• Die Salutatio war Gracchus für gewöhnlich eine überaus dröge Angelegenheit, denn zumeist waren die Probleme seiner Klienten recht banal, wiewohl für ihn auch nicht nachzuvollziehen. Dem einen mangelte es an Geld, der nächste benötigte einen Hahn oder ein Huhn für ein Opfer, ein anderer suchte Rechtsbeistand im Streit mit einem Nachbarn, wieder einer konnte vom Erfolg seiner Taberna berichten und ein anderer von der profitablen Hochzeit seiner Tochter. Der überwiegende Anteil dieser Sorgen, Nöte und Freuden war derart weit von Gracchus' eigenem Leben entfernt, dass er jegliche Anfragen um Unterstützung stets nur abnickte - schlussendlich wurde dies von ihm als Patron erwartet - und die Klärung der Details, Geldsummen etwa, an seinen Vilicus weiterreichte, sich bemühte die erfreulicheren Berichte mit einem geduldigen - wenn auch im Grunde unverständigen - Lächeln entgegen zu nehmen und die Fragenden so gut als ihm möglich zu beraten. Dass nicht nur seine eigenen Klienten, sondern auch jene seiner Vettern Felix und Aristides ihn aufsuchten, bisweilen in dessen Absenz sogar jene seines Neffen Furianus, zog die Salutatio zumeist noch mehr in die Länge als ohnehin notwendig und führte an manchen Tagen gar dazu, dass Gracchus am Ende doch noch die Geduld verlor und die Bittsteller am nächsten Tag noch einmal sich in die Schlange mussten stellen.
    "'s isch eifach zu trogge, Herr, I kann die Äcker nimmer wässre. Där Fluss is a einzigs Staubbett und där Brunne hat grad gnug fers Vieh"
    , klagte ein Bauer in tiefem, süditalischem Dialekt seine Sorgen. Er hatte mit Aristides in Parthia gekämpft, welcher ihn nach seiner Dienstzeit auf einem der flavischen, landwirtschaftlichen Güter in Richtung Ancona als Verwalter hatte eingesetzt.
    "I hab werklich Sorge, dass die Ernt futsch is und die Kia au noch eigehe wenns ned amol saiche tut!"
    "Hm, ja"
    , unterbrach Gracchus den Mann ohne genau verstanden zu haben, um was es ging. Er delektierte Worte, er mochte fremde Sprachen, doch Dialekte in ihrer Tiefe waren ihm seit jeher ein Rätsel, welches er nicht zu durchdringen im Stande war.
    "Mein Vilicus wird sich deiner Angelegenheit annehmen, du wirst jede Unterstützung erhalten, welche du benötigst."
    Mit fragendem Blick wandte er sich dem Nomenclator zu und bedeutete jenem mit einer unscheinbaren Geste, dass die Salutatio baldmöglichst zu beenden war, sofern keine wichtigen Angelegenheiten sich noch auftaten.

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    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Keine Stunde war seit meinem Erwachen vergangen und von meiner Hast, so schnell wie möglich ans Ziel zu kommen war nur noch mein schwerer, heftiger Atem, ein stark schmerzendes Knie und zwei bis drei widerspenstige Haarsträhnen geblieben, die sich sehr deutlich sträubten es dem Rest der sauber gekämmten Haarpracht gleich zu tun.


    “Bona Dea...,“ schnaufte ich und ließ mich unter der Hilfe meines Sklaven etwas steif auf einer steinernen Bank im Atrium des Flavius Gracchus nieder.


    “Sieh's positiv. Offenbar ist die Salutatio noch nicht zu Ende.“


    Ich schaute mich um. Offenbar warteten hier noch einige Gestalten auf Einlass, was aber nicht bedeutete, dass ich auch wirklich noch mein Anliegen vorbringen konnte. Faustus' Schreiben war sicher verwahrt in einer kleinen Stofftasche, die mir über die Schulter hing und wenn es sein musste, würde ich es dem Nomenclator direkt vor den Leib schlagen, wenn er mich nicht mehr hinein lassen würde. Immerhin! Ein überstürzter Morgen und die Furcht davor mich vor Faustus für das Verschlafen rechtfertigen zu müssen, trieb einiges an Entschlossenheit in meinen Leib, die kaum noch Platz für irgendein Hadern ließ. Noch immer pumpte ich nach Atemluft ich wischte mir den aufkeimenden Schweiß von der Stirn, ehe ich Muckels Hand wegschlug, deren Finger versuchten die Wirrniss in meinem Haupthaar zu richten.


    “Geh da rüber zur Tür und warte, bis jemand aufmacht und dann sag, dass Cnaeus Decimus Casca hier ist, mit einem wichtigen Anliegen und einem Schreiben von Faustus Decimus Serapio!“, befahl ich meinem Sklaven, weil ich mich im Augenblick fast außerstande sah, noch einmal aufzustehen und auf meinem brüchigen Knie selbst hinüber zu wanken.


    Muckel schaute mich einen Moment lang ein wenig unsicher an, doch dann machte er sich auf den Weg, um am besagten Ort zu warten. Eigentlich durfte nichts schief gehen. Meinen Namen kannte Flavius Gracchus mit Sicherheit noch und selbst wenn nicht, so kannte er bestimmt meinen Cousin. Wie auch immer. Wieder spürte ich die Nervosität in mir aufsteigen, doch mit einigen tiefen Atemzügen müsste sie eigentlich in den Griff zu bekommen sein.

