusste ich nicht“, schloss Atticus etwas lahm und versuchte, sich wieder ein wenig zu sammeln.


    “Überhaupt weiß ich von dir noch nichts“, kam es schließlich mit etwas Verzögerung dann doch aus ihm heraus. “Bis meine Mutter gestern beim Frühstück verkündete, dich heiraten zu wollen, wusste ich noch nicht einmal, dass es dich gibt. Also verzeih mir, wenn ich da jetzt etwas vorsichtig bin, aber ich wüsste wirklich gern, wie das alles so schnell sein kann und wer du bist?“ Das waren aus Atticus' Sicht durchaus berechtigte Fragen, auf die er bislang von seiner Mutter keine wirklich befriedigenden Antworten erhalten hatte.

  • Ich runzelte leicht die Stirn ob der Tatsache, dass es dem jungen Pompeier wohl an Anstand und Respekt fehlte. Ohne eine Begrüßung kam er auf meinen Patron zu sprechen, als müsste ich mich vor ihm in irgendeiner Weise rechtfertigen. Der Sprössling hatte wohl die vorlaute Zunge seines Vaters, die bereits ihn nicht recht weit gebracht hatte! Ich wahrte nach außen hin allerdings mein freundliches Lächeln und sah für den Moment über die Unart des Pompeius hinweg. Eine Zurechtweisung bei einem ersten Zusammentreffen war wohl kaum angebracht, immerhin wollte ich Axilla nicht verschrecken. "Sicher...und das schon seit etlichen Jahren.", beantwortete ich also höflich seine Rückfrage, ohne mir meine innere Unruhe anmerken zu lassen. Sollte das Kind seine Fragen beantwortet und ein gutes Gefühl bekommen, zur richtigen Zeit würde ich Atticus schon in die Schranken weisen.


    Der Spross des Imperiosus schien seine forsche Art nicht allzu schnell ablegen zu wollen und begann mit seinen Fragen, als würde er meine Tauglichkeit als Ehemann auf den Prüfstand stellen. Er, der Junge, der sich wahrscheinlich noch nie um etwas sorgen musste, wollte mich prüfen? Unweigerlich fühlte ich mich an mein Bewerbungsgespräch bei der Kanzlei zurückerinnert, aber da hatte ich immerhin den Kaiser und einige der höchsten Beamten des Reiches vor mir, die mich mit ihren Fragen löcherten! Ich war innerlich angefressen und hätte Atticus am liebsten direkt eine Standpauke gehalten, schaffte es aber immer noch mir meine Gefühlswelt nicht anmerken zu lassen. "Nun...", begann ich langsam. "...für dich mag es überraschend sein und ich kann die Sorgen um deine Mutter nachvollziehen - immerhin bist du der Mann des Hauses. Aber du musst wissen, dass deine Mutter mich eigentlich schon recht gut kennt." Und wie sie mich kannte! Am liebsten hätte ich offen heraus gesprochen, aber ich wollte den Jungen ja nicht verstören. "Wer ich bin? Ich bin Cnaeus Fabius Torquatus, Eques Roms, war viele Jahre Subpräfekt bei der Classis in Alexandria und bin nun zurück am Kaiserhof, als Procurator a memoria", referierte ich zunächst über meinen Werdegang. Eigentlich ging ich davon aus, dass der Junge sich über meine Position informiert hatte, aber seiner ersten Reaktion nach hatte ich Imperiosus' Sohn wohl zuviel zugetraut. "Deine Mutter braucht einen Mann an ihrer Seite, nachdem dein Vater schon so lange weg ist. Und ich weiß, dass ich dieser Mann sein kann", endete ich bestimmt und blickte Atticus selbstsicher in die Augen.

  • Noch immer war Atticus ein bisschen zurückhaltend bezüglich des gemeinsamen Patrons. Purgitius Macer hatte ihm gegenüber nie etwas von einem Fabius Torquatus erwähnt. Allerdings hatte der Consular Dutzende von Klienten und ganz sicher noch keinen Grund gehabt, den Fabier gegenüber Atticus anzusprechen. Das würde sich in Zukunft wohl aber definitiv ändern.


    Dass seine Mutter und der Fabier sich gut kannten, glaubte Atticus hingegen keine Sekunde. Er kannte fast alle Bekanntschaften seiner Mutter, insbesondere ihre Freunde, und der Kerl hier wäre ihm definitiv aufgefallen. Noch weiter zweifelte er an einer näheren Bekanntschaft, als der Fabier ausführte, er wäre erst kürzlich wieder zurück nach Rom gekehrt und davor in Alexandria gewesen. Zwar war seine Mutter auch in ihrer Jugend in Alexandria gewesen – wie sie gern und häufig erzählte – aber der Fabier würde wohl nicht die letzten zwanzig Jahre dort Tribun gewesen sein, so dass sie sich dort hätten kennenlernen können. Nein, an der Geschichte war etwas faul, und zwar ganz gewaltig. Und diesen Gedankengang würde wohl selbst ein Blinder seinem jugendlichen Gesicht ansehen können.
    Der kleine Seitenhieb gegen seinen Vater wiederum störte Atticus gar nicht. Pompeius Imperiosus hatte sich sämtliche Seitenhiebe redlich verdient und Atticus hatte nicht vor, auch nur einen davon abzumildern. Das hieß aber nicht, dass er einen neuen Mann mögen musste. “Mein Vater ist lange weg und wird wohl auch nie wieder kommen, aber meine Mutter kam bislang sehr gut ohne einen neuen Mann klar“, stellte Atticus daher erst einmal klar. Eigentlich wollte er noch sagen, dass sie ja ihn an ihrer Seite hatte, aber das klang ihm doch zu sehr nach Ödipus, als dass er es laut aussprechen wollte.
    Er schnaufte einmal tief durch. Das war doch alles Kacke! Gerne hätte Atticus einen gewählteren Ausdruck dafür, aber es gab wohl keinen passenderen. “Ich würde meiner Mutter wirklich wünschen, dass sie glücklich ist und einen Mann an ihrer Seite hat, der sich ihrer würdig erweist“, versuchte er es also trotz seines Frustes einmal diplomatisch. “Aber ich möchte nicht, dass sie etwas macht, was sie später bereut.“ Oder in weniger diplomatischen Worten: Dass sie nochmal an einen zweiten Imperiosus geriet, der sie ausnutzte und sobald sich Ärger am Horizont abzeichnete, sie allein zurück und in Gefahr ließ.

  • Atticus schienen meine freundlichen Worte nicht milde zu stimmen, denn seine Skepsis war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich mühte mich weiter eine gewisse Milde und Akzeptanz zu zeigen, auch wenn mir dies mit jedem weiteren Wort dieses Bengels schwerer fiel. Ich hoffte inständig, dass Axilla alsbald den Weg ins Atrium finden würde, bevor mir angesichts ihres Jungen der Geduldsfaden platzen würde. Auf den ersten Blick schien er rein gar nichts von Axillas Scharfsinn zu haben, geschweige denn von Imperiosus' Raffinesse. Stattdessen war er wohl ein kindlicher Romantiker, der die Tatsachen wohl noch nicht erfasst hatte. Vielleicht war er auch ein Spätzünder, aber ganz offensichtlich musste ich noch viel Arbeit in den Jungen stecken.


    "Deine Mutter ist sicher bisher sehr gut alleine zurechtgekommen, denn ansonsten hätte sie wohl kaum einen in der Gesellschaft Roms derart respektierten Namen", stellte ich zunächst fest. Vielleicht konnte etwas Lobhudelei den Romantiker ja milde stimmen. "Aber ganz offensichtlich sehnt sie sich nach einem neuen Mann. Und bevor du mich verurteilst, solltest du mir vielleicht auch die Möglichkeit geben, mich als würdig zu erweisen", gab ich mich weiter diplomatisch. "Ich war immer treu und loyal, schon zu meiner verstorbenen Ehefrau Lucilia Calvia. Ich bin ein ehrlicher Bürger Roms und versuche stets nach den Tugenden und Sitten zu leben, die uns die Älteren gelehrt haben. Und wenn du das auch tust, solltest du mir vielleicht eine Chance geben", schwang ich die Moralkeule mit einer tiefen - natürlich geschauspielerten - Überzeugung in meiner Stimme. Atticus schien mir für wichtigere Dinge, wie zum Beispiel meinen Zuspruch oder sonstige Arten der Bestechung, nicht empfänglich, sodass ich auf moralische Vorstellungen zurückgreifen musste. Vielleicht fruchtete ja dieses Mittel, zumindest solange, bis seine Mutter ihn besänftigen konnte und seine jugendlichen Augen für die Realität des Lebens öffnen würde.

  • Der Kerl machte es Atticus wirklich schwer, seinen Zorn aufrecht zu erhalten. Eine Chance... hatte ein Mann, der die Mutter eines anderen heiratete, eine faire Chance verdient? Das war eine interessante Frage. Der kindliche Trotz wollte laut nein antworten, aber als Erwachsener sollte er die Sache logisch betrachten. Nur was genau war die Logik hierbei? War es wirklich gerecht, jemanden abzulehnen, nur, weil man ihn noch nicht kannte? Und weil er sich protzig anzog. Und seine Mutter heiraten wollte.
    Atticus wollte sehr gerne eigentlich das richtige tun und keine voreiligen Schlüsse treffen. Doch was war das richtige? Was wäre voreilig? Das war nicht so einfach. Aber sein Trotz bröckelte weiterhin.
    “Und... wann wollt ihr heiraten?“ stellte Atticus also schließlich eine weitere Frage, die seine Mutter noch nicht beantworten hatte können. Vielleicht war es ja gar nicht so schlimm, wie es sich im ersten Moment angehört hatte? Und vielleicht musste Atticus den Mann ja auch nicht mögen, und er war trotzdem die richtige Wahl?
    Hoffentlich kam seine Mutter bald...

  • Den ganzen Tag – achwas, schon seit dem gestrigen Tag, war Axilla in freudiger Erwartung dieses Abends. Bereits gestern hatte sie auch zu einem ausgiebigen Thermen-Aufenthalt genutzt, wo sie sich nicht nur professionell enthaaren ließ – sehr schmerzhaft! - sondern sich ebenfalls mit Honig und Kräutern eingerieben ins Schwitzbad begeben hatte, so dass ihre Haut heute wohl geschmeidiger war als die einer Schlange. Und auch ein guter Teil des heutigen Tages ging für die Schönheitspflege dahin: Das Aussuchen des passenden, dezenten Duftöles fürs Bad, die Auswahl des Kleides, und vor allen Dingen, die Frisur! Die eigentliche Organisation des Essens hingegen war geradezu ein Klacks! Die Vorratskammer war gut gefüllt, so dass es ein kleines Menü geben würde: Vorneweg ein paar Eier mit verschiedenen Saucen, etwas eingelegtes Gemüse, ein wenig Brot. Dann zum Hauptgang ein mit Honig und scharfen Gewürzen knusprig gebratenes Ferkel – über die Reste würden sich die Sklaven freuen, und vermutlich würde morgen zum Mittag auch noch etwas übrig sein – und zum Nachtisch schließlich die in Honig und Wein eingelegten persischen Äpfel, die nach der Ernte im Herbst eingelegt worden waren, um sie für den Winter haltbar zu machen. Auch über die würden die Sklaven sich zu den Saturnalien freuen.


    Als unten die Tür geöffnet wurde und Araros schließlich die Treppe hochschlurfte, um die Ankunft des Gastes zu verkünden, ließ Axilla gerade letzte Handgriffe anlegen. Ihr Haar war in kunstvolle Wellen gelegt worden und zu einer einfachen, doch gleichzeitig grazilen Hochsteckfrisur zusammengefügt worden. Ein paar feine Löckchen fielen Kunstvoll herunter und umrahmten ihr Gesicht. Im Haar steckte die Haarnadel mit dem goldenen Schmetterling an ihrem Ende, die Axilla schon so häufig Glück gebracht hatte.
    Ihr Körper steckte in einem hellgrünen Kleid aus Baumwolle – ein Zugeständnis an ihren Sohn – das sich weich an ihre Rundungen schmiegte, betont von einem schmalen Gürtel mit goldenen Elementen um ihre Hüften. Die Fibeln an ihren Schultern zeigten den gleichen Schmetterling, wie er schon in ihrem Haar zu bewundern war. An den Füßen trug sie äußerst weiche Sandalae, die kunstvoll bis über ihren Unterschenkel hinauf geschnürt waren – was man natürlich erst sehen würde, wenn sich ihr Kleid entsprechend weit heben würde. Dennoch war sie sehr zuversichtlich, dass Torquatus es zu schätzen wissen würde.
    Auf Schminke verzichtete sie. Sie wollte nicht angemalt erscheinen, außerdem war sie sicher, nachher noch zu schwitzen, oder vielleicht würden sie auch baden gehen. Beides keine guten Bedingungen für Farbe auf ihrem Gesicht, die Axilla ohnehin nicht leiden mochte.