  • Der Name Decimus Serapio öffnete selbstredend alle Türen in Gracchus' Haus, so dass auch der Name Decimus Casca schlussendlich bis zu ihm gelangte.
    "Decimus Casca?"
    fragte er anfangs ein wenig erstaunt noch einmal nach, nickte dann jedoch. Selbstredend hatte er Faustus' jungen Verwandten nicht vergessen - obgleich er sich durchaus so manchesmal wünschte, die Begleitumstände ihrer Bekanntschaft vergessen zu haben.
    "Natürli'h, lasse ihn sogleich vor!"
    Als dann Casca vor ihn trat, erhob sich Gracchus und ging einen Schritt auf ihn zu, ihn mit freundschaftlichem Handschlag zu begrüßen.
    "Decimus Casca, welche eine Freude, dich zu sehen! Was führt dich zu mir?"
    Allfällig hatte Serapio ihn geschickt ob der Klage, anderes konnte Gracchus sich in diesem Augenblicke kaum imaginieren.

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  • Vorsichtshalber schaute ich noch einmal in meine Tasche, um wirklich sicher zu gehen, dass das Schreiben auch an Ort und Stelle war. Nicht auszudenken, wenn ich es in meiner Eile... nein, da war es! Den Göttern sei Dank! Wohlverwahrt und ohne Knick. Noch einmal sog ich tief den Atem in mich ein und zählte stumm bis Zehn. Dann atmete ich wieder aus und suchte mit meinen Blicken Muckel, der offenbar ein Wort mit dem Nomenclator wechselte und zu mir hinüber deutete. Automatisch straffte sich meine Haltung etwas und ich schob mir eine verirrte Strähne aus der Stirn. Noch einen Moment dauerte es, ehe Muckel ein frohgemutes Grinsen erstrahlen ließ, einen Daumen in positiver Manier erhob und mich dann herbei winkte.


    “Also gut, Casca... keine Dummheiten jetzt... puh...puh...pfuhhhh....“, pustete ich nach der kleinen Ansprache an mich selbst hervor und liftete mich im Anschluss nahtlos von der kleinen Wartebank.


    “Er empfängt dich!“, zischte mir mein Sklave unnötigerweise zu, als ich an ihm vorbei ging.
    “Davon bin ich jetzt wirklich auch ausgegangen!“, flüsterte ich scharf zurück. “Ich bin doch nicht do...“ Aber weiter kam ich nicht, denn die Tür stand offen und man konnte schon einen Blick auf Manius Flavius Grachhus erhaschen.


    Schnell warf ich so gut es ging ein Grinsen ins Gesicht und stakte so würdevoll es mein Knie zuließ in den Raum hinein, stand dann vor dem Pontifex und reichte ihm ebenso wie er mir die Hand. Es war ein freundschaftlicher Handschlag, was mich sonderbarerweise überraschte. Doch warum? Weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass der Flavier sich freute mich zu sehen? Lange war es her, seit ich vor ihm stand und es waren Zeiten, an die man sich nicht so wirklich gerne zurück erinnerte. Natürlich nicht wegen Flavius Gracchus, sondern wegen der leidigen Umstände.


    “Oh...Salve!“, sagte ich und räusperte mich dann. Was mich herführte? “Die Freude ist ganz auf der meinigen Seite... ich meine... es ist lange her und ich... ich war mir gar nicht sicher ob... also naja..ich...ahm...“ Was mich herführte? Menschenskinners, Casca! “Danke, dass du mich empfängst. Was mich herführt ist eine Angelegenheit, die mir sehr auf der Seele brennt. Nämlich meine Zukunft und mein Wunsch mich...nunja... mich und mein Streben in Zukunft den Göttern zu unterstellen...also mich ihnen zur Verfügung zu stellen...ahm ja...und da dachte ich, also...Serapio dachte das gemeinsam mit mir, dass es ratsam wäre, in eben dieser Angelegenheit deine Salutatio aufzusuchen.“


    Na bitte. Rhetorisch zur Null hintendierend, inhaltlich mäßig... nur mein Lächeln saß perfekt. Während ich ihn so dabei anschaute stellte ich fest, dass Flavius Gracchus sich kaum verändert hatte. Rein optisch, wie ich fand.

  • Ganz ohne sich dessen bewusst zu sein wanderte Gracchus‘ linke Braue ein wenig empor als er suchte dem Zusammenhang der Worte Cascas zu folgen, gleichwohl er nach deren Ende einige Augenblicke schwieg, um das Gehörte zu ordnen und mit Serapio, wie seiner eigenen Position in eine Relation zu bringen.
    "Du strebst also ein Amt im Cultus Deorum an?"
    suchte er ein wenig zögerlich nach, nahm dies indes sodann als gegeben hin und wies Casa Platz zu nehmen, ehedem er dies selbst wieder tat.
    "Eine überaus kluge Wahl in Anbetra'ht der Gegebenheiten. Es hat sich mir nie gänzlich erschlossen, weshalb deine Familie ihr Augenmerk stets nur auf militärischen Diligenz konzentriert."
    Immerhin war der Familienverbund der Decima um Livianus und seine Brüder nicht eben klein, so dass eine geschickte Streuung ihrer Mitglieder zumindest keine Frage der Quantität war. Im Wandel dieser Strategie indes eine Gefahr welcher Art auch immer zu sehen, lag Gracchus fern, welcher weder von Natur aus misstrauisch war - sofern eine potentielle Gefahr nicht seine Familie betraf -, gleichwohl selbst mit dem Leitbild aufgewachsen, dass eine Familie ihr Wirken zum Wohle Roms stets in alle denkbaren Richtungen auszuweiten hatte. Mit einem unscheinbaren Nicken wies er einen herumstehenden Sklaven an, dem Gast ein wenig verdünnten Wein einzuschenken.
    "Hast du, respektive habt ihr bereits überda'ht, in welcher Art und Weise dies geschehen soll? In Frage kommen allfällig ein Septemvirat, ein Quindecimvirat oder ein Augurat, wobei all diese Collegien ihre Vor- und Nachteile mit sich bringen, be..gonnen von der Art ihrer Aufnahme, bis hin zu den Aufgaben, welche sie erfüllen. Gleichwohl bringt ein solches Amt großes Ansehen, ob dessen die Aufnahme zweifelsohne eine erste Hürde sein wird und die erste Frage, welche stets gestellt wird ist jene, nach dem, was du vorweisen kannst und wie du dich bereits ausgezei'hnet hast."
    Gegenwärtig war Gracchus dies nicht präsent, doch er kannte Casca wiederum nicht gut genug, um der Details dessen Werdegangs inne zu sein.

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  • Auf die Frage des Pontifex, ob ich denn ein Amt im Cultus Deorum anstrebte nickte ich einmal kräftig, während mir ein fröhliches Lächeln eisern im Gesicht prangte. Ich setzte mich auf den leisen Wink hin und räusperte mich dann. Dass meine Familie schon immer arg zum Militär hin tendierte war mir mehr als nur bewusst und noch bewusster wurde es natürlich, wenn man nur an Massa und Serapio dachte. Wie hatte ich meinen Bruder Massa immer beneidet und wäre mein Bein ein Gesundes, so würde ich wahrscheinlich zu dieser Stunde nicht hier sitzen, sondern in irgendeiner Provinz Palisaden errichten, Puls essen, mein Schwert schwingen und auch ansonsten mit meinen Kameraden Heldenhaftes vollbringen. Im Militär lag viel Ehr', sowohl persönlich, als auch für Rom. Davon war auch ich, als waschechter Decimer, noch immer überzeugt. “Nun, ich denke, dass sie eifrig dem Vorbild ihrer Ahnen nacheifern,“ sagte ich unter einem leichten Seufzer. “Zum Wohle und zur Ehre Roms.“ Immerhin hatte es Maximus Decimus Meridius nach vielen Siegen zu einem Triumphzug gebracht. “Nur für mich kommt dieser Weg nicht infrage.“ Ich griff nach dem Becher mit dem verdünnten Wein und nickte dem stillen Sklaven freundlich zu, ehe ich es wagte einen Schluck zu mir zu nehmen, während ich den Fragen des Flavius Gracchus lauschte.


    Natürlich hatten weder ich noch Vetter Serapio darüber nachgedacht, in welcher Weise ich meine nächsten Schritte setzten wollte. Ob Septemvirat, Quindecimvirat oder Augurat? Mein Atem stockte ein wenig. Ich hatte ja keine Ahnung, welche Richtung es einzuschlagen galt. Dennoch nickte ich zu den Ausführungen, wobei mein Lächeln allerdings ein wenig erstarb. Würde ich mich eher in der religiösen Verwaltung sehen, als Interpret der weisesten der weisen Bücher oder doch bei m Deuten der Zeichen? Doch wie es aussah brauchte ich mir diese Frage nicht als Allererstes zu stellen, denn wie der Pontifex es bereits sagte, könnte die Aufnahme in eine der Collegien eine haarige Sache werden. Im Geiste ging ich hastig meine bisherigen Verdienste und Tätigkeiten durch, um auf irgendetwas zu stoßen, was mich qualifizieren könnte, doch ich fand beim besten Willen nichts, weshalb ich wohl auch einen Moment desillusioniert meine Schultern sacken ließ.


    Um einem hässlich langen Moment des Schweigens vorzubeugen stieß ich schnell ein “Ja...ich...ahm...“ aus und schüttelte dann den Kopf. “Ich meine, nein, ich muss... zu meiner Schande quasi gestehen, dass ich mir noch keine tiefer greifenden Gedanken über die infrage kommenden Collegien gemacht habe, die den Cultus Deorum ja ausmachen. Viel eher wollte ich einmal anfragen, ob denn überhaupt die Möglichkeit bestünde, mich selbst in den sakralen Bereich einzubringen. In einem Rahmen, der es mir Schritt für Schritt ermöglichen würde... nun ja...“ Nur wie sollte jemand, der leidenschaftlich seine Münzsammlung polierte und Reiterfiguretten in Regalen hortete nun jemandem deutlich machen, dass es ihm wirklich ernst war? “Nur ich muss wohl zu meiner Schande mir und einem jeden eingestehen, dass ich weder besondere Verdienste, noch irgendwelche Auszeichnungen vorweisen kann, die mir ad hoc Tür und Tor öffnen könnten. Ich kann nur betonen, dass es mir mit meinem Wunsch sehr ernst ist und dass ich hier und heute bezeuge, dass ich im Dienst für die Götter immer nur mein Bestes zu tun gedenke und mit Fleiß und Müh' den Göttern alle Respektierlichkeit … ich meine Würde und Ansehen verschaffen werde, so wie es ihnen gebührt!“ Aufrichtig gesprochene Worte. Es fehlten nur noch die zu einem Schwur erhobenen Finger. Dann fiel mir etwas ein. Ich setzte den Becher ab, den ich noch in der Hand gehalten hatte und begann in der Stofftasche zu kramen, die mir immer noch über die Schulter hing. “Ehe ich es vergesse...“, sagte ich schließlich geschäftig und schaffte es tatsächlich Serapios Schreiben aus dem Beutel zu fingern. Sogleich hielt ich es dem Flavius Gracchus entgegen. “Ich habe hier noch ein Schreiben von meinem Vetter Decimus Serapio an dich.“ Das sollte ich nicht vergessen, denn immerhin hatte Serapio es extra für diesem Moment geschrieben. Außerdem würde er mir gewiss den Kopf abbeißen, wenn er herausfinden würde, dass ich es nicht übergeben hatte.