    So schließlich herausgeputzt schritt Axilla in freudiger Erwartung die Treppe herunter. Schon auf dem Weg hörte sie ihren lieben Sohn und verdrehte die Augen. Sie konnte ja verstehen, dass all das für Atticus plötzlich kam – tat es für sie selbst ja auch – aber dass er sich deshalb so aufspielen musste? Gut, als sie in seinem Alter war, hatte sie andere Arten von Dummheiten begangen. Viele Dummheiten. Nichts desto trotz war es jetzt, als erwachsene Frau, ziemlich anstrengend, diese Sturheiten bei ihrem Sohn zu bemerken. Das hatte er wahrscheinlich von seinem Vater. Dieser hatte auch desöfteren einen sturen Blick aufgesetzt und Dinge getan, die Axilla unklug, provozierend oder dumm fand.
    So aber beschloss Axilla, die Situation möglichst zu retten und ihren Herrn Sohn möglichst bald von seinem Beschützerinstinkt zu entbinden. Lächelnd betrat sie also das Atrium, als ihr Sohn nach dem Datum der Hochzeit fragte.
    “Dann, wenn wir soweit sind und die Vorbereitungen abgeschlossen sind, Titus“, antwortete Axilla also aus dem Hintergrund und schritt lächelnd auf Fabius Torquatus zu. “Torquatus, welch Freude, dich zu sehen. Ein Teil von mir hat dich doch tatsächlich vermisst“, kokettierte sie auch sogleich bei der Begrüßung und überließ es seiner Phantasie, zu entscheiden, welcher (Körper-)Teil ihn denn so vermisst hatte. “Ich hoffe, mein Sohn hat dich schon ordentlich willkommen geheißen in unserem bescheidenen Heim?“ Sie trat auf ihm zu und streckte ihm zur Begrüßung leicht beide Hände entgegen, damit er sie ergreifen und sie vielleicht sogar küssen möge. Wehren würde sie sich gegen keines davon. Lächelnd bemerkte sie, dass auch er sich herausgeputzt hatte. Nicht auf die Weise, die sie persönlich am meisten bevorzugte – es ging einfach nichts über den Anblick eines Mannes in einer gut sitzenden Lorica, der die Farben Roms trug! - aber doch mit sehr viel Liebe zum Detail und zweifellos, um sie zu beeindrucken.

  • Ich konnte nicht eindeutig feststellen, ob ich Atticus mit meinen Worten zufriedengestellt hatte, aber zumindest hatten sie zu einem geminderten Mitteilungsbedürfnis seinerseits geführt. Immerhin erfragte er nur noch den Termin unserer Hochzeit, während er sich mit der Tatsache der Ehe, so es keine unvorhergesehenen Wendungen mehr gab, für den Moment wohl abgefunden hatte.


    Just in dem Moment als ich zu einer weiteren diplomatischen Antwort ansetzen wollte, betrat Axilla das Atrium und erlöste mich mit ihrer Anwesenheit von der unliebsamen Aufgabe, ihren Sohn über die Begebenheiten aufzuklären. Kaum erblickte ich meine Gattin in spe besserte sich auch meine Gemütslage, denn sie wies nicht nur gekonnt ihren vorlauten Sohn zurecht, sondern sah dabei auch noch unwiderstehlich aus. Für eine genaue Kenntnisnahme aller modischen Kniffe war ich wohl in diesen Dingen zu unbedarft, allerdings entsprach ihr Gesamtbild durchaus meiner Vorstellung einer perfekten Ehefrau. Angetan von ihrem Erscheinungsbild war ich gedanklich bereits einige Schritte weiter, als sie mir ihre Hände entgegenstreckte, sodass ich die Gelegenheit natürlich nutzte und ihr beide Hände haltend einen innigen Kuss aufdrückte. Lächelnd blickte ich ihr entgegen und verlor für einen Augenblick auch meine Fassade, denn es war einer dieser wenigen Momente, in denen ich meine Gedanken und Gefühle ganz offen nach außen präsentierte. Es war mir ganz offensichtlich anzusehen, dass ich sie begehrte und am liebsten an Ort und Stelle an unser letztes Treffen angeknüpft hätte. Aber da war ja leider noch ihr Sohn, an den sie mich sogleich wieder erinnerte. "Salve Axilla. Ja, dein Sohn..", begann ich, während mein Blick bedrohlich langsam zu ihm gleitete, als müsste er sich auf eine Rüge gefasst machen. Gleichsam schenkte ich aber auch ihm ein freudiges Lächeln, bevor ich mich wieder Axilla zuwendete. "...dein Sohn hat mich schon willkommen geheißen, auch wenn ich euer Heim nicht unbedingt bescheiden nennen würde", relativierte ich, wohl wissend dass es sich um eine reine Höflichkeitsfloskel handelte. Die Domus Iunia war imposant und durchaus ein Maßstab, den ich bei der zukünftigen Heimstätte meiner Familie ansetzen wollte. Allerdings verwarf ich diesen Gedanken schnell wieder, denn heute ging es nicht um Häuser sondern um Axilla, die mich ohnehin weitaus mehr begeistern konnte als jede Immobilie. "Ich freue mich zu hören, dass unsere letzte Begegnung Vorfreude auf diesen Abend geweckt hat. Mir geht es ganz genauso", gab ich offen heraus zu - und dabei bedurfte es keiner allzu großen Vorstellungskraft, um herauszufinden, auf welche Art der Begegnung ich anspielte.