    Gardetribun Faustus Decimus Serapio grüßt Senator und Pontifex pro magistro Manius Flavius Gracchus


    Geschätzter Freund, ich sende meinen Cousin Cnaeus Decimus Casca zu Dir, und empfehle ihn Deiner wohlwollenden Aufmerksamkeit. Casca ist ein wortgewandter junger Mann von tiefgründigem Wesen, Scharfsinn und Integrität. Mein Cousin hat den Willen, seine Talente in den Dienst des Cultus Deorum zu stellen.
    Ich unterstütze dies, und bitte Dich, ihm diese Türe zu öffnen. Suche einen guten und strengen Lehrmeister für ihn aus, damit er tüchtig lernt und seiner Familie Ehre macht. Ich danke Dir.


    Vale bene
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  • Schweigend vernahm Gracchus die Worte des jungen Decimers ohne auch nur den Versuch, diesen zu unterbrechen - was zweifelsohne ohnehin ihm nicht gelungen wäre.
    "Ich schätze deine Aufrichtigkeit, Decimus"
    , erwiderte er schlussendlich.
    "Nicht jeder Mann würde so freimütig seinen Mangel an Ve..rdiensten zugeben anstatt in die Brust sich zu werfen und jedem unbedeutenden Fragmente, welches er auf seinem Weg beiläufig hat aufgelesen, eine ihm nicht zukommende Tragweite zuzuschreiben. Gleichwohl erscheint mir dein inneres Bestreben aufri'htig und hinlänglich gedeihlich, um es zu fördern."
    Der Flavier nahm das Schreiben an sich, reichte es indes geradewegs an seinen Vilicus weiter. Seitdem die Parzen ihm zum zweiten Male beinahe den Lebensfaden hatten gekappt und er daraufhin schlichtweg keinen Satz mehr hatte entziffern können ohne dass dieser nicht gänzlich sich hätte verwirrt, waren zwar viele Jahre schon vergangen, in welchen er dies sich mühsam wieder hatte aneignen können, doch um in akzeptabler Geschwindigkeit zu lesen, schob er stets ein Lineal Zeile um Zeile - was er niemals vor irgendeinem Menschen würde tun -, während das freie Lesen zu viel Konzentration und Zeit in Anspruch nahm, um seine Schwäche dabei verbergen zu können, so dass er dies nur auf sich nahm, sofern sich keine andere Möglichkeit bot. In diesem Falle indes lehnte er sich schlichtweg zurück - denn Dünkel, welchem solcherlei Gebaren durchaus mochte zuzurechnen sein, war nichts, was Rom einem Patrizier nicht mochte nachsehen.
    "Gardetribun Faustus Decimus Serapio grüßt Senator und Pontifex pro magistro Manius Flavius Gracchus. Geschätzter Freund", begann Sciurus emotionslos zu lesen, während schon die Erwähnung dieses Namens Gracchus einen wohligen Schauer über den Rücken jagte.
    "Ich sende meinen Cousin Cnaeus Decimus Casca zu Dir, und empfehle ihn Deiner wohlwollenden Aufmerksamkeit. Casca ist ein wortgewandter junger Mann von tiefgründigem Wesen, Scharfsinn und Integrität."
    Der Flavier musterte den jungen Decimus eingehend, um dessen Reaktion auf die Worte seines Vetters zu sehen, respektive ob er den Inhalt des Schreibens bereits in seinem Wortlaut kannte.
    "Mein Cousin hat den Willen, seine Talente in den Dienst des Cultus Deorum zu stellen. Ich unterstütze dies, und bitte Dich, ihm diese Türe zu öffnen. Suche einen guten und strengen Lehrmeister für ihn aus, damit er tüchtig lernt und seiner Familie Ehre macht. Ich danke Dir. Vale bene, Faustus Decimus Serapio." Der Sklave legte den Brief vor Gracchus hin.
    "Faustus ..."
    , dies war zweifelsohne zu vertraulich.
    "Serapio ... hält augenscheinli'h große Stücke auf dich. Ich hingegen vertraue uneingeschränkt seinem Urteil."
    Eine Einführung in den staatspolitischen Kult war üblicherweise eher eine Angelegenheit, welche in den namhaften Familien Roms von Generation zu Generation weitergegeben wurde, doch die Decimi waren längst keine Homines novi mehr, und Gracchus der Familie durch die seltsamen Launen des Schicksales viel zu sehr verbunden als dass er Cascas Wunsch, wiewohl Faustus' Gesuch in seinem Inneren nicht überaus ernsthaft reflektierte.
    "Nun"
    , setzte er sodann ein wenig bedächtig - da noch immer den rechten Weg überlegend - an.
    "Die einfa'hste Möglichkeit einen Einblick in den gesamten Staatskult, sowie die diversen Tätigkeiten der Collegien zu erhalten wäre wohl einen Collegae eine Weile bei seinen Aufgaben zu begleiten, ein ... kultisches Tirocinium sozusagen, ... vorzugsweise bei einem Pontifex."
    Gracchus überflog in Gedanken die Mitglieder des Collegium Pontificum, wägte kurz Cartilius ab, kurz seinen Freund Cornelius Scapula, verwarf indes beide. Wenn es nicht überaus triftige Gründe gab - verwandtschaftliche Beziehungen etwa -, so lehnte Gracchus selbst politisch motivierte Tirocinia an seiner Seite ab - denn wie sollte er, der er der Politik kaum nur etwas abgewinnen konnte, der er im Ringen um politische Macht und Einfluss, im Netz der Machenschaften und Kabalen stets heillos verloren war, wie sollte er einen jungen Mann in dieses gnadenlose Spiel einführen? Der Cultus Deorum indes war sein Parkett, wenn auch im Grunde nicht unpolitisch und nicht ohne Ränke, doch letztlich weitaus überschaubarer.
    "Wenn es dir konveniert ... nun, dann könntest du dies ... an meiner Seite tun?"
    schlug er schlussendlich ein wenig zögerlich vor, beinahe als mochte es Casca wohl einiges an Überwindung kosten können, diese Wahl zu treffen.