  • Ich kotz gleich im Kreis...
    Es war wohl für meisten Kinder schon am Rand der Ekelgrenze, die eigenen Eltern beim Turteln und Knutschen zu sehen. Wenn da nun aber ein fremder Mann im Atrium die eigene Mutter anschmachtete, abschleckte und wohl am liebsten gleich die Klamotten vom Leib reißen wollte, war das noch ein ganzes Stück schlimmer. Atticus wollte sowas einfach nicht sehen, von sowas nichts wissen und überhaupt gar nicht weiter darüber nachdenken. Er wollte einfach nur, dass alles wieder so war wie vor fünf Tagen.


    Irgendwelche bedrohlichen Blicke hinterließen in dieser Situation bei dem Jugendlichen auch nicht die geringste Spur. Wer seine Mutter nicht mit einem komischen Kerl flirten sehen wollte, sah eben auch keine Blicke. “Könnt ihr... einfach...“ Atticus konnte es noch nicht einmal aussprechen und verzog nur angeekelt das Gesicht. Wenigstens warten, bis sie unter sich waren, war doch wirklich nicht zuviel verlangt! Wer war hier denn der Ältere und wer der pubertierende Jugendliche?

  • Axilla genoss den Kuss und die Verheißung, die darin lag. Insbesondere genoss sie dabei das Begehren in Torquatus Blick und seiner Körperhaltung. Es war schön, endlich mal wieder als Frau wahrgenommen zu werden.
    Nur irgendwie nicht für alle. Ihr Sohn sah aus, als bekäme er gleich Schüttellähmung. “Ach, sei nicht so spießig, Titus“, neckte Axilla ihren Sohn liebevoll, verließ aber dennoch erst einmal die Arme ihres Verlobten. Für Körperlichkeiten war schließlich später noch mehr als genug Zeit.


    Zumindest schien Atticus sich nicht schlimmer als befürchtet daneben benommen zu haben, denn Torquatus nahm das Ganze scheinbar ebenfalls auf die leichte Schulter. Aber gut, als erwachsener Mann sollte man einem pubertierenden Jugendlichen in Sachen Gemütsruhe auch überlegen sein, sonst lief etwas schief. Zudem musste Torquatus' Sohn ja auch ungefähr in diesem Alter sein, was darauf schließen ließ, dass er als Vater da auch ähnliche Erfahrungen hatte, wie Axilla als Mutter.
    “Und verglichen mit unserem Haus in Alexandria ist das hier wirklich bescheiden. Schade, dass wir wohl nie gleichzeitig in dieser Stadt waren. Ich glaube, so ein schneidiger Marine-Tribun hätte mir durchaus auch gefallen“, klimperte sie ihn mit langen Wimpern einmal gespielt an. Wobei die Vorstellung von ihm in militärischer Aufmachung durchaus sehr erregend war. Bevor ihr Sohn aber einen Herzkasper bekam, fuhr sie lieber gleich fort.
    “Und, Titus, Verhör beendet, oder möchtest du dich uns anschließen?“ Woraufhin sie sich wieder direkt an Torquatus wandte, seinen Arm selbstsicher nahm und sich bei ihm unterhakte. “Ich muss dir ja schließlich alles auch zeigen, nicht wahr?“

  • Die peinliche Berührtheit des Knaben schien ich völlig auszublenden, oder zumindest war sie mir beim Anblick meiner Zukünftigen völlig gleichgültig. Ich würdigte ihn keines Blickes mehr, sondern fixierte mich nur noch auf Axilla. Die schien zumindest mit meinem forschen Vorgehen einverstanden und zeigte auch eine gewisse Zufriedenheit, die mich natürlich umso mehr in Stimmung versetzte. Für den Moment ließ aber auch ich von ihr ab und verlegte etwaige Intimitäten auf einen späteren Zeitpunkt.


    Kurz dachte ich wehmütig an Alexandria zurück, als Axilla ihren Vergleich mit der dortigen Wohnsituation anstellte. Wahrlich, Alexandria hatte dem wohlhabenden römischen Bürger auf jeden Fall einen Komfort und eine Opulenz zu bieten, die in Rom kaum zu finden war. Zumindest nicht, wenn man hier vergleichsweise eben nicht zur exklusiven Oberschicht gehörte. Natürlich musste ich auch in Rom nicht wie der gemeine Pöbel hausen, aber in Alexandria konnte man sich selbst als Offizier der Classis wie ein König fühlen. "Es wird sich sicher eine Gelegenheit ergeben, dir meine alte Uniform zu präsentieren", entgegnete ich mit verschmitztem Blick und folgte sogleich ihrem Angebot, bevor Atticus in die Quere kommen konnte. "Ich würde mich freuen dich...dein Haus genauer kennen zu lernen", antwortete ich gespannt auf den Verlauf des Abends und umklammerte Axillas Arm. Ich rechnete kaum damit, dass Atticus noch in Stimmung war uns zu begleiten, wenngleich ich nicht die Absicht hatte ihn bewusst zu vertreiben. Immerhin war ich ehrlich bemüht auch zu ihm ein gutes Verhältnis aufzubauen, vor allem in Anbetracht der Möglichkeiten die sich durch die lange Absenz des leiblichen Vaters ergaben. Gewiss diente dies zum Teil oder wohl eher gänzlich dem reinen Selbstzweck, aber das musste und würde ich sicher nicht offen legen. Vielleicht konnte ja selbst ein Spross des Imperiosus, wenngleich er wohl dessen Eigenwilligkeit geerbt hatte, mit der richtigen Einflussnahme noch in opportune Bahnen gelenkt werden.