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  • Als der Senator und Pontifex meinte, dass er meine Aufrichtigkeit schätzen würde, nickte ich knapp, wobei ich aber dennoch nicht umhin kam, mich ein bisschen peinlich berührt zu fühlen. Nicht weil ich ehrlich gewesen war und zugegeben hatte, dass es mir an Fachkunde und Kompetenz mangelte, für die zum Beispiel Auszeichnungen ein glänzender Hinweis waren. Nein, es lag einfach daran, dass ich die meiste Zeit damit verbracht hatte, dem Müßiggang anheim zu fallen und eben kaum etwas zu tun, was meinem wahren Fortkommen dienlich war. Da konnte selbst ein Ovid nichts dran ändern. Zumindest war es schon einmal gut, dass mein freimütiges Eingeständnis nicht dazu führte, dass ich sofort und umgehend wieder aus der Salutatio entlassen wurde. Ich nickte also unter einem tiefen, beruhigten Atemzug und betrachtete dabei, wie der Flavier das Schreiben meines Vetters an seinen Sklaven weiter reichte, damit die Worte verlesen werden konnten. Dass der Pontifex es nicht höchst selbst mit eigenen Augen tätigte, wunderte mich im ersten Moment kein bisschen. Ich schob diesen Umstand einfach auf die Würden seines Amtes und Standes, die es ihm ermöglichten derart profane Aufgaben einfach zu delegieren. Außerdem hatte ich so die Möglichkeit, den Inhalt des Schreibens ebenfalls zu hören. Immerhin kannte ich ihn ja gar nicht. Ich straffte meine Haltung ein wenig und lauschte den unaufgeregten Lesekünsten des Sklaven.


    Während der Verlesung weiteten sich meine Augen in Überraschung und ich konnte nicht anders, als ein wenig meine Lippen zu schürzen, während meine Gedanken den Aussagen über mich folgten. Ich war wortgewandt? Ja, ja, das hatte Serapio mir ja gestern im Garten gesagt. Mein Mienenspiel wurde entspannter und ein feines, besänftigtes Lächeln trat auf meine Lippen. Ich war tiefgründig, scharfsinnig und voller Integrität! Ich! Das klang doch alles wunderbar und vor allem schmeichelhaft. Mir war gar nicht bewusst, dass ich bei Serapio einen solchen Eindruck hinterlassen hatte, nachdem er mit derartig den Kopf waschen musste. Gut, der Teil des Schreibens, in dem ein guter und strenger Lehrmeister gewünscht wurde, schmeckte mir zwar immer noch nicht und nagte hart an meinem Zartgefühl, welches mir im tiefsten Inneren zu eigen war, aber alles in allem schien der Pontifex recht zu haben und mein Cousin hielt wirklich große Stücke auf mich. Ich nickte schlicht, entschied mich aber dafür den Mund zu halten und die Wirkung des Schreibens nicht durch etwas möglicherweise Unbedachtes zu zerstören, während Flavius Gracchus erklärte, wie die weiteren Schritte in eine Zukunft im Cultus Deorum aussehen konnten.


    Von der Möglichkeit eines kultischen Tirocinium hatte ich noch nie gehört, doch sollte das letzten Endes ja gar nichts heißen. Es würde mir sehr gefallen, an der Seite eines erfahrenen Pontifex Einblicke in die verschiedenen Bereiche zu erhalten und meine Schritte langsam und Zug um Zug in die Welt der Verantwortung zu setzen. Doch Moment! Hatte Flavius Gracchus wirklich 'an der Seite eines Pontifex' gesagt? Meine Lippen formten ein stummes „Oh“, während ich nicht umhin konnte einen gewissen inneren Jubel zu verspüren. Das war ja viel mehr als ich mir erhofft oder auch nur näherungsweise hätte vorstellen können! Aber war noch nicht alles. Ob es mir gefallen würde, an der Seite des Flaviers meine Ausbildung zu beginnen? Zwar war dieser Vorschlag nur zögerlich hervor gebracht worden, ich jedoch zögerte überhaupt nicht. “Ich...“ erhob mich leicht von meinem Sitz, breitete ein wenig die Arme aus und konnte auch ansonsten meiner freudigen Überraschung kaum Herr werden. “Also ich… ja! Ja natürlich!“, sagte ich fest, während es mir bewusst wurde, dass es mich vom Stuhl gehoben hatte. Ich lächelte glücklich und setzte mich umgehend wieder hin. “Ein kultisches Tirocinium. Oh ja. Es wäre wirklich wunderbar. Ich meine… es wäre mir eine große Freude an deiner Seite zu lernen und Einblicke in die Collegien zu erhalten,“ erklärte ich eifrig. “Ich verspreche natürlich meinerseits stets und immer beflissen und aufmerksam zu sein und eine jede Aufgabe, die an mich heran getragen wird zu jedermanns Zufriedenheit zu erfüllen…,“ quoll es ferner aus mir hervor. “...und ich danke dir für diese Möglichkeit!“ Das tat ich wirklich, während ich dem Flavier treuherzig entgegen blickte. “Nenne mir einen Tag und eine Stunde und ich werde sofort und ohne Umwege...quasi gleich und auf der Stelle zu eben jener Stelle sein!“ Serapio würde es bestimmt auch freuen.

  • Einen Augenblick erhob sich der Decimer, dass Gracchus bereits befürchtete, dass er dem Vorschlag gänzlich abgeneigt war und darob sogleich das Weite wollte suchen, doch schlussendlich stimmte er gegenteilig erfreut zu.
    "Gut, dann sei dies beschlossen. Allerdings muss ich dich auch warnen. Der staatli'he Kult dient nicht immer nur dem Wohle der Götter, in erster Linie dient er dem Staat, wodurch er bisweilen größere politische Auswirkungen her..vorbringt als die Politik selbst. Dies kann durchaus enervierend sein."
    Bisweilen hinwieder auch durchaus zufriedenstellend.
    "Sciurus?"
    befragte der Flavier sodann seinen persönlichen Dienstleistungsassistenten nach einem passenden Tag, den dieser ohne Zögern aus dem Stegreif zu nennen wusste.
    "Der Termin mit Renius Buteo in zwei Tagen?"
    "Aber natürlich"
    , erfreute sich Gracchus.
    "Dies ist eine ganz wunderbare Gelegenheit für den Beginn. Renius gehört dem Collegium der Quindecimviri an"
    , erläuterte er sodann Casca.
    "Das Problem indes ist etwa auf der Grenze zwischen fremd..ländischem und römischen Kult. Wir treffen uns de meridie am Tempel des Mercurius am südlichen Circus Maximus."

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  • Oh ja, ich würde pünktlich sein! So pünktlich wie noch nie. Das nahm ich mir sehr fest vor und konnte mich dabei meines strahlenden Gesichtes noch immer nicht erwehren. Besonders nicht, als der Flavius Gracchus verkündete, dass es nun eine beschlossene Sache war. Ich! Ich im Cultus Deorum, selbst wenn auch erst einmal nur als 'Daneben- Steher' und Zuschauer! Dennoch! Ich! Oh, wie ich mich freute! Es freute mich sogar so sehr, dass die Warnung, die er noch aussprach beinahe an mir vorbei gegangen wäre. Aber zum Glück nur beinahe. Ich nickte also ernst und hastig. “Ja, natürlich,“, bestätigte ich. “Wenn der Staat dann allerdings wiederum auch den Göttern weiterhin dienlich ist und ihren Mahnungen folgt, so will ich mich auch nicht enervieren lassen. Ganz bestimmt nicht!“ Dass ich schon enerviert war, wenn mein Sklave oder wahlweise mein Vetter mir ins Gewissen sprach schob ich bei meinen Worten erst einmal beiseite. Hauptsache einen Fuß in der Tür! Und diese Tür war so gigantisch groß, dass ein Fuß allein vielleicht nicht ausreichte, um sie auch offen zu halten. Ich würde mich gut vorbereiten müssen! Doch das war nichts, worauf ich in diesem Moment meine Gedanken lenken konnte.


    Freudig erregt lauschte ich der kurzen Terminabsprache. Renius Buteo. Hatte ich noch nie gehört. Quindecemvir. Also ein Hüter des Rituals. Es war wirklich wunderbar. Das Wunderbare an der Gelegenheit konnte ich mir noch nicht wirklich ausmalen, doch es blieb dabei. Ich, Casca, hatte endlich die Gelegenheit zu zeigen, was neben dem Hang zum Müßiggang, dem ein oder anderen Becher Wein und ein paar Versen von Ovid noch in mir steckte! “Zur Mittagszeit, in zwei Tagen am Mercurius-Tempel,“, bestätigte ich. Muckel würde mir das gleich vor der Tür noch einmal notieren. Nicht weil ich es vergessen würde, sondern weil es doch irgendwie von Würde und Wichtigkeit zeugte, wenn man seinem Sklaven Dinge wie Termine und dergleichen aufschreiben lassen konnte. “Handelt es sich um einen bestimmten fremdländischen Kult, oder ist die Sache eher von allgemeinem Belang?“, wollte ich dann noch vorsichtig wissen. Die Frage war mir bestimmt gestattet, bevor ich meiner Euphorie draußen vor der Tür endgültig Luft verschaffen konnte. “Ich… würde mich dann nämlich ein wenig vorbereiten.“ Das wäre bestimmt nicht schlecht, dachte ich mir.