  • Spießig? Der Blick von Atticus wurde noch ein ganzes Stück finsterer. Er war nicht spießig! Aber das hier war ekelig! Ganz einfach! Und dass ein guter Teil dieses Ekels von seiner Mutter geradezu heraufbeschworen wurde, machte das Ganze nur noch immer schlimmer!
    Allein die Blicke, die die beiden sich zuwarfen! Selbst, wenn seine Mutter nicht schon im Vorfeld Hinweise gegeben hätte, indem sie die halbe Einwohnerschaft des Hauses ausquartierte, hätte Atticus spätestens nach diesen Blicken gewusst, was hier wohl heute noch passieren sollte. Mit seiner Mutter. Ein paar Türen von seinem Cubiculum entfernt. Zumindest, sofern die beiden wenigstens so viel Anstand hatten, es nur dort zu treiben und nicht schon hier im Atrium. Und ob Atticus das miterleben wollte? “Nein, danke.“ Ihm reichten die Bilder im Kopf, die er jetzt schon hatte, er brauchte dazu keine Vertonung.
    Aber ganz so einfach wollte er weder den Fabier, noch seine Mutter mit der Sache davonkommen lassen. Vielleicht konnte er nicht wirklich verhindern, dass siene Mutter sich in ein verrücktes Abenteuer stürzte, bei welchem sie zu Schaden kommen könnte. Er konnte nur da sein, falls es so kommen würde – und DANN dem Fabier die Hand doch brechen. Da hätte auch sein Patron für Verständnis. Aber bis da blieb ihm wohl nur, seinen Unmut anders deutlich zu machen. Und er kannte das ideale Mittel dafür. “Ich bin dann in der Casa Pompeia und richte mich dort endlich einmal ein.“

  • Oh, auf die Gelegenheit freute Axilla sich schon. Torquatus sah auch so mehr als nur vorzeigbar aus, und unter seiner Kleidung verbarg sich der Traum so mancher Römerin. Das ganze nun noch herausgeputzt in einer strahlenden Lorica, und Axilla hatte mehr als genug Material für so manche einsame Nacht. Noch besser dabei, dass ihre Nächte in Zukunft nicht einmal mehr einsam sein würden, sondern sie ihre Phantasien auch direkt in der Realität umsetzen konnte. Sie freute sich schon sehr darauf.


    Innerlich also schon voller Vorfreude auf das Ende der Besichtigungstour durch das Haus, riss ihr Sohnemann mit seiner griesgrämigen Art Axilla noch einmal aus ihrem Tagtraum heraus. “Casa Pompeia?“ Vor Schreck löste sie sich gar für einen Moment aus Torquatus‘ Armen und blieb einen Augenblick lang wie angewurzelt einfach nur blinzelnd stehen. Sie wollte ganz sicher nicht, dass ihr Sohn auszog und alleine lebte, ganz und gar nicht. Er war zwar vor dem Gesetz ein erwachsener Mann und stand am Anfang seiner Karriere, aber auf der anderen Seite war er – und würde immer sein – ihr kleines Baby. Ihr kleiner Schatz. Die Verkörperung ihrer schrecklichsten Geheimnisse und der größten Liebe gleichzeitig. Sie konnte ihn nicht einfach so gehen lassen.
    Aber das jetzt auszudiskutieren, würde wohl den ganzen Abend verschlingen, wenn nicht sogar noch mehr Zeit, und Axilla wusste genau, dass genau dies die Intention hinter der Aussage war. Und sie war keineswegs gewillt, auf dieses Spiel ihres Sohnes einzugehen. Dennoch war sie hin und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und nicht wirklich in der Lage, jetzt und hier da mit völliger Gelassenheit zu reagieren. Dennoch wollte sie sich den Abend nicht verderben lassen und insbesondere wollte sie nicht, dass Torquatus es sich am Ende wegen ihres Sohnes noch anders überlegte. So einen guten Fang – in jeder Hinsicht – fand sie so schnell nicht wieder.
    “Wir reden morgen darüber. Ausführlich“, sagte sie schließlich in einem Ton, der keine Widerrede duldete, und hakte sich dann wieder bei Torquatus ein. Hier und heute konnte sie nicht mehr tun.


    Das schwärmerische Gefühl von eben heraufzubeschwören, gelang nicht, aber Axilla tat ihr bestes, es ihren Gast nicht merken zu lassen. “Und wir beginnen dann einmal mit der Besichtigung. Es gibt so einiges, was ich dir nur zu gerne zeigen würde.“
    Mit leicht wiegendem Schritt begann sie also die kleine Rundreise und ließ ihren Sohn dabei einfach stehen. “Hier unten sind noch die Gästezimmer, falls ein Gast es mal nicht bis nach Hause schafft, und natürlich das Lararium. Ich nehme an, das ist jetzt weniger interessant. Lass uns am besten hier durch das Tablinum in den Garten gehen. Ich liebe unseren Garten, auch wenn er jetzt im Winter ein wenig karg aussieht.“

  • Mir blieb die Spannung, die der Bengel durch seine Androhung eines vermeintlichen Auszugs hervorrief, natürlich nicht verborgen. Axilla schien viel daran gelegen zu sein ihren Sprössling um sich zu haben, während ich es kaum erwarten konnte, endlich alleine mit ihr zu sein. Sollte der Junge eben in der Casa Pompeia wohnen, so hatte ich wenigstens meine Ruhe. Wenn er meine großzügige Hilfe nicht annehmen würde, sollte er dort eben schmoren und in die Fußstapfen seines jämmerlichen Vaters treten. Immerhin konnte man niemanden zu seinem Glück zwingen.


    Ich war dankbar, dass Axilla sogleich jedweden Disput im Keim erstickte und die negativen Spannungen wieder in eine positive Vorfreude wandelte. Zumindest hatte ich nicht das Gefühl, dass sie sich davon den Abend verderben lassen wollte. Mit einem Grinsen nahm ich also ihren Arm und hatte bereits im selben Moment den respektlosen Auftritt dieses infantilen Unruheherds wieder verdrängt. Interessiert blickte ich zunächst zu den Gästezimmern, dann zum Lararium, ehe sie mich in den Garten führen wollte. "Ich kann es kaum erwarten", entgegnete ich voller Vorfreude - weniger auf den Anblick des Gartens, sondern vielmehr auf ungestörte Zweisamkeit.

  • Hah! Atticus war sich sicher, dass der Hieb ins Schwarze getroffen hatte. Trotzdem blieb irgendwie das Gefühl des Triumphes über die ganze Sache aus, nach wie vor schmeckte die ganze Angelegenheit reichlich bitter. Atticus wollte seine Mutter doch nicht verletzen, es war nur... Warum musste sie ausgerechnet sofort wieder heiraten?!