  • Gracchus zuckte leicht mit den Schultern.
    "Es geht um eine Interpretatio des Mercurius, um welche genau kann ich dir indes nicht sagen. Eine Vor..bereitung wird wohl nicht weiter vonnöten sein, Renius wird uns alles weitere darlegen können."
    Der Flavier selbst bereitete sich auf solcherlei Termine selten vor. Sofern er feststelle, dass mehr Informationen vonnöten waren oder kultische Schriften konsultiert werden mussten, so konnte dies auch hernach geschehen, denn schlussendlich würde wohl kaum jemanden in den Sinn gelangen, sich zu beschweren, dass er auf die Entscheidung oder Weisung einen Pontifex würde warten müssen.
    "Sofern du keine weiteren Fragen hast, treffen wir uns in zwei Tagen."

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  • Wie gebannt – ja, fast lauernd - waren meine Blicke auf den Pontifex gerichtet gewesen. In mir brannte schier der gute Wille, mich durch gute Vorarbeit auf das Treffen in zwei Tagen einzustimmen. Eine Interpretatio also. Ich nickte wieder, auch wenn ich nicht in Erfahrung bringen konnte, was aus welchem Fremdkult denn dem Mercurius angeglichen werden sollte. Aber was sollte es schon. Ich würde dabei sein! Nein, Fragen hatte ich nicht mehr, also erhob ich mich neuerlich von meinem Sitz und verabschiedete mich. “Vielen Dank noch einmal, Pontifex Flavius!“, sagte ich. “Fragen habe ich nicht mehr, aber ich freue mich sehr auf alles was da kommen mag!“ Schon wollte ich zu neuerlichen Versprechungen anheben, entschied mich aber dann dagegen. Unter einem freundlichen, verkappt überschwänglichen Gruß verließ ich nun die Salutatio, indem ich durch die Tür schritt, die man mir öffnete.


    “Und?“, wollte Muckel wissen, der auf der kleinen steinernen Bank brav und artig gewartet hatte und sich nun erhob, um mir entgegen zu kommen.


    Schnell vergewisserte ich mich, dass der Nomenclator die Tür auch wieder gut hinter mir verschlossen hatte, ehe ich tief nach Atem schöpfte und einen Freudenruf ausstieß. Dabei hatte ich leicht meine Faust geballt und meinem Körper einigen Schwung verliehen, mit dem ich auch sogleich auf den Ausgang zu hielt. Dabei redete ich wild mit den Händen gestikulierend auf Muckel ein.


    “Oh Muckel! Du wirst mir gleich notieren, dass ich in zwei Tagen zur Mittagszeit beim Merciuriustempel sein muss. Ich bin ja schon so aufgeregt! Weißt du, ich werden ein kultisches Tirocinium machen, beim Pontifex pro magistro höchst persönlich. Und Renius Buteo will in einer Angelegenheit der Fremdkulte in Bezug auf Mercurius den Pontifex sprechen und ich werde dabei sein … weißt du… ich. Hach, das wird Serapio freuen, und mich erst… ich glaube, ich werde Fortuna ein Opfer ein bringen[size=7]… wir müssen da natürlich so schnell es geht zum Forum Boarium[/size][size=6]… weißt du, wenn ich jetzt schon im Cultus Deorum...“[/size], verebbten meine eifrig dahin gequasselten Worte im Atrium.

  • Heute erschienen überraschend zwei Personen zur Salutatio, die bisher noch nie in der Villa Flavia Felix aufgetaucht waren. Ihr Äußeres ließ durchaus auf Wohlstand schließen, obwohl einer von beiden eine krumme, frisch verheilte Nase hatte. Sie meldeten sich beim Nomenclator als Numerius Apustius Carbonius und Tiberius Aquilianus Privatus an und baten darum, den Aedil Flavius Scato in einer juristischen Angelegenheit zu sprechen.

  • Scato war noch lange nicht so ein alter Hase in diesen familiären "Sprechstunden" wie sein Verwandter Gracchus. Jedoch, und er legte Wert auf diesen Umstand, wurden seine eigenen Salutationes gefühlt länger und länger, und als Aedil bestanden nun auch seine beruflichen Zeiten oftmals aus derartigen Situationen, sodass er mehr und mehr Routine in diesen Dingen gewann.
    Die heutigen Gäste passten jedoch nur bedingt ins sonstige Bild der Bittsteller und Scato, eigentlich etwas unter Zeitdruck aber auch getrieben von der Neugierde auf die unbekannten, einen Umstand den er sich natürlich niemals anmerken lassen würde, lies die beiden zu sich vortreten.
    "Willkommen in der Villa Flavia Felix. Bitte, nur zu, nehmt Platz und sprecht." forderte er sie auf und war gespannt auf das Anliegen.

  • Die beiden Besucher traten ein. Der eine war etwas kräftiger, hatte einen kahlen Kopf, dafür jedoch einen leichten Bartschatten. Er blickte finster drein und zupfte immer wieder an seiner Toga herum - offensichtlich trug er sie nicht sehr oft. Der andere war dagegen schmal und hochgewachsen, seine Toga und sein ganzes Auftreten war makellos - mit Ausnahme der offensichtlich gebrochenen Nase, die wie ein Fremdkörper an der sonst so geordnete Person wirkte.
    "Salve, Aedil Flavius." grüßte letzterer mit leicht näselnder Stimme. "Ich bin Tiberius Aquilianus Privatus, kaiserlicher Procurator der Minen von Populonia. Dies hier ist Numerius Apustius Carbonius, Publicanus für eine der Minen in meinem Amtsbereich." Wie geboten nahmen die beiden Platz. Carbonius sah weiter finster drein, jedoch übernahm sowieso der Procurator das Reden:
    "Wir sind auf der Suche nach einem Advocatus. Wir wollen einen Soldaten der Cohortes Urbanae verklagen, der übel mit uns mitgespielt hat. Sehr übel. Es geht um Körperverletzung, Amtsmissbrauch, Beleidigung, Nötigung und vieles mehr." "Sachbeschädigung nicht zu vergessen!" warf Carbonius noch ein. Es schien geradezu aus dem Procurator herauszuplatzen, denn anstatt Scato erst einmal Gelegenheit zu geben, sich zu dieser Anfrage zu äußern, begann er nach dem Einwurf seines Begleiters sofort zu erzählen: "Der Mann namens Nero Germanicus Peticus war Teil einer Eskorte deines Verwandten Manius Flavius Gracchus Minor. Aus Anlass einer versuchten Flucht eines von Carbonius' Sklaven riss er plötzlich die Leitung der Prüfung an sich. Er beleidigte uns grob, woraufhin wir ihn natürlich zur Ordnung riefen. Allerdings war er offensichtlich verrückt und hielt sich wohl für größer als der Kaiser persönlich. Er reagierte mit weiteren Beleidigungen, beschuldigte uns der Veruntreuung staatlicher Gelder und brach mir unter anderem die Nase. Zu guter Letzt führte er uns wie gemeine Schwerverbrecher nach Rom, wo unsere Qual endlich ein Ende hatte." Privatus atmete durch. "Ich weiß nicht, wie viele Gesetze dieser Spinner mit dieser Aktion gebrochen hat. Deshalb sind wir zu dir gekommen: Wir wollen Genugtuung für diese Beleidigung! Wir wollen, dass dieser Wahnsinnige genauso leidet wie wir leiden mussten!"
    Ein Funkeln war in den Augen des Procurators aufgetaucht. Der Mann wollte ganz offensichtlich Rache!

  • Scato war überrascht über die Wasserfallartige Erzählform seiner Gäste doch er ließ sie freilich erstmal gewähren, schließlich hatten sie ihr Anliegen scheinbar nicht in Gänze vorgetragen und er wollte nicht unhöflich wirken. Als sie dann fertig waren hob Scato kurz die Augenbrauen und erhob dann das Wort...
    "Nun, auch ich finde das der Mann trotz seines achtbaren Dienstes für Rom zur Rechenschaft gezogen werden muss. Jedoch bin ich Aedil und besitze keine Befugnis mich für derartige Strafverfolgungen einzusetzen." erklärte der Flavier recht nüchtern sein Amt, denn an die Idee als Advocatus auftreten zu können kam er gar nicht. Er hatte unter der gewaltigen Wortlast seiner Gäste, beziehungsweise einem seiner Gäste, diesen Satz schon wieder vergessen und sich gänzlich auf den Tathergang und die vorgeworfenen Taten konzentriert.

  • Carbonius runzelte die Stirn, doch Aquilianus Privatus ergriff sofort das Wort: "Wir sind auch nicht zu dir in deiner Eigenschaft als Aedil gekommen, sondern als Redner." Scato war zuletzt ja als solcher aufgetreten. "Wir möchten dich bitten, unseren Fall vor dem Praetor als Advocatus zu vertreten. Das ist doch nicht verboten, oder?" Natürlich würde ein römischer Magistrat und Senator als Anwalt sicherlich Eindruck machen - deshalb waren sie heute hier (abgesehen von dem Umstand, dass der Gefragte ein Verwandter des ebenfalls geschädigten jungen Gracchen war).

  • Scato runzelte ebenfalls die Stirn, hatte er was überhört? Vielleicht, vielleicht auch nicht, doch die Aussicht auf ein rednerisches Duell und einen möglichen Sieg weckte den Ehrgeiz im Flavier, einen Umstand, den er natürlich eilig hinter einer abwiegelnden Handgeste zu verbergen suchte.
    "Ich verstehe. Nun, nein, verboten ist es nicht. Es war eine kluge Entscheidung in dieser Angelegenheit zu mir zu kommen." erklärte Scato so als ob er schon hunderte Fälle gewonnen hätte "Ich werde euch gewiss helfen." hauptsächlich ging es ihm freilich um Manius Minor doch warum sollte man sich nicht etwas im Sonnenlicht suhlen wenn man gerade einmal die Möglichkeit dazu hatte?

  • "Das ist gut!" rief Carbonius und schaute endlich etwas zufriedener drein. Aquilianus hielt sich mit Gefühlsausbrüchen noch etwas zurück.
    Stattdessen kam er direkt zum Geschäft: "Dann sollten wir umgehend eine Klageschrift gegen diesen Germanicus aufsetzen!" Er fuhr sich über die inzwischen verheilte Nase. "Ich will Schadenersatz für diese Entstellung, die Beleidigung und die Schmerzen, die dieser Wahnsinnige mir bereitet hat!"

  • Der stoische Ianitor hatte Caius und seinen Sklaven Polydorus eingelassen, so dass sie nunmehr ins Atrium zur Salutatio vordringen konnten. Dort reihten sie sich in die Schlange von Klienten und Bittstellern ein. Caius hatte Geduld im Gepäck. Er wusste, dass eine Salutatio bisweilen lange dauern konnte und hoffte darauf, dass man in der Villa Flavia als Wartender mit Erfrischungen und Frühstück versorgt wurde, wie es sich in manchen Haushalten mit der Zeit eingebürgert hatte.
    Und während Caius und sein Sklave sich die Beine in den Bauch standen, wanderten sie Schritt für Schritt weiter nach vorn, um schließlich vor Caius Flavius Scato zu treten, als sie an der Reihe waren.

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