    Reichlich frustriert blieb Atticus also kurz stehen, während seine Mutter ihren Entschluss verkündete und sich dann wieder ihrem Angebeteten widmete. Trotzig beschloss Atticus, jenes von ihr anberaumte Gespräch samt und sonders zu umgehen und wirklich erst einmal in der Casa Pompeia zu bleiben. Während sie sich also in Richtung Tablinum begab, stapfte er zur Treppe davon, ohne noch irgendwas zu sagen. Oben auf der Galerie stapfte er möglichst geräuschvoll weiter – sie sollten ruhig wissen, dass er noch da war – und ging in sein Zimmer. Dort angekommen packte er erst einmal alles, was er an Kleidung finden konnte, in einen großen Sack – natürlich wild hineingestopft. Ein letzter Blick durch das Zimmer, das jetzt schon so viele Jahre sein Zuhause war... ein tiefer Atemzug zum Abschied, und dann ging er. Wieder laut stapfend.


    Es war ein sehr seltsames Gefühl.

  • Die nagenden Gedanken verscheuchend führte Axilla Torquatus ins Tablinum. Mit seiner Holzvertäfelung aus dunklen und hellen Hölzern, dem Terrazzo-Boden und der feinen Malerei an den Wänden machte es schon etwas her, wie Axilla durchaus zugeben mochte. Leider aber wurde es in seiner eigentlichen Funktion nicht genutzt.
    “Hübsch, nicht? Zu schade, dass mein Vetter Silanus schon so lange an seinem Lungenleiden laboriert. Ich hoffe ja, dass sich bald ein neuer Iunius findet, der hier dann regelmäßig zur Salutatio laden kann.“ Kurz schwelgte Axilla in diesem fröhlicheren Gedanken – und ignorierte die stapfende Elefantenhorde, die anscheinend gerade über ihnen ihre Kreise zog. “Aber das Tablinum deiner Casa ist sicherlich vergleichbar?“ fügte sie noch als Frage an, um die Stille nicht zu lang werden zu lassen. Außerdem wollte sie ja auch wissen, wie sie nach der Hochzeit wohl wohnen würde. Bislang war Torquatus mit Informationen über sein Zuhause zurückhaltend gewesen, und ihre Nachforschungen hatten bislang nur ergeben, dass das Haus kleiner war und dessen Adresse.
    Zielsicher steuerte sie mit Torquatus auf diejenigen Holzverkleidungen zu, von denen sie wusste, dass sie einen Durchgang beherbergten. Man konnte Teile auch gänzlich herausnehmen, um im Sommer einen Blick vom Vestibulum durch Atrium und Tablinum bis direkt in den Garten zu ermöglichen und so die Eleganz des Hauses noch weiter zu betonen. Jetzt im Winter aber waren die Wände selbstverständlich eingesetzt, um die Wärme in den Räumen zu halten. Mit einem kleinen Handgriff öffnete sich auch die Wand und gab den Weg in den Peristyl und den Garten frei.


    Axilla atmete einmal die frische Luft tief ein. Ohne Laub und Früchte sah der Baum inmitten des Gartens natürlich nicht so prächtig aus wie im Frühjahr, wenn er blühte, oder im Spätsommer, wenn die persischen Äpfel reif, süß und orangerot an den Ästen hingen. Trotzdem liebte Axilla diesen Baum, wie sie überhaupt alle Bäume liebte.
    Von der Galerie oben kam weiteres poltern, und Axilla seufzte. So hatte sie sich das Ganze natürlich nicht vorgestellt, und sie sah sich genötigt, doch noch ein paar Worte zu ihrem Sohn zu verlieren. “Ich hoffe, du nimmst meinem Sohn seinen Auftritt nicht übel. Er ist nur... 15 Jahre alt. Und wie alle Fünfzehnjährigen weiß er natürlich alles besser. Insbesondere, was seine Mutter angeht.“ Axilla lächelte einmal entschuldigend und fuhr fort. “Ich meine, ich verstehe, dass es schwer für ihn ist. Die letzten zehn Jahre war er so etwas wie der Mann in dieser Familie und hatte mein vollstes Vertrauen. Diese Position nun zu verlieren... ist sicher nicht so einfach.“
    Wenn Axilla daran zurückdachte, wie sie mit 15 Jahren gewesen war und welche Dummheiten sie in diesem Alter und den folgenden paar Jahren gemacht hatte, da war ihr Sohn ja noch relativ harmlos. “Aber er wird sich schon daran gewöhnen und sicher erkennen, welches Glück ich mit dir habe“, schmeichelte Axilla ein wenig.


    Ihr Blick fiel dabei auf die lebensgroße Statue des Pan, die ebenfalls hier am Rand des Gartens stand und die ihr schon sehr oft Trost gespendet hatte. Pan lehnte dort lässig auf einem Stein, seine Ziegenbeine nur leicht angewinkelt. In einer Hand hielt er lässig eine Syrinx, als wolle er dort hineinblasen. Das jugendliche Gesicht hatte einen leichten Ziegenbart, das Haar fiel in feinen Locken nach hinten, gleichzeitig zerzaust und doch fein, und die Ziegenhörner waren so stark dabei nach hinten gebogen, dass sie fast ebenfalls wie Haarlocken aussahen.
    Axilla lächelte, und startete wieder ein kleines Spiel. So wie sie Torquatus einschätzte, mochte er dies sowieso lieber als irgendwelche ernsten Gespräche. Zumindest im Moment und was diese Sache anging. “Da ist mein Pan“, stellte Axilla den Gott vor und löste sich aus Torquatus Arm, um sich zu der Statue zu begeben. Mit einem geschickten, kleinen Hüpfer saß sie auch sogleich auf dem göttlichen Schoß und sah zu ihrem Verlobten runter. “Mein Sohn versteht einfach nicht, wie das ist, eine Frau zu sein und Sehnsucht zu haben“, begann sie schwärmerisch und wandte sich mehr der Gottheit zu. “Er weiß nicht, wie oft ich hier saß und mir wünschte, meine Berührung könnte diesen Stein in Fleisch verwandeln“, streichelte sie die Brust der Steinstatue entlang hinauf zu den Schultern, um dort ihre Hände sanft ruhen zu lassen. “Und wie sehr ich mich nach einer Umarmung gesehnt habe, nach einem Kuss...“ Ihre Hände wanderten wieder nach unten, schmeichelnd, streichelnd, dorthin, wo die steinerne Haut in steinernes Ziegenfell überging. “Nach einem Mann...“ flüsterte sie in ihrer verführerischsten Stimmlage, und während ihre Hand streichelnd zum Schoß des Gottes gelangte, sah sie wieder Torquatus unter langen Wimpern hinweg an. Sie wollte wissen, wie er reagierte. Sie nahm zwar an, dass ihn diese Vorstellung erregte, vielleicht würde es ihn auch eifersüchtig machen. Im schlimmsten Fall aber würde es ihn abstoßen. Speziell auf ihrer beider Zukunft bezogen wäre es schon wichtig, zu wissen, wie er reagierte, wenn sie einem anderen schöne Augen machte und ihre Verführungskünste wirken ließ, insbesondere, sollte sie mit ihm auch eine Orgie einmal besuchen wollen. Sie selbst wäre zweifelsohne eifersüchtig, ihn dort mit einer anderen zu sehen. Aber erregend wäre es wohl dennoch.

  • Interessiert ließ ich meinen Blick durch das Tablinum schweifen und wurde hellhörig, als Axilla den Namen Silanus erwähnte. Dass dieser aufgrund eines Lungenleidens von der Bildfläche verschwunden war, war für mich eine erhellende Erkenntnis. Immerhin konnte ich mir kaum einen anderen Grund vorstellen, warum er, als hochrangiger und verdienter Mitarbeiter der Kanzlei, einfach so seine Stellung und sein Ansehen aufgeben sollte. "Da bin ich mir sicher", antwortete ich knapp auf Axillas Sehnsucht hin, dereinst wieder einen starken Iunius im Hause zu haben. Nach dieser ersten Begegnung konnte ich mir nur schwerlich vorstellen, dass ihr ältestes Balg dafür geeignet war, aber bekanntlich entwickelten sich Kinder ja weiter. Das hoffte ich zumindest inständig, wenn ich an meinen eigenen Sohn dachte. "Das Tablinum meiner Casa ist vergleichbar, sicher, aber etwas kleiner und bei weitem nicht derart künstlerisch und imposant. Wie ich bereits andeutete: Meine Casa ist ein Relikt vergangener Tage und ich beabsichtige nicht, meine Familie - unsere Familie - länger als nötig dort hausen zu lassen", stellte ich bestimmend fest. Damals, bevor ich nach Ägypten aufgebrochen war, war die Casa meinen Ansprüchen sicher mehr als gerecht geworden. Aber nach all den Eindrücken, die ich im Osten gewonnen hatte, sowie meinem Status, der sich seither um ein vielfaches gebessert hatte, strebte ich nach mehr. Immerhin waren die Häuslichkeiten eines römischen Bürgers seit jeher auch ein ausdrucksstarkes Symbol mit Strahlkraft und Wirkung. "Wir sollten uns vielleicht später noch genauer über die künftige Wohnsituation unterhalten", fügte ich noch an, ehe Axilla die Holzverkleidungen löste und den Weg zum Garten freigab. Auch ich nahm einen tiefen Zug der frischen Luft, die ich von Alexandria so nicht kannte und an die ich mich erst wieder gewöhnen musste. Das Klima in der fernen Provinz hatte unzweifelhaft seine Vorteile, wenngleich ich jetzt, nach meiner Rückkehr, die Vorzüge der kühlen Frische Roms allmählich wieder wert zu schätzen lernte.


    Ich ließ meinen Blick durch den Garten gleiten, erspähte den Baum und hatte mich dabei vollständig von allem gelöst, was um mich herum geschah. Das Poltern des Jungen hatte ich natürlich vernommen, bestätigte mich aber in meinem ersten Eindruck und bot für mich insofern auch keine Überraschung. Ich hatte den Pompeier bereits vollständig verdrängt und war bereit, meinen Abend mit Axilla zu genießen als sie...als sie ihren Sohn zur Sprache brachte. Ich musste mir ein Seufzen verkneifen und nahm sodann verständnisvoll ihre Erklärungen auf, gleichsam befürchtend, dass der junge Sprössling sich noch zu einem unsäglichen und nervenzehrenden Laster unserer gemeinsamen Zukunft entwickeln könnte. Ich musste leicht schmunzeln als Axilla ihn zum Mann der Familie verklärte, denn diese Position konnte Atticus wohl niemals ausgefüllt haben. Immerhin ließ er nach meiner Menschenkenntnis sämtliche Reife und jeglichen Scharfsinn vermissen, um dazu auch nur ansatzweise im Stande zu sein. Natürlich legte ich dies nicht offen, denn auch ich wollte unserer blendend startenden Beziehung nicht bereits erste Steine in den Weg legen. Also mimte ich weiter den toleranten Stiefvater: "Axilla, er ist noch ein Junge. Sein Vater hat ihn im Stich gelassen und vielleicht hat ihm auch ein Mann gefehlt, der ihm den rechten Weg aufzeigt", gab ich zu Bedenken, ohne eindeutig zu erklären, ob ich selbst dieser Mann zukünftig sein könnte. Natürlich beabsichtigte ich ihn auf irgendeine Weise einzubinden, immerhin konnte auch er zur Stärkung unserer gemeinsamen Familie beitragen. Mein anfänglicher Optimismus bezüglich der Fähigkeiten des jungen Pompeius wurde allerdings auf unangenehme Weise getrübt, sodass ich mir nicht mehr sicher war, ob er überhaupt über ausreichend Potential verfügte.


    Als Axilla die Aufmerksamkeit auf ihre Panstatue lenkte, war ich gespannt, was genau sie mir nun zeigen wollte. Die Darstellung des Pan war - rein äußerlich betrachtet - sicher keines meiner bevorzugten Abbilder, wenn es um imposante Dekorationen in Form von Statuen und Skulpturen ging. Nichtsdestotrotz hatte Axilla mein Interesse geweckt, als sie sich spielerisch auf Pans Schoß begab und mich sogleich auf ihre Art und Weise in eine angenehme Trance versetzte. Ich verspürte Begehren, Verlangen und näherte mich ihr instinktiv. Sie hatte eine Anziehungskraft, der ich nicht einfach widerstehen konnte - und nun, da sie auch meine Frau sein würde, auch nicht mehr widerstehen wollte. Ich lauschte ihren Worten und war keinesfalls eifersüchtig, sondern vielmehr erregt von ihrer spielerischen Darstellung und den Worten, die sie untermalend mit verführerischer Stimme sprach. Einen ganzen Moment haftete mein Blick wortlos auf ihr, bevor ich eine versiegelte Schriftrolle vom Gürtel meiner Tunika löste und sie ihr reichte. "Und ich denke...dass du diesen Mann gefunden hast", entgegnete ich zuversichtlich und erwartete voller Spannung ihre Reaktion auf meine Überraschung.

  • Die Wohnsituation war wirklich etwas, das sie später besprechen sollten. Aber genau wegen solcher Dinge trafen sie sich ja heute. Nunja, zumindest für unter anderem solcher Dinge. Aber Axilla hatte kein Problem, diese Frage auf später zu verschieben, wenngleich die vagen Andeutungen sie schon neugierig machten.
    Dass Torquatus nicht böse auf ihren Sohn war, beruhigte Axilla gut erkennbar. Sie hätte es schrecklich gefunden, sich zwischen ihrem Sohn und ihrem Wort Torquatus gegenüber entscheiden zu müssen. Nichts desto trotz wäre diese Wahl eindeutig gewesen. Das hieß aber nicht, dass sie nicht dennoch schwer gewesen wäre. Darüber hinaus sprach Torquatus auch einen wichtigen Punkt an. Atticus hatte wirklich kaum männliche Vorbilder gehabt. Wer wäre denn da gewesen? Seneca, der sich in eine Affäre stürzte und dabei den Ruin seiner Familie in Kauf nahm? Der wegen der Notwendigkeit, dies zu beenden, beim bloßen Gedanken daran in Tränen ausgebrochen war? Axilla war zweimal so viel Mann wie er, hatte größere Opfer gebracht und dabei weniger über ihr Schicksal lamentiert. Und vor allen Dingen hatte sie die Familie stets über ihre persönlichen Befindlichkeiten gestellt.
    Avianus hingegen war schon passender. Auch er hatte seine Fehler und seine Schwächen. Nicht zuletzt, weil er eine Libertina geheiratet hatte anstatt eine Frau, die die Familie weiter voran gebracht hatte. Aber das waren kleinere Dinge. Und wenigstens war er ein vernünftiger Soldat im Dienste Roms! Nur leider hatte Atticus mit ihrem Vetter wohl zu lange nichts zu tun gehabt, die gemeinsame Zeit war vielleicht etwas kurz bemessen.


    Allerdings war jetzt nicht die Zeit, dieses Thema zu vertiefen. Eigentlich wollte Axilla ihren Verlobten ein wenig quälen und anspornen, ihm ein wenig Appetit auf später machen. Nur wurde daraus nicht wirklich etwas, da Torquatus sich weniger einspannen ließ in dieses Spiel, als Axilla geglaubt hatte. Nein, stattdessen spielte er sein eigenes mit ihr und übergab ihr eine versiegelte Schriftrolle.
    Fragend sah Axilla ihn an. Sie hatte zwar schon eine Idee, was es sein könnte, aber innerhalb zweier Tage wäre dies wirklich unglaublich schnell. Daher war eine andere Aufmerksamkeit weitaus wahrscheinlicher. Doch Torquatus würde ihr wohl nicht den Gefallen tun, sie aufzuklären, ehe sie selbst nachgesehen hatte.
    Langsam also nahm Axilla die Schriftrolle entgegen, noch immer auf Pans Schoß sitzend, und brach das Siegel. Vorsichtig, um den teuren Papyrus nicht zu beschädigen. Sie warf Torquatus noch einen neckischen Blick zu, dann rollte sie den Papyrus auf und las. “Im Namen des römischen Reiches und des Imperators... Jiiiii! Ernenne ich Iunia Axilla zur Eques!“ Der Rest ging in einem freudigen Quietschen unter, als Axilla vom Schoß der Statue hüpfte und sich einmal um die eigene Achse in einem kleinen Freudentanz drehte. Direkt danach fiel sie Torquatus um den Hals, gab ihm einen dicken Kuss – und tanzte eine zweite kleine Runde im Kreis, den Papyrus an ihre Brust gedrückt. Erst danach wurde sie gewahr, dass sie das Schriftstück so zu zerknittern drohte. Vorsichtig strich sie ihn nochmal glatt und las ihn, vom einen Ohr zum anderen strahlend, noch einmal durch. Da stand es! Sie war Ritter! Mit kaiserlichem Siegel und allem! Gut, der Ring war jetzt nicht dabei, aber das machte nichts. Axilla zweifelte auch daran, dass der Kaiser ihr den persönlich überreichen würde, zusammen mit einem Staatspferd, wie es in früheren Zeiten einmal üblich gewesen war. Eigentlich schade, stellte Axilla sich dies doch als eine würdigere Zeremonie vor als einfach nur ein kleiner Aushang. Aber naja, beim ius trium liberorum war es ja dasselbe gewesen. Vielleicht sollte sie ihrem baldigen Mann da mal eine Anregung für den Kaiser diesbezüglich mitgeben? So ein wenig mehr Präsenz seinerseits konnte ja seinem Ansehen im Volk nur zuträglich sein. Aber auch das war ein Thema für später.
    “Hach... Eques... ich bin Eques“, strahlte Axilla und warf Torquatus einen schelmischen Blick zu. “Ja, ich glaube, es war wirklich eine gute Idee, mit dem grünen Kleid in dein Officium zu schneien. Ich glaube, ich schulde dir jetzt eine Kleinigkeit, was? Gibt es denn einen Wunsch, den ich dir gleich erfüllen kann?“ Sie sah ihn vielsagend an und lehnte sich wieder ihm entgegen.

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